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Furcht, (II.)

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 516-518

Zu fragen wäre noch nach der Bedeutung der Furcht für die Bekehrung eines Menschen und das darauf folgende Leben: Was ist davon zu halten, wenn sich der Mensch aus Furcht vor den Folgen der (Tod-) Sünde entschließt, von ihr zu lassen und künftig ein sittl. geordnetes Leben zu führen?

Das Wollen des Menschen, in dem die eigentl. Sittlichkeit ihren Sitz hat, wird nicht gebessert, wenn er aus Furcht vor irdischen Folgen oder vor der mißverstandenen ewigen Strafe zwar von der Sünde läßt, aber die Anhänglichkeit an sie nicht aufgibt (knechtische Furcht, timor serviliter servilis). Diese von der Furcht bewirkte Änderung ist keine wahre Bekehrung; deren Kernelement, die innere Sinnesänderung, fehlt ja.

Anders jedoch, wenn der Sünder das aus der Sünde folgende Übel in seinem wahren Charakter sehen lernt. Das Evangelium ruft den Menschen auf den Weg zur Rettung, zum Heil, zur Lebenserfüllung in Gott; der Mensch kann diesen Ruf im Glauben annehmen oder im Unglauben ablehnen. Mit der Annahme schlägt er den Weg zur Erfüllung seines Lebens ein, mit der Ablehnung den Weg zur Nichterfüllung; Nichterfüllung mit allem, was zu ihr gehört, heißt Verdammung oder Hölle. „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,16). Das Gericht, durch das dem Menschen sein endgültiges Schicksal zugesprochen wird, hebt damit an, daß der Mensch sich gegenüber dem Anruf oder dem Heilsangebot Gottes in Jesus in der einen oder der anderen Weise entscheidet. „Denn Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat“ (Joh 3,17 f). Die Furcht, die das NT dem Menschen empfiehlt, liegt darin, daß sich der Mensch der Bedeutung seiner Entscheidung bewußt wird; negativ in der Sorge vor der Fehlentscheidung (Furcht davor, daß man seine Bestimmung oder das Eigentl. des menschl. Lebens verfehlt); positiv in der Sorge oder im Bemühen darum, daß man doch seine Bestimmung erreiche. „Wirket euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern“ (Phil 3,12; vgl. Lk 12,5). Wenn man Sünde und Verdammung in ihrem wahren Charakter (als Verlust Gottes, in dem die wesentl. Bestimmung des Menschen liegt) sieht und fürchtet, wird die dadurch motivierte Bekehrung zur echten Abkehr von der Sünde und Hinkehr zu Gott. Die Furcht hört dann auf, bloße Furcht (timor simpliciter servilis) zu sein, sondern wird schon von der Liebe geprägt (timor filialis). Paulus meint mit seiner Mahnung zur Furcht (Phil 3,12) die Sorge des Menschen darum, daß er Gott als das große Gut gewinne; eine Furcht, die von Hochschätzung Gottes, ja von Liebe durchdrungen ist. Solche Furcht, die besser Ehrfurcht genannt wird, hat große Bedeutung für das sittl. Wollen des Menschen. „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit; weise tun, die beharrl. sie üben“ (Ps 110 [111],10; vgl. Ex 3,6; 20,18; Jes 6,5; Mal 1,6).


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