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Grußwort
zur Tagung „Liebe, Leib und Leidenschaft. Personsein aus der Sicht der Theologie des Leibes“, Eichstätt 2014

Kardinal Reinhard Marx

Hinweis/Quelle: Der Text wird dokumentiert im Sammelband: Janusz Surzykiewicz / Maria Groos / Teresa Loichen / Joost van Loon (Hg.), Liebe, Leib und Leidenschaft. Personsein aus der Sicht der Theologie des Leibes, Eichstätt 2016, S.9–11

Exzellenzen, sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung!

 

Mit seiner Theologie des Leibes verdeutlicht Johannes Paul II., wie das Licht der Offenbarung die menschliche Erfahrung der Leiblichkeit in ihren tiefsten Fundamenten zu erleuchten vermag.

Die grundlegende Bedeutung des Leibes beschreibt er dabei wie folgt: „Der Leib, und nur er, kann das Unsichtbare sichtbar machen: das Geistliche und das Göttliche.“ (Katechese 19 vom 20.02.1980, Nr. 4, S. 169). Diese Wertschätzung der Leiblichkeit erkennt er auch im Heilswirken Gottes. Dies etwa in seiner Selbstoffenbarung, in der Menschwerdung Jesu: Der dreifaltige Gott tritt in leiblicher Gestalt in unsere Welt ein und bleibt so für uns gegenwärtig. Durch dieses für uns Menschen sichtbare Zeichen wurde die unsichtbare Wirklichkeit Gottes sichtbar. In der Eucharistiefeier haben wir bis heute Anteil an Gottes leiblicher Gegenwart in der Welt. Damit wird der Leib zum Zeichen einer verborgenen Liebe Gottes. Diese kam auf besondere Weise auch im Schöpfungsakt zur Geltung, in dem Gott den leiblichen Menschen als sein Abbild erschaffen hat.

Auf den Spuren der Katechesen von Johannes Paul II. zur Theologie des Leibes werden Sie in den nächsten Tagen ergründen, was es bedeutet, den menschlichen Leib, Liebe und Leidenschaft im Glauben zu leben. Diese Inhalte nun aufzugreifen, zu vermitteln und ihre fruchtbringenden Auswirkungen in der Praxis unterschiedlicher Lebenszusammenhänge aufzuzeigen, ist das zentrale Anliegen dieser Tagung.

Im Bild der Leiblichkeit sieht Johannes Paul II. eine Einladung Gottes an die Menschen, die Natur ihrer Existenz zu entdecken und ihre Verantwortung für die Schöpfung zu leben. In seiner Leiblichkeit wird der Mensch zum „concreator“, zum Mitschöpfer, der den Sinn seiner Natur lebt und sich so selbst verwirklicht. In diesem Tun wird auch die Einmaligkeit und Freiheit des Menschen deutlich, die ihn als Person kennzeichnen. In der Sehnsucht schöpferischer Erfüllung entdecken sich die Menschen in ihren Grundrollen als Frau und Mann und erkennen die Bedeutung des jeweils anderen. Dieses gegenseitige Verlangen verweist das Größere, zu dem ein jeder Mensch berufen ist.

Wie die göttliche Dreifaltigkeit in einem ständigen Schenken und Empfangen von Liebe untrennbar aufeinander bezogen ist (communio personarum), sieht Johannes Paul II. auch Mann und Frau dazu berufen, sich in ihrer Gemeinschaft gegenseitig zu schenken und einander anzunehmen. Auch in der Sexualität, in der ein Mensch sich mit seiner ganzen Person in freier Hingabe verschenkt, wird diese Berufung deutlich. So lässt sich diese liebevolle Begegnung nicht auf Triebe oder Leidenschaft reduzieren. Vielmehr entsteht erst in ihr der Mensch in der „Dimension des gegenseitigen Sich-Schenkens, dessen Ausdruck – und daher auch dessen Ausdruck als Person – der menschliche Leib in ganzen ursprünglichen Wahrheit seiner Männlichkeit und Weiblichkeit ist.“ (Katechese 09. Januar 1980).

Das heute weit verbreitete funktionalistisch-materialistische Verständnis, als Frau und Mann in einer Beziehung zu leben, hat Schwierigkeiten, die personale Dimension der Leiblichkeit in der Sexualität zu erkennen. Diese Entwicklungen in unserer Gesellschaft betrachtet Johannes Paul II. mit Besorgnis. Auch sein Nachfolger, Papst Benedikt XVI., betont mit Nachdruck: „Mann und Frau als Schöpfungswirklichkeiten, als Natur des Menschen gibt es nicht mehr. Der Mensch bestreitet seine Natur (…) Die Manipulation der Natur, die wir heute für unsere Umwelt beklagen, wird hier zum Grundentscheid des Menschen im Umgang mit sich selbst (…) Mann und Frau sind (…) als einander ergänzende Gestalten des Menschseins bestritten … Familie als von der Schöpfung her vorgegebene Wirklichkeit (gibt es dann) nicht mehr (…) (Das Kind wird) zu einem Objekt, auf das man ein Recht hat und das man sich als sein Recht beschaffen kann.“ (Papst Benedikt XVI., 21. Dezember 2012, Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium, die Mitglieder der Römischen Kurie und der Päpstlichen Familie).

Die Eichstätter Tagung zur „Theologie des Leibes“ von Johannes Paul II. bietet ein wichtiges Forum, sich diesen Fragen zu stellen und sachlich kompetente Antworten zu suchen. In einem interdisziplinären Dialog sollen auch Möglichkeiten diskutiert werden, die Theologie des Leibes in unseren Alltag zu übertragen, um die Menschen in ihrer Sehnsucht nach Erfüllung in ihrer Leiblichkeit konzeptionell und methodisch bestmöglich seelsorgerisch zu begleiten.

Ich wünsche allen Teilnehmern bereichernde Gespräche und wertvolle Ergebnisse.

München, 10. November 2014

+ Erzbischof Reinhard Kardinal Marx

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