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Predigt:

Der Sturm auf dem See

12. Sonntag im Jahreskreis B (20.06.2021)

L1: Ijob 38,1.8-11; L2: 2 Kor 5,14-17; Ev: Mk 4,35-41


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Die Kräfte der Natur sind immer wieder erstaunlich und mitunter sogar überwältigend. Der Mensch erlebt sich hier in seiner Kleinheit und Ohnmacht und sollte darin die Größe Gottes, des Schöpfers der Natur, anerkennen.

In der Lesung aus dem Buch Ijob wird das Meer in seiner Wucht beschrieben. Verbunden mit einem Wettersturm entfaltet es gewaltige Kräfte. Gott aber legt die Grenzen fest; er sagt: „Bis hierher darfst du und nicht weiter“ (Ijob 38,11a).

Das Evangelium nach Markus berichtet von einem Sturm auf dem See Genezareth. Jesus und seine Jünger befanden sich in einem Fischerboot. Plötzlich sei ein derart heftiger Wirbelsturm ausgebrochen, dass die Wasserwellen ins Boot hineinschlugen und sich das Boot mit Wasser zu füllen begann. Selbst für die erfahrenen Fischer war dies eine herausfordernde Situation, bei der man nicht voraussehen konnte, wie es ausgehen würde! Jesus aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief

Auch wir würden sagen: Man muss den Herrn aufwecken! Denn auf ihn vertrauten die Jünger Jesu, und sie erhofften sich Rettung von Gott durch das Beten und Handeln Jesu. Unmöglich konnten sie ihn weiter schlafen lassen!

Fast vorwurfsvoll wecken sie ihn daher unsanft mit den Worten, ob es ihn denn nicht kümmere, dass sie zugrunde gingen. Was tut Jesus? Er wendet sich direkt an den Wind und an den See und befiehlt: „Schweig, sei still!“ Auf dieses Wort hin hört der Sturm auf, und es tritt vollkommene Stille auf dem See ein. Wie beeindruckend muss das für die Jünger gewesen sein! Sie haben unmittelbar erkannt: Hier ist einer, dem sogar das Wasser und der Wind gehorchen. Wer ist er wirklich?

Jesus aber stellt den Jüngern eine Frage, die auch für uns bedenkenswert ist: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40). Denn genau dies hatte sich in der Situation der äußersten Not gezeigt: Die Jünger hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, gerettet zu werden, und dies, obwohl Jesus bei ihnen war. Wo waren da der Glaube und das Gottvertrauen?

Wir wollen nicht zu hart urteilen über die Jünger Jesu. Uns geht es ja im Leben doch auch oft ähnlich. Da kommt irgendetwas Unvorhergesehenes über uns, und wir verlieren unsere natürliche Sicherheit. Wie schnell geraten wir in Panik und fürchten um unser Leben! Und doch sind wir allezeit in Gottes Hand geborgen, und es wird uns kein Haar gekrümmt, ohne dass dies mit Zulassung Gottes geschieht. Selbst dort, wo das Böse zu triumphieren droht, hat Gott die Welt nicht verlassen. Auch in der Gemeinschaft der Glaubenden, also der Kirche, mag es manchmal so sein, als ob wir, wie es der Münchner Kardinal Marx in seinem Rücktrittsansuchen an den Papst formuliert hat, an einem „Totpunkt“ angekommen wären. In Wirklichkeit ist Christus der Herr stets bei uns, und er begleitet und stärkt die Seinen. Er vergisst uns nicht, auch wenn er zu schlafen scheint.

Die Kirche wird ja immer wieder auch mit einem Schifflein verglichen, das in der stürmischen See unterwegs ist. Das ist ein Bild für den wechselhaften Lauf der Geschichte. Es gibt Zeiten, da ist das Meer still, und es gibt auch sehr bewegte Abschnitte der Geschichte. In allem aber ist Christus der Herr bei uns; er verlässt uns nicht. Dürfen auch wir ihn sozusagen aufwecken, wenn er zu schlafen scheint?

Gewiss! Denn das flehentliche, ja stürmische Gebet erreicht den Herrn. Das Gebet aber soll Ausdruck des Glaubens und des Vertrauens sein, nicht aber der Verzagtheit und des Zweifels. Im Gebet sollen wir immer schon die Überzeugung im Herzen tragen, dass Gott uns hört und erhört. Ja, er erhört uns bestimmt! Manchmal erst nach längerer Zeit, manchmal nicht so, wie wir es ursprünglich erwartet und erhofft hätten. Aber umsonst ist das Gebet nie! Wenn wir im Gebet zu Gott sagen: „Dein Wille geschehe“, dann sind wir überzeugt, dass dieser Wille Gottes für uns immer das Beste ist. So wird Gott verherrlicht, und so wirken wir unser Heil. Das Himmelreich bricht sich die Bahn. Wir gehen der ewigen Heimat entgegen.

So wollen auch wir uns im Herzen das Staunen der Jünger Jesu bewahren, die angesichts seiner machtvollen Worte erschüttert und ergriffen waren. Denn Jesus Christus ist wahrhaft der Erlöser der Menschen; er begegnet uns als wahrer Mensch und wahrer Gott! Amen.