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Ehescheidung

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 275-301

I. Christus hat die Ehe als unauflösl. aufgezeigt.

1. Der Christ, der eine echte Ehe geschlossen hat, kann sich nicht nachher über ihre Wesenseigenschaft der Unauflöslichkeit hinwegsetzen und sie doch wieder auflösen, so daß er für eine neue Ehe frei wäre. Ein privater Beschluß der Gatten genügt dazu nicht, und wenn der Staat ihnen die Möglichkeit der Ehescheidung (der Auflösung des Ehebandes) bietet und sie diese Möglichkeit ergreifen, verstoßen sie gegen die Absicht Gottes mit der Ehe.

2. Zweifelhaft ist es freil., ob der Staat heute denen, die die christl. Grundsätze über die Ehe nicht anerkennen wollen, die Scheidungsmöglichkeit vorenthalten kann. Der Staat selbst ist ja für die Klärung religiöser und sittlicher Streitfragen nicht zuständig (vgl. Religionsfreiheit). Im Interesse der öffentl. Ordnung, für die er zu sorgen hat, muß er allerdings auch auf die Ehe achten; er tut gut daran, wenn er die Ehescheidung, die der im Staat lebenden Gesellschaft Nachteile bringt, zumindest nicht zu leicht macht.

II. Die Frage der Ehescheidung hat die Kirche seit ihren Anfängen beschäftigt.

1. Die Kirche hält sich für berechtigt, in dieser Frage mitzureden, und zwar nicht nur durch die Verkündigung von Grundsätzen im allg., sondern auch durch Entscheidung im Einzelfall. Der Christ kann seine Ehe, einen bedeutenden Bereich seiner Lebensgestaltung, nicht aus seinem Christsein ausklammern; Christus fordert den Menschen ja in seiner ganzen Lebenswirklichkeit. Die Zugehörigkeit zu Christus läßt sich von der Zugehörigkeit zur Kirche nicht trennen. Die Ehe des Christen spielt in seinem in der Kirche zu verwirklichenden christlichen Leben eine wichtige Rolle, und die Kirche muß sich dafür interessieren, wie er es mit seiner Ehe hält. Mit Recht redet sie in der Frage der Ehescheidung mit. Dem Christen z.B., der eine echte Ehe schließen wollte und sie verwirklicht hat und sie nachher doch wieder auflösen will, sagt die Kirche, daß sie seinem Vorhaben nicht zustimmen kann, weil ergegen den Auftrag Christi handelt; und auch dem Christen, der unter dem Anschein einer echten Eheschließung nur eine auflösl. Verbindung eingehen wollte und der mit Berufung darauf nun diese Verbindung lösen will, sagt sie, daß er von vornherein gegen die Absicht Christi verstoßen hat und daß sie das Nichtbestehen dieser Ehe nur anerkennen kann, wenn sie sich davon überzeugen konnte.

2. Die Kirche gesteht allerdings zu, daß Gatten aus ernsten Gründen die Lebensgemeinschaft aufgeben können (Trennung von Tisch und Bett), wobei aber als Hinweis auf ihre Zusammengehörigkeit das Eheband bestehen bleibt (D 1327 1807; CICc. 1128; vgl. 1 Kor 7,11). Ein Gatte, der den anderen eigenmächtig verläßt, muß bedenken, daß er diesen in Schwierigkeiten und sittl. Gefahren bringen kann (vgl. 1 Kor 7,5).

a) Als genügende Gründe für die Trennung werden von der Kirche Tatsachen anerkannt, die die Verwirklichung ganzheitlicher Gattenliebe oder das Leben aus dem Glauben beträchtl. behindern: Vollzogener Ehebruch eines Gatten gibt dem anderen ein Recht auf dauernde Trennung, außer er hätte in den Ehebruch eingewilligt oder dazu Anlaß gegeben oder ihn verziehen oder selbst ebenfalls Ehebruch begangen (CICc. 1129 § 1). Abfall vom Glauben, nichtkath. Kindererziehung, verbrecherisches Leben, Gefahr für Seele oder Leib berechtigen den schuldlosen Eheteil zur Trennung auf Dauer des Mißstandes (c. 1131). Die Kindererziehung spricht die Kirche in einem solchen Fall dem schuldlosen Teil zu, wenn nicht besser anders vorgesorgt wird (c. 1132).

b) Die Trennung von Tisch und Bett kann auch ohne Schuld durch Übereinkunft der Gatten um eines höheren Zieles willen geschehen: für immer, wenn mit Zustimmung des anderen Gatten und Dispens des Apost. Stuhles (cc. 542.987) eines von ihnen in einen Orden eintritt oder der Mann die Priesterweihe empfängt und so den Grundauftrag der Liebe voller erfüllen will; auf eine Zeitlang aus einem anderen (übernatürl. oder natürl.) triftigen Grund (1 Kor 7,5).

3. Paulus berichtet das Scheidungsverbot als Weisung des Herrn: „Den Verheirateten befehle nicht ich, sondern der Herr: Die Frau trenne sich nicht von ihrem Manne. Wenn sie sich aber doch getrennt hat, so soll sie unverheiratet bleiben oder sich mit ihrem Manne aussöhnen. Ebenso soll der Mann die Frau nicht entlassen“ (1 Kor 7,10 f). Der Apostel konkretisiert damit die Weisung des Herrn für die Heidenchristen in ihren Verhältnissen; bei den Juden konnte ja nur der Mann die Frau entlassen, nicht aber die Frau sich vom Mann trennen, und war (nach Dtn 24,1–3) die Rückkehr einer Entlassenen (zumindest wenn sie eines anderen Mannes Weib geworden und von diesem auch entlassen worden war) zu ihrem ersten Mann untersagt.

Im Wirkbereich des hl. Paulus scheint es des öfteren bei Bekehrungen zum Christentum zu Eheschwierigkeiten gekommen zu sein. Wenn von heidnischen Gatten sich einer taufen ließ, der andere nicht, konnte der Getaufte trotz bestem Willen die Ehegemeinschaft manchmal nicht fortsetzen, weil der Ungetaufte einfach nicht wollte. Dem Apostel schien es, daß der Getaufte dann die Weisung des Herrn, sich vom Ehepartner nicht zu trennen, nicht erfüllen konnte. Daher fügte er für die „übrigen“, näml. für die Gatten, die nicht beide Christen waren, etwas hinzu, was Jesus nicht gesagt hatte: „Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Hat ein Bruder eine ungläubige Frau und ist diese einverstanden, mit ihm zusammenzuleben, so soll er sie nicht entlassen. Und hat eine Frau einen ungläubigen Mann und dieser ist einverstanden, mit ihr zusammenzuleben, so soll sie den Mann nicht entlassen ... Will aber der Ungläubige sich scheiden, so mag er sich scheiden. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht gebunden; vielmehr hat Gott uns zum Frieden berufen. Was weißt du, Frau, ob du deinen Mann retten wirst? Od. was weißt du, Mann, ob du deine Frau retten wirst?“ (1 Kor 7,12 f.15 f). Der Apostel redet nur von Trennung, nicht von Wiederverheiratung des vom Ehepartner so getrennten Christen.

Die Kirche hat dieses Paulinische Privileg allerdings so verstanden, daß sie auch seine Wiederverheiratung gestatten könne. Wenn näml. von zwei Ungetauften, die miteinander verheiratet sind, einer sich taufen läßt, der andere nicht, ist es zwar der vordringl. Wunsch der Kirche, daß ihre Ehe erhalten bleibe. Wenn es wegen des durch die Taufe entstandenen Unterschiedes damit aber nicht gut geht, legt die Kirche dem Getauften die Pflicht auf, den Ungetauften noch ausdrückl. zu befragen, ob er nicht doch sich auch selbst taufen lassen oder wenigstens mit dem Ungetauften in rel. Toleranz („sine contumelia Creatoris“) friedl. zusammenleben will (CICc. 1121). Falls der Befragte ausdrückl. erklärt oder durch sein Verhalten zu erkennen gibt, daß er dazu nicht bereit ist, spricht die Kirche dem Getauften das Recht zu, eine neue Ehe mit einer kath. Person zu schließen (c. 1123). Mit dem Eingehen der neuen Ehe wird das Band der früheren gelöst (c. 1126). Zu dieser Lösung zugunsten der Glaubensverwirklichung des Getauften hält sich die Kirche durch die Worte des hl. Paulus für ermächtigt („solvitur in favorem fidei ex privilegio Paulino“, c. 1120 § 1). Ihre Absicht, damit dem Getauften nur ein volles christl. Leben zu ermöglichen, gibt sie durch ihr Vorgehen zu erkennen: Sie löst eine solche Ehe nicht, wenn der Getaufte selbst dem Ungetauften zu seinem feindseligen Verhalten einen berechtigenden Grund geliefert hat (c. 1123), vielleicht, um von ihm loszukommen.

Die Kirche deckt mit dem sog. Paulin. Privileg nicht die Auflösung einer Ehe, die ein Getaufter mit einem Ungetauften unter Dispens vom Hindernis der Disparitas cultus (c. 1120 § 2) geschlossen hat, also eine Ehe, die von vornherein im Bewußtsein der Schwierigkeiten eingegangen wurde, die sich aus solcher Religionsverschiedenheit der Gatten ergeben kann.

4. Es kommt jedoch auch vor, daß die Kirche eine Ehe, die von einer (meistens nichtkath.) getauften mit einer ungetauften Person geschlossen wurde, auflöst. Wohl will sie auch solche Ehen so weit als mögl. im Bestand erhalten. Wenn sich aus einer solchen Verbindung aber Schwierigkeiten für das rel. Leben ergeben, die nicht bewältigt werden können, löst die Kirche sie „zugunsten des Glaubens“ (vor allem eines der Gatten, der kath. wird) (vgl. Pius XII., UG 859), wobei sie darauf achtet, daß diese Ehe nicht nach etwaiger Taufe beider Gatten noch geschlechtl. vollzogen wurde. Da der Papst dabei die Lösegewalt betätigt, die er als Träger des Petrusamtes hat, sprechen manche Theologen vom Petrinischen Privileg; andere finden diese Bezeichnung unpassend, weil auch andere Arten der Lösung auf dieselbe Gewalt zurückzuführen seien.

5. Nach ihrem Selbstverständnis ist die Kirche berechtigt, die ihr von Christus gewährte Lösegewalt (Mt 16,19; 18,18) auch auf manche anderen Ehen anzuwenden (vgl. Pius XII., UG 856–858), wenn sie dadurch einem Menschen ein volleres christl. Leben ermöglicht. Sie löst näml. eine von Getauften richtig geschlossene Ehe, die noch nicht durch geschlechtl. Vollzug voll verwirklicht wurde (matrimonium ratum non consummatum), falls sich ein Gatte durch feierl. Gelübde in einem Orden für ein Leben unmittelbarer Hingabe an Gott entscheidet (D 1806; CICc. 1119; allerdings kann ein Verheirateter nur mit päpstl. Dispens gültig in ein Ordensnoviziat aufgenommen werden; c.542 n.1), und auch sonst durch päpstl. Dispens, wenn wenigstens ein Gatte mit entsprechender Begründung der positiven Bedeutung der Lösung für sein Lebensschicksal darum bittet (c.1119)..

a) Zweifellos hat der geschlechtl. Vollzug für die Verwirklichung der Gemeinschaft der Liebe und des Lebens in der Ehe große Bedeutung. „Diese Liebe wird durch den eigentl. Vollzug der Ehe in besonderer Weise ausgedrückt und verwirklicht. Jene Akte also, durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittl. Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reicher machen“ (GS 49). Bei jenen Ehen, die geschlechtl. nicht vollzogen wurden, fehlt nach der Auffassung der Kirche ein bedeutsames Element der Vollverwirklichung der ganzheitl. Gattengemeinschaft; eben desh. löst sie solche Ehen aus triftigen Gründen.

Bei aller Anerkennung der Bedeutung des geschlechtl. Vollzuges fragt man heute, ob nicht auch andere Mängel die richtig geschlossene Ehe daran hindern können, zur vollen Gemeinschaft der Liebe und des Lebens zu werden. Sicher darf man die Anforderungen nicht überspannen: Viele Gatten werden nie zu einer solchen Vollendung der Ehe gelangen, daß sie daran nichts mehr zu verbessern hätten. Aber echte Gemeinschaft der Liebe und des Lebens soll jede Ehe sein. Die bloße Tatsache, daß zw. den Gatten Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, ist dafür noch kein Beweis; wirkl. eheerfüllend ist er erst, wenn er in eine umfassende Verwirklichung der Liebe eingebettet ist, von der das 2. Vat. Konz. sagt: „Sie ist viel mehr als bloß eine erotische Anziehung, die, egoistisch gewollt, nur zu schnell wieder erbärml. vergeht“ (GS 49). „Eine solche Liebe ... führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben“ (GS 49). Erst eine solche Liebe gibt der menschl. Geschlechtsbetätigung ihre Würde. „Die Geschlechtsanlage des Menschen und seine menschl. Zeugungsfähigkeit überragen in wunderbarer Weise all das, was es Entsprechendes auf niedrigeren Stufen des Lebens gibt. Desh. sind auch die dem ehel. Leben eigenen Akte, die entsprechend der wahren menschl. Würde gestaltet sind, zu achten und zu ehren“ (GS 51). Nicht ohne Grund muß man fragen, ob für das Vollwirklichwerden einer Ehe der geschehene Geschlechtsverkehr der Gatten nicht eine zu schmale Basis ist, und fragt man weiter, welche anderen wesentl. Elemente der Vollverwirklichung es gibt, bei deren Fehlen eine Ehe als noch lösl. angesehen werden kann. Das Kirchenrecht hätte dann die Sorge, sich um die rechtl. Fassung dieser Elemente zu kümmern und sie in das kirchl. Gesetz einzubauen.

b) Sakramentale Ehen von Christen, die geschlechtl. vollzogen wurden, hat die Kirche bisher nicht aufgelöst. Heute fragt man, ob sich ihre Lösegewalt auf solche Ehen nicht erstreckt oder ob sie eine ihr gegebene Lösegewalt nur tatsächl. nicht angewandt hat.

Für die Auffassung, daß sie solche Ehen nicht lösen kann, scheint das NT zu sprechen. Nach Lukas hebt sich vom Zugeständnis, das Mose im atl. Gesetz gemacht hat, die Forderung Christi ab: „Jeder, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet, bricht die Ehe, und wer eine von ihrem Mann Entlassene heiratet, bricht die Ehe“ (Lk 16,18); nach dieser Aussage Ò) bricht die eigene Ehe der Mann, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet (nach dem AT konnte nur die Frau ihre Ehe brechen, nicht der Mann seine), und ß) bricht eine fremde Ehe der Mann, der eine Entlassene heiratet (nach dem AT war es dem Mann nicht verwehrt, eine Entlassene zu heiraten). Bei Markus antwortet Jesus auf die Frage, ob es dem Mann erlaubt sei, seine Frau zu entlassen: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“ (Mk 10,2.9); weiters erklärt er: „Wer seine Frau entläßt und eine andere heiratet, der bricht ihr gegenüber die Ehe. Und wenn sie ihren Mann entläßt und einen anderen heiratet, so bricht sie die Ehe“ (Mk 10,11 f); der Evangelist hat mit dieser Konkretisierung anscheinend auf eine heidnische Umgebung Rücksicht genommen, denn bei den Juden konnte nur die Frau ihre Ehe brechen, nicht aber der Mann, und konnte die Frau ihren Mann nicht entlassen. Übereinstimmend mit diesen Evangelisten berichtet Paulus das ausnahmslose Verbot der Ehescheidung als Weisung des Herrn: „Den Verheirateten befehle nicht ich, sondern der Herr: Die Frau trenne sich nicht von ihrem Manne. Wenn sie sich aber doch getrennt hat, so soll sie unverheiratet bleiben oder sich mit ihrem Manne aussöhnen. Ebenso soll der Mann die Frau nicht entlassen“ (1 Kor 7,10 f); auch in diesen Worten wird die Weisung des Herrn auf heidenchristl. Verhältnisse konkretisiert.

Aufhorchen muß man, wenn der Apostel im Wissen, dabei nicht durch das Wort des Herrn gedeckt zu sein („Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr“, 1 Kor 7,12), dem Ungetauften, der sich taufen läßt und mit dem sein ungetaufter Gatte nicht mehr im Frieden leben will, das Zugeständnis macht, sich als von der Bindung an diesen Gatten frei betrachten zu dürfen (1 Kor 7,12 f.15 f). Der Apostel sagt nichts von einer Wiederverheiratung; die Kirche eröffnet dem so Getrennten auch diese Möglichkeit (Paulin. Privileg, vgl. II 3).

Eine Schwierigkeit ergibt sich auch aus den sog. Matthäusklauseln. Pharisäer fragen Jesus: „Ist es erlaubt, seine Frau aus jedem beliebigen Grund zu entlassen?“ (Mt 19,3). Die Frage schließt an die Auseinandersetzung der Rabbinen über den Grund, der zur En tlassung genügt („etwas Widerwärtiges“, Dtn 24,1): Nach den strenen Auslegern war das nur Ehebruch, nach den am wenigsten strengen genügte schon eine Nachlässigkeit der Frau beim Kochen. Jesus antwortet mit dem Hinweis auf die gottgewollte Verbundenheit der Gatten, der jede Ehescheidung widerspreche: „Was nun Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.“ Die Regelung der Ehescheidung sei ein Zugeständnis an die Herzenshärte der Juden gewesen; die Ehescheidung selbst habe der Urabsicht Gottes mit der Ehe widersprochen: „Ursprüngl. war es nicht so. Ich aber sage euch: Wer seine Frau entläßt, außer wegen Unzucht, und eine andere heiratet, begeht Ehebruch“ (Mt 19,4–9). Nach dem ganzen Zusammenhang hat Jesus nicht bloß der strengeren Rabbinenauffassung über Ehescheidungsgründe beipflichten, sondern darüber hinausgehen wollen, wie auch nach Mk 10,11; Lk 16,18; 1 Kor 7,10 f Jesus eindeutig fordert: Keine Ehescheidung! Schwierig wird die Frage aber durch die Klausel „außer wegen Unzucht“, die sich in diesem Evangelium noch ein zweites Mal findet: „Es ist euch gesagt: Wer seine Frau entläßt, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entläßt, außer wegen Unzucht, der macht sie zur Ehebrecherin, und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch“ (Mt 5,31 f). Die Deutung, der Fall der Unzucht sei in das Verbot einbezogen worden, ist sprachl. schwer mögl. Die Erklärung wiederum, Jesus habe den jüdischen Hörern eine zeitl. begrenzte Ausnahme vom Verbot der Ehescheidung zugestanden, paßt nicht zum Tenor seiner absoluten Forderung.

In den Versuchen, diese Schwierigkeit zu bewältigen, spielt das Verständnis des Wortes Unzucht (porneia) eine wesentl. Rolle.

aa) Eine Auslegung knüpft daran, daß dieser Ausdruck auch in den sog. Jakobusklauseln (Apg 15,20.29; 21,25) vorkommt und dort mit höchster Wahrscheinlichkeit Verwandtenehen bezeichnet, die bei den Juden verboten waren und desh. als ungültig angesehen wurden. Die Klausel würde bedeuten, daß eine solche Verbindung aufgelöst werden dürfe und solle, weil sie ohnehin keine wirkl. Ehe sei. Diese Deutung ist sprachl. und sachl. mögl.; zu überlegen ist jedoch, daß Jesus damit nur eine Selbstverständlichkeit sagen würde (wollte er das?) und daß Porneia zwar die erwähnte Bedeutung haben kann, für gewöhnl. aber Unzucht im allg. und bei Eheleuten Ehebruch im besonderen bedeutet (letzterer auch durch moicheia bezeichnet).

bb) Andere verstehen die Unzuchtsklausel nicht als Wort Jesu, sondern als verdeutlichenden Einschub des Evangelisten: Jesus gehe über das AT hinaus, da er dem Mann verbiete, seine Frau zu entlassen (Mt 5,32; 19,9; er mache sie dadurch zur Ehebrecherin, d.h. trage die Schuld, wenn sie zur Ehebrecherin werde, Mt 5,32) und eine andere zu heiraten (er werde dadurch zum Ehebrecher, Mt 19,9; nach atl. Auffassung konnte nur die Frau ihre Ehe brechen, nicht der Mann seine), und ihm weiters verbiete, eine Entlassene zu heiraten (Mt 5,32; ebenfalls abweichend vom AT). Der Evangelist habe nun in der christl. Gemeinde schon Schwierigkeiten erfahren, die sich für Ehen ergaben, wenn ein Gatte zum Ehebrecher geworden war. Dieser habe bes. dann, wenn sein Ehebruch nicht ein einzelner Akt blieb, sondern die Form einer Dauerbeziehung annahm, von der er sich nicht abbringen ließ, es dem anderen Gatten unmögl. gemacht, in echter Ehewirklichkeit mit ihm weiter zu leben. Für diesen Fall habe der Evangelist die Unmöglichkeit des schuldlosen Partners eingesehen, die Ehegemeinschaft aufrechtzuerhalten, und diesem die Trennung zugestanden. Nach dem genauen Wortlaut (Mt 5,32; 19,9) scheine sich die Ermächtigung zur Trennung, nicht aber zur Wiederverheiratung zu ergeben, eine Praxis, die vom jüdischen Recht abgewichen sei, sich aber in judenchristl. Gemeinden eingebürgert habe (für den heidenchristl. Bereich durch 1 Kor 7,11 belegt).

Anscheinend erst verhältnismäßig spät hat man in manchen (bes. orientalischen) Kirchengebieten die Matthäusklauseln so verstanden, daß die Kirche die Wiederverheiratung solcher, die vom anderen Gatten verlassen wurden, tolerieren dürfe. Das Konz. von Florenz hat im Fall des Ehebruches wohl die Trennung, nicht aber die Wiederverheiratung als erlaubt anerkannt (D 1327). Das Konz. von Trient kam zur Formulierung: „Wer sagt, die Kirche irre, wenn sie gelehrt hat und lehrt: Nach evangelischer und apostolischer Lehre (vgl. Mk 10; 1 Kor 7) könne wegen Ehebruches des einen Gatten das ehel. Band nicht gelöst werden, und beide, auch der unschuldige Teil, der keinen Anlaß zum Ehebruch gegeben hat, können zu Lebzeiten des anderen Ehegatten keine andere Ehe eingehen; und der Mann begehe Ehebruch, der nach Entlassung der ehebrecherischen Frau eine andere heirate, ebenso die Frau, die nach Entlassung des ehebrecherischen Mannes sich mit einem anderen vermähle, der sei ausgeschlossen“ (D 1807). Zum Verständnis dieses Kanons verweisen manche auf seine Aussagerichtung: Das Konzil habe die Meinung Luthers treffen wollen, die Frage der Ehe könne nicht vom Papst oder den Bischöfen entschieden werden, sondern sei Gewissenssache der Gatten (De captivitate babylonica); die umständl. Formulierung sei darauf zurückzuführen, daß man Luthers Thesen möglichst wörtl. wiedergeben wollte. Der Akzent des Kanons liege darauf, daß die Kirche nicht einen Irrweg gehe, wenn sie sich für ihre Praxis, in dieser Sache zu lehren und zu entscheiden, auf die Hl. Schrift berufe. Ob eine andere Praxis als die des Verbotes der Wiederverheiratung auch nach Trennung wegen Ehebruches mögl. wäre, sei mit Rücksicht auf die Ostkirche nicht entschieden worden.

Aus dem bibl. Befund und der Praxis der Kirche ergeben sich die Fragen: Wenn die Kirche das Paulin. Privileg so versteht, daß sie dem getauften Gatten bei Schwierigkeiten nicht nur die Trennung vom ungetauften, sondern auch die Wiederverheiratung gestatten und damit kraft ihrer Lösegewalt die frühere Ehe lösen kann; wenn sie ferner in ähnl. Weise mit Ehen verfährt, auf die das sog. Petrinische Privileg zutrifft, handelt sie damit rechtmäßig? Nach ihrem Selbstverständnis tut sie es. Daraus spricht die Auffassung, daß sie nicht nur für nicht voll verwirklichte Ehen (matrimonium ratum non consummatum, vgl. II 5), sondern auch für manche geschlechtl. vollzogenen Ehen die Lösegewalt besitzt. Sie hat bisher allerdings keine Ehe gelöst, die nach der Taufe beider Partner noch geschlechtl. vollzogen wurde (etwas anderes ist die Feststellung der Ungültigkeit einer Ehe, wenn dafür ein entsprechender Grund nachgewiesen wird); hat sie so getan, weil sie überzeugt war, für die vollwirkl. gewordenen (sakramentalen) Ehen Getaufter keine Lösegewalt zu haben, oder nur weil sie aus guten Gründen meinte, eine solche Lösepraxis nicht verantworten zu können? Wenn die Kirche grundsätzl. die Lösegewalt auch für vollzogene sakramentale Ehen hätte, könnte es dann eine rechtmäßige kirchl. Praxis sein, in Anlehnung an die (richtig interpretierten?) Unzuchtsklauseln bei Matthäus Ehen aufzulösen, in denen das Zusammenleben wegen ehebrecherischer Dauerbeziehung eines Partners unerträgl. geworden ist? Könnte man dann sagen, daß die Kirche allg. die Gewalt hat, Ehen zu lösen, in denen die Erfüllung des Auftrages Christi unmögl. geworden ist? Kann die Kirche in dieser Sache Menschen, die in ihrer Ehe gescheitert sind, ein Zugeständnis machen (vgl. Richtungssittlichkeit, Kompromiß), ohne selbst der unbezweifelbaren Forderung Christi untreu zu werden?

III. Eine nicht leichte Aufgabe stellt sich der Kirche in der seelsorgl. Betreuung des Katholiken, der nach Scheidung einer früheren Ehe eine zweite Verbindung in nichtkirchl. Form eingeht, obwohl ihn die Kirche zur Eheschließung nicht annimmt. Immer häufiger fragt man, ob solche Katholiken auf ihr Verlangen zu den Sakramenten (vor allem zum Bußsakrament und zur Eucharistie) zugelassen werden können. Es geht hier nicht um Katholiken, die die Ehe in kirchl. Form schließen könnten und sich trotzdem mit einer anderen Verbindung begnügen (vgl. Unehel. Geschlechtsverkehr), sondern um Katholiken, die gern eine kirchl. Ehe schließen würden, aber wegen eines trennenden Hindernisses (im besonderen wegen des bestehenden Bandes einer früheren Ehe) nicht können.

1. Manche von ihnen sind nur dem Anschein nach in einer früheren Ehe unauflösl. verheiratet.

In Wirklichkeit ist die frühere Ehe aus einem Grund, der von der kirchl. Rechtssprechung als hinreichend anerkannt ist, ungültig oder lösl.

a) Allerdings kann es sein, daß sie den Grund, der für sie und ihren Seelsorger unzweifelhaft feststeht, vor dem kirchl. Gericht nicht genügend beweisen können. Da die Kirche sie nach staatl. Scheidung der früheren Ehe nicht zu einer neuen Eheschließung annimmt, haben sie bloß vor dem Standesamt geheiratet.

Die Kirche hat eine Reihe von Ehegesetzen erlassen. Durch einen Teil von ihnen will sie Rechtssicherheit schaffen: Für die Öffentlichkeit sollen das Freisein des Ehewilligen vom Hindernis des Ehebandes und der Abschluß der Ehe nachweisbar sein. So schreibt die Kirche seit dem Konz. von Trient zur Gültigkeit der Ehe von Katholiken eine bestimmte Eheschließungsform vor und läßt sie Verheiratete zu einer neuen Eheschließung nur zu, wenn die Nichtigkeit oder die Auflösung einer früheren Ehe gesetzmäßig nachgewiesen ist (CICc. 1069 § 2).

Im jetzt behandelten Fall ist wenigstens ein Partner dem Anschein nach durch eine frühere Ehe gebunden und daher an einer neuen Eheschließung behindert. In Wirklichkeit ist er nicht gebunden und daher zu einer neuen Eheschließung frei. Dieser Lage werden die kirchl. Gesetze, an die sich die kirchl. Amtsträger im äußeren Rechtsbereich (forum externum) halten müssen, nicht gerecht. Eine Lösungsmöglichkeit scheint die Epikie zu bieten: Wenn anscheinend Verheiratete aus Gründen, die für sie unbezweifelbar feststehen, von der Nichtigkeit oder Löslichkeit ihrer Ehe überzeugt sind, jedoch dafür den Beweis in der kirchenrechtl. vorgesehenen Art nicht führen können und nach staatl. Ehescheidung eine neue Ehe geschlossen haben oder zu schließen beabsichtigen, läßt es sich vertreten, daß sie mit ihrem Seelsorger unter Anwendung der Epikie eine Lösung für den nichtrechtl. Gewissensbereich (forum Dei) suchen, näml. in der Richtung, daß sie sich durch die kirchl. Gesetze hinsichtl. des Beweisverfahrens, der Zulassung zu einer neuen Ehe und der Form der Eheschließung als nicht gebunden und als zur Schließung einer neuen Ehe in anderer Form frei ansehen dürfen. Der Seelsorger darf sie nach der Eheschließung als gültig Verheiratete zu den Sakramenten zulassen, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen dazu erfüllen.

b) Andere ungültig oder lösl. Verheirate können den Grund, aus dem die frühere Ehe ungültig oder unlösl. ist, gerichtl. nachweisen. Das kirchl. Gerichtsverfahren wird jedoch voraussichtl. noch lang dauern. Die Partner haben desh. nach staatl. Ehescheidung schon standesamtl. eine neue Ehe geschlossen.

Natürl. legt sich die Forderung nahe, die kirchl. Gerichte mögen ihre Verfahren beschleunigen, um unerträgl. Härten für die Parteien zu beseitigen. Wenn in dieser Richtung auch schon manches getan wurde, wird es trotz guten Willens vermutl. auch in Zukunft nicht immer gelingen, die Dauer des Prozesses derart zu verkürzen, daß die Partner nicht in Schwierigkeiten gebracht werden; unter Umständen kann die Zeitfrage für sie viel bedeuten.

Die Partner sind nach ihrer wohlbegründeten Gewissensüberzeugung durch die erste Ehe nicht gebunden und daher frei, in eine neue Ehe zu treten. Wenn sie eine solche geschlossen haben oder schließen wollen, haben sie das Bewußtsein, damit nicht einer bestehenden Ehe untreu zu werden und nicht sittl. unerlaubt zu handeln, obwohl sie bedauern, daß ihre Ehe von der Kirche rechtl. nicht anerkannt wird.

Auch in einem solchen Fall läßt es sich vertreten, daß die Partner mit ihrem Seelsorger unter Anwendung der Epikie eine Lösung für das nichtrechtl. Gewissensforum suchen. Die Härten, die sie infolge der langen Wartefrist erdulden müßten, können ihnen das Recht geben, schon vor dem endgültigen Urteil über die Nichtigkeit der ersten Ehe oder ihrer Lösung eine zweite Ehe zu schließen, und zwar in einer anderen als der kirchl. Eheschließungsform. Damit erlangen sie die Wirklichkeit einer christl. Ehe, wenn sie auch deren erwünschte rechtl. Anerkennung noch nicht finden. Somit scheint auch die Zulassung dieser Gatten zu den Sakramenten mögl. zu werden.

c) Wieder andere Wiederverheiratete können für das Nichtbestehen oder die Löslichkeit ihrer früheren Ehe Gründe geltend machen, die von der kirchl. Rechtssprechung bisher nicht anerkannt wurden, die jedoch nach der Meinung einer Reihe von Theologen und Kanonisten (probati auctores) geeignet sind, den Nichtbestand oder die Löslichkeit ihrer Ehe erkennen zu lassen. Die angeführten Gründe betreffen Mängel der Ehefähigkeit, des Ehewillens oder des Ehevollzuges.

Man fragt heute, ob nicht zur Ehefähigkeit mehr gehört, als bisher angenommen wurde; ob nicht daher über jene Mängel, die bisher schon als zur Ehe unfähig machend angesehen wurden (vgl. CICc. 88 § 3; cc. 1067–80), hinaus noch andere Gründe zu berücksichtigen sind, wenn über Bestand oder Nichtbestand einer Ehe geurteilt werden soll. So ist etwa zu fragen, ob nicht Geisteskrankheiten in weiterem Ausmaß Eheungültigkeitsgründe darstellen, als dies durch die bisherige kirchl. Praxis anerkannt wurde, und ob nicht menschl. Unreife zur Ehe unfähig macht, da sie den erforderl. reifen Ehekonsens verhindert. In der Vergangenheit wurde zur Sicherung der Ehereife als untere Altersgrenze für die gültige Eheschließung beim Mann die Vollendung des 16. und bei der Frau die Vollendung des 14. Lebensjahres festgesetzt (c. 1067 § 1); allerdings sieht das Kirchenrecht den Abschluß von Ehen in sehr frühem Alter als unerwünscht an und will es eher davon abhalten (§ 2). Heute hält man diese Vorsorge für ungenügend und fragt man mehr nach der erforderl. Lebensreife, im besonderen nach einem genügenden (nicht bloß intellektuellen, sondern existentiellen) Erfassen der Lebenswerte der Ehe.

Weiters wird überlegt, ob nicht auch die Unfähigkeit, die christl. Ehe zu leben, dem Menschen das wirkl. Eingehen einer Ehe unmögl. macht. Zu denken ist etwa an die Unfähigkeit, mit einer anderen Person in der engen Verbindung der Ehe zusammenzuleben, an ausgeprägte Homosexualität, an abnormale sexuelle Triebhaftigkeit, die Treue gegenüber einem Gatten als illusorisch erscheinen läßt.

Das Augenmerk richtet sich auch auf die notwendigen Eigenschaften des Konsenses, der die Ehe begründet: ob ihm ein existentielles Erfassen des Wesens der Ehe und eine hinreichende Kenntnis des Ehepartners und seiner Beschaffenheit zugrundeliegt (vgl. CICcc. 1082–84); ob er sich als freies Ja auf die Ehe und ihre wesentl. Eigenschaften erstreckt (vgl. cc. 1086 f). Heute meinen manche Theologen, daß gemäß dem fortgeschrittenen Verständnis von Wert und Würde der Ehe der Konsens neu zu umschreiben sei.

All diese Fragen sind in Diskussion. Vielleicht wird es gelingen, manche Erfordernisse für das Zustandekommen einer gültigen und unauflösl. Ehe im neuen CIC besser zu fassen. Nach der jetzigen Praxis genügen die angeführten Erwägungen meistens nicht zur Ungültigerklärung oder Lösung von Ehen. Für den reinen Gewissensbereich ist es jedoch vertretbar, daß man wiederverheiratete Geschiedene, die für die Ungültigkeit oder Löslichkeit ihrer ersten Ehe derartige (von angesehenen Theologen und Kanonisten nach ernsthafter Prüfung anerkannte) Gründe geltend machen können, ähnl. behandelt wie jene, deren Ehe aus kirchl. anerkannten Gründen ungültig ist, die jedoch diese Gründe gerichtl. nicht beweisen können oder auf das kirchl. Urteil noch lange warten müssen. Natürl. müßte man sich dabei nicht bloß auf subjektive Gefühle, sondern auf ausreichend begründete theol. Argumente stützen können.

2. Eine große Zahl von solchen, die nach dem Scheitern einer ersten Ehe wieder geheiratet haben, kann sich nicht darauf berufen, daß die erste Ehe keine wirkl. Ehe gewesen sei. Obwohl diese Ehe nach allen Anzeichen eine richtige Ehe war, ist sie doch nach einer gewissen Zeit durch die Schuld eines oder beider Partner und durch die Schuld anderer in Brüche gegangen. Nach staatl. Ehescheidung hat einer der Gatten oder jeder von ihnen einen neuen Partner standesamtl. geheiratet.

Ein Teil solcher Wiederverheirateter kümmert sich nicht um das Leben mit der Kirche. Andere möchten gern am Leben der Kirche teilnehmen und bedauern, von den Sakramenten ausgeschlossen zu sein.

a) Die Hauptgründe für ihre Nichtzulassung zu den Sakramenten sind folgende:

aa) Durch ihre zweite Verbindung sind sie ihrer ersten Ehe untreu geworden, durch die sie nach dem Wort Christi gebunden sind, solange beide Gatten leben. Durch das Verbleiben in der zweiten Verbindung halten sie an dieser Untreue fest (sie leben im Stand der Sünde). Ferner befinden sie sich durch ihr Zusammenleben in ständiger nächster Gefahr zur Sünde (zum Geschlechtsverkehr, der nur in einer echten Ehe sittl. einwandfrei ist). Mit dem Verharren in einem bloß eheähnl. Verhältnis geben sie schließl. anderen Anlaß zur Sünde (Ärgernis).

bb) Die Kirche bekundet durch die Zulassung zu den Sakramenten, daß sie mit denen eins ist, die sie zuläßt (2. Vat. Konz., UR 8: Gottesdienstgemeinschaft als „Bezeugung der Einheit“ der Kirche). Die wiederverheirateten Geschiedenen sind in einem wichtigen P unkt mit ihr uneins: Durch ihre zweite Verbindung stehen sie in Gegensatz zur Eheverkündigung der Kirche; zw. dem, was ihre Lebensgestaltung aussagt, und dem, was die Kirche durch die Sakramentengemeinschaft bezeugt, besteht ein Widerspruch. Durch ihre Zulassung zu den Sakramenten würde die Kirche den Eindruck erwecken, daß sie über diesen Widerspruch hinwegtäuschen oder ihn nicht ernstnehmen will; den Eindruck der Zwiespältigkeit, näml. daß sie sich zwar mit den Lippen zu der von Christus geforderten Unauflöslichkeit der Ehe bekennt, durch ihre Praxis aber zu Ehescheidung und Wiederverheiratung.

Die Gründe, die die Kirche dazu bestimmt haben, wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sakramenten zuzulassen, sind jedenfalls nicht rein disziplinärer Natur, sondern wurzeln in theol. Auffassungen.

b) Aus ihnen wurde bisher gefolgert: Solange derartige Wiederverheiratete an ihrer jetzigen Verbindung festhalten wollen, ist ihre innere Einstellung nicht so, daß sie die Sakramente sinnvoll, d.h. würdig und fruchbar, empfangen könnten. Die Spendung der Sakramente an sie wurde daher von der wirksamen Reue, d.h. von der Bereinigung ihres eheähnl. Verhältnisses, abhängig gemacht. Wenn sie wegen eines Hindernisses die Ehe nicht schließen konnten, forderte man sie zur Trennung oder wenigstens zur geschlechtl. Enthaltung auf.

c) Ein radikaler Versuch, das Problem anders zu bereinigen, geht dahin, daß man fragt, ob die Kirche nicht doch auch die erste Ehe dieser Leute lösen könnte (vgl. II 6 b). Aber selbst wenn exegetisch und dogmatisch geklärt würde (was bis jetzt nicht geschehen ist), daß sie das kann, bleibt es fragl., ob sie sich dazu entschließen könnte, würde sie damit doch viel aufs Spiel setzen. Den Gründen, die für die Lösung in manchen Fällen sprechen, steht die Sorge nicht nur um eine sichere Rechtspraxis, sondern mehr noch um eine überschaubare sittl. Ordnung, im besonderen um die Hochhaltung der Unauflöslichkeitsforderung Jesu, gegenüber. So ist es nicht zu verwundern, daß Theologen, denen an der seelsorgl. Betreuung der wiederverheirateten Geschiedenen viel liegt, nach einer Lösung suchen, die an der Unauflöslichkeit der Ehe nicht rüttelt. So steht zu erwarten, daß sich die Kirche auch in Zukunft auf die Lösung nicht einlassen, sondern ihrem Bemühen einen anderen Schwerpunkt geben wird.

d) Am besten scheint der Schaden, der durch Scheidung und Wiederverheiratung angerichtet wurde, dadurch gutgemacht zu werden, daß die zweite Verbindung aufgegeben und die erste Ehe wiederhergestellt wird. Damit fallen die Hindernisse für die volle Teilnahme am kirchl. Leben, auch an den Sakramenten.

Dieser vollkommenen Lösung stehen jedoch oft unüberwindl. Hindernisse im Weg: Selbst wenn der Wiederverheiratete sich vom jetzigen Partner trennen und zum ersten Gatten zurückkehren wollte, ist damit noch nicht verbürgt, daß dieses Vorhaben gelingt; sein erster Partner ist vielleicht zur Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft nicht bereit, zumal wenn er selbst auch eine neue Verbindung eingegangen ist (der Willige würde dann durch Aufgeben der zweiten Verbindung nur seine Bereitschaft zur Wiedergutmachung zeigen, könnte sie aber nicht voll verwirklichen). Die meisten Wiederverheirateten denken aber nicht an Trennung, weil sie sich der zweiten Gemeinschaft verpflichtet fühlen: verbunden dem Partner, den sie nach ihrem Empfinden nicht verlassen dürfen, und verpflichtet etwaigen Kindernk, die der Verbindung entsprossen sind. Viele sehen sich vor die Aufgabe gestellt, gerade das, worin sie in der ersten Ehe versagt haben, in der zweiten Verbindung gutzumachen. Um ihnen zu helfen, muß man nach anderen Wegen als der Trennung suchen.

e) Ein beachtl. Vorschlag geht dahin, nicht unbedingt auf Spendung und Empfang der Sakramente aus zu sein, sondern die Kirche als umfassendes Heilssakrament mehr zu würdigen (LG 48; vgl. LG 1 9; GS 45) und an ihrem Leben auf andere Art als durch den Empfang der Sakramente teilzuhaben und zu solcher Teilnahme anzuregen. Die Sakramente sind zwar die vorzüglichsten Quellen des Heiles, aber nicht die einzigen; als andere bedeutsamen Möglichkeiten zeigen sich die Aufnahme des Wortes Gottes, das Gebet, die Mitfeier des Gottesdienstes (ohne Sakramentenempfang), das Mitwirken an den Aufgaben der Kirche (vor allem an ihrer karitativen Tätigkeit), das Verhalten gemäß den christl. Forderungen (bes. gegenüber den eigenen Kindern).

f) Einen weiteren Versuch hat man damit gemacht, daß man wiederverheiratete Geschiedene ohne Trennung zu den Sakramenten zuließ, wenn sie glaubwürdig versicherten, daß sie sich künftig vom Geschlechtsverkehr enthalten („wie Bruder und Schwester zusammenleben“) wollten. Ein gelegentl. Versagen in der Verwirklichung dieses Vorhabens wurde nicht als Grund angesehen, solche Wiederverheiratete von den Sakramenten auszuschließen, wenn sie nur am Vorsatz der Enthaltung festhielten. Diesem Versuch steht nicht nur die praktische Schwierigkeit entgegen, daß sich viele wiederverheiratete Geschiedene außerstande sehen, ein solches Versprechen ernsthaft zu geben; es scheint dabei auch im Grundsätzlichen etwas unklar zu sein: Zu beanstanden sind ja nicht nur die geschlechtl. Beziehungen dieser Partner, sondern ihr ganzes Zusammenleben als Gatten, das zu ihrer ersten Ehe in Widerspruch steht. Der Verzicht auf den Geschlechtsverkehr, der als Vorbedingung für den Sakramentenempfang verlangt wird, hat nur unter der Voraussetzung einen Sinn, daß er als bezeichnendes Teilelement eines umfassenden Verzichts verstanden werden kann, näml. des Verzichtes darauf, in Ehegesinnung und Eheverhalten zusammenleben zu wollen. Gerade diesen Verzicht, der ja eine Entfremdung der Partner bewirken würde, dürften die meisten Wiederverheirateten aber nicht nur als unzumutbar, sondern auch als unverantwortbar ansehen.

g) So scheint die Lösung des Problems auf anderem Weg gesucht werden zu müssen: die Zulassung zu den Sakramenten unter der Bedingung der wirksamen Reue, die den Willen zur mögl. Wiedergutmachung einschließt.

Einer der Gründe, die gegen die Zulassung wiederverheirater Geschiedener zu den Sakramenten sprechen, ist ihr Leben im Stand der Sünde (vgl. III 2 a): Durch ihr Verharren in der zweiten Verbindung verstoßen sie gegen die im Wort Christi gründende christl. Eheauffassung (gegen ihre Verpflichtung auf die erste Ehe), befinden sie sich in ständiger Gefahr zum unerlaubten Geschlechtsverkehr, geben sie ihrer Umgebung Ärgernis.

Da die Frage des Geschlechtsverkehrs nicht von der des gesamten Zusammenlebens getrennt werden sollte, lautet die Hauptfrage: Sind die wiederverheirateten Geschiedenen durch die Trennung der ersten Ehe und durch das Eingehen der zweiten Verbindung und das Verbleiben in ihr im Stand der Sünde? Zweifellos sind sie es objektiv, da ihr Verhalten der christl. Eheauffassung widerspricht. In diesem Zustand befinden sich viele nicht ohne subjektive Schuld; zu berücksichtigen ist aber auch, daß nicht wenige es unter dem Einfluß von Fehlmeinungen und -haltungen, die in der Gesellschaft verbreitet sind, schwer haben, den Wert der christl. gelebten Ehe genügend zu erfassen und in ihrem Leben zu verwirklichen. Die Tatsache allein, daß Menschen nach Ehescheidung in einer zweiten Verbindung leben, gibt nicht vollen Aufschluß über ihre Schuld.

Es ist denkbar, daß einzelne wegen mangelnden sittl. Werterfassens und Könnens mehr durch ein Verhängnis als durch eigene Schuld in diesen Zustand geraten sind. Bei anderen mag beträchtl. eigene Schuld mitgespielt zu haben. Dennoch ist zu fragen, ob sie im Stand der subjektiven Todsünde festgehalten werden, wenn sie die zweite Verbindung nicht aufgeben.

Nach wie vor ist daran festzuhalten, daß die Kirche die Sakramente nur denen spenden kann, die dafür genügend disponiert sind, daß sie also zur Eucharistie nur den Christen zulassen kann, der sich von schwerer Sünde frei weiß, und daß sie von schwerer Sünde nur den lossprechen kann, der sie echt und entschieden bereut. Zur echten Reue gehört, daß der Sünder bereit ist, von der Sünde abzulassen und den durch die Sünde angerichteten Schaden nach Möglichkeit wiedergutzumachen (Bekehrung). Für die wiederverheirateten Geschiedenen bedeutet dies, daß sie das rückgängig machen müssen, wodurch sie zur Weisung Christi in Widerspruch geraten sind, d.h. die zweite Verbindung aufgeben und die erste Ehe wiederherstellen müssen (vgl. 1 Kor 7,11).

Dieses Rückgängigmachen läßt sich aber nicht immer nach Belieben durchführen. Die Wiederherstellung der ersten Ehe erweist sich vielfach schon deswegen als unmögl., weil der frühere Gatte dazu nicht bereit ist (die zweite Verbindung richtet sich dann nicht so sehr gegen die nicht wiederherstellbare erste Ehe wie gegen die Eheverkündigung Christi); und selbst wenn er bereit wäre, stehen der Auflösung der zweiten Verbindung neue Pflichten (gegenüber dem Partner und etwaigen Kindern) entgegen, die aus ihr entstanden sind. Diese neuen Pflichten erscheinen dem verantwortungsbewußten Überlegen häufig als vorrangig und lassen sich nach Meinung der Partner nur gut erfüllen, wenn sie in echter Ehehaltung (einschließl. der geschlechtl. Beziehungen) zusammenleben. Die Partner sind zu der ihnen mögl. Wiedergutmachung bereit, meinen aber, daß diese gerade in der Erfüllung ihrer jetzigen Pflichten geschehen solle.

Für Missionsgebiete, in denen sich die christl. Sittlichkeit noch nicht durchgesetzt hat, überlegt man, ob nicht Neubekehrte, die erst allmähl. zum Christentum reifen, schuldlos sein können, wenn sie sich unter dem Einfluß ihrer überlieferten Sitten Nebenfrauen halten oder unfruchtbare Ehen auflösen. Es wäre zu überlegen, ob nicht manche der wiederverheirateten Christen, bes. unter dem Einfluß einer nichtchristl. Umgebung, in einer ähnl. Verfassung sind wie Neubekehrte in Missionsgebieten. Es mag sein, daß Geschiedene schon die Unauflöslichkeit einer vielleicht auf tragische Weise gescheiterten ersten Ehe nicht fassen können und daß sie nicht imstande sind, die durch die zweite Verbindung entstandene Situation in einer Weise zu bereinigen, wie die der Unauflöslichkeitsforderung entsprechen würde.

Von dem, der den Vorsatz hat, das in seiner Möglichkeit Liegende zur Verwirklichung des christl. Lebens zu tun, kann man begründetermaßen sagen, daß er sich subjektiv nicht im Stand der Sünde befindet. Er scheint zum Sakramentenempfang genügend disponiert zu sein.

Mehrere Autoren ziehen zur Stützung ihrer Auffassung, die Kirche solle Wiederverheiratete unter gewissen Bedingungen zu den Sakramenten zulassen, die vom 2. Vat. Konz. eingeleitete Praxis der Zulassung mancher nichtkath. Christen zum Sakramentenempfang in der kath. Kirche heran (vgl. Ökumenismus). Wie das Konzil vermerkt, sind dabei zwei Rücksichten zu nehmen: Einerseits kann durch die Zulassung der Eindruck erweckt werden, als ob schon volle Einheit unter den bisher getrennten Christen bestünde (die Eucharistie im besonderen ist Sakrament der Einheit); weil dies nicht richtig ist, verbietet sich die Zulassung nichtkatholischer Christen in den meisten Fällen. Anderseits erscheint sie in manchen Fällen als erforderl., damit Getauften der Zugang zu den Gnadengeheimnissen eröffnet werde. Welcher Rücksicht in der jeweiligen Situation der Vorzug zu geben ist, hat die bischöfl. Autorität des betreffenden Gebietes zu entscheiden (UR 8; OE 26; Dir. oec. 38 55). Wenn das Directorium oecumenicum (55) als eine Voraussetzung für die etwaige Zulassung die richtige Disposition der nichtkath. Christen anführt, versteht es darunter nicht ihre Konversion zur kath. Kirche. Es rechnet also damit, daß Menschen ohne ihre Schuld an historische Situationen gebunden sein können, die sie nicht nach Belieben ändern können. Obwohl beide Probleme gewisse Ähnlichkeiten haben, dürfen doch die Unterschiede nicht übersehen werden: Zur Disposition der nichtkath. Christen gehört das Freisein von schwerer Schuld (auch durch ihre Trennung von der Kirche dürfen sie nicht in schwerer Schuld sein). Den heiklen Punkt bei den wiederverheirateten Geschiedenen berührt gerade die Frage, ob sie ohne schwere Schuld an der zweiten Verbindung festhalten können; nur soweit die Frage bejaht werden kann, ist ihr Fall dem der nichtkath. Christen gleichzustellen.

Offenkundig entzieht sich die Frage, wie weit wiederverheirate Geschiedene an der zweiten Verbindung ohne Schuld festhalten können, dem äußeren Rechtsbereich. Für diesen Bereich erscheint daher die Lösung ihres Problems nicht als mögl., sondern nur für den Gewissensbereich. Alle gutgemeinten Versuche, dafür irgendwelche kirchenamtl. Stellen nicht bloß zur Beratung, sondern zur Entscheidung zu schaffen, müssen daher als Fehlversuche angesehen werden.

Auch gegen den Vorschlag, die Kirche solle durch eine kurze Zeremonie diesen Leuten bestätigen, daß sich für ihre Situation keine andere Lösung als die im reinen Gewissensbereich finden lasse, sprechen triftige Gründe:

aa) Trotz allen Klarstellungsversuchen wird es nicht immer gelingen, dem Mißverständnis vorzubeugen, es handle sich um eine kirchl. Trauung.

bb) Mit einer solchen Zeremonie würde ein Schritt in den äußeren Bereich getan; der Entscheid gehört seiner Natur nach aber ins Gewissensforum.

cc) Die Zeremonie wäre geeignet, den Kompromißcharakter der Lösung zu verwischen, als ob die im betreffenden Ehefall eingetretene Entwicklung gutgeheißen würde, während doch nur zugestanden wird, daß sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine bessere Lösung finden läßt.

3. In all den Fällen, in denen eine Lösung im äußeren Rechtsbereich nicht erreicht werden kann, sondern nur im (nichtrechtl.) Gewissensbereich, spricht der Anschein gegen die wiederverheirateten Geschiedenen: Dem Anschein nach sind sie zum sinnvollen Empfang der Sakramente nicht fähig und handeln die Seelsorger nicht richtig, wenn sie ihnen die Sakramente spenden. Menschen, die nur um den Anschein wissen, können dadurch verwirrt werden und sogar zum Entschluß kommen, selbst die von der Kirche vertretene christl. Eheauffassung nicht mehr ernstzunehmen. Den Seelsorgern muß viel daran liegen, solches Ärgernis zu verhüten.

Die ideale Lösung läge darin, daß alle, die unter dem Eindruck des falschen Anscheins stehen, genügend aufgeklärt werden, diesen Wiederverheirateten dann verständnisvoll gegenüberstehen und nicht mehr zu unguten Folgerungen in ihrer Lebensgestaltung gelangen. Solches Verständnis wird sich jedoch nicht immer erreichen lassen; häufig wird es sogar dem Wiederverheirateten peinl. sein, daß ihre Angelegenheiten vor einer größeren Öffentlichkeit ausgebreitet werden. In diesem Fall sollen sie die Sakramente dort empfangen, wo man ihre Eheverhältnisse nicht kennt: In der Großstadt trifft das vielfach sogar auf die eigene Pfarre zu; sonst ist der Empfang an einem anderen Ort zu fordern.


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