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Predigt:

Christus, der Heiland, wird heute Nacht geboren

Hochfest der Geburt des Herrn (Heiliger Abend) C (24.12.2021)

L1: Jes 62,1-5; L 2: Apg 13.16-17.22-25; Mt 1,1-25

Theologische Erwägungen für eine Homilie zur Messe am Heiligen Abend, in: Auftrag und Wahrheit 1 (2021) Heft 1, 76-79


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Allgemeine Charakteristik:

Die Messe am Heiligen Abend (24.12.) eröffnet die Feier des Hochfestes der Geburt des Herrn (Weihnachten). Auf diese Messe folgen die Messe in der Heiligen Nacht, am Morgen sowie am Tag. Der Heilige Abend hat vorbereitenden Charakter und lässt in dieser Messe schon die Festfreude von Weihnachten anklingen. Dies zeigt sich im heilsgeschichtlichen Übergang vom Alten zum Neuen Testament in den Lesungen und im Evangelium.

Zur ersten Lesung (Jes 62,1–5):

Manche Bibelwissenschaftler ordnen die Perikope dieser Lesung einem hypothetischen Autor namens Trito-Jesaja zu. Jedenfalls handelt es sich um Gotteswort im Menschenwort, und der Heilige Geist ist der eigentliche Verfasser der Heiligen Schrift, weshalb sie in ihrer Gesamtheit und in ihren Teilen als inspiriertes Gotteswort gilt, das uns die Wahrheit des Heiles auf sichere und getreue Weise lehrt.

Inhaltlich geht es um die prophetische Ankündigung einer großen Wende: In der Geschichte des Volkes Israel zeigt sich anfanghaft und exemplarisch, was Gott den Seinen zugedacht hat, die er in Jesus Christus aus allen Völkern und Nationen beruft. Die frohe Botschaft dieser Lesung bezieht sich daher als Prophetie auf das geschichtliche Kommen des Herrn in seiner Geburt in Bethlehem und auf die messianische Zeit insgesamt sowie auf deren Vollendung im Eschaton, also in den „Letzten Dingen“.

Die Erfahrung des babylonischen Exils hatte das Volk Israel gedemütigt und die Heilsverheißungen Gottes in Frage gestellt. Das Exil war jedoch eine Zeit der Buße und der Läuterung und somit der Vorbereitung auf das kommende Heil Gottes gewesen, dessen Erfüllung im geschichtlichen Handeln Gottes grundgelegt ist, aber die innergeschichtliche Wirklichkeit wesentlich übersteigt. Das erwählte Volk Gottes ist jetzt bereit für eine neue Erfahrung: Gott selbst schafft Gerechtigkeit und Heil; er schmückt sein Volk mit der Krone des Heils und lässt auch die übrigen Völker erkennen, wie machtvoll er handelt. Gott tritt auf als Bräutigam seines Volkes, das er wie eine Braut heimführt ins „Gelobte Land“. Das irdische Zion vollendet sich im himmlischen Jerusalem.

Zur zweiten Lesung (Apg 13,16–17.22–25):

Der erste Teil der Predigt des Apostels Paulus in der Synagoge von Antiochia in Pisidien wird in den wesentlichen Zügen wiedergegeben. Paulus möchte für seine Zuhörer (das sind sowohl Israeliten als auch Gottesfürchtige, vgl. Apg 13,16) aufzeigen, dass es derselbe Gott ist, der sich am Volk Israel in dessen Geschichte als gnädig erwiesen hat und der jetzt aus dem Geschlecht Davids seiner Verheißung gemäß „Jesus als Retter“ gesandt hat (vgl. Apg 13,23). Johannes der Täufer ist dessen Vorläufer; er bereitet das Volk des Alten Bundes auf das Kommen des Messias vor und lädt zur Taufe der Buße und Umkehr im Jordan ein.

Zum Evangelium (Mt 1,1–25):

Die Perikope besteht aus zwei Teilen: dem Stammbaum Jesu (Mt 1,1–17) und der Verkündigung an Josef (Mt 1,18–25).

(1) Der Stammbaum Jesu Christi, „des Sohnes David, des Sohnes Abrahams“ (Mt 1,1), bis hin zu Josef, dem „Mann Marias“, wird aufgezeigt. Dreimal vierzehn Generationen (von Abraham bis David, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft, von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Jesus Christus) werden aufgezählt. Hervorgehoben wird im letzten Glied der Aufzählung, dass nicht – wie sonst dem Schema gemäß – Josef, der „Mann Marias“, Jesus zeugte, sondern dass „von ihr … Jesus geboren“ (wurde), „der der Christus genannt wird.“ (Mt 1,16). Der Stammbaum Jesu bei Matthäus unterscheidet sich von dem bei Lukas (3,23–38). Die Kirchenväter und Exegeten haben unterschiedliche Erklärungen dafür gefunden und bieten verschiedene Schlussfolgerungen daraus an. Aus Sicht einer gläubigen, dem Wort Gottes verpflichteten Auslegung kann festgehalten werden: Der eigentliche Ursprung Jesu Christi ist in Gott, seinem Vater, zu finden. Weil er jedoch wahrer Mensch geworden ist durch die geistgewirkte jungfräuliche Empfängnis Marias, gehört er ganz zur Menschheitsfamilie und speziell zur Geschichte des von Gott auserwählten Volkes Israel. In seinem Stammbaum finden sich Heilige und Sünder. Der Sohn Gottes ist einer von uns geworden; er hat alles Menschliche angenommen, um uns Menschen ganz nahe zu sein und uns zu erlösen von Sünde, Tod und Teufel. Der Stammbaum Jesu ist nicht lückenlos; dennoch ist er keine bloß symbolische Konstruktion. Er verweist auf wirkliche Menschen, die Gott in seiner Heilsgeschichte erwählt und miteinbezogen hat, um dann im Sohn der Jungfrau Maria, dessen gesetzmäßiger Vater Josef von Nazareth ist, das Heil zu wirken.

(2) Dieser Zusammenhang wird unmittelbar darauf in der Verkündigung an Josef in einer bemerkenswerten Parallele und Komplementarität zu Lk 1,26–38 aufgezeigt. Josef von Nazareth wird vorgestellt als Inbegriff eines „gerechten“ Mannes (vgl. Mt 1,19). Er hört auf Gott und gehorcht ihm in allem; aus diesem vertikalen Bezug heraus ordnet er auch seine mitmenschlichen Beziehungen, insbesondere jene zu seiner ihm bereits verlobten künftigen Gemahlin Maria. Korrekt gesprochen handelt es sich gemäß dem jüdischen Verständnis um die erste Stufe der Eheschließung, die bereits erfolgt ist: Maria und Josef haben einander schon das Ja-Wort gegeben. Das eheliche Zusammenleben wird dann aufgenommen, wenn der Bräutigam die Braut in sein Haus heimführt. In dieser Zwischenzeit zeigt sich jedoch, dass Maria ein Kind erwartet. Dies geschieht durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, der von der Jungfräulichkeit Marias ausgeht, kann dies nicht fassen und einordnen; er denkt daran, Maria heimlich zu verlassen. Doch Gott selbst zeigt ihm durch seinen Engel die Wahrheit dieses Geheimnisses: Maria hat als Jungfrau den künftigen Erlöser vom Heiligen Geist empfangen. Josef soll Maria endgültig als seine Frau heimführen und zugleich ihr Geheimnis schützen. Er wird im rechtlichen Sinn bestellt zum Vater Jesu, auch wenn das Kind leiblich nicht von ihm kommt. Hier erfüllt sich die Prophezeiung des Jesaja (7,14), dass die Jungfrau ein Kind empfangen und einen Sohn gebären werde. In diesem Kind ist Gott uns nahe („Immanuel“; vgl. Mt 1,23); der Name „Jesus“ weist darauf hin, dass Gott sein Volk rettet und erlöst (vgl. Mt 1,21). Auf diese Weise wird der Sohn Gottes auf ehrenhafte Weise in diese Welt eingeführt: Er gilt als der Sohn Josefs, und Maria ist als seine Mutter anerkannt. Die Eltern Jesu wirken je auf ihre Weise mit am Heilsgeschehen; sie sind wesentlich einbezogen in das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Maria bewahrt in ihrem unbedingten Ja-Wort zur Botschaft des Engels ihre unversehrte Jungfräulichkeit und wird dennoch und zugleich die wahre Mutter des Sohnes Gottes, der in ihrem jungfräulichen Schoß empfangen und dann zu Bethlehem geboren wird. Josef von Nazareth ist kein bloßer Statist, sondern auch er ist aktiv einbezogen in die Menschwerdung des göttlichen Wortes. In seinem Handeln bejaht er den Willen Gottes, wo immer er sich zeigt. Er nimmt Maria als seine Frau an, und mit Maria, der Mutter Jesu, nimmt er auch ihr Kind als sein eigenes an, weil Gott selbst ihm dieses Kind anvertraut hat, um es in väterlicher Weise zu beschützen und für das Kind und dessen Mutter zu sorgen.

Aktualisierende Elemente einer Homilie am Heiligen Abend

Herausgestellt werden kann vom Prediger, dass der Sohn Gottes für uns alle Mensch geworden ist, ja in besonderer Weise auch für jede/n Zuhörer/in persönlich. Auch „wir“ (der Prediger ist mit eingeschlossen) sollen und dürfen dem Jesuskind einen Platz in unserem Herzen bereiten. Wir sind eingeladen, ihm eine Stätte anzubieten, wo er auf geistliche Weise in uns geboren werden kann: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren“ (Angelus Silesius).

Der heilsgeschichtlich bedeutsame Gehorsam sowohl Marias als auch Josefs kann hervorgehoben und entfaltet werden. Gott bezieht den ganzen Menschen mit ein: wir sind nicht Marionetten im Schauspiel des Heils, sondern wir dürfen aktiv mitwirken. Den Anfang macht jedoch immer Gott, und ohne seine Gnade vermögen wir nichts zu unserem Heil beizutragen. Der Glaube Marias und Josefs kennt besondere Höhepunkte und Zeiten der Erneuerung und Bewährung; er trägt sich jedoch im ganzen Leben durch, und so wirken sie als Eltern Jesu mit, wenn Gott seinen Sohn einführt in die Welt, vor dem sich die Engel niederwerfen (vgl. Hebr 1,6).

Ohne dass sich die weihnachtliche Predigt in bloßer Sozialkritik erschöpfen darf, brauchen aktuelle Bezüge nicht ausgeblendet zu werden: Die Friedlosigkeit der Welt zeigt sich in Kriegen, Konflikten, Verfolgungen, in Situationen der Flucht und der Bedrohung, der Armut und des Ausgesetztseins. Die Heilige Familie hat ähnliche Erfahrungen gemacht und im Glauben und Gottvertrauen durchgestanden. Wenn wir voll Freude im Glauben mit dem Jesuskind, seiner Mutter Maria und dem väterlichen Beschützer Josef verbunden sind, so empfangen wir zugleich die Kraft, Menschen in Not auf wirksame Weise beizustehen: vielleicht in unmittelbarer Nähe, aber auch mit Blick auf uns fremde und scheinbar ferne Menschen.

Weihnachten wird dann in rechter Weise gefeiert, wenn das Heil Gottes bei uns persönlich ankommen darf und das Licht von Bethlehem die Herzen der Menschen in ihrem konkreten Leben erleuchtet und verwandelt.