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Predigt:

Aschermittwoch (22.02.2023)

Joël 2, 12–18; L2: 2 Kor 5, 20 – 6, 2; Ev: Mt 6, 1–6.16–18


Pater Dr.h.c. Stefan Havlik

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der Aschermittwoch ist das große Eingangstor zur Fastenzeit, zur österlichen Busszeit, also zu der Vorbereitungszeit der Christen auf Ostern hin. Er trägt sein starkes Zeichen bereits im Namen: Schon die alten Ägypter und Israel weit vor Christus kannten die Tradition, dass sich Menschen, die Reue empfinden, Asche auf ihr Haupt streuen. Seit dem 7. Jahrhundert ist dies auch Teil kirchlicher Riten, jedoch ist die dabei verwendete Asche nicht irgendeine beliebige Asche; es ist die Asche der Palmzweige des vergangenen Jahres, also eine Brücke zurück zum letzten Palmsonntag. Palmsonntag: Da schauen wir besonders auf die jubelnde Volksmenge, die sich über den Einzug Jesu Christi in Jerusalem freut. Endlich ist er da, der ersehnte Retter, Messias und Heiland, der das Königreich Israel wieder aufrichten und die römischen Besatzer vertreiben wird – „Hosianna!“ rufen sie. Der Blick auf die jubelnde Menge ist dabei aber immer mit Bitterkeit vermischt: Denn wir wissen, dass diese Menschenmenge schon wenige Tage später „Ans Kreuz mit ihm!“ rufen wird. Vom „Hosianna“ zum „Kreuziget ihn“ ist es ein kurzer Weg. Auch dafür steht die Asche der Palmzweige: Wie brüchig ist die Begeisterung der Menschen, wie wenig haltbar unsere Verlässlichkeit, wie beliebig unser Urteil. Schauen wir uns um in dieser Welt: Das, was gerade noch als absolut verlässlich galt, das, was ganz bestimmt gewiss schien, zerbricht vor unseren Augen. Vom „Ende der Geschichte“ sprachen Manche, als die Deutschen Wiedervereinigung feierten und der Sozialismus im Osten Europas ein Ende fand – von nun an, so die Überzeugung, würden nur noch liberale Demokratien miteinander leben auf diesem Planeten, friedlich und freundlich miteinander umgehen. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zeigt sich erneut: Ein Friede war wieder einmal nur auf Zeit. Wir wünschen uns so sehr Zuverlässigkeit, Stabilität, Berechenbarkeit – und wie oft sind die Menschen, sind wir, bin ich wankelmütig, brüchig, unberechenbar?

Wer das Aschenkreuz im Ritus der Kirche auflegt, hat zwei Möglichkeiten dafür, was er dabei sagt: „Kehre um und glaube an das Evangelium“ ist eine davon. Dieser Satz weist in die unmittelbare Zukunft, in die Fastenzeit hinein. Er ist bedenkenswert, weil viele Menschen heute in- und ausserhalb der Kirche die Fastenzeit ausschließlich für eine christliche „Diätphase“ halten. Wir glauben aber nicht an einen Gott, der im Himmel sitzt und Kalorien zählt. Der Verzicht auf manche Lebensmittel kann eine Antwort in der Fastenzeit sein – aber eine allgemeine, für Alle gültige kann es nicht geben. Ein Vegetarier, der auf Fleisch verzichtet – ein Nichtraucher, der nicht zu den Zigaretten greift – ein Leistungssportler, der mehr Bewegung in sein Leben integrieren möchte? Wir sehen, diese Beispiele geben keinen Sinn und die Antwort in der Fastenzeit kann ich nur ganz persönlich geben. Vielmehr gilt es, vor der Antwort zur Frage zurückzukehren. Diese lautet: Was trennt mich von Gott? Was hindert mich daran, zu beten? Was blockiert mich in meinem Gottvertrauen? Was bremst meine ehrliche Christus-Beziehung? Welche glitzernden Angebote dieser Welt lassen mich nicht das Evangelium, das Gebot „Du sollst Gott lieben – Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ leben? Die österliche Bußzeit ist zuerst eine Frage der Konzentration auf das tatsächlich Bedeutsame und den aufrichtigen Glauben.

Die zweite Formulierung, die man wählen kann, wenn man das Aschenkreuz austeilt, lautet „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“ Auch dieser Satz weist in die Zukunft, es wird einer der letzten Sätze sein, die zu uns gesprochen werden – dann nämlich, wenn wir verstorben sind, wenn unser Leib im Sarg oder unsere Asche in der Urne ist. Sarg oder Urne werden bereits abgesenkt, aber das Grab noch offen sein, dann spricht der Priester diesen Satz. „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück“ – „Memento mori“ sagten die Alten, sei dir des und deines Todes gewiss! Wie wichtig ist dieser Satz in unserer Zeit und Gesellschaft. Immer mehr Menschen, auch Soldaten der Bundeswehr, haben noch nie in ihrem Leben einen toten Menschen gesehen. Gleichzeitig sehen sie täglich tote Menschen: Im Fernsehen, im Internet, im PC-Spiel, da sind sie, die grausam Ermordeten, die grässlich Entstellten, die Zombies. Keine reale Erfahrung mit der Begegnung mit einem toten Menschen, aber täglich virtuelle Bilder des Schreckens: Was entsteht da im Menschen? Angst, blanke Angst. „Outgesourct“ haben wir das Sterben in die Krankenhäuser und Pflegeheime, geschlossen bleiben die Särge. Und dann heisst es „Ich behalte ihn lieber so in Erinnerung, wie er war“ – als ob unser Gehirn die Erinnerung an einen Lebenden löschen würde, wenn wir seinen Leichnam sehen. Angst hat die Menschen längst ergriffen – dabei nimmt diese Angst uns nicht den Tod, aber sie nimmt uns das Leben. Der Tod, auch daran erinnert uns die Asche dieses Tages, ist die einzige Gewissheit in diesem Leben. Auch wenn uns der „Brandner Kasper“ im gleichnamigen Film das suggerieren möchte: Selbst mit ein paar Gläsern Kirschgeist werden wir dem Tod nicht ein paar weitere Jahre abringen können. Er wird kommen – aber wir Christen sollten uns nicht vor ihm fürchten. Klar ist: Keiner von uns will qualvoll sterben. Aber der Tod an sich, der Übergang von der Zeit in die Ewigkeit, die Tür von dieser in eine ganz andere Welt, darf uns keine Angst machen. Sicher: Wir glauben an einen Gott, der uns Gebote, Verbote, Wegweisungen mitgegeben hat und es wäre zutiefst widersinnig, wenn er uns nach unserem Tod mitteilen würde „Übrigens, mir war es gleichgültig, ob du dich daran gehalten hast oder nicht.“ – Unser Tun und Lassen in dieser Welt und in diesem Leben hat Bedeutung bei Gott, an den wir Christen glauben. Umkehr – dazu haben wir gerade in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern in besonderer Weise Gelegenheit. Wo kann ich Barmherzigkeit leben, wo auch harsches Urteil möglich ist? Mit wem kann ich geduldig sein, auch wenn es mich viel Kraft kostet? Wie kann ich ehrlichen Herzens verzeihen, auch wenn das Viele nicht verstehen können? Wen kann ich annehmen ohne mich zum Richter aufzuschwingen? Ich werde eines Tages sterben. Wir werden eines Tages nicht mehr sein. Jetzt ist uns Zeit geschenkt in dieser Welt: Ich wünsche uns Allen, dass wir Mut und Kraft zur Umkehr haben, ich wünsche uns Allen, dass uns nicht die Angst vor dem Tod lähmt, sondern uns der Weg auf Ostern hin ein befreiender sein möge, ich wünsche uns Allen eine gesegnete Fastenzeit.

 

Pater Dr.h.c. Stefan Havlik OT, Jahrgang 1980, Priester des Deutschen Ordens, Militärpfarrer in Stetten a.k.M