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Was trennt Katholiken und Lutheraner wirklich?

Reinhard Knittel

Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Mit diesem programmatischen Satz beginnt das Ökumenismusdekret eben dieses Konzils.

Doch diese Bemühungen, um die durch Abspaltungen behinderte Einheit aller Christen wieder voll und sichtbar herzustellen, sind sicher keine Erfindung des Zweiten Vaticanums. Schon in den vergangenen Jahrhunderten gab es immer wieder Unionsbemühungen und Unionskonzilien, um diese sichtbare Einheit der getrennten Christen mit der in der Geschichte fortlebenden Kirche Jesu Christi, der römisch-katholischen Kirche, wieder herzustellen, die vor allem durch zwei große und folgenschwere Spaltungen beschädigt wurde. Einmal das große Schisma, das die Ostkirchen von der römischen Kirche im Jahre 1054 abtrennte. Dann aber die große abendländische Kirchenspaltung durch das Auftreten des Wittenberger Mönches Martin Luther, wodurch sich die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation von der römischen Kirche abspalteten.

Man muß aber bedenken, daß es schon seit den ersten Zeiten des Christentums Spaltungen gegeben hat, die zum Teil bis heute leider andauern, zum Teil aber auch einzelne Gruppen und Gemeinschaften wieder zur vollen Einheit und Gemeinschaft mit der römischen Kirche zurückführten. Schon der hl. Paulus hat ja zu seiner Zeit vor Spaltungen in der Gemeinde gewarnt (vgl. etwa 1 Kor 1, 1o ff.). Jede Spaltung ist wie eine schwärende Wunde am sichtbaren Leib Christi, der auf Einheit und Gemeinschaft hin angelegt ist.

Erst am Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch nahm das ökumenische Bemühen, zunächst bei den nichtkatholischen Christen, vor allem durch interkonfessionelle Versammlungen und Gespräche, einen neuen Anlauf. Die katholische Kirche war dabei zunächst abwartend bis feindlich eingestellt, sodaß Vertreter der katholischen Kirche nur als Beobachter an diesen Versammlungen und Tagungen teilnahmen. Und das nicht ohne guten Grund, denn oft wurden in diesen Versammlungen die Unterschiede in wesentlichen und kirchentrennenden Glaubensfragen in ihrem Wert herabgemindert oder eine Einigung als Kompromiß auf Kosten der gemeinsam verpflichtenden Wahrheiten angestrebt, nur um es jedem recht zu machen, oder es wurde die irrige Meinung vertreten, daß erst durch den föderativen Zusammenschluß aller christlichen Konfessionen die eine, wahre Kirche wieder erstehen könnte, weil erst dadurch Wesentliches von den abgespaltenen Gemeinschaften wieder zurückgebracht würde, was der katholischen Kirche bisher gefehlt hätte. Von einer Rückkehr der getrennten Christen und Gemeinschaften zur ganzen Fülle an Heilsmitteln, wie sie allein die katholische Kirche bewahrt hat und dies trotz der menschlichen Schwächen ihrer Glieder oder geschichtlicher Wirrnisse, konnte somit, im Gegensatz zur Lehre der katholischen Kirche, nicht mehr die Rede sein.

Noch im Jahre 1949 hat deshalb Papst Pius XII. große Zurückhaltung und Wachsamkeit gegenüber gemischtkonfessionellen Zusammenkünften und Versammlungen angeordnet, da die Erfahrung lehre, daß sie wenig Frucht und mehr Gefahren mit sich bringen, vor allem die Gefahr religiöser Gleichgültigkeit (vgl. Instruktion Ecclesia catholica, 20. 12. 1949, ad 3).

Vorbereitet durch die ökumenische Offenheit des nunmehr seligen Papstes Johannes XXIII. und dann vor allem durch das Ökumenismusdekret des II. Vatikanums, kam nun eine geänderte “Grundstimmung” in oecumenicis von katholischer Seite auf: statt der Zurückhaltung im ökumenischen Dialog, kam es nun zu einer begeisterten Öffnung hin zu ökumenischen Initiativen, ja man kann ohne Überteibung fast von einem “ökumenischen Taumel” sprechen.

Und dies obwohl noch das Ökumenismusdekret des II. Vatikanums durchaus das Gewicht der kirchentrennenden Gründe wahrnahm, wenn es etwa von Diskrepanzen in der Lehre, in der Rechtsordnung und in der Struktur der Kirche bei den Getrennten spricht, die mitunter recht schwerwiegende Hindernisse der vollen kirchlichen Gemeinschaft entgegensetzen (vgl. UR, 3). Ebenso wie das Dekret auch eine ernste Mahnung vor einem falschen Irenismus erläßt, der also Unterschiede und Gegensätze nicht mehr namhaft macht und in ihrem wahren Gewicht sieht, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden erleide (UR, 11).

Aber der “ökumenische Taumel” oder “Dammbruch” in der Folge des Konzils, der von ökumenebewegten Theologen und Hirten vorangetrieben wurde, erwies sich als stärker. Statt der Betonung des Trennenden wurde nun als neue Losung ausgegeben: man müsse mehr auf das achten, was Katholiken und Nichtkatholiken eine, als auf das, was sie trenne. Übrigens eine Anschauung, die noch Papst Pius XII. ausdrücklich als irrig zurückgewiesen hat (vgl. Instruktion Ecclesia catholica, Nr. 2).

Eine gute Frucht des ökumenischen Bemühens war zum einen aber sicher ein gewisser gesunder theologischer Fortschritt in der rechten Einschätzung der durchaus schon bestehenden gemeinsamen geistlichen Güter und kirchlichen Elemente von Katholiken und Akatholiken. Auch der Respekt und die Brüderlichkeit jenen gegenüber, die in Gemeinschaften geboren sind, die von der katholischen Kirche getrennt sind, kann als gute Frucht bezeichnet werden (UR, 3). Auch die Überwindung ungerechter, wahrheitswidriger und rein polemischer Vorurteile gegen die getrennten Christen und deren kirchliche Gemeinschaften, muß als Fortschritt angesehen werden.

Auf der anderen Seite gab es vereinzelt ein Weiterdenken im katholischen Sinn der abstrusen und wenig klaren Positionen Luthers, ebenso wie zu einer mehr nüchternen Einschätzung der durchaus psychologisch problematischen Person Luthers, die ja keineswegs die Züge eines Kirchenlehrers aufweist. Doch dieser Fortschritt ist sehr beschränkt und keineswegs Anlaß zu übersteigerten Hoffnungen.

Der “Unkrautsamen” aber, der sich unter diese gute Saat gemischt hat, ist mit den Jahren immer unübersehbarer geworden: was Pius XII. seinerzeit als Mahnung gesehen hat, ist sogar noch übertroffen worden: die religiöse Gleichgültigkeit hat solche Ausmaße unter den Katholiken angenommen, daß die meisten keinen oder nur mehr einen minimalen Unterschied zwischen katholischer Kirche und anderen christlichen Konfessionen wahrnehmen. Ein fast “evangelisch freikirchlich” und “biblizistisch” verkümmerter Katholizismus ist heute keine Seltenheit mehr. Gemeinsame Gottesdienste, mitunter sogar mit Interzelebration und Kommunion von katholischen Priestern und nichtkatholischen Gemeindeleitern, trug ebenso dazu bei, wie etwa gewisse theologische Konsenspapiere, ich denke hier an das Konsenspapier über die Rechtfertigung, die im Wesentlichen jeden bei seiner Sicht belassen, aber den falschen Eindruck erwecken, als ob gravierende Hindernisse für die Einheit nicht mehr bestünden. Wenn früher mitunter allzu ausschließlich und einseitig das Trennende zwischen den Konfessionen meist polemisch herausgestellt wurde, damit aber auch nur die Irrtümer und Mängel der Nichtkatholiken in Hinsicht des Glaubens, der Sakramente und des geistlichen Amtes gesehen wurden, so heißt dies aber doch nicht, daß man nun nurmehr das Gemeinsame und Einende sehen darf, das Trennende aber unter den Tisch fallen lassen darf.

So wollen wir uns also heute abend ganz bewußt der wichtigen Frage nachgehen: Was trennt Katholiken und Lutheraner wirklich?

Denn nur so werden wir ein wahrheitsgemäßes und gerechtes Urteil treffen können.

1. Der rote Faden durch das Denken Martin Luthers

Die Reformation im 16. Jahrhundert, ausgelöst von Martin Luther, nennt der Tübinger Theologe J. A. Möhler ganz richtig eine “kirchliche Revolution” (vgl. Symbolik, 1). Die Gegensätze zwischen dem lutheranischen und dem katholischen Bekenntnis umfassen also nicht nur einzelne und klar umrissene Wahrheiten, sondern betreffen die ganze Sicht des Menschen vor Gott. Im Mittelpunkt der reformatorischen Lehre steht also die Lehre vom Menschen, wie er von der Verdammnis der Sünde durch Jesu Christi Heilswerk erlöst und vor Gott gerecht gemacht wird.

Und dieser Übergang von der Verdammnis zur Rechtfertigung vor Gott, mit all den darin eingeschlossenen Lehrinhalten, ist bei näherem Zusehen tatsächlich, um mit Möhler zu sprechen, eine Revolution im Vergleich zur katholischen Überlieferung. Sie ist das Herzstück der Reformation und Luther selbst sagte einmal: “fällt diese Lehre, so ist es mit uns aus!”

Wo setzt nun die neue Sicht des Menschen zwischen Sünde und Rechtfertigung an, was bestimmt sie?

Der Einzelne in seinem Gewissen wird in ihr zum allein bestimmenden Maß seiner Gottesbeziehung erklärt. Nur was für den Einzelnen heilsbedeutend ist oder besser was er als solches im Glauben bejaht ist für ihn religiös von Belang und heilbringend für ihn. Deshalb war für Luther die eigentliche Grundfrage seines Forschens: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Der Einzelne emanzipiert sich so aber von der äußeren kirchlichen Vermittlung des Heils in der Lehre und der Sakramentenspendung, er eignet sich selbst, kraft der Würde seines Christseins, das Urteil über den rechten Schriftsinn an, auch gegen die Lehre der Kirche, damit aber löst er sich los von der göttlich eingesetzten Heilsordnung, die den Einzelnen immer einbindet in die irdisch sichtbare Kirche.

Die nicht unberechtigte Ablehnung von kirchlichen Mißständen, wenngleich auch hier das zu Extremen neigende Temperament Luthers vielleicht die Dinge drastischer ansah, als sie tatsächlich waren, war einer der äußeren Anlässe für Martin Luther’s Polemik, was zudem auch gut plausibel gemacht werden konnte. Doch aus diesem Kampf gegen Mißstände wurde immer mehr ein Kampf gegen das Wesen der alten Kirche: als gottgewollte Heilsinstitution, der sich der Einzelne auch äußerlich und rechtlich anschließen und eingliedern muß, um sein Heil wirken zu können.

Insgesamt bildet der reformatorische Ansatz schon bei Luther eine radikale Vereinfachung der alten katholischen Lehre dar, also eine “Häresie” im wahrsten Sinn des Wortes (das griech. Wort für Häresie meint ja wörtlich eine Verkürzung, also es geht um einen Bestandteil, den man vom Ganzen abzieht): das für das Heil verbindliche Evangelium findet sich nur in der Hl. Schrift (und nicht in der verbindlichen Überlieferung der apostolischen Zeit, die dann von der kirchlichen Überlieferung irrtumslos weitergegeben wurde), das Heil besteht nur im persönlichen Ergreifen des Glaubens, nicht in äußeren Werken oder in der Annahme der heilsvermittelnden Tätigkeiten der Kirche, die als reines Menschenwerk betrachtet werden.

Das was Luther irrtümlich als Ideal des verbindlichen Urchristentum angesehen hatte, auf das hin das Christentum wieder vereinfacht werden müsse, war meist mehr Gespinst eigener Lehren und Anschauungen. Die Ablehnung der weiteren kirchlichen Tradition nach dem Urchristentum aber führt zur Anschauung, daß die Kirche in der Zwischenzeit untergegangen sei und daß sie erst Luther wieder in ihrer wahren Kraft und Reinheit erweckt hätte. Wie ist dies aber mit der Barmherzigkeit Gottes vereinbar, daß jahrhundertelang die Menschen nicht mehr den wahren Zugang zum Heil gehabt hätten und so verdammt worden wären?

Die angebliche Wiederentdeckung der evangelischen Reinheit gegen die Verweltlichung der katholischen Kirche, wo die Beziehung zu Gott zum veräußerlichten Menschenwerk verkommen sei, wie Luther verblendet meinte, führte in der Folge zu einer verhängnisvollen Spaltung zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Gnade und Natur im Menschen, zwischen rein weltlich gedachter Organisation der Kirche, die deshalb auch vom jeweiligen Landesherren besorgt wurde, und rein geistlich verstandenem Dienst am Wort und an den Sakramenten durch die Kultdiener.

Diese Aufspaltung führt letztlich geradlinig zur radikalen Verweltlichung der Lebensauffassung, zu einem Sich-Zurückziehen der Kirche auf den rein innerlich-geistlichen Raum, wie dies dann in der französischen Revolution zum politischen Programm der fortschreitenden Entchristlichung Europas geworden ist.

2. Einzelne Lehrgegensätze zwischen den Konfessionen

Es können hier nur einige wesentliche Grundauffassungen dargestellt werden, denn nach Luther zersplitterte sich die Reformation in viele verschiedene Sekten, die sich in einzelnen Lehrpunkten unterschieden. Man muß ja immer bedenken, daß bei den Reformatoren keine höchste Lehrinstanz, wie etwa der Papst oder ein allgemeines Konzil bei uns Katholiken, besteht, die im Streitfall entscheiden kann, sondern daß jeder Reformator selbstherrlich das Evangelium auslegte, mit dem Anspruch, das Evangelium selbst legitimere seine Auslegung. Auch die Versuche einer ökuemenischen Annäherung leiden daran, weil es auf lutheranischer Seite keine Instanz gibt, die wirklich für alle reden und entscheiden kann.

Die Gruppe jener Lehrwahrheiten, die die Rettung des Menschen

aus der Sünde betreffen: der von Gott geschaffene Mensch (Urstandslehre), der durch die Sünde der Gotteskindschaft beraubte Mensch (Erbsündenlehre), der durch die Erlösungsgnade Jesu Christi gerechtfertigte Mensch /Lehre von der Rechtfertigung)

Um Luthers Gedankengang zu verstehen, muß man die Grundlage in jenen Irrtümern suchen, die den Ursprung des Menschseins selbst betreffen: die natürliche und übernatürliche Ausstattung des Menschen, die ihm der Schöpfergott verliehen hat. Luther leugnet also die Willensfreiheit des Menschen, der Mensch ist dadurch aber weder vom freien Willen her verantwortlich für die Wahl des Bösen, sondern ein getriebener, noch kann er Verdienste erwerben durch die Wahl des Guten. Zusammen mit der Leugnung der Willensfreiheit lehrt Luther, daß die ursprüngliche Heiligkeit des ersten Menschen nicht zusätzliches und freies Geschenk Gottes war, sondern notwendiger Teil seines menschlichen Wesens.

Dann aber ist es folgerichtig, wenn Luther die Erbsünde als völlige Verderbnis des Menschen ansieht, der nunmehr keinerlei Willen für das Gute mehr besitzt und in völligem Dunkel Gott gegenüber lebt. Die Erbsünde ist bei Luther kein Beraubtsein an Gnade, sondern eine böse Kraft, die alle Strebungen des Menschen auf das Böse hinlenken. Und Luther kann so sagen, daß der Mensch selbst und als ganzer zur Erbsünde geworden sei.

Die katholische Kirche hingegen lehrt die ungeschuldete Freiheit der Gnade als Geschenk Gottes, das zur menschlichen Natur hinzutritt, ebenso wie die Freiheit des menschlichen Willens. Dementsprechend verdirbt die Erbsünde nicht völlig die menschliche Natur und sie ist weiterhin zu natürlich guten Entscheidungen und Handlungen fähig. Wie sonst etwa könnte Paulus im Römerbrief auch von den Heiden sagen, daß sie Gottes Weisheit und Allmacht erkennen können und durch das Befolgen ihres Gewissens den Willen Gottes erkennen und tun können (vgl. Rö 1 und 2)?

Wenn nicht menschliche Freiheit, sondern göttliche Fügung das Böse will, wie kann er dann billigerweise von Gott dafür bestraft und verurteilt werden?

Die Rechtfertigung des Sünders vor Gott geschieht nach Luthers Lehre nun so, daß der Sünder zwar innerlich Sünder bleibt, aber dennoch von Gott gerecht erklärt wird Die Rechtfertigung ist für Luther also keine wirkliche Sündentilgung, wie für uns Katholiken, sondern bloß eine äußere Nichtanrechnung oder Zudeckung der Sünden, aufgrund der Verdienste Christi.

Vom Menschen her, der nach Luther ja keinen freien Willen besitzt und durch und durch nach Bösem strebt, erfordert die Rechtfertigung nicht mehr als vertrauenden Glauben darauf, daß ihm der barmherzige Gott um Christi willen die Sünden vergeben hat.

Jeder Form menschlicher Mitwirkung über diesen vertrauenden Glauben hinaus, etwa die Furcht vor Gottes Gerechtigkeit, die Abscheu vor der Sünde, die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, die Gottesliebe, wird von Luther abgelehnt. Der Mensch wird innerlich aber nicht umgewandelt, er wird nur, wie in einer Art Gericht, von Gott gerecht erklärt. So gibt es auch keinen Prozeß der dynamischen Annahme, Reifung und Durchdringung durch die Gnade Gottes in der Rechtfertigung, etwa durch die Sakramente oder die guten Werke, sondern eben nur der vertrauende Rückblick auf das Kreuz Christi. Der Glaube als Anfang des Heils darf, nach katholischer Lehre, auch nicht nur als Vertrauen gesehen werden, er muß den Bekenntnisglauben einschließen, durch den wir alle Wahrheiten glauben, die Gott geoffenbart hat.

Auf der eben beschriebenen Grundlage lehnt nun Luther wesentliche Wahrheiten der katholischen Sakramentenlehre und der katholischen Lehre von der Kirche ab. Denn die Heiligung des Menschen ist bei Luther ja ein rein innerlicher Vorgang, der im wesentlichen nur das Evangelium braucht, um eben den vertrauenden Glauben zu erwecken. Jede Form menschlicher Mitwirkung und Mittlerschaft in der Heilszuwendung wird als Konkurrenz Gottes angesehen und radikal abgelehnt. Gott allein schafft und bewirkt das Heil, der Mensch ist rein passiver Empfänger. So lobt Luther zwar den Glauben und den Gehorsam Mariens, aber jede Form der Gnadenmittlerschaft, ebenso wie ihre bleibende Jungfräulichkeit werden ebenso scharf geleugnet.

Sicher kennt Luther auch Sakramente, aber ihre Bedeutung ist relativ gering. Denn die Sakramente sind für Luther keine Zeichen, die die Gnade spenden, sondern Zeichen, die den Glauben erwecken wollen. Sie wirken also rein psychologisch, da sie den Glauben im Empfänger stärken wollen.

Zudem reduziert Luther die Zahl der Sakramente auf zwei, Taufe und Eucharistie, weil nur sie, seiner Meinung nach, in der Hl. Schrift enthalten seien.

Hier sehen wir schon den fatalen Irrtum Luthers seines einseitigen Prinzips “nur die Hl. Schrift allein”, wobei übersehen wird, daß die Hl. Schrift eben kein umfassende Aufzählung aller Wahrheiten des Glaubens oder gar der einzelnen sakramentalen Vollzüge enthält, sodaß ihre Auslegung eben noch andere Hilfen benötigt, als das geschrieben Wort Gottes allein. Diese können nun entweder der Wahl des jeweiligen Forschers entstammen, wie dies Luther vornimmt, oder aber in Übereinstimmung mit der Lehrautorität der vom hl. Geist darin irrtumslos bewahrten Kirche.

Auch die katholische Lehre vom Meßopfer als der realen Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers Jesu in sakramentaler Gestalt wird von Luther geradezu haßerfüllt als Menschenwerk und Teufelsdienst abgelehnt.

Mit der Ablehnung des Sakramentes der Priesterweihe tritt an die Stelle des geweihten geistlichen Standes eine Art Laiendienst, der für die Ordnung der Gemeinde, für die Sakramentenspendung und für die Predigt zuständig ist. Damit aber reißt jene Kette der Übergabe der geistlichen Vollmacht über die Nachfolger der Apostel, den Papst und die Bischöfe, ab. Dementsprechend sind bei den Lutheranern alle jene Sakramente nicht existent, die nur vom geweihten Priester gespendet werden können, d.h. also, daß nur das Taufsakrament als gültig angesehen werden kann. Die Kirche besteht somit bei ihnen nur in sehr eingeschränkter Weise, sodaß man auch nicht von “Schwesterkirche” sprechen kann, da die wesentlichen kirchenbildenden Sakramente fehlen (Eucharistie und Priesterweihe).

Durch die polemische Ablehnung des Papsttums, das ja Garant und Prinzip der von Christus geschenkten sichtbaren Einheit der Kirche darstellt, verlieren die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation die Einheit, wie auch ausdrücklich im Ökumenismusdekret festgehalten wird (vgl. UR, 3), da sie einen größeren oder kleineren Teil der Heilsgüter Christi verloren haben. Die vielen Spaltungen unter ihnen bieten für diesen Verlust eine eindrucksvolle Bestätigung.

Die Kirche ist für sie wesentlich eine unsichtbare, geistliche Gemeinschaft. Alles Sichtbare, Welthafte, Organisatorische ist zweitrangig und für das Heil unerheblich. Die Kirche bilden die Gemeinschaft der Erlösten, die im vertrauenden Glauben an das Evangelium verbunden sind. So aber hat die Kirche keine aktive und eigene Vollmacht und Aufgabe, die Heilsgüter sichtbar in der Welt weiterzuspenden, um so erst die Menschen mit der Erlösungsgnade Jesu Christi zu beschenken und zu durchdringen.

Zusammenfassung

Unser rascher Durchblick durch die lutherischen Lehren zeigt uns, daß es um keine geringen oder unbedeutenden Gegensätze geht. Denn die Stellung des Menschen vor Gott, die Frage nach dem rechten Zugang zu seinem Heils, steht dabei auf dem Spiel.

Jede Form ökumenischer Euphorie, die das Pferd von hinten aufzuzäumen sucht oder den zweiten Schritt vor dem ersten machen will, scheint mir diesbezüglich unrealistisch und sehr gefährlich. In den wesentlichen Positionen trennt uns immer noch viel. Und eine Einheit, die nur dem Schein nach eine ist, während sie jeden dann unter dem Vorwand einer “versöhnten Verschiedenheit” bei seiner Lehre beläßt, kann die sichtbare Einheit der Kirche nicht in Tat und Wahrheit voranbringen. Sie ist Falschmünzerei, die sich dadurch rächt, daß der gesunde Glaubenssinn immer mehr aufweicht und verloren geht.

Doch der geistliche Ökumenismus, den das Konzil sehr empfiehlt, das Gebet um die Erschließung der Fülle der Heilsgüter Jesu Christi für unsere getrennten Brüder und Schwestern in der dazu sicher notwendigen Bekehrung, zählt vor Gott. Zumindest mehr als taktisch inspirierte und (nur) der guten Optik dienende Konstruktionen einer Einheit, die in Wirklichkeit und der Sache nach eben nicht tragfähig sind.

Auch wir Katholiken sind zur Bekehrung im Dienst der Einheit aufgerufen, nicht so, daß die wesentlichen Güter und Einrichtungen der katholischen Kirche verändert werden müssten, um dem Willen Jesu Christi und der Einheit zu dienen, sondern die Bekehrung muß uns als Katholiken verändern. So mahnt uns das Dekret des II. Vatikanums über den Ökumenismus zurecht: “Obgleich nämlich die katholische Kirche mit dem ganzen Reichtum der von Gott geoffenbarten Wahrheit und der Gnadenmittel beschenkt ist, ist es doch eine Tatsache, daß ihre Glieder nicht mit der entsprechenden Glut daraus leben, sodaß das Antlitz der Kirche den von uns getrennten Brüdern und der ganzen Welt nicht recht aufleuchtet und das Wachstum des Reiches Gottes verzögert wird” (UR, 4).