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Predigt:

Das erste und wichtigste Gebot

31. Sonntag im Jahreskreis B (31.10.2021)

L1: Dtn 6,2-6; L2: Hebr 7,23-28; Ev: Mk 12,28b-34


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Um das erste und wichtigste Gebot geht es im Evangelium. Uns allen, die wir regelmäßig den Gottesdienst mitfeiern, sollte das vertraut sein: die Liebe zu Gott und zum Nächsten ist das Wichtigste im christlichen Leben!

Wieder einmal ist es ein Schriftgelehrter, der Jesus eine Frage stellt. Oft wollten solche Gelehrten Jesus eine Falle stellen oder ihn des Abfalls vom Gesetz des Mose überführen; diesmal scheint es, ist der betreffende Rabbi Jesus gegenüber freundlich gesinnt. Er sieht ihn offenbar als einen großen Lehrer an und stellt ihm eine wichtige Frage. Ob er selber darauf schon eine Antwort hatte oder ob er etwas grundlegend Neues von Jesus erfahren wollte, lässt sich schwer entscheiden. Entsprechend der Reaktion des Schriftgelehrten auf das, was Jesus sagt, können wir annehmen, dass er selber schon eine ähnliche Sichtweise vertreten hat und sich durch Jesus hierin bestärkt und zu neuer Klarheit hingeführt erkannte.

Denn dass Jesus auf die Frage nach dem ersten, d.h. wichtigsten Gebot sagt, es komme vor allem darauf an Gott zu lieben, und zwar mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit dem ganzen Denken und mit der ganzen Kraft, ist für einen jüdischen Rabbi nicht überraschend. Dieses Gebot findet sich ausdrücklich im Alten Testament, und zwar im Buch Deuteronomium (6,5; vgl. Dtn 6,4–9). Weil es nur einen einzigen wahren Gott gibt und dieser der Höchste ist, der Ursprung und das Ziel von allem, gebührt ihm Anbetung und Verehrung in einzigartiger Weise. Schon im jüdischen Glauben war klar: Der Mensch soll Gott nicht nur fürchten, d.h. ehrfurchtvoll anerkennen, sondern ihn ausdrücklich lieben. Gott soll auf diese Weise zum eigentlichen Lebensinhalt des Menschen werden. Auf ihn ist alles Übrige zu beziehen. Nichts kann mit Gott konkurrieren.

Überraschend und doch logisch und dem Geist des mosaischen Gesetzes entsprechend ist dann die Fortsetzung der Antwort auf die Frage nach dem ersten und wichtigsten Gebot. Denn Jesus sagt ausdrücklich, es komme noch ein zweites hinzu: Wir sollen den Nächsten lieben wie uns selbst. Und dann fasst er zusammen, dass kein Gebot größer sei als diese beiden.

Hier wird eine Klammer und eine Verbindung hergestellt, vor der der fromme Jude doch zurückscheute: Die Nächstenliebe wird mit der Gottesliebe verbunden, und künftig gibt es nur mehr ein einziges Gebot der Liebe, die sich auf Gott richtet und zugleich auf den Nächsten. Eine weitere wichtige Klärung wird dann sein, wer denn dieser Nächste ist. Und auch hier gibt Jesus eine Antwort, die sich im Lukasevangelium findet (Lk 10,25–37): im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Wir können nicht von vornherein festschreiben und festlegen, wer unsere Nächsten sind. Im Prinzip kann ein jeder Mensch mein Nächster werden, und sei er mir zuerst noch so fern. Denn gerade dadurch, dass dieser Mensch in mein Leben tritt und mir in irgendeiner Weise anvertraut wird, ist er der Nächste für mich. Entscheidend wird aber sein, ob wir selber uns als Nächste eben dieses Menschen, der unsere Hilfe braucht, erweisen oder nicht.

Jesus Christus stellt unsere eigenen Maßstäbe und Urteile immer wieder in Frage. Er fordert uns heraus und lädt uns zur Gesinnungs- und Verhaltensänderung ein, also zu einer echten Bekehrung des Herzens. Der Schriftgelehrte, welcher die Antwort Jesu vernommen hatte, stimmt seiner Antwort ausdrücklich zu und lobt Jesus dafür. Er wiederholt nochmals die Worte Jesu und fügt dann noch hinzu, dass die Erfüllung des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe weit mehr sei als alle Brandopfer und anderen Opfer (vgl. Mk 12,33).

Jesus anerkennt sein Verständnis und urteilt: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ (Mk 12,34). Im christlichen Glauben kommt es also auf die Übereinstimmung unseres Herzens, d.h. unserer inneren Gesinnung, mit der äußeren Tat an. Vor allem aber soll uns die Liebe zu Gott und zum Nächsten leiten. Wer in dieser Liebe wirken darf, besitzt bereits alles; ohne die Liebe sind alle übrigen Werke wertlos.

Welcher Mensch hat Gott und die Nächsten mehr geliebt als Maria, die Mutter des Erlösers? Ihr Leben war ganz gottbezogen und doch auch auf die Mitmenschen ausgerichtet. Ihr jungfräulicher Gemahl, der heilige Josef, hat sie in dieser Verwirklichung der Gottes- und Nächstenliebe unterstützt. Im Zentrum ihrer Liebe stand das Kind Jesus, dem sie beide in mütterlicher und väterlicher Weise beigestanden sind und welches in der Heiligen Familie heranwachsen durfte, bis der Sohn Gottes dann öffentlich auftrat und das Evangelium verkündete.

Möge auch uns der Herr einst sagen, dass wir nicht fern, sondern willkommen sind im Reiche Gottes! Amen.