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Höflichkeit

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 814-816

1. Höflich ist, wer gewisse eingebürgerte Umgangsformen einhält, die die gegenseitige Achtung ausdrücken. Manche Umgangsformen werden von der Gesellschaft als bindend angesehen, weil der Mensch dieses Ausdruckes liebender Rücksichtnahme bedarf, soll er durch das Zusammenleben nicht überbelastet, sondern gefördert werden. Höflichkeit gehört wesentl. zum christl. geformten Leben, da sie Betätigung der Nächstenliebe ist. „In der Bruderliebe seid einander herzl. zugetan, ein jeder schätze den anderen an Ehre höher ein“ (Röm 12,10).

Wahre Höflichkeit besteht natürl. nicht nur im äußeren Schöntun, sondern in innerer Achtung vor dem Mitmenschen, die in ansprechender Form ausgedrückt wird. Sie ist aufrichtig (das äußere Verhalten entspricht der Gesinnung), herzl. (aus echtem Wohlwollen stammend), einfach (in den Formen nicht übertreibend). Ihre Schwierigkeit liegt darin, daß sie alltägl. geübt werden muß, daher eines ständigen Durchhaltens (Tapferkeit) bedarf.

Eine Unwahrhaftigkeit scheint in der Höflichkeitslüge zu stecken; man meint damit einen Ausdruck der Höflichkeit, mit dem die Gesinnung des Sprechers nicht ganz übereinstimmt (etwa der Briefschluß „Hochachtungsvoll“ im Schreiben an eine Person, die dem Schreiber zieml. gleichgültig ist). Als Ausdruck eines nicht vorhandenen inneren Empfindens wäre eine solche Redeweise Lüge und zu unterlassen. Man kann sie jedoch auch anders verstehen, näml. als Ausdruck des Willens zu höfl. Behandlung des Mitmenschen. Sie ist dann nicht Lüge, sondern Ausdruck, der durch die Umstände mehrerlei Sinn hat (vgl. Mehrdeutige Rede) und im Rahmen des Üblichen niemanden täuscht. Ihr Wert liegt darin, daß sie jene Empfindung vorbereitet und hervorbringen hilft, die dem Wortlaut entspricht; selbst ein so strenger Ethiker wie I. Kant hält sie daher für zulässig. Um der Wahrhaftigkeit willen muß man freil. wünschen, daß ihr Umfang eher ab- als zunehme. Echte Lüge und daher abzulehnen ist jedoch die Vortäuschung eines Wohlwollens, um das man sich innerl. in keiner Weise bemüht. Übertriebene Höflichkeitsformen (Schmeichelei) enthalten etwas Unwahres und verfolgen meistens einen unguten Zweck.

2. Einen Mangel an richtiger Einstellung verrät der Unhöfliche oder Grobe, der es am Erweis der Achtung für den Mitmenschen fehlen läßt. Am ärgsten tut er es, wenn er den anderen beschimpft, d.h. in dessen (physischer oder moralischer) Gegenwart seine schlechte Meinung über ihn lieblos äußert (durch Wort, Tat, Unterlassung). Das Gewicht solcher Äußerungen hängt freil. nicht nur von den gebrauchten Ausdrücken oder Zeichen ab, sondern auch von der Absicht dessen, der sie gebraucht, und von der Beschaffenheit des Beschimpfenden und des Beschimpften. Derbere Leute werden auch durch härtere Ausdrücke nicht verletzt. In mancher Situation kann auch der Liebende schärfere Worte verwenden, um den Angeredeten zur Besinnung zu bringen („O ihr unverständigen Galater!“ Gal 3,1; vgl. Mt 3,7; 12,34.39; 16,4; 23,13–33; Mk 8,38; Lk 3,7; 11,42–45; 24,25). Scherzendes Hinweisen auf geringe Schwächen anderer zur Erhöhung der Stimmung in der Gesellschaft kann gebilligt werden, wenn es nicht verletzt (Thomas von Aq. weist es der Tugend der Eutrapelia zu; S.Th. 1,2 q.60 a.5). Dennoch läßt Jesus erkennen, daß der Mensch, der einen anderen beschimpft, dadurch schwer schuldig werden kann: „Wer zu seinem Bruder sagt: 'Du Dummkopf!', soll dem Hohen Rat verfallen sein. Und wer sagt: 'Du Narr!', der soll dem Feuer der Hölle verfallen sein“ (Mt 5,22).

In manchen Fällen behandelt der Beschimpfende seinen Mitmenschen nicht nur lieblos, sondern schädigt er ihn auch ungerecht an seiner Ehre oder an anderen Gütern. Er ist dann verpflichtet, diesen Schaden nach Kräften wiedergutzumachen.

Der Beleidigte soll im Geist des Christentums die Beschimpfung ohne Haß und Rachsucht ertragen und zum Verzeihen bereit sein. „Vergebet, und euch wird vergeben werden“ (Lk 6,37; vgl. Mt 5,39). „Und wenn er siebenmal am Tage sich gegen dich verfehlt und siebenmal wieder zu dir kommt und spricht: 'Es reut mich', so vergib ihm“ (Lk 17,4).


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