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1. Fastensonntag A (05.03.2017)

L1: Gen 2,7-9; 3,1-7; L2: Röm 5,12-19; Ev: Mt 4,1-11

Fastenhirtenbrief


Klaus Küng

Liebe Brüder und Schwestern!

In der Fastenzeit dieses Jahres finden zwei besondere Ereignisse statt: In Hildesheim wird am 11. März ein großer Versöhnungsgottesdienst gefeiert, ihm folgen am nächsten Tag viele ähnliche Gottesdienste in zahlreichen anderen Städten Deutschlands. Diese Gottesdienste stehen im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Reformation vor 500 Jahren und an die tiefen Verwundungen und Kränkungen, die sich Katholiken und Protestanten in der Folge gegenseitig angetan haben. In Österreich wird am 19. März die Pfarrgemeinderatswahl durchgeführt. Diese beiden Ereignisse – die Versöhnungsgottesdienste und die Pfarrgemeinderatswahl in Österreich – haben – jedenfalls auf den ersten Blick – nichts miteinander zu tun, aber sie betreffen uns in irgendeiner Weise alle und verleihen dem Ruf der Fastenzeit eine besondere Eindringlichkeit.

Die von Martin Luther ausgelöste Reformation ist nicht von ungefähr gekommen. Die Christenheit befand sich damals in einem schlimmen Zustand der Verweltlichung. Die Glaubenskenntnis und die Glaubenspraxis lagen darnieder und die Sitten waren verroht. Ganz besonders der Klerus war davon betroffen. Zunächst entstand nicht Erneuerung, sondern Spaltung, die zu einer tiefgreifenden und äußerst schmerhaften Krise ganz Europas geführt hat. Lange hat es gedauert – auch bei uns –, bis eine Neubegründung der Pfarren und Diözesen möglich wurde und noch viel mehr Zeit musste vergehen – mehr als 400 Jahre –, bis Protestanten und Katholiken wieder miteinander reden konnten. Papst Franziskus hat anlässlich der Eröffnung des Gendenkjahres gesagt, wir sollten sehr dankbar dafür sein, dass wir die Geschwisterlichkeit wiedergefunden haben und jetzt wieder miteinander reden und beten können, auch wenn noch immer nicht die volle Einheit erreicht ist.

Wir müssen auch dankbar sein, dass – angestoßen durch die Reformation – die Heilige Schrift stärker in den Vordergrund gerückt worden ist, das Liedgut eine große Bereicherung in der Liturgie erfahren hat und die Notwendigkeit des Zusammenhangs zwischen Glauben und Leben klarer bewusst geworden ist; dass aber auch innerhalb der Katholischen Kirche insgesamt eine echte Erneuerung ausgelöst wurde: Es erwachte eine vertiefte Liebe zur Eucharistie und zu den anderen Sakramenten; die Priesterausbildung wurde auf neue Grundlagen gestellt und die Durchführung von Volksmissionen hat zu einem Erblühen des pfarrlichen Lebens geführt.

In der gegenwärtigen Zeit müssen wir uns – das geht unseren evangelischen Brüdern und Schwestern sehr ähnlich – neuerlich großen Herausforderungen stellen. Viele Menschen – auch viele Getaufte – scheinen auf Gott zu vergessen, finden keinen Zugang zu Christus und kennen nicht seine Güte und Heilskraft. Die in der modernen säkularisierten Gesellschaft weit verbreitete Glaubensnot ist wohl auch ein Grund, warum die Angehörigen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften einander wieder näher kommen. Zudem ist gerade in dieser Situation des Glaubensschwundes die Einheit aller Christen ein besonders dringendes Anliegen geworden.

Wahrscheinlich spüren wir alle, dass wir uns heute in einer ähnlichen Umbruchszeit befinden wie damals vor 500 Jahren. Die Lebensverhältnisse sind – insbesondere in den letzten 70 Jahren – andere geworden; es ist notwendig, dass sich unser Christ- und Kirchesein so verändert, dass es in den heutigen Verhältnissen bestehen kann. Wir spüren, dass sich das Bild der Kirche verändert, verändern muss. Unklar ist, ob die Veränderung in der heutigen Zeit so groß sein wird wie jene in den drei Jahrhunderten nach der Reformation. Wir dürfen aber auf jeden Fall mit Zuversicht erfüllt sein. Die Kirche hat viele große Krisen überstanden; sie wird auch heute den Weg finden.

Das Nachdenken über diese Gegebenheiten lässt uns empfänglich werden für den Ruf der Fastenzeit: „Kehrt um“. Ein Leben ohne Gott, ohne Christus, ohne Erlöser führt in die Einsamkeit des Egoismus und zu Lieblosigkeit. Diese entsteht immer, wenn nur die eigenen Bedürfnisse das Ziel sind. Es ist lebenswichtig, Ihn, Gott, Christus, persönlich und gemeinsam im Gebet zu suchen. Wichtig ist auch, sich durch gezielten Verzicht besonders in jenen Bereichen, in denen sich Anhänglichkeiten entwickelt haben, ein Stück Freiheit zurück zu erobern und die Barmherzigkeit und Güte des menschgewordenen Gottessohnes in den Blick zu nehmen. Denn Er hat uns durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung erlöst. Eine gute, aufrichtige Beichte vermag innere Heilung zu schenken und damit die Grundlage für einen Neuanfang. Und wie wichtig wäre es, dass alle jene, die nachlässig geworden sind, zur wöchentlichen Mitfeier der sonntäglichen Eucharistie zurück kehrten! „Ohne Sonntag können wir nicht leben!“, haben Christen der ersten Jahrhunderte vor ihren Anklägern bekannt und, weil sie davon nicht abgingen, den Tod erlitten. Für sie war die Teilnahme an der Eucharistie lebenswichtig. Wer meint, es gehe auch ohne Messe am Sonntag, wird nach einiger Zeit bemerken, dass Christus aus dem Blick bzw. aus dem Herzen entschwindet. Es wird leer im eigenen Herzen. Wir brauchen die zumindest wöchentliche Teilnahme an der Eucharistie genauso wie die Christen der ersten Zeiten.

Papst Franziskus hat am Fest der Bekehrung des hl. Paulus darauf hingewiesen, dass echte Ökumene auf die gemeinsame Umkehr zu Jesus Christus als unserem Herrn und Erlöser gegründet ist. Wörtlich sagte er: „Wenn wir ihm gemeinsam näher kommen, dann nähern wir uns auch einander.“ Das gilt nicht nur für die Ökumene. Auch innerhalb der Diözese und der Pfarrgemeinde rücken wir auf diese Weise zusammen, bildet sich jene Gemeinschaft, ja Heimat, die wir alle brauchen.

Und die Pfarrgemeinderatswahl ist ein Aufruf zum Mittun und zum Aufbruch, einer neuen Zeit entgegen, mit viel Zuversicht. Denn der Herr ist mit uns, unter uns!

So wünsche ich Ihnen allen eine gesegnete Fastenzeit mit persönlichem Gewinn und Freude im Herzen. Möge uns die Fürsprache Mariens in allen unseren persönlichen und gemeinsamen Bemühungen beistehen! In diesem Sinne grüßt und segnet Sie in herzlicher Verbundenheit

+ Klaus Küng