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„Gut gemeint, aber nicht mehr katholisch“
Eine Replik zum Beitrag „Die Hölle“ von Paul Hildenbeutel (2004)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Eine Kurzfassung dieser Replik wurde auf kath.net publiziert.

Der in der Zeitschrift „Theologisches“ (12/2004) publizierte Beitrag von Pfarrer Paul Hildenbeutel, Bingen-Dromersheim, mit dem Titel „Die Hölle“[1] verlangt eine kritische Stellungnahme.

Die Lehre der Kirche über die Hölle

Das Anliegen des Autors ist anzuerkennen, die katholische Glaubenswahrheit von der Hölle wieder zur Geltung zu bringen. Nicht selten erfolgte in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch bei katholischen Priester, Theologen und Gläubigen entweder eine direkte Leugnung dieser Wahrheit, oder aber es gab und gibt zumindest eine verschämte Unsicherheit, sich offen dazu zu bekennen. Demgegenüber erinnert der „Katechismus der Katholischen Kirche“ ganz klar daran, dass es einen „Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen“ gibt, den man „Hölle“ nennt.[2] „Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott, in dem allein der Mensch das Leben und das Glück finden kann, für die er erschaffen worden ist und nach denen er sich sehnt.“[3] Ausdrücklich heißt es im „Katechismus der Katholischen Kirche“: „Niemand wird von Gott dazu vorherbestimmt, in die Hölle zu kommen; nur eine freiwillige Abkehr von Gott (eine Todsünde), in der man bis zum Ende verharrt, führt dazu.“ Als kirchlich relevante Stellungnahmen für diese letzte Aussage werden angeführt das 2. Konzil von Orange[4] sowie das Konzil von Trient[5].

Die Auffassungen von Paul Hildenbeutel zur Hölle

Im Beitrag von Paul Hildenbeutel wird die These vertreten, es gäbe gleicherweise eine Vorherbestimmung für den Himmel wie auch eine Vorherbestimmung für die Hölle. Gott sei es also letztlich, der es verantworte, wofür sich der Mensch entscheide. So wörtlich: „Der Mensch kann nicht eigenmächtig und absolut wählen zwischen Himmel und Hölle. Er wäre völlig überfordert durch diese Entscheidung. Er kennt weder den Himmel noch die Hölle. Wie sollte er sich entscheiden? Auch kann er bei keiner seiner Entscheidungen auf Erden das volle Ausmaß an ewiger Wirkung ermessen. Daher hat der gütige Gott ihm die Entscheidung abgenommen. In seiner Vorherbestimmung hat er klar festgelegt, wer in den Himmel kommt und wer in die Hölle. Und seine Vorherbestimmung ist unabänderlich. Wir, seine Geschöpfe, sind daher in dieser so wichtigen Sache entlastet.“[6]

Himmel und Hölle werden als letztlich gleichwertige Alternativen vorgestellt. Es brauche gleichsam das Äquivalent der Hölle für die Bösen, um auch die Möglichkeit des Himmels für die Guten zu sichern. „Einerseits gibt es den Himmel, die ewige Gemeinschaft mit Gott. Muss es dann nicht zum Ausgleich die Hölle geben als ewige Ferne von Gott? Zumindest wird dadurch bewirkt, dass alle im Himmel ihre Seligkeit als ungeschuldetes Geschenk Gottes erkennen.“[7] Hildenbeutel weiter: „Himmel und Hölle sind demnach die notwendige Ergänzung füreinander. Und erst dadurch wird Gottes Schöpfung vollkommen.“[8]

Wer zur Hölle vorherbestimmt ist, findet nach Auffassung von Hildenbeutel darin sogar seine eigene Erfüllung. „Denn auch wenn der Mensch auf ewiges Leben und ewige Erfüllung hin angelegt ist, muss diese Erfüllung doch nicht notwendig im Himmel gegeben sein“, meint Hildenbeutel[9]. Gott „gewährt“ dem Sünder „diese Gottferne, um für das ewige Leben in der Hölle gerüstet zu sein. In der Hölle erfüllt sich das, was der Teufel und sein Anhang immer gewollt haben. Sie dürfen sich nach Herzenslust austoben. Nichts fehlt ihnen zu ihrem Glück. … Es kommt ihnen vor, als gewähre Gott ihnen nichts anderes, als was sie schon immer für sich gewollt haben.“[10] Der Autor meint weiter, Gott „wäre … geradezu sadistisch, wenn er den Menschen in der Hölle die Freude des Himmels dauernd vor Augen stellen würde. Nein, Gott überlässt die Hölle sich selbst, damit ihr ihre Weise der ewigen Erfüllung genügen kann.“[11]

Schwerwiegende Anfragen gegen das dargestellte Verständnis

Vom katholischen Glaubensstandpunkt aus ergeben sich schwerwiegende Anfragen gegen eine solche Sichtweise, wie sie Hildenbeutel darstellt und vertritt. Die Kirche hält im Hinblick auf das Mysterium der Prädestination als von Gott geoffenbarte Wahrheit fest: „Gott hat durch seinen ewigen Willensentscheid bestimmte Menschen zur ewigen Seligkeit vorherbestimmt.“[12] Im Hinblick auf die ewige Verwerfung einzelner ist die Auffassung der Kirche jedoch eine konditionale: „Gott hat durch seinen ewigen Willensratschluss bestimmte Menschen wegen ihrer vorhergesehenen Sünden zur ewigen Verwerfung vorherbestimmt.“[13]

Wenn es wirklich eine Vorherbestimmung des einzelnen Menschen zur Hölle unabhängig von seinen in der freien Entscheidung gegen Gott begründeten Missverdiensten gäbe (wie Hildenbeutel anzunehmen scheint), dann würde der allgemeine Heilswille Gottes geleugnet.[14] Gott will jedoch wirklich, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Jedem Menschen gibt er ausreichend Gnade, sodass er gerettet werden kann. Die Kirche hat die Auffassung einer positiven Vorherbestimmung von Gott zur Sünde und eine unbedingte Vorherbestimmung zur ewigen Höllenstrafe daher abgelehnt. Der häretische Prädestinatianismus wurde als Irrlehre verworfen, da damit die Universalität des göttlichen Heilswillens geleugnet wird sowie letztlich auch die Gerechtigkeit Gottes und die Freiheit des Menschen.[15]

Der Diskussionsbeitrag von Paul Hildenbeutel geht außerdem allem Anschein nach davon aus, dass es verschiedene Endziele für verschiedene Arten von Menschen gibt. Die Bösen würden in der Hölle ihr Glück und ihre Erfüllung finden, während die Guten zur Anschauung Gottes im Himmel berufen seien. Der Einwand dagegen ist ein doppelter: Erstens ist es schon auf der rein natürlichen Ebene unangemessen, dass Gott die schöpfungsgemäße Einheit des Menschengeschlechtes durch die Festsetzung verschiedener Endziele gleichsam aufhebt. Zweitens gibt es in der gegenwärtigen Heilsordnung tatsächlich nur eine einzige Berufung der Menschen, die göttliche, sowie nur ein einziges übernatürliches Ziel: die Erkenntnis und Liebe Gottes in der seligen Vereinigung mit ihm in der Herrlichkeit des Himmels.[16]

Eine andere Frage ist, ob alle Menschen dieses ihnen von Gott gesetzte und durch das Angebot seiner Gnade wirklich und nicht bloß scheinbar ermöglichte Ziel auch tatsächlich erreichen. Die Zielverfehlung als solche ist jedoch dem Versagen der menschlichen Freiheit anzulasten. Sie ist ein Negativum und darf nicht wiederum positiv gedeutet werden, so als ob die Verdammten dann eben ein anderes Ziel erreichen würden, das ihrer gottbestimmten Berufung entsprechen könnte. Sie sind vielmehr aus eigener Schuld ihrer göttlichen Berufung untreu geworden und haben sich bis zuletzt dem Angebot der Gnade zur Bekehrung widersetzt. Gott, der gerecht ist, lässt dies zu[17]; er achtet in seiner Liebe die Freiheit des Menschen auch dort, wo sich dieser gegen ihn entscheidet. Die Hölle ist somit die abgründige Möglichkeit der in Freiheit gewählten Verfehlung jenes Zieles, für das uns Gott geschaffen hat: die ewige Herrlichkeit des Himmels. Da wir aber begründeter Hoffnung sein dürfen, dass Gott unser persönliches Heil wirklich will, gibt es keinen Grund für Angst und Resignation. Es gibt keinen Determinismus der einzelnen durch Gott zur ewigen Verdammnis. Gott will nur das Gute für uns, und er lädt uns durch das Erlösungsgeheimnis Christi in den Gnadenmitteln seiner Kirche ein in sein himmlisches Reich. Auf dieses Ziel gilt es zu schauen und nicht auf ein angeblich ebenso erstrebenswertes Äquivalent in der Hölle.[18]

Der Beitrag von Paul Hildenbeutel über die Hölle mag gut gemeint sein; dennoch widerspricht er dem Inhalt nach in wesentlichen Punkten der katholischen Glaubenslehre.

 

 


 

[1] Paul Hildenbeutel, Die Hölle, in: Theologisches 34 (2004) 675–680.

[2] KKK 1033.

[3] KKK 1035.

[4] In seiner “Conclusio” hatte das Concilium Arausicanum erklärt (in: DS 397): “Aliquos vero ad malum divina potestate praedestinatos esse, non solum non credimus, sed etiam, si sunt, qui tantum mali credere velint, cum omni detestatione illis anathema dicimus.“ (“Dass aber manche durch göttliche Macht zum Bösen vorherbestimmt seien, das glauben wir nicht nur nicht, sondern wenn es solche gibt, die so Schlimmes glauben wollen, dann sagen wir diesen mit aller Verabscheuung: Sie sind ausgeschlossen.” – Eigene Übersetzung entsprechend dem lateinischen Text.)

[5] Das Konzil von Trient erklärt in Can. 17 zum „Dekret über die Rechtfertigung“ (in: DS 1567): „Si quis iustificationis gratiam non nisi praedestinatis ad vitam contingere dixerit, reliquos vero omnes, qui vocantur, vocari quidem, sed gratiam non accipere, utpote divina potestate praedestinatos ad malum: anathema sit.” (“Wenn jemand behauptet, die Gnade der Rechtfertigung werde nur den zum Leben Prädestinierten zuteil, die übrigen aber, die berufen werden, würden zwar berufen, könnten aber die Gnade nicht empfangen, insofern sie durch die göttliche Macht zum Bösen prädestiniert seien: dieser sei ausgeschlossen.“ – Eigene Übersetzung entsprechend dem lateinischen Text.)

[6] Hildenbeutel, a.a.O., 676.

[7] Hildenbeutel, a.a.O., 677.

[8] Hildenbeutel, a.a.O., 680.

[9] Hildenbeutel, a.a.O., 679.

[10] Hildenbeutel, a.a.O., 679.

[11] Hildenbeutel, a.a.O., 680.

[12] Ludwig Ott, Grundriss der Dogmatik, Freiburg 198110, 292; ähnlich Leo Scheffczyk, Die Heilsverwirklichung in der Gnade. Gnadenlehre (Bd 6 der „Katholischen Dogmatik“), Aachen 1998, 220. Thomas von Aquin bestimmte die katholischerseits festgehaltene Prädestination zum Guten als „praeparatio gratiae in praesenti et gloriae in futuro“ (d.h. als „Zubereitung der Gnade in der Gegenwart und der Verherrlichung in der Zukunft“): STh I q.23 a.2.

[13] Ott, a.a.O., 295. Hervorhebung von mir.

[14] Die „Entscheidung des freien Willens des Menschen bewirkt es, dass der universale Heilswille Gottes zu einem auserwählenden Willen wird.“ – Scheffczyk, a.a.O., 207.

[15] Ott, a.a.O., 295.

[16] Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, GS 22: „Da nämlich Christus für alle gestorben ist (vgl. Röm 8,32) und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein.“ In GS 24 heißt es: „Gott, der väterlich für alle sorgt, wollte, dass alle Menschen eine Familie bilden und einander in brüderlicher Gesinnung begegnen. Alle sind ja geschaffen nach dem Bild Gottes, der ‚aus einem alle Völker hervorgehen ließ, die das Antlitz der Erde bewohnen’ (Apg 17,26), und alle sind zu einem und demselben Ziel, d. h. zu Gott selbst, berufen.“ – Hervorhebungen von mir.

[17] Auf die Problematik der „praemotio physica“ kann hier nicht näher eingegangen werden: Wenn Gott das absolute Sein – das „ipsum esse subsistens“ – ist, dann ist er zugleich auch die erste Ursache aller außergöttlichen Dinge und damit auch des menschlichen Wollens, welche als Zweitursachen gelten. Im Hinblick auf die Sünde und den Abfall des Menschen von seinem Weg zum Endziel gilt dann: Gott will die Sünde nicht (sonst würde er sich selbst widersprechen), er lässt sie aber in der Weise erstursächlicher Ermöglichung zu, obwohl er die Freiheit des Menschen durch seine Gnade so erheben könnte, dass der Mensch sich jedenfalls für ihn entscheiden würde. Das Zusammenwirken von göttlicher Allmacht und menschlicher Freiheit, bei dem die absolute Souveränität Gottes gewahrt wird und er nicht einfach vom Menschen determiniert wird und umgekehrt auch die menschliche Freiheit zu keiner bloß scheinbaren verkommt, bleibt ein unauslotbares Mysterium, das nur im Licht von 1 Joh 4,8.16 erahnt werden kann: „Gott ist die Liebe.“ Jedes Geheimnis göttlicher Berufung und Vorherbestimmung kann nur ein solches des Ausdrucks und der Verwirklichung göttlicher Liebe sein. Im Hinblick auf diese Zusammenhänge vgl. die Ausführungen von Reginald Garrigou-Lagrange, Der Sinn für das Geheimnis, Paderborn 1937, neu aufgelegt Bonn 2004. – Ich danke dem Herausgeber von „Theologisches“, Dr. David Berger, für den in dieser Anmerkung verarbeiteten fruchtbaren Hinweis.

[18] Zur grundlegenden Orientierung in Fragen der Eschatologie vgl. Michael Stickelbroeck, Nach dem Tod. Himmel – Hölle – Fegefeuer, Augsburg 2004.