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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 1994

1. In wenigen Stunden fällt das Jahr 1994 in den Schoß der Vergangenheit und kehrt daraus nie wieder zurück. Laßt uns Gott preisen, der der Schöpfer der Welt, der Herr der Geschichte und die alles Gute gewährende Vorsehung ist.

Die Geschichte schreitet weiter fort; erkennen wir die Zeichen der Zeit und folgen wir den Absichten Gottes in Kirche und Welt. In die erfüllte Zeit sandte Gott seinen Sohn, geboren von der Jungfrau und Gottesmutter Maria. Christus wollen wir folgen, denn er ist nicht nur Herr der Geschichte, er ist auch das Subjekt der Geschichte, denn er eint sich mit jedem Menschen, sodaß alles, was dem Menschen angetan wird, Christus selbst angetan wird: das Gute und das Böse. Am Ende der Zeiten wird Christus wiederkommen und uns richten nach unseren guten Werken, Sünden, Fehlern, Irrtümern, Versäumnissen und Unterlassungen.

2. Laßt uns in dieser Stunde Gott für alle Wohltaten danken; laßt uns unsere Sünden bereuen; laßt uns vor Gott Besserung versprechen. Laßt uns einander Dank sagen und auch voreinander um Verzeihung bitten. Versöhnt mit Gott, wollen wir Gemeinschaft und Frieden miteinander suchen. Mit Gottes Gnade und auf die Fürsprache der Gottesmutter möge es gelingen.

3. Als Bischof will ich den Gläubigen der Diözese danken: für ihr Festhalten an der Wahrheit des Glaubens, für ihre Treue zur Kirche und für ihr gelebtes Christ-Sein. Unseren Priestern und Diakonen danken wir für ihren nimmermüden, gewissenhaften Dienst zum Heil der Seelen. Den Mitarbeitern und Helfern in verschiedenen Aufgaben und Bereichen der Diözese wollen wir anerkennend danken und Gottes Lohn für sie erbitten. Ich danke den engsten Mitarbeitern und Beratern im Domkapitel, im Bischöflichen Ordinariat und Sekretariat, in den verschiedenen Dienststellen, im Priesterseminar und an der Hochschule, im Pastoralamt und in den Referaten, in der Katholischen Aktion und im Schulbereich. Exzellenz Weihbischof und Generalvikar Dr. Fasching war mir auch in diesem Jahr ein unverzichtbarer und umsichtiger Helfer; großen Dank schulde ich auch dem Hochw. Dompropst und Leiter des Pastoralamtes Apostol. Protonotar Florian Zimmel. Den Bischofsvikaren danke ich für die bewährte Mitarbeit.

Wir schließen in unsere herzliche Danksagung die Äbte und Ordensleute unserer Stifte, die Ordensoberen und ihre Mitbrüder und die ehrwürdigen Schwestern ein. Den hochw. Dechanten, Pfarrern und den Pastoralassistenten sei vielmals gedankt. Gleichermaßen sei den Mitgliedern des Priesterrats und des Pastoralrats der Dank des Bischofs gesagt.

4. War 1994 ein gutes Jahr für unsere Diözese? Wir können dies bejahen, wenn es uns gelungen ist, das zu halten und zu erhalten, was Altbischof Dr. Zak mir am 15. September 1991 übergeben hat. Heute jedoch gibt es viele neue Anliegen und Nöte der Kirche, sodaß wir zum einen bewahren und zum anderen Neues wagen müssen. Nicht alles Notwendige kann in dieser Stunde dargestellt werden.

Herzliche Aufnahme erfährt der Bischof in den Pfarren der Diözese bei Generalvisitationen, Firmungen und anderen Anlässen. Unsere Pfarren sind lebendig; die Pfarrkirchen- und Pfarrgemeinderäte sind zumeist die aktiven Träger und Helfer. Bei aller Freude über lebendige Kerngemeinden in den Pfarren will ich daran erinnern, daß die abseits stehenden Gläubigen mehr werden. Kerngemeinde bedeutet, daß auch die Fernstehenden für die Sakramente und für die Glaubensbildung gewonnen werden sollen. Eher nur selten können wir in den Pfarren mit der Teilnahme an der Sonntagsmesse und mit dem Empfang des Bußsakramentes zufrieden sein. Kerngemeinden rechtfertigen sich nur als missionarische. Gerade in letzter Zeit wurden Eucharistie und Kommunionempfang heftig gefordert; manchmal bleiben dieselben Fordernden der Sonntagsmesse jahrelang fern. Wiederum sollen alle eingeladen sein, an der Sonntagsmesse gewissenhaft teilzunehmen.

5. Groß ist das Wohlwollen unserer Gläubigen gegenüber der Not der Menschen und gegenüber den Anliegen der Kirche. Den großherzigen Gebern habe ich im Namen vieler zu danken, denen diese Hilfe zukommt.

Niemals dürfen wir vergessen, für die gewissenhafte Entrichtung des Kirchenbeitrages zu danken. Fast alles, was die Diözese zu besolden, zu bauen und anderweitig zu leisten hat, bringt der Kirchenbeitrag unserer Katholiken auf. Ohne den Kirchenbeitrag könnte die Diözese nur sehr wenig tun. Wer beiträgt, gibt ein Zeugnis der Treue zur Kirche. Gott sei Dank dürfen wir dafür unzähligen Gläubigen danken.

6. Noch gibt es Belastungen aus notwendigen Maßnahmen in der Vergangenheit. Es gibt keine Überschüsse, so daß wir manches einsparen müssen, um neue Notwendigkeiten positiv aufzugreifen.

Vor zwei Wochen wurde auf dem Domplatz für die Anliegen der Jugendarbeit demonstriert; auch Jugendgruppen aus anderen Diözesen haben sich - für uns unverständlich - zu dieser Veranstaltung eingefunden. Die Diözese will große Anstrengungen für die Jugend unternehmen. Dies konnten auch der Präsident der KA und in das Konsistorium entsandte Jugendvertreter feststellen. In diesem engsten Beratungskollegium des Bischofs konnte vonseiten der Jugend alles vorgetragen werden; auch bei der Abstimmung und Beschlußfassung waren die Jugendvertreter anwesend. Es wurde mehrmals auch öffentlich Dank für die Form der gemeinsamen Beratung gesagt. Bedauerlicherweise wurde zur selben Zeit die Demonstration auf dem Domplatz vorbereitet, wo mit unrichtigen Angaben unberechtigte Emotionen erzeugt wurden. Warum diese Veranstaltung, zu der der ORF noch eine zusätzliche Desinformation über angebliche 17 Millionen lieferte, notwendig war, kann wohl nur von den Veranstaltern beantwortet werden. Die Jugendarbeit innerhalb der KA genießt viele Vorteile, die andere Formen kirchlicher Jugendarbeit nicht haben. Die Diözese bleibt bei ihrem Vorhaben, noch mehr für die Jugendarbeit zu tun. Doch können die Frage der Gerechtigkeit und der finanziellen Möglichkeiten nicht ausgeklammert werden. Ohne Geld geht vieles nicht; noch wichtiger aber ist das Erstarken des Glaubens und der Liebe zur Kirche.

7. Unsere katholische Kirche steht in einer Belastungsprobe ihrer Einheit. Der Papst ist für die gesamte Kirche der höchste Lehrer in Fragen des Glaubens und der Sitten; in allen gegebenen Fällen seiner Lehre haben die Gläubigen sein oberstes Lehramt ehrfüchtig anzuerkennen und seinen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit zu zollen; so lehrt es das II. Vatikanische Konzil (vgl. LG 25).

Das jüngste Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen hat Papst Johannes Paul II. gebilligt und zur Veröffentlichung angeordnet. Können manche Katholiken diese Lehre der Kirche einfach zurückweisen und mit Hochmut erklären, daß sie in ihrem Urteilen und Tun nichts ändern werden? Warum reden manche konfus und zweideutig in dieser Frage, wenn sie die Gläubigen verwirren und der Wahrheit Christi bei den Menschen Schaden zufügen? Jesus Christus selbst hat die Unauflöslichkeit der Ehe festgesetzt und eine Wiederverheiratung bei bestehender erster Ehe als Ehebruch beurteilt und verboten: "Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen ... Wer seine Frau aus der Ehe entläßt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entläßt und einen anderen heiratet" (Mk 10,9.11-12). Darf man nun Barmherzigkeit nennen, was diesem Gesetz Christi widerspricht oder es zweifelhaft macht? Wer von uns darf dem Erlöser Jesus Christus Vorwürfe dafür machen, daß er eine Wiederverheiratung bei Fortbestehen einer früheren gültigen Ehe als Ehebruch beurteilt? Die Kirche kennt sehr wohl die Leiden und Enttäuschungen aus einer zerbrochenen Ehe; es kann Schuld und Unschuld geben; es können auch Umstände zutage treten, die zu einer kirchlichen Nichtigkeitserklärung führen. Das kirchliche Ehegericht kann von allen betroffenen Gläubigen angerufen werden und ist nicht das Privileg von Reichen. Die Kirche wird sicher auch darüber nachdenken, wie möglichst jede vorgebrachte Tatsache auch als bewiesen gelten kann.

Dennoch wird die Kirche niemals von der unauflöslichen Ehe abrücken und eine "Zweitehe" billigen. Die Kirche kann daher auch keine pastoralen Lösungen billigen, die dem Gesetz Gottes widersprechen. Sie spricht daher bei wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen von einem objektiven Widerspruch zum Gesetz Gottes, der in einer Wiederverheiratung liegt und zum würdigen Empfang der hl. Kommunion nicht zuläßt.

Da bei den Menschen oft Unklarheit besteht, möchte ich ausdrücklich feststellen: Wenngleich eine zivile Scheidung aus vielen Gründen von der Kirche nicht gutgeheißen werden kann, ist eine zivile Scheidung kein Hindernis für den Sakramentenempfang. Das Hindernis liegt in der Wiederverheiratung bei Bestehen einer früher geschlossenen gültigen Ehe.

8. Das Gesetz Christi von der Unauflöslichkeit der Ehe braucht ein pastorales Umfeld, das die Geltung des Gesetzes Christi voll respektiert. Die Seelsorger der Kirche können daher nicht etwas tun, was dem Gesetz Christi widerspricht, was die Gläubigen bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe verwirrt und was jene falsche Erwartung fördert, eine "Zweitehe" könnte irgendwann kirchlich akzeptiert werden.

Inständig bitte ich alle Priester, in der Seelsorge nicht von jenem Weg der Kirche abzuweichen, den uns "Familiaris consortio" und das jüngste Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre vom 14.9.1994 weisen. Für manchen Priester wird dies eine spürbare Prüfung seiner Liebe zur Kirche, in deren Dienst er sich gestellt hat, sein.

Die betroffenen wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen bitte ich: Entsagt aus Liebe zu Christus der Forderung nach der hl. Kommunion und helft damit dem Dienst des Priesters. Ein an der Wahrheit des Glaubens und am Gesetz Christi recht gebildetes Gewissen wird verstehen, woran die Kirche sich halten muß; euer Verzicht sollte ein Zeugnis eures Glaubens an die Unauflöslichkeit der Ehe sein. Es ist ein böses und ungerechtes Urteil, der Kirche vorzuwerfen, die Kirche verachte und grenze die Betroffenen aus. Gott selbst nur ist der Richter aller Herzen, die Kirche hat Zeugnis von Gottes Willen zu geben.

9. Die betroffenen Gläubigen sind nicht von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen; ihnen und ihren Familien gelten die gleiche Sorge und das Gebet der Kirche. Papst Johannes Paul II. nennt in seinem Apostolischen Schreiben "Familiaris consortio" vom 22. November 1981 (Nr. 84) viele Möglichkeiten der Einbindung dieser Gläubigen in die kirchliche Gemeinschaft. Innerhalb dieser angegebenen Möglichkeiten sollen die Priester in unserer Diözese alle guten Wege gehen und den betroffenen Menschen helfen.

Die entstandene Diskussion um die Weisungen der Kirche hat auch das Gute in sich, daß den Menschen klar wird, daß die Familie in einer christlichen Ehe gegründet sein soll. Die Kirche muß auch an jene Kinder erinnern, die durch eine zerbrochene Ehe unermeßliches Leid erfahren. Die unschuldigen und verlassenen Ehegatten müssen wissen, daß die Kirche zu ihnen steht. Wem die Gnade einer glücklichen Ehe und Familie geschenkt ist, der danke Gott und sei wachsam, um diese Gnade nicht zu verlieren. Oft wird von unseren Gläubigen darauf hingewiesen, daß die jungen Menschen viel besser vom Glauben her auf die Ehe vorbereitet werden müssen und auch später der besonderen Begleitung in ihren Lebensanliegen bedürfen.

10. Erneuern müssen alle Gläubigen ihr Glaubensverständnis der hl. Eucharistie und des Kommunionempfangs. Zur Kommunion darf nur jener Gläubige hinzutreten, der frei von Todsünde und im Stand der heiligmachenden Gnade ist; viele beteuern, diese Lehre der Kirche nie im Religionsunterricht oder im Theologiestudium gehört zu haben. Gott hat ein Recht, von uns das gute Gewissen zu verlangen, das uns in einer würdigen Beichte neu geschenkt wird und uns gleichsam eucharistiefähig macht.

11. Die Verwahrlosung des menschlichen Gewissens schreitet in Europa fort. Der Niedergang der Menschenwürde und der Verlust der Ehrfurcht voreinander sind untrügliche Zeichen davon. Junge Menschen sind verstört und erschüttert, wenn sie bei Erwachsenen nur mehr die Frage hören, wer es gerade mit wem treibe. Die hemmungslose Sexualität ist heute das Paradigma des Aufstands der Menschen gegen Gottes Ordnung. Wo bleibt der Protest der Menschen gegen die Abtreibung, wo bleibt der Aufstand des Anstands gegen die Pornographie, die auch die Seelen unserer Kinder korrumpiert?

12. Dennoch wollen wir nicht klagen und nicht verzagen. Christus wird bei seiner Kirche sein bis zum Ende der Tage. Wir müssen gemäß dem Auftrag Christi die Menschen lehren, das zu befolgen, was er uns geboten hat. Wir dürfen daher Mut und Geduld haben. Besorgte Menschen sagen mir oft: Keine Partei, kein Betrieb, kein Verein und kein Staat könnte soviel Ungehorsam, Disziplinlosigkeit und Destruktivität dulden, wie dies heute die Kirche tut. Sie haben recht. Die Geduld der Kirche entspringt dem Glauben an Christus, dennoch darf Geduld nicht fahrlässige Untätigkeit sein.

13. Im Reich Gottes kommt es auf die gläubigen und guten Menschen an, auf die Priester und die Laienchristen. Im besonderen möchte ich das Gebet und die Sorge aller Gläubigen auf die Priesternot und auf die geistlichen Berufungen lenken. Berufungen gedeihen in Familien und Pfarren in einem Klima der Heiligkeit. Auf den geweihten Priester können wir nie verzichten; nur der Priester kann gültig die Eucharistie feiern, das Bußsakrament und die Krankensalbung spenden. Nach der Ordnung der Kirche kann nur der Priester eine Pfarre leiten.

Es gibt Zeichen der Hoffnung, die wir dankbar wahrnehmen wollen: Im Priesterseminar ist die Zahl der Alumnen gestiegen; auch die Zahl der Studierenden an unserer Hochschule ist größer geworden. Im "Biennium" werden unter der Leitung des Herrn Regens und erprobter Seelsorger Kandidaten auf die hl. Weihen vorbereitet. Die Päpstliche Gemeinschaft "Servi Jesu et Mariae" hat sich in der Diözese niedergelassen und wird nach Bedarf auch in der Diözese ihre Arbeit tun. Die Gemeinschaft vom hl. Josef wird demnächst ihre erste kanonische Rechtsform erhalten, um mit Gottes Hilfe schließlich eine Gesellschaft Apostolischen Lebens zu werden. Geistliche Ausstrahlung geht schon heute von der Gemeinschaft der Seligpreisungen aus, die im vergangenen Jahr nach Maria Langegg gekommen ist. Auch für die Kleinen Seminarien wollen wir mit Hoffnung unsere Mühen fortsetzen. Über eine eventuell notwendige Neuordnung der pastoralen und kirchlichen Arbeit wird immer wieder beraten.

14. Der heutige "Zeitgeist" ist unserer Kirche nicht freundlich gesinnt. Wir brauchen die feste Einheit im Glauben, um dem öffentlichen Druck des Agnostizismus und Liberalismus standzuhalten. Wir freuen uns auf den Besuch des Heiligen Vaters, der uns im Glauben und in der Liebe stärken wird. Unter seiner Inspiration wollen wir uns auf das Jahr 2000 seit Christi Geburt vorbereiten. Wir haben die Weihe der Diözese an das Unbefleckte Herz Mariens erneuert; vor 50 Jahren war es Bischof Memelauer, der in schwerer Zeit zum ersten Mal diese Weihe vollzog. Der Friede Christi, den die Welt nicht geben kann, sei der Welt und uns geschenkt. Der Friede Christi und die Gnade Gottes mögen uns durch die Jahre begleiten, bis wir beim Herrn sind!


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 26.11.1997.

 

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