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Völkergemeinschaft, (B.)

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1681-1685

B. Moraltheol.

I. Theologie und Kirche sehen die Menschheit als Einheit.

1. Die Offenbarung zeigt sie in Heil und Unheil verbunden. „Wie durch den Fall des Einen über alle Menschen die Verdammung kam, so kommt auch durch die gerechte Tat des Einen über alle Menschen die lebenswirkende Rechtfertigung“ (Röm 5,18; vgl. 5,12.15–17.19). Gott „will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn einer ist Gott und einer ist Mittler zw. Gott und den Mensch, näml. der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle hingegeben hat“ (1 Tim 2,4–6; vgl. 4,10; Mt 26,28; Mk 10,45; Joh 1,29; 3,16 f; 8,12; 1 Joh 2,2; Röm 11,32). Was die Menschen sonst unterscheiden mag, wird in dieser Sicht unwesentl.: „Da ist nicht Heide und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar und Skythe, Sklave und Freier, sondern alles und in allen Christus“ (Kol 3,11). Daher auch der Auftrag an die Kirche: „Gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie“ (Mt 28,19; vgl. Mk 16,15 f). In der von der Offenbarung geforderten Nächstenliebe fügt sich der Christ in die heilswirkende Liebe Gottes ein und lernt er, in jedem Menschen seinen Bruder zu sehen.

2. Auch aus anderen Quellen hat sich die Einheit eingestellt, daß die Menschheit auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden ist. Die Fortschritte der Wissenschaft und der Technik haben die Erdteile einander näher gerückt. Die Volkswirtschaften z.B. sind heute miteinander so verflochten, daß man mit Recht von einer Wirtschaftsgemeinschaft der ganzen Welt sprechen kann. „Schließl. hängen sozialer Fortschritt, Ordnung, Sicherheit und Ruhe jedes einzelnen Staates notwendig mit denselben Gegebenheiten in allen übrigen Nationen zus.“ (Johannes XXIII., PT 130; vgl. Paul VI., PP 43). Wer das Wohl des eigenen Volkes will, muß nach dem Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie streben (PT 131 f).

II. Die Nächstenliebe drängt Einzelmenschen und ganze Völker mit ihren Führungen, nach Möglichkeit für das Wohl der ganzen Menschheit zu wirken. Paul VI. nennt als wesentl. Inhalte dieser Pflicht Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Liebe zu allen (PP 44).

1. Bes. die reichen Völker sollen sich mit denen der Entwicklungsländer solidarisch fühlen und ihnen helfen, nicht nur durch Gaben zum unmittelbaren Kampf gegen den Hunger, sondern mehr noch durch weitsichtiges Vorsorgen dafür, daß die aufstrebenden Völker sich schließl. selbst helfen können (PP 45–55). Die dazu nötigen Opfer (PP 47 53 84) haben ihren guten Sinn: „Es geht um das Leben der armen Völker, es geht um den Frieden in den Entwicklungsländern, es geht um den Frieden der Welt“ (PP 55).

2. Soziale Gerechtigkeit ist vor allem in den Handelsbeziehungen zw. wohlhabenden und armen Völkern durch entsprechende Verträge zu sichern. Nur im Geist der Liebe können die Hindernisse, welche egoistische Besitz- und Genußgier, Nationalismus und Rassenwahn diesem Vorhaben entgegenstellen, überwunden und friedl. Beziehungen zw. den Völkern hergestellt werden (PP 56–65).

3. Entscheidend kommt es auf das Wachsen der Liebe an. Besondere Bedeutung kommt in wohlhabenden Ländern der Gastfreundschaft gegenüber Studenten und Gastarbeitern aus Entwicklungsländern zu; in Entwicklungsländern dem selbstlosen Wirken von Fachleuten aus Industrieländern. Freil. sollen sich auch die schwachen Völker selbst zu gegenseitiger Hilfe zusammenschließen und sollen internationale Organisationen für geordnete Zusammenarbeit unter den Völkern sorgen (PP 66–79). „Alle Menschen, alle Völker haben ihre Verantwortung zu übernehmen“ (PP 80).

Die Mitarbeit an der Entwicklungshilfe stellt sich allen Katholiken je nach ihrem Können (auch in Zusammenarbeit mit Nichtkatholiken), bes. aber den Staatsmännern als Aufgabe (PP 81–86; 2. Vat. Konz., GS 83–90; AA 14).

III. Im Kampf gegen die Nöte der Welt, zu einem besseren Zusammenleben der Völker und zur Sicherung des Friedens können internationale Organisationen viel nützen.

1. Manche von ihnen werden für zeitweilige Bedürfnisse (z.B. der Entwicklungsländer, der Flüchtlinge, der Auswanderer), andere für Daueranliegen (Ernährung, Gesundheitswesen, Erziehung, Arbeitsvermittlung) geschaffen. Alles, was an regionalen oder internationalen Einrichtungen dieser Art da ist, soll ergänzt, ausgebaut und vervollkommnet werden.

2. Darüber hinaus ist heute die immer bessere umfassende rechtl. und politische Organisation der Völkergemeinschaft notwendig (vgl. GS 84).

Anknüpfend an Gedanken der Friedensnote Benedikts XV. vom 1.8.1917 trat Pius XII. wiederholt für die Gründung von Rechtsanstalten zur Sicherung des Friedens ein und verfolgte er das Werden der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) mit warmer Anteilnahme (UG 743 3495–97 3545 3661 3797 4150 4164 4458). Er rechnete die organisierte Völkergemeinschaft zu den unter den heutigen Verhältnissen naturnotwendigen Gemeinschaften (UG 3963 3966 4198). Ähnl. erklärt Johannes XXIII.: „Da aber heute das allg. Wohl der Völker Fragen aufwirft, die alle Nationen der Welt betreffen, und da diese Fragen nur durch eine politische Gewalt geklärt werden können, deren Macht und Organisation und deren Mittel einen dementsprechenden Umfang haben müssen, deren Wirksamkeit sich somit über den ganzen Erdkreis erstrecken muß, so folgt um der sittl. Ordnung willen zwingend, daß eine universale politische Gewalt eingesetzt werden muß“ (PT 136). Eine ihrer wichtigsten Aufgaben sei die Sicherung der Menschenrechte. Anerkennend erwähnt Johannes XXIII. die „Allg. Erklärung der Menschenrechte“ vom 10.12.1948 und wünscht er die Vervollkommnung der UNO, damit sie ihre Aufgabe, die Förderung des Mensch in der Menschheitsfamilie, besser erfüllen könne (PT 138 f 142–145; vgl. GS 84).

3. Der Aufbau der Völkergemeinschaft und ihrer Autorität fordert vom einzelnen Staat Opfer an Souveränität. Wohl bleibt er unabhängig vom Recht eines anderen Staates, wird aber abhängig vom Recht der Völkergemeinschaft; seine Souveränität bedeutet „Völkerrechtsunmittelbarkeit“ (Pius XII., UG 3967). Solche Opfer sind sinnvoll, geht es doch um die Sicherung des Friedens und damit des Bestandes der Völker (UG 3969 f).


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