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Die Menschwerdung Gottes geschieht durch die Familie
(2005)

Tarcisio Stramare

Hinweis/Quelle: Er gab ihm den Namen Jesus. Der hl. Josef in Leben und Lehre der Kirche Übersetzt Reimüller nach der italienischen Originalausgabe: Tarcisio Stramare: Giuseppe lo chiamò Gesù Matteo 1,25 (Portalupi Editore, Casale Monferrato 2001). gebunden, 246 Seiten, 20 × 13 cm, ISBN 3–901853–11–1 Verlag St. Josef, Kleinhain 2005

Aufgerufen dazu, Gottes Wort voll Ehrfurcht zu hören[1], das heißt zur absoluten Bereitschaft, dem in Jesus, dem Erlöser der Menschen, geoffenbarten Heilswillen Gottes in Treue zu dienen[2], ist die Kirche zutiefst davon überzeugt, dass Christus selbst sie in alle Wege des menschlichen Lebens eingewiesen hat. Sie ist sich bewusst: „Er hat den Menschen der Kirche anvertraut. Er hat ihn ihr anvertraut als ‚Weg‘ ihrer Sendung und ihres Dienstes.“[3] Dessen gewiss, dass unter den Wegen des menschlichen Lebens, dass unter den zahlreichen Pfaden, auf denen der Mensch wandelt, die Familie die erste und wichtigste Stelle einnimmt, wollte Johannes Paul II. den Menschen auf diesem seinem täglichen Weg mit einer persönlichen Botschaft zur Seite stehen. Die Familie ist in der Tat „ein gemeinsamer Weg … ein Weg, von dem kein Mensch sich lossagen kann. In der Tat kommt er normalerweise innerhalb einer Familie zur Welt, weshalb man sagen kann, dass er ihr seine Existenz als Mensch verdankt. Fehlt die Familie, so entsteht in der Person, die in die Welt eintritt, eine bedenkliche und schmerzliche Lücke, die in der Folge auf dem ganzen Leben lasten wird.“[4]

Diese Aussage in Verbindung mit der allgemeinen Erfahrung der „einzigartigen und unwiederholbaren“ Bedeutung der Familie für jeden Menschen, hilft uns, das Erfordernis zu verstehen, sie in das Heilsgeschehen aufzunehmen. Johannes Paul II. unterstreicht das mit einem „also“: „Das göttliche Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes steht also in enger Beziehung zur menschlichen Familie.“ Weiter heißt es: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt … [Er ist] in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde.“[5] Das ist geschehen, „angefangen von der Familie, in die er hineingeboren werden und in der er aufwachsen wollte.“ „Der mit dem Vater wesensgleiche einzige Sohn, ‚Gott von Gott und Licht vom Licht‘, ist durch die Familie in die Geschichte der Menschen eingetreten.“[6] „Das göttliche Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes steht also in enger Beziehung zur menschlichen Familie. Nicht nur zu einer Familie, jener von Nazaret, sondern in gewisser Weise zu jeder Familie“, von dem Moment an, in dem sich der Gottessohn, wie bereits gesagt, „in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ hat.

Wir stehen hier vor einem „Geheimnis“ des Lebens Christi beziehungsweise vor einem besonderen Ereignis der menschlichen Existenz, die Jesus angenommen hat, um sie zu läutern und zu heiligen. Wenn der Menschensohn durch die Familie in die Menschheitsgeschichte eingetreten ist, wie sollte man darin nicht eine besondere Bedeutung sehen? Jene Aufnahme wurde andererseits durch die Realität der Menschwerdung selbst erforderlich. Wenn der Evangelist Johannes erklärt: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (1,14), will er damit nicht nur einfach den Zustand der Demut unterstreichen, der für Jesus daher rührt, einer von uns geworden zu sein – ein Aspekt, auf den auch Paulus hinweist (Phil 2,7). Der Evangelist wollte vor allem die biologische und physische Wirklichkeit Jesu gegen den Doketismus verteidigen. Das ergibt sich klar aus der kühnen Verwendung des Verbs „egeneto“ („factum est“), das sogar dazu führen könnte, eine Verwandlung, die in Gott erfolgt, anzunehmen, moduliert durch die Verwendung der Verben „geschaut“, „gehört“ und „angefasst“[7], Vorgänge also, die eine konkrete historische Erfahrung beschreiben. Gerade die Wirklichkeit des Leibes Jesu setzt die Mutterschaft Marias voraus – wie Lukas und Matthäus ausführlich beschreiben und es im Credo ausdrücklich bekannt wird („et incarnatus est de Maria Virgine“) –, und macht sie sowie in der Folge auch die menschliche Vaterschaft erforderlich, natürlich innerhalb der Grenzen des Dogmas der jungfräulichen Empfängnis, das durch die Präexistenz der menschgewordenen Person postuliert wird: „Die Mutterschaft schließt notwendig die Vaterschaft und umgekehrt die Vaterschaft notwendig die Mutterschaft ein: Sie ist Frucht der Dualität, die dem Menschen vom Schöpfer ‚am Anfang‘ geschenkt wurde.“[8] Das Geheimnis der „Jungfrau und Mutter“ Maria hätte die Wahrheit der „jungfräulichen Mutterschaft“ vereinfachen können, wäre jedoch nicht dem „Weg“ der Erlösung gefolgt, der im göttlichen Plan den „Weg“ der Schöpfung nachahmen sollte beziehungsweise – durch das Eintreten des Wortes in das menschliche Leben – den Weg der Familie.

Da sich die Mutterschaft und die Vaterschaft in der Ehe verwirklichen müssen, die alleine die Rechtmäßigkeit, die Aufnahme und die Erziehung der Nachkommen gewährleistet, wird das Existieren einer solchen Gemeinschaft ausdrücklich von den Evangelisten erwähnt, die Josef als „Mann“ Marias[9] und Maria als „Frau“ Josefs[10] bezeichnen. Dass es sich hier nicht um ein unbedeutendes Detail handelt, lässt sich an der eindeutigen Aussage von Johannes Paul II. erkennen: „Auch für die Kirche ist es, so bedeutsam das Bekenntnis zur jungfräulichen Empfängnis Jesu ist, nicht weniger wichtig, die Ehe Marias mit Josef zu verteidigen, weil rechtlich von dieser Ehe die Vaterschaft Josefs abhängt. Daraus wird auch verständlich, warum die Geschlechter nach der Ahnen­reihe Josefs aufgezählt werden.“[11]

Obwohl Josef offensichtlich von der leiblichen Zeugung Jesu ausgeschlossen ist, hat die Ahnenreihe Jesu eine gewisse Bedeutung, da sie zweimal in den Evangelien aufgeführt wird.[12] „Mit der Familie verbindet sich die Genealogie jedes Menschen: die Genealogie der Person. Die menschliche Elternschaft hat ihre Wurzeln in der Biologie und geht zugleich über sie hinaus.“[13] Die Reflexion über die Genealogie – neu und charakteristisch für den Brief an die Familien – ist wichtig. Wenn die „Zeugung die Fortführung der Schöpfung“ ist, und wenn „nur von Gott jenes ‚Abbild und jene Ähnlichkeit‘ stammen [kann], die dem Menschen wesenseigen ist, wie es bei der Schöpfung geschehen ist“, folgt daraus, „dass in der menschlichen Elternschaft Gott selbst in einer anderen Weise gegenwärtig ist als bei jeder anderen Zeugung ‚auf Erden‘“. Denn der Mensch bringt „ein besonderes Abbild Gottes, eine besondere Ähnlichkeit mit Gott selbst in die Welt: In die Biologie der Zeugung ist die Genealogie der Person eingeschrieben“, auch wenn nach dem Namen des Vaters „jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“[14] und folglich jede Zeugung „ihr Ur-Modell in der Vaterschaft Gottes“ findet. „Auf Grund der ihr eigenen Genealogie existiert die nach dem Bild Gottes geschaffene Person gerade durch Teilhabe an Seinem Leben ‚um ihrer selbst willen‘ und verwirklicht sich. … Die Genealogie der Person ist also zunächst mit der Ewigkeit Gottes verbunden und erst danach mit der menschlichen Elternschaft, die sich in der Zeit verwirklicht.“[15] Wenn das für jeden Menschen gilt, dessen Entstehung „nicht nur den Gesetzen der Biologie, sondern unmittelbar dem Schöpferwillen Gottes“ folgt, so gilt das in besonderer Weise für Jesus, wie Lukas hervorhebt, der die Ahnenreihe Jesu von Josef bis zu Adam und dann sogar bis zu Gott zurückverfolgt.[16]

Die Anwesenheit Jesu bei der Hochzeit von Kana, wo er seine Herrlichkeit offenbart, zeigt, „wie tief die Wahrheit der Familie in die Offenbarung Gottes und in die Heilsgeschichte eingeschrieben ist.“[17] Jesus hat sich zum „Verkünder der göttlichen Wahrheit über die Ehe“ gemacht, indem er „diese Wahrheit mit seiner Anwesenheit bei der Hochzeit von Kana und durch das erste von ihm gewirkte ‚Zeichen‘, das zu Wein verwandelte Wasser“[18], verkündet. Die Tragweite dieser „Wahrheit“ ist enorm, da Jesus sie, noch bevor er sich zu ihrem Botschafter macht, als Mitglied einer Familie erleben wollte: er wollte in der Ehe – wenn auch nicht aus der Ehe – von Maria und Josef geboren werden. In vollständiger Beachtung des Gebots: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“[19] hat Jesus akzeptiert, in vollkommenstem „Gehorsam“[20] von denjenigen erzogen zu werden, die im Evangelium als seine „Eltern“[21] bezeichnet werden.

Ein weiteres wichtiges Thema, welches das Dokument in Erinnerung ruft, ist das Verhältnis der Ehe zur bräutlichen Liebe Christi für die Kirche. Der Papst erklärt: „Man kann daher die Kirche nicht als mystischen Leib Christi, als Zeichen des Bundes des Menschen mit Gott in Christus, als universales Sakrament des Heiles verstehen, ohne sich auf das ‚tiefe Geheimnis‘ zu beziehen, das mit der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau und mit der Berufung der beiden zur ehelichen Liebe, zur Elternschaft verbunden ist.“[22] Sobald erkannt ist, dass „die Familie“ wahrhaftig im Zentrum des Neuen Bundes steht[23], versteht es sich von selbst, dass die Heilige Familie im Bereich des „tiefen Geheimnisses“, deren „höchster Ausdruck“[24] sie ist, einen besonderen Platz einnimmt. Die Rolle des heiligen Josef erweist sich folglich als unersetzlich, denn „auch dank Josefs wird das Geheimnis der Fleischwerdung und zusammen mit ihm das Geheimnis der Heiligen Familie tief in die eheliche Liebe des Mannes und der Frau und indirekt in die Genealogie jeder menschlichen Familie eingeschrieben.“[25]

Die Ehe von Maria und Josef erneuert die Geschichte der „schönen Liebe“, die mit dem ersten Menschenpaar, mit Adam und Eva, begonnen hat. „Christus kommt nicht, um den ersten Adam und die erste Eva zu verdammen, sondern um sie zu erlösen; er kommt, um das zu erneuern, was im Menschen Geschenk Gottes ist, was in ihm ewig, gut und schön ist und die Grundlage der schönen Liebe bildet.“ An der Schwelle des Neuen Bundes erleben Maria und Josef „die Erfahrung der im Hohenlied beschriebenen ‚schönen Liebe‘ wieder … Josef denkt und sagt von Maria: ‚Meine Schwester Braut‘ (vgl. Hld 4,9). Maria, Gottesmutter, empfängt durch den Heiligen Geist, und von ihm kommt die ‚schöne Liebe‘, die das Evangelium feinsinnigerweise in den Zusammenhang des ‚tiefen Geheimnisses‘ stellt.“[26] Johannes Paul II. verbindet mit dem Bild der „schönen Liebe“ das Bild der „Schönheit“: „Wenn wir von der ‚schönen Liebe‘ reden, reden wir damit von der Schönheit: Schönheit der Liebe und Schönheit des Menschenwesens, das kraft des Heiligen Geistes zu solcher Liebe fähig ist … Das alles findet seine Bestätigung im Geheimnis der Fleischwerdung, das in der Geschichte der Menschen zur Quelle einer neuen Schönheit geworden ist, die unzählige künstlerische Meisterwerke inspiriert hat.“[27] Dennoch ist es vorgekommen, dass die künstlerischen Darstellungen der Heiligen Familie unter dem Einfluss der apokryphen Erzählungen diese „Schönheit“ teilweise verdeckt haben, indem sie Josef in der unnatürlichen Gestalt des Großvater-Vaters dargestellt haben. Zahlreiche Werke in unseren Kirchen und in unseren Häusern legen davon ein trauriges Zeugnis ab. Da es sich hier nicht um irgendeine beliebige Frömmigkeit, sondern um das Geheimnis der Menschwerdung selbst handelt, ist es notwendiger denn je, dass die Heilige Familie nicht nur in der Katechese, sondern auch in ihren bildlichen Darstellungen in ihrer ganzen „Schönheit“ erstrahlt.


[1] Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dei Verbum, 1.

[2] Vgl. Johannes Paul II., Redemptoris Custos, 30.

[3] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 1.

[4] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 2.

[5] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 2; dabei wird Gaudium et spes, 22, zitiert.

[6] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 2.

[7] Vgl. Joh 1,15; 1 Joh 1,1–3.

[8] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 7.

[9] Vgl. Mt 1,16.19.

[10] Vgl. Mt 1,20.24; Lk 1,27; 2,5.

[11] Johannes Paul II., Redemptoris Custos, 7.

[12] Vgl. Mt 1,1–17; Lk 3,23–38.

[13] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 9.

[14] Eph 3,15.

[15] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 9.

[16] Vgl. Lk 3,38.

[17] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 18.

[18] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 18.

[19] Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Familien, 15; vgl. Ex 20,12.

[20] Vgl. Lk 2,51.

[21] Vgl. Lk 2,27.33.41.

[22] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 19.

[23] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 20.

[24] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 20.

[25] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 20.

[26] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 20.

[27] Johannes Paul II., Brief an die Familien, 20.