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Predigt:

Sie blicken auf den, den sie durchbohrt haben

12. Sonntag im Jahreskreis C (19.06.2016)

L1: Sach 12,10-11;13,1; L2: Gal 3,26-29; Ev: Lk 9,18-24


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Das Alte und das Neue Testament gehören zusammen; sie bilden eine Einheit. In den so unterschiedlichen 73 Büchern der Heiligen Schrift haben viele menschliche Verfasser mitgewirkt und ihre je eigenen Sichtweisen in einer Vielzahl von Darstellungsformen zum Ausdruck gebracht. Und doch ist der eigentliche Urheber der Heiligen Schrift, die wir im Glauben als Mitteilung von Gottes Wort an uns erkennen, eben Gott selbst, der zu uns spricht. Der Heilige Geist hat die Verfasser inspiriert und sie dabei in all dem, was uns Gott um unseres Heiles willen offenbaren wollte, vor jedem Irrtum bewahrt. Die Schriften des Alten Testaments sind eine Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers, das Neue Testament zeigt uns so den vollen Sinn dessen auf, was im Alten oder Ersten Testament kundgetan wurde.

Das zeigt sich in besonderer Weise in der Lesung aus dem Buch des Propheten Sacharja. In seinen Worten sind Verheißungen ausgesprochen, die wir im menschgewordenen Sohn Gottes, in Jesus Christus, erfüllt sehen. Sacharja blickt in die Zukunft. Er sieht voraus, dass die für das Königshaus David verantwortlichen Personen in Jerusalem einen Unschuldigen zum Tod verurteilen werden. Was aber in der Aussage des Prophetenbuches auffällt ist dies, dass die Einwohner Jerusalems bereits zur Einsicht in ihre Schuld und in ihr Fehlurteil gelangt sind. Sie haben erkannt, dass sie den getötet haben, den Gott zu ihnen gesandt hat und der mehr ist als ein Prophet. Ausdrücklich spricht Sacharja vom „Geist des Mitleids und des Gebets“, der über sie von Gott her ausgegossen wird. Im Heiligen Geist also, der ihre Herzen anrührt und mit Frömmigkeit, Liebe und Erbarmen erfüllt, sind diese Menschen nun fähig, ihr eigenes Unrecht einzusehen und Gott um Erbarmen anzurufen. Sie blicken auf den, „den sie durchbohrt haben“ (Sach 12,10) und weinen um ihn wie um den einzigen Sohn. So herrscht laute Totenklage. Sind dies nun Worte der Traurigkeit, die der Prophet mitteilt?

Ja gewiss: Fürs erste herrscht Trauer, da sie die Menschen ihr Unrecht am gottgesandten Mittler des Heiles einsehen. Durch allen Schmerz und alle Trauer hindurch öffnet sich jedoch die Quelle der Hoffnung und des Trostes. Denn wie es heißt, wird an jenem Tag „für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle fließen zur Reinigung von Sünde und Unreinheit“ (Sach 13,1).

Dies ist nun doch bemerkenswert: Eine Quelle des Heiles und des Lebens tut sich auf, sodass all jene, die schuldig geworden sind, von ihrer Sünde und ihrem Unrecht gereinigt werden. Sie erfahren die Vergebung ihrer Sünden.

Wie aber hat sich dieses Wort des Propheten erfüllt? Der Evangelist Johannes führt die Worte aus dem Buch Sacharja an, als er von der Durchbohrung der Seite des eben am Kreuz verstorbenen Herrn Jesus Christus berichtet: „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“ (Joh 19,33–34)

Als der Soldat mit der Lanze das Herz des Erlösers durchbohrt, beginnt sich diese Prophezeiung zu verwirklichen. Tatsächlich blicken die Menschen nun auf den, den sie durchbohrt haben. Das Johannesevangelium zitiert genau diesen Vers aus Sacharja (Joh 19,37).

Als Jesus Christus am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden war und er nach seiner Himmelfahrt vom Vater her den Heiligen Geist ausgesandt hatte, da trat Petrus hervor und sprach zur versammelten Menschenmenge. Er zeigte ihnen auf, dass sie durch ihre religiösen und politischen Führer Jesus getötet hatten, der ganz ohne Schuld ist, den Gott aber als Herrn und Messias beglaubigt hat. Da traf es sie mitten ins Herz, und sie waren erschüttert und bereit, Buße zu tun. So ließen sich viele taufen und empfingen durch den Glauben an Jesus Christus die Vergebung der Sünden (vgl. Apg 2,14–41).

So wurde im Empfang des Sakramentes der Taufe der Quell der Gnade aus dem Herzen Jesu in den Herzen der an ihn glaubenden Menschen wirksam.

Auch wir haben das Erbarmen des Herrn in reichem Maß erfahren! Wir sind getauft und Gott geweiht und dürfen als Kinder Gottes leben. Wir gehören zu Christus und sind Erben der Verheißung geworden, die sich an uns im Himmelreich erfüllen soll. Sind wir uns dessen ausreichend bewusst? Versuchen wir entsprechend unserem Taufgelübde zu leben?

Es mag sein, dass wir im Leben auch Zeiten der Traurigkeit durchmachen müssen. Die Lesung aus dem Propheten Sacharja gibt uns Hoffnung: Wer seine Leiden und Trostlosigkeiten von Gott her annimmt und dadurch zur Umkehr des Herzens gelangt, findet schließlich zur vollkommenen Freude, die Gott allein schenken kann. Auf diese Weise ist der Weg der Nachfolge Christi auch dort, wo er ein Kreuzweg ist, ein Weg zur Seligkeit. In der liebevollen Hingabe des eigenen Lebens sollen wir gute Frucht bringen, die bleibt für das ewige Leben. Dazu begleite uns die Fürbitte der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria! Amen.