www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation
Word-Dokument

Predigt:

Gott suchen und sich von ihm finden lassen

Homilie am Fest des heiligen Johannes vom Kreuz im Karmel Mayerling (14.12.2022)


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der heilige Johannes vom Kreuz war ein Gottsucher, und dies blieb er sein ganzes Leben lang. Der Mensch kann Gott nicht fassen oder ergreifen; Gott ist der je Größere; ER ist unbegreiflich und unverfügbar. Gott finden kann der Mensch nur, weil Gott der Herr sich auch finden lassen will. Er macht sich uns kund; er offenbart sich den Menschen.

Auf höchste Weise hat er dies getan in seinem menschgewordenen Sohn. Dieser ist als der gute Hirte dem verlorenen Schaf – also uns sündigen Menschen – nachgegangen und hat dieses Schäflein in seine Arme genommen. Im Himmel herrscht mehr Freude über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt und der sich von Gott finden lässt, als über 99 Gerechte, die in isolierter Selbstgefälligkeit leben und meinen, dass sie der Barmherzigkeit Gottes nicht bedürfen.

Wie können wir Gott finden? Oder besser gesagt: Wie können und sollen wir in unserer Freiheit mitwirken, damit uns Gott findet und uns immer mehr an sich bindet, sodass wir einst eingehen dürfen ins himmlische Reich?

So streng und unnahbar für manche der heilige Johannes vom Kreuz wirkt, so war er doch in seinem Herzen ganz vom Geist der Gotteskindschaft erfüllt und geprägt. Johannes vom Kreuz wollte sich einfach vom guten Vater im Himmel führen lassen auf dem Weg zur Seligkeit, der wie ein Aufstieg ist auf den biblischen Berg Karmel. Die Spiritualität des Karmel-Ordens ist zwar anspruchsvoll, doch nicht exklusiv. Sie gründet – so wie jede echte Form der Frömmigkeit – im Ja des Menschen zur Taufgnade, in einem Leben gemäß dem Taufversprechen. In der heiligen Taufe hat Gott zuerst zu uns Ja gesagt in unverdienter Weise; und wir dürfen auf dieser Grundlage Ja sagen zur Liebe Gottes, und indem wir dies tun, nehmen wir uns selber an und auch die Mitmenschen. Die Liebe Gottes hat uns ergriffen – so wie auch den heiligen Johannes vom Kreuz. Und in dieser Liebe gilt es zu wachsen und zu reifen; so werden wir mehr und mehr mit Gott verbunden in seinem Sohn Jesus Christus.

Unbeschadet der objektiven Wirklichkeit unseres Heiles – also der Heilsordnung, die der göttliche Vater durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist verfügt hat und die uns durch die Kirche im Wort Gottes und in der sakramentalen Gnade erschlossen wird –, unbeschadet all dessen gibt es doch für einen jeden Menschen einen ganz persönlichen Weg zu Gott. Denn Gott behandelt uns nicht wie eine Nummer, sondern er spricht uns mit unserem Namen an. Dies aber gilt es im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift und in der Betrachtung der göttlichen Geheimnisse zu entdecken. Die Gottesmutter Maria und der heilige Josef sind uns hier ein Vorbild, wie wir über die göttlichen Geheimnisse nachsinnen können, in besonderer Weise auch im Rosenkranz. Das innere Gebet ist gleichsam die Seele und der Kern des äußeren Gebetes.

Sobald wir das eigene Leben auf den Heilswillen Gottes für uns beziehen, werden wir den Wechsel der Stimmungen, der Emotionen, der geistlichen Herausforderungen und der je besonderen Gnaden nicht mehr als etwas Zufälliges oder gar Willkürliches wahrnehmen. Das unbedingte Gottvertrauen leitet uns, dass es gerade so gut ist, wie es der Herr will und auch zulässt. Mag uns manches als undurchschaubar erscheinen, mögen wir im Widerstreit der Meinungen vielleicht die göttliche Stimme kaum mehr wahrnehmen: der Herr ist doch bei uns, und er leitet uns und schützt uns, auch wenn wir auf den Wogen des Lebens heftig schaukeln und meinen, das eigene Boot käme bald zum Kentern … Letztlich ist alles, was uns begegnet, von Gott gefügt, und denen, die ihn lieben oder ihn lieben wollen, gereicht alles zum Guten!

Dies hat der heilige Johannes vom Kreuz in Leid, Krankheit, Not und Verfolgung erfahren. Was uns und ihm zunächst als Unglück erschien, hat er am Ende eines geistlichen Läuterungsprozesses als Stunde der Gnade begreifen dürfen. So ist jede Bitterkeit aus seinem Herzen geschwunden, und er konnte sich vorbehaltlos für die Liebe Gottes öffnen. Es war ihm möglich, seinen Widersachern und Feinden von Herzen zu vergeben und für sie zu beten und ihnen Gutes zu tun. Nicht die eigene Leistung steht im Vordergrund, sondern Gott ist der eigentlich Wirkende. Ihm dürfen und sollen wir uns auf aktive Weise immer neu ganz anvertrauen: ER macht alles gut und recht!

So gesehen ist die Botschaft des heiligen Johannes vom Kreuz zeitlos gültig: Denn das Thema der Begegnung der menschlichen Seele mit Gott dem Herrn als ihrem himmlischen Bräutigam bleibt stets aktuell und ist unerschöpflich. Wir haben es nicht mit einer abstrakten Idee oder einem philosophischen oder theologischen Konzept zu tun, sondern mit dem dreipersönlichen Gott selbst. Er liebt uns wirklich, und der himmlische Vater hat seinen Sohn in diese Welt gesandt, um uns im Heiligen Geist ganz persönlich zu sagen und zu zeigen, dass er uns liebt.

Wenn wir jetzt bald Weihnachten feiern, dann zeigt sich uns das Geheimnis der Menschwerdung als die von Gott errichtete Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit. Gott kam zu uns in der Geburt aus der Jungfrau; auch wir dürfen uns ihm als dem menschgewordenen Gottessohn nahen. Maria und Josef sowie die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland zeigen uns den Weg.

Haben wir täglich neu den Mut, uns auf Gottsuche zu begeben! Und seien wir uns noch mehr dessen bewusst, dass Gott selbst es ist, der uns sucht und der uns nachgeht. Lassen wir uns also finden von ihm, denn hierin liegt unser Glück und unsere Seligkeit. Wer Gott findet und ihn dann „besitzt“, der hat alles, sagt die heilige Theresa von Avila, und Johannes vom Kreuz stimmt ihr zu.

Stimmen wir ein in den Lobpreis des gütigen Gottes, der will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und gerettet werden! Amen.