www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Sonntag

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 1103-1116

I. 1. An die Stelle des Sabbats, des letzten Wochentages, der in der Ordnung des AT dem Gemeinschaftsgottesdienst geweiht war, trat für die Christen der erste Wochentag, der Sonntag Die Sonntagsfeier begann schon in den Anfängen der Kirche. „Als wir am ersten Wochentag zum Brotbrechen versammelt waren, sprach Paulus zu ihnen“ (Apg 20,7; vgl. 1 Kor 16,2). Der Sonntag wurde Tag des Herrn genannt (Offb 1,10) und mit der Eucharistiefeier begangen (Apg 20,7; Lehre der zwölf Apostel 14,1). In jüdischer Umgebung hielten die Christen zunächst neben dem Sonntag noch den Sabbat weiter, machten diesen aber den Heidenchristen nicht zur Vorschrift. Der Staat begann erst unter Konstantin den christl. Sonntag zu berücksichtigen (vgl. III 1).

Die Kirche war sich bewußt, vom Sabbat auf den Sonntag übergehen zu dürfen, weil sie wohl die Aussonderung gewisser Zeiten für den Gemeinschaftsgottesdienst als sittl. Forderung, zugleich aber auch die Möglichkeit verschiedener Festlegung dieser Zeiten erkannte. Jesus hatte ja den Sabbat als nicht unverrückbar verpflichtend gezeigt: „Denn der Menschensohn ist Herr über den Sabbat“ (Mt 12,8). Der Sabbat als hl. Tag der Woche gehörte nicht zu den zeitlos gültigen Bestandteilen des alttestamentl. Gesetzes. „Deshalb soll niemand über euch aburteilen wegen Speise und Trank oder wegen Festfeier, Neumond oder Sabbat“ (Kol 2,16). Mochte der Übergang vom Sabbat auf den Sonntag auch nicht von Jesus ausdrückl. verfügt worden sein, so ergab sich doch in seinem Wort und mehr noch in seinem Erlösungswerk die Begründung dafür. Für das AT war die Sabbatruhe passendes Sinnbild für die Vollendung der Schöpfung (vgl. Ex 20,11) und für die Befreiung Israels aus Ägypten (Dtn 5,15) und regte dazu an, Gott dafür dankbar zu verehren. Den Christen stellt noch mehr der Sonntag die Wohltaten der Erlösung und der Neuschöpfung vor Augen, da an ihm Christus von den Toten erstand, die Sündenvergebungsgewalt verlieh und den Hl. Geist sandte (vgl. Leo d. Gr., Ep. 9, PL 56,626; Thomas von A., S.Th. 2,2 q.103 a.3 ad 4; 2. Vat. Konz., SC 102 106). Der Sonntag, der Tag des auferstandenen Herrn, der unseren Blick auch auf den wiederkommenden Herrn lenkt, eignet sich vorzügl. als Tag des im christl. Gmeinschaftsgottesdienst gegenwärtig werdenden Herrn. Wer, wie manche Sekten, am Sabbat festhalten will und die Berechtigung der Sonntagsfeier bestreitet, wäre vor aller weiteren Erörterung zu fragen, was er von Christus hält.

2. Die Sonntagsfeier, die sich bei den Christen durch wohlbegründete Gewohnheit einbürgerte, wurde schließl. auch durch kirchl. Gesetz zur Pflicht erklärt. Die Kirche rechnet heute die Sonntage und die Feiertage von Mitternacht bis Mitternacht (CICc 1246). In den unierten Ostkirchen kann die Pflicht der Teilnahme an der Liturgie oder an den Laudes schon vom Abend des Vortages an erfüllt werden (2. Vat. Konz., OE 15); auch in der lat. Kirche wurden manche Bischofskonferenzen für den Bedarfsfall zu ähnl. Lösung ermächtigt.

Das heutige Gebot (c. 1248) verpflichtet wie die Kirchengesetze im allg. alle Katholiken nach Vollendung des 7. Lebensjahres. Wenn es auch mancherlei Gründe gibt, die die Forderung des Gebotes im Einzelfall nicht drängend werden lassen oder bewirken, daß der Mensch es nicht in vollpersonalem Einsatz übertritt, kann man wegen der Bedeutung des Vorgeschriebenen für das Leben aus dem Glauben doch nicht sagen, seine Nichtleistung sei nie schwere Sünde, wenn man damit nicht schweres Ärgernis gebe oder in formalem Ungehorsam handle (vgl. D 2152 [1202]).

Die Kirche schreibt für Sonntage und gebotene Feiertage die Mitfeier der hl. Messe (in der Ostkirche können an ihre Stelle die Laudes treten; OE 15) und die Enthaltung von gewissen Betätigungen vor. Darüber hinaus verlangt sie in diesem Gebot nichts, mögen auch andere Übungen, wie relig. Lesung und Besinnung oder die Teilnahme an Andachten, sehr zu empfehlen sein. In die Teilnahme an der hl. Messe ist das Anhören der Predigt (Homilie) eingeschlossen, da diese regelrecht zum Bestand der Sonntagsmesse gehört (2. Vat. Konz., SC 52).

II. Das wichtigere Element des Sonntagsgebotes ist die Vorschrift, die hl. Messe mitzufeiern.

1. In den meisten nichtchristl. Religionen spielt das Opfer, die sichtbare Gabe, die der Gottheit zum Ausdruck der inneren Hingabe des Menschen an sie dargebracht wird, als Kultakt eine wichtige Rolle. Im AT etwa will der Mensch dadurch Gott als Herrn und Spender von allem anerkennen (Anbetung) oder ihm für Vergehen durch Vernichtung der des Menschen Stelle vertretenden Gabe Sühne leisten.

Im NT haben wir nicht viele Opfer, sondern als einzig vollwertiges das Kreuzesopfer Christi, den Gott „als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10), der „sich selbst darbrachte“ (Hebr 7,27; vgl. 9,14). „Dieser aber hat ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt“ (Hebr 10,12). Er hat dieses eine Opfer schon im voraus in der Abendmahlsfeier gegenwärtig gemacht: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird ... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute, das für euch vergossen wird“ (Lk 22,19 f). Und er wollte, daß dieses Opfer den Seinen allezeit gegenwärtig sei: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19; vgl. 1 Kor 11,24–26).

Damit hat er die Grundform des ntl. Hauptgottesdienstes, der hl. Messe, festgelegt. In Ausführung seines Willens schreibt die Kirche für die Sonntage und die gebotenen Feiertage den Gläubigen die Teilnahme an der hl. Messe in irgendeinem kath. Ritus (c. 1249; zur Teilnahme am nichtkath. Gottesdienst vgl. Verkehr mit Nichtkatholiken 2a) vor. Diese macht das Herzstück des christl. Sonntags aus; in ihr schließt sich der Christ im Hören d. Gotteswortes und im Gebet sowie im sakramentalen Opfer an den Auferstandenen, jetzt gegenwärtigen Herrn an, durch den er einst zur ewigen Herrlichkeit gelangen soll. Wer die rechte Erkenntnis dieses Lob-, Dank-, Bitt- und Sühneopfers hat, aus dem der ganzen Kirche, besonders aber den Mitfeiernden, reiche Gnaden zukommen, der wird zur Teilnahme nicht erst durch ein Gebot angehalten werden müssen.

In christl. Beurteilung ist einer der Haupteinwände gegen die des öfteren versuchte „gleitende Arbeitswoche“ der, daß sie die Gottesdienstgemeinschaft nicht zustandekommen läßt und dadurch das christl. Leben gefährdet.

2. Zur wahren Mitfeier der hl. Messe gehören körperl. Anwesenheit und geistige Teilnahme.

a) Gemäß der geist-leibl. Natur des Menschen und dem Opfermahlcharakter der hl. Messe kann man an ihr nur in körperl. Anwesenheit („qui Missae adest“, c.1249) richtig teilnehmen. Das Mitverfolgen der hl. Messe im Rundfunk oder im Fernsehen reicht dazu nicht aus. Hingegen kann man in Kirchen, in denen man den Blick auf den Altar nicht frei hat, und bei Überfüllung selbst in Nebenräumen oder unmittelbar außerhalb der Gotteshäuser doch noch Anschluß an die feiernde Gemeinde finden, wenn man nur mit Hilfe irgendwelcher Zeichen (Glocke; Verhalten der Gläubigen, besonders ihr Beten und Singen) dem Gang des Geschehens folgen kann.

Damit ergibt sich auch, daß man an jedem Ort, an dem die Messe für eine Gemeinde gefeiert werden darf, der Meßpflicht genügen kann (c. 1249): in Gotteshäusern (Kirchen, öffentl. und halböffentl. Oratorien, ja selbst privaten Grabkapellen) und in Profanräumen oder unter freiem Himmel, wenn der Inhaber der bischöfl. Leitungsgewalt die Meßfeier dort aus einem triftigen Grund gestattet (der Ortsbischof hat dazu die Vollmacht; Paul VI., „Pastorale munus“, 30.11.1963, I 7). Die etwaige Erlaubnis der Zelebration in Privatoratorien (c.1194 f) wird nicht zugunsten von größeren Gemeinden, sondern nur von einzelnen Personen oder Familien gewährt; so können in ihnen nur die Begünstigten, ihre Angehörigen und ihre Gäste die Meßpflicht erfüllen, nicht aber die Allgemeinheit (c.1249); ausgenommen sind die Privatoratorien der Kardinäle und der Bischöfe, die sich der Rechte und der Privilegien halböffentlicher Oratorien erfreuen (c.1189).

Die Anwesenheit muß sich auf die Dauer der ganzen Messe erstrecken. Das 2. Vat. Konz. betont, daß Wortgottesdienst und Eucharistiefeier miteinander einen einzigen Kultakt ausmachen, daß daher die Teilnahme an der ganzen Messe auch den Wortgottesdienst umfassen muß (SC 56). Durch unbegründetes Versäumen eines Teiles der hl. Messe vernachlässigt man einen Teil seiner Pflicht; die Schwere der Sünde hängt nicht nur von der Bedeutung des versäumten Teiles, sondern auch von der Gesinnung der Versäumenden ab. Wer z.B. bei der Wandlung nicht anwesend ist, nimmt am wesentl. Opfergeschehen nicht teil; wer vor der Kommunion weggeht, versäumt die Vollendung im Opfermahl. Das Zuspätkommen und das vorzeitige Weggehen ist auf jeden Fall als Untugend zu bekämpfen. Die Teilnahme an den beiden Hälften der Messe bei verschiedenen Zelebranten kann als Bezeugung des guten Willens in Notfällen anerkannt werden, wenn wenigstens Wandlung und Kommunion derselben Messe angehören; nicht aber, wenn die beiden Zelebranten die verschiedenen Hälften gleichzeitig feiern (vgl. D 2153 [1203]).

b) Der körperl. Anwesende feiert die Messe nur mit, wenn er geistig an ihr Anteil nimmt.

Dazu ist vor allem erforderl., daß er die Absicht hat, die Messe mitzufeiern. Sie ist nicht gegeben, wenn er aus einem anderen Grund an den Ort der Meßfeier kommt (z.B. bloß um der musikalischen Aufführung willen). Wer von anderen zum Besuch der Messe angetrieben wird, aber schließl. doch an ihr teilnehmen will, hat die erforderliche Absicht.

Ferner kann man die Messe nicht ohne ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit mitfeiern. Sicher ist äußere Aufmerksamkeit notwendig, d.h. die Enthaltung von allen störenden Beschäftigungen. Wer während des Gottesdienste in dessen Interesse eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat (Orgelspieler, Sänger, Gabensammler), erfüllt das Gebot, wenn er während seiner Tätigkeit wenigstens auf die Hauptteile der Messe achtet; ebenso, wer während der Messe beichtet. Mit der äußeren muß sich innere Aufmerksamkeit verbinden, d.h. das Hinlenken des Geistes auf die Meßfeier wenigstens in ihren Hauptteilen. Freil., wer sich nur an diese untere Grenze hält, erfüllt gerade noch seine Pflicht, ohne dadurch aber in seinem Leben mit Gott sehr gefördert zu werden. Reichere Gnaden fließen erst für den, der sich um eine möglichst gute innere Teilnahme bemüht. Wenn es auch verschiedene Wege gibt, dem Geheimnis der hl. Messe näherzukommen, empfiehlt sich doch am meisten die tätige Teilnahme („actuosa participatio“) der Gläubigen an der Feier selbst, um deren Belebung sich das 2. Vat. Konz. so sehr bemühte (SC 14 48 50; LG 11 26).

3. Die Mitfeier der hl. Messe ist eine Leistung des Menschen. Wie alle Forderungen von Leistungen wird auch das Meßgebot nur drängend, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind; die Pflicht tritt nicht ein, wenn es an irgendwelchen Voraussetzungen fehlt (vgl. Pflichtenkollision, Situation). Der Mangel einer Voraussetzung wird oft auch als Entschuldigungsgrund bezeichnet. Da mit dem Meßgebot ein ernstes Anliegen verfolgt wird, darf nur ein ernster Mangel, der aus der Erfüllung einen beträchtl. Schaden befürchten ließe, als entschuldigend angesehen werden. Dabei ist natürl. auf die Verfassung der Person Rücksicht zu nehmen; Kranke z.B. geraten durch kleinere Mängel eher in Gefahr als Gesunde. Wenn gewissenhafte Menschen einen solchen Mangel feststellen, hat das mehr Gewicht, als wenn es leichtsinnige tun.

a) Das Meßgebot setzt (wie sonstige menschl. Gesetze) voraus, daß seine Erfüllung nicht allzu schwerfällt. Eine große Schwierigkeit (= moralische Unmöglichkeit) entschuldigt daher. Beispiele dafür sind: weiter Weg zur Kirche, Krankheit und drohender Rückfall nach einer Krankheit, drohender großer Vermögensschaden (etwa bei Naturkatastrophen), Bedrohung des häusl. Friedens.

b) Das Gebot wird nur unter der Voraussetzug drängend, daß nicht eine andere Verpflichtung noch drängender ist. Bei den drängenden Verpflichtungen kann es sich um Pflichten der Liebe oder der Gerechtigkeit handeln. Entschuldigende Liebespflichten sind z.B. Krankenpflege, Hilfe bei Katastrophen, Notwendigkeit der Anwesenheit zur Verhinderung verhängnisvoller Ereignisse. Zu den entschuldigenden Gerechtigkeitspflichten zählen alle ernsten Berufspflichten (Soldaten, Polizisten, Wächter, Hirten; Beschäftigte bei notwendigerweise ununterbrochen weitergehenden Arbeiten); Betreuung von Kleinkindern durch Mütter und Pflegerinnen, wenn nicht anders vorgesorgt werden kann; Kochen für andere, wenn es sich mit dem Meßbesuch nicht vereinbaren läßt.

c) Die Kirche läßt auch rechtmäßig bestehende Gewohnheiten als entschuldigend gelten, etwa daß Brautleute der Messe fernbleiben, bei der ihr Eheaufgebot verkündet wird.

Viele der Entschuldigungsgründe gelten nur dort, wo bloß eine Messe gefeiert wird. Wenn ein beträchtl. Teil der Gläubigen an der einen Messe nicht teilnehmen kann, sollte der Pfarrer für die mehrmalige Meßfeier sorgen.

Für manche, die vom Meßbesuch einwandfrei entschuldigt sind, besteht doch bei längerem Fernbleiben vom Gottesdienst die Gefahr des relig. Erkaltens. Für solche Fälle ist besonders die geistige Anteilnahme an der hl. Messe, zu der Rundfunk und Fernsehen helfen können, sowie nach Möglichkeit der Besuch einer Wochentagsmesse zu empfehlen.

Obwohl entsprechende Gründe schon an sich entschuldigen, sind zur Gewissensberuhigung manche kirchl. Obere zum Dispensieren von der Sonntagsmeßpflicht bevollmächtigt. Die Ortsordinarien und die Pfarrer können von den ihnen Anvertrauten Einzelpersonen und einzelne Familien auch außerhalb ihres Gebietes und auf ihrem Gebiet auch Fremde vom allg. Feiertagsgebot in Einzelfällen aus triftigem Grund dispensieren (CICc. 1245 § 1). Dieselbe Vollmacht haben Obere in von der bischöfl. Leitungsgewalt ausgenommenen (exempten) Priesterorden hinsichtl. ihrer Untergebenen (c. 1245 § 3).

III. Vornehml. zur Sicherung der Teilnahme am Gemeinschaftsgottesdienst hat die Kirche für die Sonntage und die gebotenen Feiertage gewisse Betätigungen verboten.

1. Im AT war am Sabbat jegl. Arbeit untersagt (Ex 20,9 f; Dtn 5,13 f; vgl. Ex 31,15; 35,2 f; Lev 23,3; Jer 17,22), an den Festtagen die „knechtl. Arbeit“ (opus servile; Ex 23,7 f.21.25.35 f; Num 28,18.25 f; 29,1.12.35). Die atl. Sabbat- und Festtagsruhe versinnbildete die Befreiung Israels aus ägyptischer Fronarbeit (Dtn 5,15) sowie die Ruhe Gottes nach dem Schöpfungswerk (Ex 20,11) und die einstige Teilnahme des Menschen an ihr. Auch das Freisein für die kultische Versammlung spielte eine gewisse Rolle (vgl. Ex 23,3.7 f.21.35 f; Num 28,18.25 f; 29,1.12). Zur Zeit Jesu war der relig. Inhalt der Sabbat- und Festtagsruhe weitgehend einem sinnlosen Formalismus gewichen, wie besonders die Auseinandersetzungen des Herrn mit den Pharisäern und den Schriftgelehrten zeigen (vgl. Mt 12,1–14).

Das Christentum erkannte die atl. Ruhegesetze als Zeremonialvorschriften, die ihre Geltung verloren hatten, und deutete sie eschatologisch auf die Ruhe der Herzen in Gott am Ende der Zeiten, allegorisch auf die Grabesruhe Christi, moralisch auf die Ruhe von der Sünde. Ein eigenes christl. Arbeitsverbot für den Sonntag läßt sich in den ersten Jahrhunderten nicht nachweisen. Tatsächl. besteht seit dem 2. Jh. die Übung, die Arbeit an Sonntagen um des Gottesdienstes willen zu unterlassen. Kaiser Konstantin machte 321 den Sonntag zum staatl. anerkannten und geschützten Ruhetag, an dem den Richtern, der Stadtbevölkerung und den Gewerbetreibenden, nicht aber der Landbevölkerung (wegen ihrer größeren Abhängigkeit von der Witterung) die Arbeitseinstellung geboten wurde. Weder für dieses Gesetz noch für die christl. Übung der Sonntagsruhe ist eine Abhängigkeit von den atl. Ruhegesetzen nachgewiesen, ebensowenig waren dafür humanitäre und soziale Gründe maßgebend; die Begründung liegt vielmehr im christl. Kult. Erst vom 6. Jh. an zeigen sich kirchl. und staatl. Arbeitsverbote in stärkerer Abhängigkeit vom Sabbatgebot. Im 7. und im 8. Jh. verbreitet sich die Formulierung, „knechtl. Arbeiten“ seien verboten, wofür im AT nicht nur das Vorbild, sondern auch die Begründung gesucht wurde; der eigentl. christl. (Kult-) Gehalt des Sonntags wurde weniger berücksichtigt. Die Hochscholastiker behandelten das Gebot der Sonntagsruhe wieder im Zusammenhang mit der Theologie der Herrentages und begründeten es mit dem Freisein für den Gemeinschaftsgottesdienst.

Die Enthaltung von gewissen Beschäftigungen wurde also nicht um ihrer selbst willen geboten, sondern um der Freiheit für den Gottesdienst willen („ut homo vacet rebus divinis“, Thomas von A., S.Th. 2,2 q.122 a.4 ad 3; vgl. Cat. Rom. III 4,21). Alle weiteren Zwecke der Feiertagsruhe, wie seelische und körperl. Erholung, Hebung der Arbeitslust durch Erholung, Pflege des Familienlebens, Milderung der sozialen Gegensätze, mögen sehr wichtig sein. Um ihretwillen kann man von einer Pflicht des Staates sprechen, Sonntage und Feiertage gesetzl. zu schützen. Dennoch ist der erste Zweck der Ruhe an Sonntagen und christl. Feiertagen die Ermöglichung des Gemeinschaftsgottesdienstes. Die übrigen Zwecke allein schaffen nicht den christlichen Sonntag „An diesem Tag müssen die Christgläubigen zusammenkommen, um das Wort Gottes zu hören, an der Eucharistiefeier teilzunehmen und so des Leidens, der Auferstehung und der Herrlichkeit des Herrn Jesus zu gedenken und Gott Dank zu sagen, der sie 'wiedergeboren hat zu lebendiger Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten' (1 Petr. 1,3). Deshalb ist der Herrentag der Ur-Feiertag, den man der Frömmigkeit der Gläubigen eindringl. vor Augen stellen soll, auf daß er auch ein Tag der Freude und der Muße werde“ (2. Vat. Konz., SC 106). Ein Sonntag mit pflichtgemäßer Ruhe, aber ohne Gottesverehrung kann sogar zum Problem werden, zum Tag der Unrast, weil seine Ruhe nicht zur Hinwendung zu Gott benützt wird.

2. Das Kirchengebot sagt, man solle sich an Sonntagen und gebotenen Feiertagen von knechtl. Arbeiten, gerichtl. Handlungen und (wo nicht rechtmäßige Gewohnheit oder Sondererlaubnisse ihn gestatten) öffentl. Handel enthalten (c. 1248).

a) Wer sich ohne entsprechende Rechtfertigung solchen Betätigungen beträchtl. (nach allg. Schätzung durch ungefähr zwei Stunden schwerer Arbeit) widmet und dadurch den Sonntag seines Sinnes beraubt, verfehlt sich schwer.

b) Die an erster Stelle genannte knechtl. Arbeit ist von der Kirche nicht authentisch definiert.

Das AT verbot für den Sabbat Feldarbeiten (Ex 34,21), Kauf und Verkauf (Neh 10,32; Jes 58,13; Am 8,5), Lastentragen (Jer 17,21 f.24.27), Feueranzünden in den Wohnstätten (Ex 35,3). Das Gesetz ließ einen Spielraum für die Erweiterung des Verbots. Die Mischna (Schabbat 7,2) zählt 39 verbotene Hauptarbeiten und eine Reihe zu unterlassender Nebenarbeiten auf.

Die Christen wußten, daß sie dadurch nicht gebunden waren, gewöhnten sich aber an die sonntägl. Ruhe von den Arbeiten, die den Gemeinschaftsgottesdienst behinderten. Später folgten entsprechende Gesetze.

Den Ausdruck Opus servile (Lev 23,7 f.21.25.35 f; Num 28,18.25 f; 29,1.12.35) verstanden die Christen anfängl. von der Sünde. Erst Martin von Braga (+ 580) bezeichnete damit Feldarbeiten. Op. servon wird dann Fachausdruck für die Arbeiten, die den Menschen am ehesten an der Teilnahme am Gottesdienst behindern, näml. die schweren körperl. Arbeiten. Ihre Abgrenzung von anderen Beschäftigungen ist nicht eindeutig und für immer feststehend. Wenn man aber darauf achtet, daß sie nicht deshalb verboten sind, weil sie in sich zu beanstanden wären, sondern zur Sicherung des Freiseins für Gott (vgl. Cat. Rom. III 4,21), können unter der Voraussetzung, daß die Meßpflicht erfüllt wird, körperl. Betätigungen am Sonntag zulässig sein, wenn sie nicht als belastende Berufsarbeit, sondern aus Liebhaberei und zur Erholung verrichtet werden. Anderseits verbieten sich auch geistige Arbeiten von selbst, soweit sie die Teilnahme am Gottesdienst behindern.

c) Gerichtl. Handlungen können vom Gottesdienst ablenken und damit unter das Verbot fallen, soweit sie aufsehenerregenden öffentl. Charakter annehmen.

d) Ähnliches gilt für den Handel in verschiedenen Formen. Die Kirche läßt jedoch Ausnahmen gelten, soweit sie durch Sondererlaubnisse oder rechtmäßige Gewohnheiten gerechtfertigt sind.

3. Leichter noch als bei der Meßpflicht kann es beim Verbot der Sonntagsarbeit vorkommen, daß es stärkeren Rücksichten weichen muß. Die Arbeitenden sind in einem solchen Fall von Schuld frei. Die stärkeren Rücksichten (= Entschuldigungsgründe) können z.B. durch den Gottesdienst selbst, durch Notwendigkeit oder durch Gewohnheit auferlegt werden.

a) Die Arbeitsruhe an Sonntagen und gebotenen Feiertagen ist nicht Selbstzweck, sondern soll die Teilnahme am Gottesdienst ermöglichen. Es kann sein, daß der Gottesdienst selbst gewisse Arbeiten an solchen Tagen erfordert (z.B. Aufstellen eines Fronleichnamsaltars). In diesem Fall ist nicht solches Tun gegen den Sinn des Feiertages, sondern seine Unterlassung (vgl. Thomas von A., S.Th. 2,2 q.122 a.4 ad 3). Klarerweise sollen solche Verrichtungen am Vortag geschehen, wenn es mögl. ist (z.B. Auskehren des Kirchenraumes). Noch mehr muß dies für Arbeiten gefordert werden, die nicht augenblicklichem Bedarf dienen, sondern den Gottesdienst auf längere Sicht vorbereiten, wie der Bau eines Gotteshauses.

b) Das kirchl. Verbot der Sonntagsarbeit muß weichen, wenn die Notwendigkeit Pflichten des göttl. sittl. Gesetzes drängend werden läßt.

Die pflichtgemäße Sorge für die Selbsterhaltung kann es notwendig machen, zur Rettung oder Verteidigung des eigenen Lebens (vgl. 1 Makk 2,41; Mt 12,1–8), zum Erwerb des sonst fehlenden Lebensunterhalts, zur sonst nicht mögl. Betreuung des eigenen Heims, zur Rettung der eigenen Habe vor dem Verderben (z.B. bei schlechter Witterung während der Heu- od.Getreideernte) und in ähnl. Fällen zu arbeiten. – Es läßt sich auch rechtfertigen, daß jemand zu seiner sittl. Bewahrung vor den Gefahren des Müßiggangs am Sonntag leichterer Arbeit (Liebhabereien) nachgeht. Arbeit ist ja nicht nur Last, sondern verleiht auch Befriedigung.

Sonntagsarbeit kann im Dienst am Nächsten notwendig werden, z.B. zur Rettung von Leben, Gesundheit oder Eigentum des Mitmenschen (Jesus heilt am Sabbat, Mt 12,13; Joh 5,8–10; 7,23; 9,14.16; „Wer unter euch, der ein einziges Schaf hat, wird es nicht, wenn es am Sabbat in eine Grube fällt, ergreifen und herausziehen? Wieviel mehr wert als ein Schaf ist nun ein Mensch! Also ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun“, Mt 12,11 f), zur Versorgung der Mitmenschen mit dem notwendigen Bedarf (Berufsarbeiten in dringenden Fällen), zur Betreuung von Armen, die für sich selbst nicht sorgen können, zur dringl. notwendigen Behebung von Schäden nach Katastrophen.

Manche Arbeiten können als Dienst an der Allgemeinheit notwendig und deshalb zulässig sein, z.B. bei den öffentl. Verkehrsmitteln oder in gewissem Ausmaß bei der Post. Der Tendenz aber, immer mehr Bereiche für diesen Dienst zu beanspruchen und so zur schon erwähnten „gleitenden Arbeitswoche“ zu kommen, ist nach Kräften zu widerstehen, da diese wohl Ruhetage zugesteht, aber sie nicht mehr Tage des Herrn sein läßt, deren wesentl. Sinn im Gemeinschaftsgottesdienst besteht.

c) Als menschl. Gesetz kann das Gebot der Sonntagsruhe durch gegenteilige Gewohnheit z.T. hinfällig werden (hinsichtl. des Handels vgl. c.1248).

In Zweifelsfällen können sich Katholiken an die kirchl. Oberen um Dispens vom Arbeitsverbot wenden. Zur Erteilung berechtigt sind Ortsordinarien, Pfarrer und Ordensobere im selben Ausmaß wie bei der Meßpflicht (c.1245; siehe II 3).


© Gemeinschaft vom hl. Josef · 1996 – 2024