www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Ein großer Lehrer der Kirche
Die prophetische Sendung des heiligen Papstes Johannes Paul II.

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Dr. Josef Spindelböck (geb. 1964) ist derzeit Rektor und Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten sowie Gastprofessor am Internationalen Theologischen Institut (ITI) in Trumau. Von seinem naturrechtlichen Ansatz her weiß er sich dem hl. Johannes Paul II. eng verbunden. Er habilitierte an der Katholischen Universität Lublin, wo auch Karol Wojtyła in den 50er Jahren als Professor für Ethik gewirkt hatte. Spindelböck brachte 2007 die berühmte Studie „Liebe und Verantwortung“, die Wojtyła 1960 publiziert hatte, neu heraus und veröffentliche 2015 das Buch „Theologie des Leibes kurzgefasst. Eine Lesehilfe zu ‚Liebe und Verantwortung‘ von Karol Wojtyła sowie zu den Katechesen Johannes Pauls II. über die menschliche Liebe“ (beides erschienen im Verlag St. Josef, Kleinhain). Nachfolgend stellt Spindelböck das lehramtliche Wirken Johannes Pauls II. anhand seiner 14 Enzykliken vor, die auf eindrucksvolle Weise das prophetische Vermächtnis des heiligen Papstes aus Polen beleuchten. Der Beitrag erschien in „Kirche heute“, Oktober 2020, S.4–6

Vor 100 Jahren – am 18. Mai 1920 – wurde Karol Józef Wojtyła in Wadowice als Kind seiner Eltern Karol und Emilia Wojtyła, geb. Kaczorowska, geboren. Was damals noch niemand wusste und ahnen konnte: Der kleine Karol sollte später nicht nur die Priesterweihe empfangen (am 1. November 1946), sondern sogar Bischof und Kardinal werden (am 28. September 1958 war seine Bischofsweihe; am 26. Juni 1967 wurde er zum Kardinal erhoben). Ja, noch mehr: Als Papst Johannes Paul II. hat er die Kirche über Jahrzehnte hinweg in vorbildlicher Weise geleitet und entscheidend geprägt (vom 16. Oktober 1978, seinem Wahltag, bis zum 2. April 2005, seinem Todestag).

 

Wegweiser für die Zukunft

Hier wird der bescheidene und naturgemäß unvollständige Versuch unternommen, wesentliche Eckpunkte seiner päpstlichen Lehrtätigkeit hervorzuheben. Unbestritten ist: Johannes Paul II. war ein großer Lehrer der Kirche, und dieses Lehramt wirkt weiter als Vermächtnis und Wegweiser für die Zukunft.

Johannes Paul II. war tief verankert im Evangelium und in der Tradition der Kirche. Zugleich ist sein Lehramt als visionär anzusehen, was er vielfach zum Ausdruck gebracht hat. Er durfte die Kirche ins dritte Jahrtausend begleiten. Am Tag seiner Amtseinführung (22. Oktober 1978) ermutigte er alle Gläubigen: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“

 

Stärke deine Brüder!

Schon in der ersten Botschaft nach seiner Wahl, die beim Gottesdienst in der Sixtinischen Kapelle am 17. Oktober 1978 verlesen wurde, bekräftigte er seine Verbundenheit mit dem 2. Vatikanischen Konzil, an dem er selbst als Konzilsvater teilgenommen hatte. Und er führte weiter aus: „Aber über das Konzil hinaus sind wir zur Treue gegenüber dem Amt, das wir übernommen haben, in seiner ganzen Breite verpflichtet. Berufen zum höchsten Amt in der Kirche, verpflichtet gerade uns diese Stellung zu vorbildlichem Beispiel an Entschlossenheit und Einsatz. Wir müssen diese Treue mit allen Kräften zum Ausdruck bringen, was sich nur durchführen lässt, wenn wir den Schatz des Glaubens unversehrt bewahren, indem wir besonders jene Gebote Christi erfüllen, mit denen er den Simon als dem von ihm eingesetzten Fels der Kirche die Schlüssel des Himmelreiches gegeben bat (vgl. Mt 16,18). Ihm befahl er, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32) und die Lämmer und Schafe seiner Herde zu weiden zum Beweis seiner Liebe (vgl. Joh 21,15 ff).“

 

„Totus tuus“ – Geheimnis der Liebe

Das Pontifikat stellte Johannes Paul II. unter den besonderen Schutz der Gottesmutter Maria, der er sein Leben anvertraut hatte („Totus tuus“ – „ganz dein eigen“). In allem aber verkündete er die Liebe des dreieinigen Gottes, der sich in Jesus Christus aller Menschen erbarmt hat und sie zum Heil führen will.

In Kürze seien in chronologischer Ordnung seine 14 Enzykliken vorgestellt, da hier die wichtigen Anliegen seines Pontifikates sichtbar werden.

Beginnend mit Redemptor hominis“ – „Der Erlöser des Menschen (4. März 1979) stellte Johannes Paul II. das in Christus offenbar gewordene Heilsgeheimnis dar, welches von entscheidender Bedeutung für uns Menschen ist: „Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält. Und eben darum macht Christus, der Erlöser, wie schon gesagt, dem Menschen den Menschen selbst voll kund“ (Nr. 10).

Der himmlische Vater schenkt uns durch seinen menschgewordenen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist Anteil am göttlichen Erbarmen. Dies war das Thema von Dives in misericordia“ – „Reich an Barmherzigkeit (30. November 1980). Bevor er auf die dritte göttliche Person, den Heiligen Geist, Bezug nahm (in der Enzyklika Dominum et vivificantem“ – „Den Herrn und Lebensspender vom 18. Mai 1986), hatte sich der Papst den arbeitenden Menschen zugewandt („Laborem exercens“ – 14. September 1981) und den Beitrag der Apostel der Slawen, Cyrill und Methodius, gewürdigt (Slavorum apostoli“ – „Die Apostel der Slawen, 2. Juni 1985). Johannes Paul II. hat Maria, die Gottesmutter, immer wieder angerufen und in der Enzyklika Redemptoris mater“ – „Die Mutter des Erlösers (25. März 1987) als Urbild der glaubenden Kirche sowie als fürbittende Mutter vorgestellt.

 

Sieg über totalitäre Systeme

Die Zeit seines Pontifikates war gekennzeichnet durch den Einsatz für die Menschenwürde sowie die Verteidigung der Religions- und Gewissensfreiheit angesichts der Bedrohungen durch Diktaturen und kollektivistische Systeme. Die Historiker schreiben ihm maßgeblichen Anteil am Zusammenbruch des Kommunismus zu. In diesem Zusammenhang wurde es nötig, die Orientierungsfunktion der kirchlichen Soziallehre neu herauszustellen. In den beiden Sozialenzykliken Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987) und „Centesimus annus“ (1. Mai 1991) würdigt Johannes Paul II. die Dokumente seiner Vorgänger (Paul VI., „Populorum progressio“, 1967; Leo XIII., „Rerum novarum“, 1891) und geht auf aktuelle Herausforderungen ein. So konkret seine Reformvorschläge für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung sind, so tiefgehend und grundsätzlich ist seine Analyse der Defizite des Marxismus, aber auch der Ideologie des Kapitalismus und Konsumismus: „Die wahre Ursache der jüngsten Ereignisse ist jedoch die vom Atheismus hervorgerufene geistige Leere. Sie hat die jungen Generationen ohne Orientierung gelassen und sie nicht selten veranlasst, bei ihrer ununterdrückbaren Suche nach der eigenen Identität und nach dem Sinn des Lebens die religiösen Wurzeln der Kultur ihrer Nationen und die Person Christi selbst wiederzuentdecken als einzige Antwort auf die im Herzen jedes Menschen vorhandene Sehnsucht nach Glück, Wahrheit und Leben. Diesem Suchen ist das Zeugnis all derer entgegengekommen, die unter schwierigen Umständen und unter Verfolgungen Gott die Treue hielten. Der Marxismus hatte versprochen, das Verlangen nach Gott aus dem Herzen des Menschen zu tilgen. Die Ergebnisse aber haben bewiesen, dass dies nicht gelingen kann, ohne dieses Herz selber zu zerrütten“ (Centesimus annus, Nr. 24).

 

Anwalt der Würde des Menschen

Entscheidende lehramtliche Klärungen in der Moraltheologie legte Johannes Paul II. in der Enzyklika „Veritatis splendor“ (6. August 1993) vor. Die sittlichen Werte und Normen verweisen immer auf Gott, selbst wenn dies manchen Menschen nicht bewusst ist: „Die Kirche weiß, dass der moralische Anspruch jeden Menschen im Innersten erreicht, dass er alle miteinbezieht, auch jene, die Christus und sein Evangelium nicht kennen und nicht einmal etwas von Gott wissen. Sie weiß, dass eben auf dem Weg des sittlichen Lebens allen der Weg zum Heil offensteht, woran das II. Vatikanische Konzil mit aller Klarheit erinnert …“ (Nr. 3).

Johannes Paul II. war immer ein Papst des Lebensschutzes. Vor 25 Jahren, am 25. März 1995, unterzeichnete er die Enzyklika „Evangelium vitae“. Ernst und feierlich klingen seine Worte, die auf den Schutz des Lebens eines jeden Menschen Bezug nehmen und eine hohe Lehrautorität im Namen Christi zum Ausdruck bringen: „Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, dass die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist. Diese Lehre, die auf jenem ungeschriebenen Gesetz begründet ist, das jeder Mensch im Lichte der Vernunft in seinem Herzen findet (vgl. Röm 2, 14–15), ist von der Heiligen Schrift neu bestätigt, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt gelehrt.“ (Nr. 57). Abtreibung und Euthanasie hat Johannes Paul II. entschieden abgelehnt und die Anwendung der Todesstrafe jedenfalls für die heutige Zeit praktisch ausgeschlossen.

 

Dialog im Dienst der Wahrheit

Die ökumenische Dimension seines Pontifikats hob Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Ut unum sint“ (25. Mai 1995) hervor, denn es ist Christus selbst, der alle seine Jünger zur Einheit ruft.

Mit der Enzyklika „Fides et ratio“ (14. September 1998) zeigte der Papst die notwendige Verbindung von Glaube und Vernunft auf und ging insbesondere auf den wichtigen Beitrag der Philosophie in der Erkenntnis der Wahrheit ein. Weder darf die Vernunft den Offenbarungsglauben ausschließen, noch kann der gläubig gewordene Mensch auf die Betätigung der Gabe der Vernunft verzichten. Denn „Glaube und Vernunft (Fides et ratio) sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt. Das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich ihn selbst zu erkennen, hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt, damit er dadurch, dass er Ihn erkennt und liebt, auch zur vollen Wahrheit über sich selbst gelangen könne …“ (Nr. 1).

 

Fels in der Brandung

Mit „Ecclesia de Eucharistia“ (17 April 2003) legte Johannes Paul II. seine letzte Enzyklika vor: Die Kirche lebt von der heiligen Eucharistie, in welcher der Herr sich in seinem Opfer und Mahl den Seinen schenkt und bleibend gegenwärtig ist als wahrer Gott und Mensch unter den Gestalten von Brot und Wein.

Außerdem ist hinzuweisen auf die mit der Promulgation der neuen kirchlichen Gesetzbücher („Codex Iuris Canonici“, 25. Jänner 1983, für die lateinische Kirche; „Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium“, 18. Oktober 1990, für die katholischen Ostkirchen) abgeschlossene Reform des Kirchenrechts gemäß den Vorgaben des 2. Vatikanischen Konzils. Die Dienstfunktion des kirchlichen Rechts für das Heil aller Menschen sollte neu herausgestellt werden.

Der „Katechismus der Katholischen Kirche“ wurde am 11. Oktober 1992 von Johannes Paul II. als „Bezugstext für eine aus den lebendigen Quellen des Glaubens erneuerte Katechese“ und gleichsam als reifste Frucht des 2. Vatikanischen Konzils vorgelegt. Als Papst der Familie erwies sich Johannes Paul II. durch das nachsynodale Apostolische Schreiben „Familiaris consortio“ (22. November 1981) und die über mehrere Jahre hinweg gehaltenen Katechesen zur „Theologie des Leibes“. Johannes Paul II. war ein Freund der Jugend, indem er die Weltjugendtage einführte. Eine lehramtliche Grenzmarke setzte er mit dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ vom 22. Mai 1994, worin klar und endgültig festgehalten wird, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“.

 

Hingegeben für das Heil der Welt

Sein Leiden und Sterben nahm er mit großem Gottvertrauen auf sich. Er war bereits am 13. Mai 1981 nach einem Attentat nur knapp dem Tod entgangen, was Johannes Paul der Fürbitte der Jungfrau von Fatima zuschrieb. Am Vorabend des „Sonntags der Barmherzigkeit“ gab er am 2. April 2005 sein Leben an Gott den Schöpfer zurück.

Blicken auch wir stets auf zu Jesus Christus, den Erlöser der Welt! Dann brauchen wir keine Angst zu haben, und die Kirche wird unter dem Schutz der Gottesmutter Maria mutig in die Zukunft schreiten, bis sich das Reich Gottes in Herrlichkeit vollenden wird. Diese hoffnungsvolle Botschaft gibt uns der heilige Johannes Paul II. mit, und die Kirche als ganze wird das Testament seiner Lehre und seines Wirkens für das Heil der Seelen stets in ihrem Herzen bewahren. Die Nachfolger im Petrusamt – Benedikt XVI. und Franziskus – bemühen sich je auf ihre Weise, all das fortzuführen, wofür der heilige Papst Johannes Paul II. das Zeugnis des Glaubens und des Lebens abgelegt hat.

Heiliger Papst Johannes Paul II., bitte für uns!