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Volksvertreter

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 1310-1312

Politische Volksvertreter können für die Vertretung in Gemeinde, Provinz, Staat oder Staatengemeinschaft gewählt werden. Für gewöhnl. werden Volksvertreter unter Mitwirkung von politischen Parteien (die für die Gestaltung der gesamten Gesellschaftsordnung Programme vorlegen) oder Interessenverbänden (die im politischen Leben die Durchsetzung bestimmter Interessen verfolgen; häufig sind Parteien und Verbände nicht scharf voneinander getrennt) entsandt, können aber auch unabhängig von diesen gewählt werden. Mit der Annahme der Wahl übernimmt der Volksvertreter die Pflicht, im politischen Leben nach der Absicht seiner Wähler tätig zu sein; freilich kann er diese Pflicht sittl. richtig nur unter Berücksichtigung seiner stets bestehenden Verpflichtung auf das Gemeinwohl erfüllen.

Für den Volksvertreter erheben sich in mehrfacher Hinsicht Gewissensfragen. Bevor er sich wählen läßt, hat er zu prüfen und zu entscheiden, ob er sich zum Dienst an seinen Mitbürgern zur Verfügung stellen soll. Ein eindeutiges Nein ergibt sich für den, der aus irgendeinem Grund (z.B. wegen mangelnden Wissens und Könnens) für diese Aufgabe ungeeignet ist. Ein Fähiger hat zwar das Recht, sorgfältig zu überlegen, ob ihm nicht aus seiner politischen Tätigkeit unverhältnismäßig schwere Nachteile drohen und er deshalb von ihr entbunden ist; je drängender jedoch die Not am Mann ist, umso eher hat er sich für verpflichtet zu halten. Die Einschätzung der Politik als schmutzigen Geschäftes mit daraus folgender Enthaltung von ihr ist zwar manchmal verständl., kann aber nicht einfach gutgeheißen werden. Gerade wegen der beträchtl. Gefahren, die durch unfähige und gewissenlose Politiker drohen, sollen befähigte Menschen mit klaren sittl. Grundsätzen zur Übernahme politischer Aufgaben bereit sein (Johannes XXIII., PT 146, AAS 1963,296; 2. Vat. Konz., AA 14).

Nach seiner Bestellung ist der Volksvertreter verpflichtet, sich besonders in der Vertretungskörperschaft entsprechend den Absichten seiner Wähler im Einklang mit dem Gemeinwohl politisch zu betätigen. Damit er dazu imstande ist, muß er sich die nötigen Kenntnisse im Grundsätzlichen und in den konkreten Verhandlungsgegenständen verschaffen; er kann zwar nicht auf jegl. Gebiet zum Fachmann werden, hat aber immerhin die Pflicht, sich durch vertrauenswürdige Sachverständige so weit unterrichten zu lassen, daß er sachl. begründete Entscheidungen treffen kann. Zweifellos gehört es auch zu den Verpflichtungen des Volksvertreters, an den Sitzungen und Abstimmungen seiner Körperschaft in verantwortbarer Weise teilzunehmen; diese Pflicht wird umso drängender, je mehr von der Teilnahme des einzelnen abhängt; eigene Schäden aus der Beteiligung müssen hingenommen werden, wenn sie nicht unverhältnismäßig schwer zu werden drohen.

Gegen Beschlüsse, die irgendwem ein Unrecht antun, muß sich der Volksvertreter wenden; wenn er nicht mehr tun kann, hat er sich wenigstens der Stimme zu enthalten, da er durch Zustimmung am Unrecht mitschuldig würde. Falls er in dieser Weise schuldig geworden ist, tritt für ihn die Pflicht ein, den Schaden nach Kräften wiedergutzumachen, und zwar den Geschädigten, wenn er sie erreichen kann, und sonst (bei materiellen Schäden) durch Beisteuern zu guten Zwecken.


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