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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Das folgende Interview erschien in NEWS, 13.07.2000, Seite 36-37

Krenn: „Froh, dass Dialog tot ist“

KIRCHE. Kurt Krenn im NEWS Sommergespräch über den Papst, die neuen Bischöfe und den Fall Groer.

Österreichs streitbarster Bischof, Kurt Krenn, geht am 15. September in sein mittlerweile zehntes Amtsjahr in der Diözese St. Pölten. Keineswegs mehr so heftig umfehdet wie seinerzeit, aber wortgewaltig wie eh und je. So befürwortet er - im Gegensatz zu Christoph Kardinal Schönborn - die EU-Volksbefragung. Und anders als Schönborn sieht er auch den innerkirchlichen „Dialog“ im Gefolge des Kirchenvolks-Begehrens: Während der Kardinal den Dialog „sanft weiterführen“ will, hält ihn Krenn mangels katholischer Substanz bereits für tot. Das NEWS-Sommergespräch mit Bischof Kurt Krenn:

NEWS: Herr Bischof, gehen  Sie zur EU-Volksbefragung hin?

Krenn: Das ist ostentative Demo­kratie, eine legale Möglichkeit, Politik zu machen. Ich werde vielleicht, wahrscheinlich sogar teilnehmen, wenn die Fragen gut gestellt sind.

NEWS: Sie selbst würden zur Volksbefragung gehen, Kardinal Schönborn jedoch hält sie für ungeeignet.

Krenn: Da sind wir eben verschiedener Meinung. Das ist alles.

NEWS:  War das nicht der Aufruf des Kardinals an die Katholiken, eben nicht hinzugehen?

Krenn: Ich weiß nicht, ob er das be­absichtigte. Ich meine, es soll jeder handeln, wie er will. Wir Bischöfe haben zuletzt nirgendwo Verhaltensweisen besonders empfohlen, auch nicht bei der EU-Beitrittsabstimmung. Da haben wir sicher fast zu viel Sympathie für die EU gezeigt.

NEWS: Exzellenz, wie sehen Sie die Lage der Österreichischen Bischofskonferenz? Dort scheint es ruhig zu sein, fast harmonisch.

Krenn: Wir waren vorher viel einiger, als man meinte, und wir sind heute nicht so harmonisch, wie man wiederum glaubt.

NEWS: Das spektakulärste Ereignis zuletzt war der Abschied des Exsekretärs der Bischofskonferenz, Monsignore Wilhelm. Er wirft Ihnen indirekt vor, Schuld an seinem Abgang zu sein.

Krenn: Ich habe ihn seinerzeit sehr geschätzt, ihn immer für alle möglichen Aufgaben empfohlen, ihn auch als Bischofskonferenz-Sekretär gewählt. Aber hat er einige Dinge gesagt, die dogmatisch-theologisch nicht in Ordnung sind. Ein tüchtiger Sekretär, aber kein großer Theologe. Daher ist sein Abgang nicht gravierend.

NEWS: Wilhelm sprach sich zuletzt massiv für eine Öffnung der Kirche aus, ebenso für den Kirchendialog.

Krenn: Das alles war früher nicht seine Position. Da war er dagegen.

NEWS: Das Kirchenvolks-Begehren legt fünf Jahre zurück, der nachfolgende Dialog zerbröselt. Ihr abschließendes Urteil zu beidem? 

Krenn: Wir haben nirgendwo prüfbare Ergebnisse. Waren es wirklich 505.000, die damals abgestimmt haben? Ich habe da so meine Zweifel. Zum Inhalt: Gut, Wünsche vorzutragen ist o.k. Aber diese Wünsche des Volksbegehrens, die waren einfach unkatholisch, daher auch nicht einbringbar vom Volk Gottes.

NEWS: Immerhin aber gab es eine Salzburger Dialog-Tagung, wo es hieß, der Dialog werde trotz kritischer Einwände durch Sie doch weitergehen.

Krenn: Ja. Aber in Salzburg ist doch nix herausgekommen. Ich kann das beurteilen, ich war ja – zum Unterschied von Kardinal Schönborn, der damals kurzfristig ins Krankenhaus musste - dort dabei. Es konnte auch gar nix herauskommen, weil, wie gesagt, die For­derungen schlicht unkatholisch sind. Eigentlich bin ich froh, dass dieser Dialog faktisch tot ist.

NEWS: Rom meldete sich kürzlich spektakulär zu Bischofsernennungen in Österreich zu Wort. Anlassfall war die anstehende Nachfolge von Bischof Weber in Graz. Sollen die Ernennungen weiterhin direkt von Rom erfolgen, oder finden Sie das Modell, das Weber in Graz eingeführt hat – dass er sich quasi seinen eigenen Nachfolger wünschen darf -, richtig?

Krenn: Wir sind doch keine Großbauern, die da langsam ihren Hof übergeben und sich ihren Hofknecht dafür heranziehen. Ich jedenfalls verpflichte mich heute schon vor ganz Österreich - ich werde auf die Wahl meines Nachfolgers sicher keinen Einfluss nehmen. Das steht mir nicht zu. Anderen Bischöfen auch nicht. Das ist wirklich eines der Grundrechte des Papstes. Und für die Kirche ganz gut, dass nicht gewissermaßen der eine den anderen Freund wählen, sich die Diözesen ihre Bischöfe selbst aussuchen können.

NEWS: Die Ortskirche hat also weiter absolut nichts mitzureden.

Krenn: So ist es nicht, dass es keine Befragung gäbe. Wir Bischöfe werden immer über Kandidaten befragt. Was Rom nicht will ist, dass es eine Bischofsfindung in einer Versammlung gibt. Aber Rom lässt durchaus zu, dass besonders der örtliche Nuntius die Schlüsselrolle bei den Ernennungen hat. Unser Nuntius in Österreich, Donato Squicciarini, ist ein hervorragender Mann mit fairer Gesinnung.

NEWS: Squicciarini dürfte Österreich bald verlassen, er wird in Rom als künftiger Kar­dinal gehandelt.

Krenn: Ich wünsche es ihm, er hat es sich wohl verdient, trotzdem wäre ich froh, wenn er bliebe.

NEWS: Sollte der Nuntius im Herbst nach Rom gehen, fallen dann noch vorher die anstehenden Personalentscheidungen?

Krenn: Ich weiß es nicht, würde es aber wünschen. Dass er, sollte ihn der Papst ins Kardinalskollegium berufen, die Dinge hier noch so weit fertig macht, dass wir die nächsten Amtsbesetzungen und die eventuell neuen Bischöfe noch bekommen.

NEWS: Welche Bischofsstühle werden vakant? Graz, Salzburg?

Krenn: Letzterer nicht sofort, und es kann auch passieren, dass jemand nach Graz kommt, der jetzt schon Bischof ist. Dann wird ein anderer Bischofssitz frei.

NEWS: Für Graz tauchen die Namen Andreas Laun (Salzburger Weihbischof), Abt Henkel-Donnersmark (Heiligenkreuz, NÖ) sowie der des Grazer Stadtpfarrers, Heinz Schnuderl, auf. Realistisch?

Krenn: Schon, ja, ich halte das für denkbar. Aber es können auch andere Persönlichkeiten sein, wobei ich Bischof Weber nicht einen Tag seiner noch verbleibenden Re­gierungszeit absprechen möchte. Aber die beiden Erstgenannten wären sehr gut. Rom wird uns alle schon fragen, wer was werden soll.

NEWS: Spielen auch Sie bei diesen Revirements eine Rolle, indem Sie womöglich Ihren Aufgabenbereich wechseln?

Krenn: Das weiß man nicht, ich glaube nicht. Mit solchen Gedanken habe ich mich noch nie befasst. Aber wenn ich meine, wenn es irgendwas ist, das ich tun soll, dann tue ich's eben. Aber ich hoffe auf absolut nichts, ich bin hier in St. Pölten sehr zufrieden. Außerdem gilt für mich: Was immer der Papst will, das tue ich.

NEWS: Exzellenz, wie geht es Altkardinal Hans-Hermann Groer?

Krenn: Gut, er ist gesundheitlich stabil. Natürlich, er ist krank, hat Krebs. Aber er ist stabilisiert.

NEWS: Die Affäre um ihn hat er sicherlich längst schon verdaut?

Krenn: Nach wie vor - es ist ihm großes Unrecht geschehen. Ich halte die Vorwürfe gegen ihn nach wie vor für unzutreffend. Es ist ihm übel mitgespielt worden.

NEWS: Aber vier Ihrer Brüder im Amt kamen damals „zur moralischen Gewissheit“, dass die Vorwürfe stimmen.

Krenn: Wie die vier mit dieser ihrer Aussage leben und umgehen, nun, das ist deren Sache.

NEWS: Sie verfügen über bestes Wissen vom Papst. Kann man sagen, dass Groer in Rom, im Vatikan, beim Papst eine ,,persona grata" ist? Hat er dort noch jenen Stellenwert, der einem Kardinal entspricht, oder ist er angeschlagen?

Krenn: Abgesehen davon, dass ich mit dem Papst für ihn gesprochen habe, zwei Fakten: Der Papst hat Groer letzten Dezember, anlässlich dessen 80. Geburtstags, ausdrücklich nach Rom eingeladen, um ihn zu treffen. Ein zweites Mal hat ihn der Papst heuer zu seinem eigenen Geburtstag eingeladen, im Mai. Es ist so, dass der Papst sich ganz sicher freut, wenn er Groer sieht, dass er Wertschätzung für ihn hat.

NEWS: Zu den Kirchenaustritten. Sie steigen zwar nicht exzessiv, aber sie steigen. In St. Pölten jedoch nicht, im Gegenteil. Ihre Analyse?

Krenn: Ich bin zutiefst froh, wenn bei uns die Gläubigen zur Kirche stehen. Es ist das größte Problem für viele Menschen, dass sie ihre Kirchen­beitrage nicht zahlen wollen. Zudem gibt es oft ärgerliche Ereig­nisse, wie etwa die Ersetzung des Generalvikars in Wien - das haben wir alle ein bissl gespürt.

NEWS: Helmut Schül­ler erhielt den Entlas­sungsbrief durch die Türritze.

Krenn: Ja, bitte, aber deswegen tritt man doch nicht aus der Kirche aus. Kardinal Schönborn wollte besonders feinfühlig sein, was aber genau ins Gegenteil umschlug. Das war Pech, nix anderes. Ich selbst würde ein Entlassungsschreiben nicht durch den Türschlitz schieben, ich würde den Betreffenden schon packen und ihm voll die Länge ausmessen.

NEWS: Wie bewerten Sie an der Schwelle zum 10. Amtsjahr die Situation in Ihrer Diözese St. Pölten?

Krenn: Komischerweise, obwohl ich an sich nicht der beliebteste Bischof bin, habe ich zusammen mit dem burgenländischen Bischof Paul Iby die kleinsten Austrittsprobleme. Ich hoffe, dass das so bleibt, ich danke Gott dafür.

NEWS: Warum ist das bei den beliebten Bischöfen wie Weber in Graz oder Schönborn in Wien anders?

Krenn: Da liegen die Grunde in der Struktur. Das sind urbane, von Großstädten geprägte Diözesen. Für mich ist es irgendwo leichter, den Gläubigen zu sagen: Bleibt in der Kirche, wir brauchen euch. Ihr werdet gerettet. Wer jedoch die Kirche verlässt, der verlässt auch den Heilsweg.

INT.: ALFRED WORM, HUBERT WACHTER


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 13.07.2000.

 

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