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Hochmut

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 625-627

Hochmut (Hoffart, Selbstüberhebung, Stolz, lat. superbia) nennen wir die Überschätzung des eigenen Wertes durch den Menschen. „Denn wenn einer glaubt, etwas zu sein, obschon er nichts ist, so betrügt er sich selbst“ (Gal 6,3). Der Hochmut gelangt zur Vollendung, wenn der Mensch niemanden, auch keinen Gott, über sich anerkennen will. Die Versuchung dazu stellt sich für den Menschen seit dem Beginn seiner Geschichte immer wieder ein. Die Selbstherrlichkeit ist die Ursünde der Engel und der Menschen. Der Fürst von Tyrus tut groß und spricht: „Ein Gott bin ich, und einen Göttersitz bewohne ich inmitten des Meeres“; Ezechiel aber muß ihn aufmerksam machen: „Wo du doch ein Mensch bist, und hieltest dich in deinem Sinn für einen Gott“ (Ez 28,2). Ein „postulatorischer Atheismus“ der Gegenwart wähnt, der Mensch werde durch einen Gott, der seiner Freiheit Vorschriften machen könnte, um seine Herrlichkeit gebracht; so will er von Gott nichts wissen. Darin liegt aber eine Mißdeutung des Sinnes der Freiheit. Diese wurde dem Menschen nicht verliehen, damit er frei sei von allem, sondern frei zu etwas, zur Anerkennung und Verwirklichung seiner Bestimmung, zum Bild des liebenden Gottes zu werden. Der Mensch kann kraft seiner Freiheit diese seine Bestimmung zur Liebe (Gottes und der Schöpfung, bes. des Menschen) annehmen oder ablehnen. Wenn er ablehnt, handelt er hochmütig, d.h. maßt er sich einen ihm nicht zukommenden Rang vor Gott und den Menschen an. Er ist nicht bereit, es anzuerkennen, daß er abhängig ist und alle seine Vorzüge von einem andern empfangen hat. Paulus sagt ihm vergebl.: „Was hast du denn, was du nicht empfangen hättest? Hast du es aber empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ (1 Kor 4,7). Seine Selbsteinschätzung gegenüber den Mitmenschen aber drückt das Scheingebet aus: „Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, auch nicht wie dieser Zöllner da“ (Lk 18,11). Mit dem Irrglauben an den überhöhten Wert der eigenen Person ist ein Ausfall an Dienstbereitschaft verbunden; man sieht ja das Du des Mitmenschen immer nur unter dem Gesichtspunkt der eigenen Icherhöhung, nie als Ziel dienender Liebe.

Wie kommt es zu solcher Fehlhaltung? Eltern können sich aus irgendeinem Grund als Elite betrachten, ein falsches Selbstwertgefühl mit übersteigertem Geltungsbedürfnis pflegen und es ihrem Kind weitergeben; ähnliche Einflüsse können von einer erweiterten Umgebung ausgehen („Nationalstolz“). Mangelhaftes Erfassen und mangelhafte Einübung der Beziehung zum Du (Gottes und des Mitmenschen) lassen das Kreisen um das eigene Ich vorherrschen. Auch durch Erfahren unkritischer übermäßiger Verehrung kann ein Mensch in die Richtung der Selbstvergötterung gedrängt werden. Hochmut ist vielfach auch Überkompensierung für die Minderwertigkeitsgefühle, die durch körperl. oder seelische Mängel, vermeintl. oder tatsächl. Zurücksetzung, Versagen in angestrebten Leistungen hervorgerufen werden können. Letztl. entspringt der Hochmut dem (vielleicht unbewußten) Versuch des Menschen, die unbeschränkte Herrschaft Gottes nachzuahmen und dadurch jene Verehrung der Mitmenschen zu erhalten, die nur Gott zukommt. „Ihr werdet sein wie Götter“ (Gen 3,5). Das ist eine Karikatur jener Gottverähnlichung, zu der der Mensch tatsächl. bestimmt ist, der Verähnlichung in dienender Liebe. Der Mensch verzerrt damit die wahre Selbstliebe, die mit der Liebe zu Gott und der Nächstenliebe in Einklang steht.

Hochmut widerspricht den Wirklichkeitsverhältnissen (vgl. Sir 10,6–18; Jer 48,29 f), kann daher nicht ohne verhängnisvolle Folgen bleiben. Die schwerste ist der Verlust Gottes, auf den zu schauen und zu horchen der Hochmütige in seiner Ichkonzentration verlernt. Auch die Mit- und Umwelt geht dem Hochmütigen weithin verloren. An andern Personen und Dingen liegt ihm ja nur etwas, soweit sie seiner eigenen Erhöhung dienen. Von einer selbstlosen Liebe, die ihm den Zugang zu ihrem wahren Wesen öffnen würde, weiß er nichts. Weil er sie an ihnen nicht einübt, gelingt ihm auch die verehrende Liebe Gottes nicht, setzt er an dessen Stelle das eigene Ich. Hochmut ist also eine Quelle vieler Fehlhaltungen und -handlungen (Hauptsünde). Solche Selbstherrlichkeit muß dem Zusammenbruch entgegengehen (vgl. Ez 28,6–10). Zur Verhütung und Heilung des Hochmuts ist alles von Bedeutung, was zu einer nüchternen Beurteilung der Wirklichkeit und zur Dienstbereitschaft (Demut) hilft.


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