www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation
Word-Dokument

Predigt:

Theresia von Avila (15.10.2018)

Hl. Messe im Karmel Mayerling


Josef Spindelböck

Liebe ehrwürdige Schwestern des Karmel Mayerling, liebe Gläubige!

Der hauptsächliche Inhalt Ihrer geistlichen Berufung im Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen ist gemäß der Intention der hl. Theresa von Avila das Gebet!

Mit einfachen Worten hat sie diesen lebendigen Austausch der Seele mit ihrem geistlichen Bräutigam, also mit Gott dem Herrn, so beschrieben:

Das innere Gebet sei „nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“

Das sind einfache und doch tiefe, ja wunderbare Worte! Gott begegnet uns in seinem Sohn Jesus Christus nach menschlicher Art und Weise. Gott liebt uns und ist für uns erreichbar auf unserer menschlichen Ebene. Es handelt sich um einen Dialog der Liebe, den wir mit Jesus Christus, unserem Erlöser, führen dürfen. Das Herz spricht zum Herzen; es ist eine Beziehung der Liebe, die wir im Gebet pflegen.

Bestimmt sind Ihnen, liebe ew. Schwestern, die Einwände gegen das Gebet bekannt, wie sie manchmal vorgebracht werden. Wenn ein Ungläubiger zu uns sagt, er sehe keinen Sinn im Beten, dann können wir diesen Menschen gemäß seinen Voraussetzungen verstehen. Denn wenn es Gott nicht gibt, wie er meint, dann hat es natürlich auch keinen Sinn, mit ihm zu reden!

Aber auch glaubende Menschen haben mitunter Schwierigkeiten, den Sinn des Gebetes zu erfassen. Vielleicht sagen sie, Gott weiß ohnehin alles, und so bräuchten wir ihm nicht zu sagen, was wir empfinden, was wir denken und von ihm erbitten. Andere meinen vielleicht, im Christentum komme es vor allem auf die gelebte Mitmenschlichkeit an, also auf die Verwirklichung der Nächstenliebe. Denn Gott sehen wir nicht, während der Nächste für uns sichtbar ist. Alles Gute, das wir dem Mitmenschen erweisen, erweisen wir Christus.

In beiden Auffassungen liegt etwas Wahres: Denn Gott weiß tatsächlich, was uns im Innersten bewegt. Niemand kennt uns so gut wie Gott! Er kennt uns besser, als wir uns selber kennen. Und tatsächlich begegnen wir im Mitmenschen Christus, dem Herrn. Gemäß der Liebe, die wir den Notleidenden erweisen oder nicht erweisen, werden wir einmal gerichtet werden, sagt Jesus im Evangelium (Mt 25).

Haben dann jene Recht, welche meinen, das Gebet sei überflüssig? Hat vielleicht Kaiser Joseph II. recht getan, als er die kontemplativen Klöster aufgehoben hat, weil er gemeint hat, sie seien unproduktiv und würden für die Kirche und den Staat eher eine Belastung als einen Nutzen darstellen? Keineswegs!

Der Sinn des Betens liegt – wie die heilige Theresa sagt – vor allem in einem Austausch der Liebe. Wenn liebende Menschen die gegenseitige Nähe suchen, wenn sie füreinander da sind, wenn sie sich tief in die Augen blicken, miteinander reden und auch miteinander schweigen: wer wird hier fragen, wozu dies alles gut sei und was denn der volkswirtschaftliche Nutzen dieses Zusammenseins und dieser Unterredungen sei? Wer begriffen hat, was Liebe ist, kann nicht so fragen! So zu fragen, bedeutet in Wahrheit, ein Tor zu sein, der nicht begriffen hat, was Liebe bedeutet. Die Liebe genügt sich selbst, sie braucht keine weitere Rechtfertigung. In der Liebe ist ihr Sinn mit enthalten. Dies gilt in vorzüglicher Weise von der Liebe zu Gott.

Wenn nun aber Gott selbst Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16) und wenn er sich uns in Liebe mitteilt in seinem Sohn Jesus Christus – darf er dann nicht auf eine Antwort der Liebe warten, die wir ihm zu geben vermögen? Gott ist unendlich vollkommen, doch in seiner Menschwerdung hat er sich auf unsere Ebene begeben. Unser Herr Jesus Christus hat als Mensch auch unsere Armut angenommen, in der wir aufeinander angewiesen sind. Welchen Dienst der Liebe hat unserem Heiland doch seine heiligste Mutter Maria erwiesen; wie sehr hat doch der heilige Josef in väterlicher Weise für das Kind Jesus gesorgt! Und wie dankbar war der Herr für alle menschlichen Wohltaten, die er von anderen empfangen hat. Nicht zuletzt waren es glaubende Frauen, die ihn begleitet haben und ihn und seine Jünger auf praktische Weise unterstützt haben. Und alle guten Worte im Zusammensein mit den Jüngern und vonseiten aller, die ihm nachfolgten und die ihm begegneten: sie müssen Jesus als Mensch auch wohlgetan haben, auch wenn er seiner Gottheit nach vollkommen ist und keiner geschöpflichen Wohltat bedarf.

Die Liebe Gottes, die uns im menschgewordenen Erlöser erschienen ist, lädt uns also ein zum Gebet! Das Gebet ist notwendig für uns, damit unsere Seele atmen kann, damit wir nicht geistlich verdorren. Ohne Gebet ist es unmöglich, das Heil zu erlangen! Im Gebet anerkennen wir, dass Gott der Herr ist, der uns seine Wohltaten spendet. Wir loben ihn und preisen ihn; wir danken ihm für alles. Ja, wir bitten ihn auch um sein Erbarmen angesichts all unserer Sünden, die wir von Herzen bereuen. Wir dürfen Gott schließlich um alles bitten, was seine Ehre und die Verherrlichung seines Namens betrifft sowie auch die Ausbreitung des Reiches Gottes. Wir bitten ihn um das eigene Heil und das Heil unserer Mitmenschen; wir dürfen ihn auch um das tägliche Brot bitten, wie Jesus selbst es uns im Vaterunser gelehrt hat. Gott weiß, was wir brauchen, aber er lässt es sich auch von uns erneut sagen, und wenn wir dies tun, dann stehen wir in der rechten Ordnung zu ihm. Wenn wir ihn von Herzen bitten und dies voll Sehnsucht tun, dann weitet sich unser Herz, und wir werden in reichlichem Maße empfangen!

Der besondere Beitrag des Gebets, den Sie, liebe Schwestern des Karmel leisten, ist der Ausdruck einer besonderen Gnade der Berufung, die Sie von Gott empfangen haben. Sie antworten in Liebe auf diese Erwählung, und sie tun dies mit einem offenen Herzen, das die Nöte der Mitmenschen mit hereinnimmt in das Gebet und sie so zu den eigenen macht. Wie tröstlich ist es doch zu wissen, dass niemand vergessen ist! Gott selbst hat es so wunderbar eingerichtet, dass wir mitwirken dürfen bei der Austeilung der von Christus, dem Erlöser, verdienten Gnade. Wir können uns nicht selbst erlösen; wir brauchen einen Erlöser. Aber unter dieser Voraussetzung dürfen wir die Gaben und Gnaden, die wir selber empfangen haben, auch weitergeben an jene, die all dessen in besonderer Weise bedürfen.

Das im Verborgenen vollzogene Gebet der Schwestern des Karmel ist ein Segen für die ganze Welt! Stellvertretend für viele lobpreisen Sie den Herrn und sagen ihm Dank. Die Anliegen und Nöte der Kirche sowie der ganzen Welt sind die Ihren, weil sie diese in liebevoller Verbundenheit mit den Menschen vor Gott hin tragen. Gott erhört dieses Gebet, weil es aus einem demütigen und liebenden Herzen kommt!

Die Kirche braucht geistliche Zentren des Gebets; von dort her kommt auch allen übrigen Aufgaben und Diensten in Kirche und Welt Kraft und Segen zu. Die „kleine“ hl. Theresia von Lisieux hat aufs beste erfasst und begriffen, was die „große“ hl. Theresa von Avila gelehrt hat: dass es nämlich darauf ankommt, im Herzen der Kirche liebend vor Gott hinzutreten, um gerade so jene im Gebet zu unterstützen, die in Wort und Tat das Evangelium anderen Menschen verkünden.

So preisen wir Gott den Herrn und wollen auch weiterhin die Nähe Gottes im Gebet und in der Betrachtung des Wortes Gottes sowie in der Feier der heiligen Eucharistie suchen: denn hier begegnet uns der Herr so, wie ein guter Freund zu uns spricht! Amen.