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Diözesanbischof Dr. Kurt Krenn von St. Pölten

Ansprache bei der Jahresschlußandacht
im Dom von St. Pölten am Silvestertag 1995

1. Das Jahr 1995 nach Christi Geburt geht heute seinem Ende zu. Aus der Natur der Sache ergibt sich manches Thema zum heutigen Anlaß.

An Gott, den Geber alles Guten, richten wir unseren Dank dafür, daß wir leben, arbeiten und Glaube, Hoffnung und Liebe haben dürfen.

Wir danken unserem Erlöser und Herrn für das Geschenk seiner Kirche, die für uns in Christus die Lehrerin der Wahrheit und das Sakrament für unsere innigste Vereinigung mit Gott ist. Wir preisen den Heiligen Geist, der als Prinzip des Lebens und der Einheit das Wirken der Kirche Christi in unfehlbarer Wahrheit leitet und die Heiligung des Volkes Gottes durch den Dienst des Amtes und durch die Sakramente wirkt. Wir danken Maria, der Mutter der Kirche, die für Priester und Gläubige unserer Diözese Vorbild und Fürsprecherin ist. In demütiger Dankbarkeit wollen wir uns der Wohltaten Gottes des vergangenen Jahres erinnern.

2. In Reue wollen wir um Gottes Verzeihung für unsere Sünden bitten. Wenn Gott uns das Böse verzeiht, wollen auch wir einander verzeihen und Versöhnung miteinander finden. Viele Menschen in unserer Diözese leben ihr Christ-Sein in Treue zur Kirche und zur Wahrheit; ihnen danke ich auch mit Hoffnung für die Zukunft. Mit Großmut und Opferbereitschaft unterstützen unsere Gläubigen die Anliegen der Weltkirche und die Werke der Diözese. Mit dem gewissenhaft geleisteten Kirchenbeitrag geben viele ein hilfreiches Zeugnis für die Kirche. Herzlich danke ich allen.

3. Den hochwürdigen Priestern und Diakonen, den pastoralen Helfern und Mitarbeitern danke ich für alles, was sie mit Eifer und Liebe für das Heil der Seelen getan haben. Treue und wertvolle Mitarbeiter wirken im Domkapitel, im Bischöflichen Ordinariat und Sekretariat, in den Dienststellen und Referaten, an der Hochschule, im Priesterseminar und in den drei Kleinen Seminarien, im Schulbereich und in den Bildungshäusern, im Pastoralamt und im Bereich der Katholischen Aktion; sie alle möchte ich in mein Dankgebet hineinnehmen.

In Weihbischof und Generalvikar Dr. Fasching hat mir Gott einen Helfer geschenkt, dem auch mein inniger Dank gebührt. Einen getreuen Priester, der durch Jahrzehnte in Einheit mit dem Bischof die Pastoral der Diözese gestaltet hat, hat Gott in sein himmlischen Reich gerufen: Der Apostolische Protonotar Bischofsvikar Florian Zimmel möge die Liebe und Verehrung der Menschen auch heute in unserem Dankgebet erfahren. Dompfarrer Mons. Kreuth gelten für die großmütig übernommene Aufgabe des Pastoralamtsleiters und des Geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion unsere besten Segenswünsche. Ich schließe ein in meine Danksagung die hochwürdigsten Äbte, die Ordensleute unserer Stifte, aber auch die übrigen Orden, die ehrwürdigen Schwestern und die in unserer Diözese neuen religiösen Gemeinschaften.

Den Mitgliedern der Dechantenkonferenz, des Priesterrates und des Pastoralrates danke ich für gute und fruchtbare Zusammenarbeit.

4. 1995 war für die Kirche in Österreich ein schweres und leidvolles Jahr. Viel Kritik und Schimpf, Spott, Verleumdung, Lüge und öffentliche Einmischung sind in diesem Jahr auf die Kirche niedergegangen. Im Gefolge dieser Agitationen haben Verärgerte und Verwirrte die Kirche verlassen, auch bei uns - und mehr Menschen als sonst. Gerade in diesen schwierigen Monaten haben jedoch überaus viele Gläubige den Beweis ihrer Treue und ihres Glaubens erbracht. Sie hatten es in diesen Zeiten sehr schwer, denn wo konnten sie überhaupt noch die Wahrheit erfahren?

Der Heilige Vater hat den Bischöfen und Gläubigen Österreichs in einem besonderen Brief vom 8. September d. J. Mut zugesprochen und alle seines Vertrauens versichert. Der Papst spricht darin von einer "Strategie, die Hirten zu schlagen"; er hofft aber auch, "daß der Versuch der Zerstörung keinen Erfolg hat", und setzt sein Vertrauen auf den Großteil der österreichischen Gläubigen, die die Arbeit der Bischöfe zu schätzen wissen und nicht gestatten werden, daß der Unfrieden aufgrund von Verdächtigungen, Kritiksucht und Zwietracht in unseren Diözesen die Oberhand gewinnt (vgl. Nr. 3).

5. In dieser Stunde möchte ich den barmherzigen Herrn um Vergebung dafür bitten, daß viel zu wenige den Mut hatten, den Verleumdungen gegen Kardinal Hans Hermann Groër öffentlich zu widersprechen und einen Mitbruder zu verteidigen. Jesus selbst mußte Verrat und Verlassenwerden erleiden; bitten wir ihn, daß er nach der Nacht des Verrats seine Jünger wieder sammelt.

Auch wir müssen in Christi Namen jene Menschen wieder sammeln, die durch Ärgernisse verwirrt wurden und die Glaubensgemeinschaft der Kirche verlassen haben. Wir können es nicht vor Gott verantworten, daß Gläubige wegen unserer Sünden, Fehler und Irrtümer von der Kirche sich abwenden. Den Ausgetretenen, die das Prägemal der Taufe und der Gotteskindschaft für alle Zeiten unverlierbar tragen, sagen wir mit dem Propheten Jesaja: "Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft" (30,15). Eine Rückkehr in die Glaubensgemeinschaft der Kirche ist möglich, wenn der Ausgetretene mit Einsicht und Bedauern seinen Austritt beurteilt und um neue Gemeinschaft mit der Kirche bittet. Viele werden sich über einen solchen Schritt der Versöhnung mit Jesus, dem guten Hirten, freuen.

6. Während der schweren Tage für unsere Kirche gab es leider Männer und Frauen, die die Not der Kirche nützten und ein sogenanntes "Kirchenvolks-Begehren" inszenierten. Bei kräftiger Einmischung durch Massenmedien, durch manche politische Partei und nicht-katholische Gemeinschaft wurde ein "Begehren" durchgeführt, dem nach Angaben der Betreiber etwa 500.000 Menschen ihre Unterschrift gaben. Bis heute sind die Unterschriften geheimgehalten; ob die Zahl korrekt ist, wurde einer unabhängigen Prüfung nicht unterzogen. Ist das die Art des engagierten Auftretens in der Kirche? Ist das die von unzufriedenen Gläubigen immer wieder eingemahnte Transparenz?

Es gibt das persönliche Recht der Gläubigen, ihre Anliegen und Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen; dies legt im genaueren der Canon 212 des Kirchlichen Gestzbuches fest. In der Kirche gibt es jedoch kein kollektives Recht, gegen die Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und ohne Ehrfurcht gegen die Hirten aufzutreten, die Menschen zu polarisieren und die Kirche zu spalten.

7. Niemand wird guten Gewissens behaupten dürfen, daß die Forderungen des Begehrens in allen Punkten mit der Glaubens- und Sittenlehre und mit der Ordnung der Gesamtkirche vereinbar sind. Es steht die Unversehrtheit des Glaubens und die Identität der römisch-katholischen Kirche auf dem Spiel. Wer zum Begehren ein Nein sagt, nimmt die Sache sehr ernst. Ich tue dies als Bischof, der für eine Diözese Verantwortung trägt. Es wäre auch kein Dienst an der Wahrhaftigkeit, wollte man hinhaltend antworten, daß etwas "noch nicht" möglich ist, was niemals möglich ist. Wer ohne Liebe begehrt, kann die Kirche nicht erneuern; wer aber zuerst sich zu Gott bekehrt, für den ist die Wahrheit Christi zumutbar.

Gott gibt keine Macht den Stolzen, die meinen, erst ihre Ideen und Initiativen wären unübertrefflich großartig und vorher noch nie dagewesen. Der Stolz schwärmerischer Neuerung ist ohne Ursprung und ohne Sendung und daher ohne Vollmacht in der Kirche.

8. Im religiösen Bereich sind Demokratie und Wahrheit nicht notwendig miteinander verbunden; man kann demokratisch und auch undemokratisch irren; eine Mehrheit bestimmt noch keine Wahrheit.

Es ist auch nicht fair und redlich, durch Statistiken und Umfragen das Ergebnis des Begehrens nachzubessern, indem man Gläubige vereinnahmt, die nicht unterschrieben haben (und dies in weitaus größerer Zahl als die Unterschreiber). Als Jesus einmal die Jünger fragte, für wen ihn die Leute halten, erhielt er unterschiedliche Antworten: Johannes der Täufer, Elija, Jeremia oder sonst ein Prophet. Es blieb dem Petrus vorbehalten, die völlig undemoskopische, aber wahre Antwort zu geben: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!" (vgl. Mt 16,13-19). Auf Petrus hat Christus seine Kirche und ihren Glauben gegründet.

9. Die Bischöfe Österreichs haben bei ihrer diesjährigen Herbstkonferenz zu verschiedenen Fragen und Forderungen eine Erklärung abgegeben. Darin wird auch klar, daß Österreich keine "Großdiözese" ist, die von der Bischofskonferenz geleitet wäre. Die Diözesen Österreichs sind Teilkirchen innerhalb der Weltkirche; jede dieser Teilkirchen wird von einem Diözesanbischof geleitet, der sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in seiner Teilkirche ist. Die Teilkirchen sind nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet. Diese Ordnung bekräftigt das II. Vatikanische Konzil ausdrücklich und verbindlich (vgl. LG 23). So kann es in Fragen des Glaubens und der Sitten und im Heilshandeln der Teilkirchen keine abweichenden Sonderwege geben, die mit dem Glauben und der Ordnung der Gesamtkirche unvereinbar wären. Gemäß dieser Verfassung trägt jeder Bischof für seine Teilkirche unabtretbare Verantwortung und muß jene zu Gehorsam und Ordnung rufen, die sich anmaßen, durch Wort und Tat die Verfassung der Kirche zu schädigen.

10. Im kommenden Jahr 1996 feiern wir in unserem Land und in unserer Diözese die Erinnerung an das tausendjährige Bestehen des Namens "Österreich". Als Christen und Bürger wollen wir in unserem Land mitwirken: An einer ständig zu verbessernden sozialen Gerechtigkeit, am kulturellen Aufstieg, an der Kinder- und Familienfreundlichkeit, am gerechten Wohlstand für alle und für alle Lebensräume, an der Festigung der Menschenrechte und des Friedens, an der Gestaltung des bürgerlichen Lebens in der Gesinnung Christi.

11. Im selben Jahr wird die Bischofsstadt St. Pölten auch die Landeshauptstadt von Niederösterreich mit Landtag, Landesregierung, Verwaltung und anderen zentralen Einrichtungen sein. Vieles wird sich im Lauf der Zeit im Verhalten der Bürger und in der Entwicklung des Landes geographisch und politisch neu ordnen. Die Gläubigen unserer Diözese mögen dabei solidarisch mitwirken und neue Chancen für das Gemeinwohl erkennen und nützen. Die Kapelle des Landhauses in St. Pölten wird dem hl. Leopold geweiht und Symbol der christlichen Identität unseres Landes sein.

12. Zur Jahrtausendwende wird manche Besinnlichkeit bei den Menschen einkehren. Was aber sind schon Jahrtausende vor dem ewigen Gott, den der Psalm preist: "Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie" (102,28)?

In der Fülle der Zeit hat Maria unseren Erlöser geboren; die "letzten Zeiten" der Welt und des Menschen haben damit begonnen. Denn nichts mehr, was in und durch Christus geschehen ist, kann je übertroffen werden; einzigartig ist das Erlösungswerk Christi, gleichermaßen gültig für alle Menschen und für alle Zeiten; was aber nicht übertroffen werden kann, ist zutiefst ernst.

13. Unser Heiliger Vater hat die Gläubigen und die ganze Menschheit eingeladen, im Jahr 2000 das Große Jubiläum unserer Erlösung durch Jesus Christus zu feiern. Schon jetzt sollen die Vorbereitungen darauf beginnen. 1997 soll uns am Erlöser Jesus Christus orientieren; 1998 am Heiligen Geist und an der Kirche; 1999 soll Gottvater die Mitte unseres Glaubens und Betens sein. Begleiten soll uns in diesen Jahren die Gottesmutter Maria, die zum dreifaltigen Gott in der Weise ihrer Heiligkeit und Erwählung uns hinführen soll, ehe im Jahr 2000 das Große Jubiläum das Gnadenwerk Gottes gleichsam zusammenfaßt und für die Menscheit des dritten Jahrtausends aufschließt.

14. Die Priester, die Gläubigen und die Menschen guten Willens lade ich ein, mit uns zu gehen, pastorale Wege gemäß dem Willen Gottes zu entdecken und in der Not der Kirche und in einer bedrängten Welt großmütig zu helfen.

Voller Hoffnung möchte ich alle bitten, aus Liebe zu Gott viel zu wagen zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen.

Gott segne Sie alle und schenke Ihnen ein gnadenvolles, glückliches und erfolgreiches Jahr 1996. Der Herr tue Gutes den Guten; der Herr segne sein Volk mit Frieden!


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Texte von Bischof Krenn werden im Internet auf hippolytus.net mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kurt Krenn publiziert. Verantwortlich: DI Michael Dinhobl und Dr. Josef Spindelböck. Die HTML-Fassung dieses Dokuments wurde erstellt am 26.11.1997.

 

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