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Predigt:

Ave Maria, gratia plena

Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria C (08.12.2021)

L1: Gen 3,9-15.20; L2: Eph 1,3-6.11-12; Ev: Lk 1,26-38


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Mitten im Advent leuchtet uns die Morgenröte unseres Heiles auf, die selige Jungfrau Maria. Am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria preisen wir mit der Kirche Maria als die Jungfrau voll der Gnade, was die Freiheit von jeder Sünde mit einschließt. Maria wurde bewahrt vor der Erbsünde und auch vor jeder persönlichen Sünde. Zeit ihres Lebens auf Erden lebte sie in der innigsten Gemeinschaft mit Gott; nun ist sie im Himmel verherrlicht und bittet in mütterliche Liebe und Sorge für uns den Herrn, dass auch wir den guten Weg gehen und einst die selige Herrlichkeit des Himmels empfangen dürfen.

Gemeinsam wollen wir betend erwägen, was denn dieser Gruß des Engels an Maria zu bedeuten habe. Genauer gesagt geht es vor allem um die Anrede. Der Engel Gabriel hatte Maria mit den Worten begrüßt: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ (Lk 1,28). Für Maria war ein solcher Gruß und eine solche Anrede keineswegs etwas Selbstverständliches. Sie erschrak bei den Worten des Engels, heißt es im Evangelium, und sie überlegte, was denn dieser Gruß zu bedeuten habe.

Bevor wir uns fragen, in welcher Weise Maria auf einzigartige Weise von Gott begnadet worden ist, soll ein Zweifaches klargestellt werden. Erstens: Maria ist ein Mensch wie wir alle; sie ist eine Menschentochter und gehört zu uns als Schwester aller Menschen. Zweitens: Der Reichtum ihrer Gnade und Schönheit kommt allein von Gott. Gott selbst hat sie geehrt, weil sie die Mutter des Sohnes Gottes werden sollte. Ihre Gnade ist also gleichsam im Voraus die Gnade Christi, des Erlösers, den sie empfangen und gebären durfte. Wenn wir Maria loben und preisen, so preisen wir das Werk Gottes in ihr!

Bedenken wir aber jetzt in rechter Weise die Worte, welche der Engel zu Maria gesprochen hat und die uns im Evangelium dieses Hochfestes vorgelesen werden. Mit großer Ehrfurcht und Liebe grüßt der Engel diese Jungfrau. „Sei gegrüßt!“ Der Himmel verbeugt sich vor Maria, dem Menschenkind. Kein Wunder, dass sie hier erschrickt, denn das, was sie auszeichnet, ist tiefste Demut. Maria weiß, dass alles Gute nur von Gott kommt. Sie schreibt sich selber nichts zu. Und in diesem Sinn kann sie zuerst nicht anders, als in ihrem Herzen vor dem Inhalt dieses Grußes zurückzuschrecken: „Sei gegrüßt, Du Begnadete!“ – Maria ist begnadet, und zwar ganz und in jeder Hinsicht, also „voll der Gnade“, wie wir es in jedem „Ave Maria“ beten.

Voll der Gnade: was bedeutet dies für Maria? Was bedeutet dies für uns?

Schon im ersten Augenblick ihres Daseins, also bei ihrer eigenen Empfängnis im Schoß ihrer Mutter Anna, gilt für Maria: sie ist ein Gnadenkind. Gott bewahrt sie vor der Erbschuld. In ihr ist nichts, was Gott missfallen könnte. Schon am Anfang ihres Menschseins ist sie die von Gott ganz schön Gemachte (griechisch: kecharitomene). Der dreifaltige Gott hat in Maria bereits Wohnung genommen: er schmückt ihre Seele mit allen Gaben und Gnaden, die ihr zugedacht sind. Sie ist ein Kind der Freude für ihre Eltern Joachim und Anna, und bestimmt hat sich nach ihrer Geburt bald gezeigt, dass Gott Großes vorhat mir Maria.

„Voll der Gnade“: das gilt auch für das ganze irdische Leben Marias, und zwar im Sinne eines organischen Wachstums auch in dieser Gnadenfülle. So wie sich der natürliche Mensch entwickelt und entfaltet – und das war auch beim Kind Maria der Fall –, so soll auch die Verbundenheit mit Gott im Alltag immer tiefer werden. Maria hat tatsächlich alle Anregungen des Heiligen Geistes bereitwillig aufgenommen und ist mit ihrer ganzen Persönlichkeit darauf eingegangen: schon als Kind, dann als junge Frau und Erwachsene. Keine Gnade, die ihr Gott geschenkt hat, war umsonst. Alles fiel bei ihr auf fruchtbaren Boden; in diesem Sinn hat sie auf vollkommene Weise mitgewirkt mit Gottes Liebe. Denn Gnade bedeutet vor allem Liebe und huldvolle Zuneigung Gottes. Diese zeigt sich in allen Lebenssituationen. So hat Maria die Gnadenführung Gottes insbesondere dann erfahren, als sie mit jenem einzigartigen Mann verlobt wurde, der Josef hieß. Er kannte das Geheimnis Maria und respektierte es. Er wollte dabei mithelfen, dass in ihr die Fülle der Gnade leuchtend hervortrat. Josef war voll und ganz damit einverstanden, dass Maria in einzigartiger Weise Gott angehörte und daher Jungfrau war und bleiben wollte – auch in der Ehe, die sie mit Josef einging.

Und als dann Maria ihr Ja-Wort gab zur Botschaft des Engels, da empfing sie den Sohn Gottes, unseren Herrn Jesus Christus, und nahm ihn als Mutter an, um ganz für dieses Kind da zu sein, das dann nach neun Monaten geboren wurde im Stall zu Bethlehem. Jesus Christus ist der Mittler der Gnade, der Urquell aller Heiligkeit. So konnten Maria und Josef in der Gegenwart dieses Kindes im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe weiter reifen. Sie stellten dem Wirken Gottes kein Hindernis entgegen. Gerade auch in Leiden und Prüfungen bewährten sie sich und erneuerten immer wieder im Geist und im Herzen ihre Bereitschaft, den Willen Gottes anzunehmen und Gott in Liebe zu gehorchen.

Als dann der Sohn Gottes öffentlich auftrat und schließlich zum Tod am Kreuz verurteilt wurde, machte sich Maria in ihrem Herzen all das zu eigen, was Jesus widerfuhr. Sie hatte sich darüber gefreut, wenn Menschen ihrem Sohn zuhörten und an ihn glaubten; sie litt jetzt auch in ihrem Herzen all das mit, was Jesus an Leid und Zurückweisung erfahren musste. Sie vereinte sich ganz mit dem Opfer der Hingabe ihres Sohnes am Kreuz. Dann aber durfte Maria in auch teilhaben an der Freude der Auferstehung Christi von den Toten. Sie war gegenwärtig inmitten der Urkirche und betete mit den Jüngern; der Heilige Geist kam auch auf sie zu Pfingsten herab. Wie es uns der Glaube lehrt, wurde Maria dann am Ende ihres Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen. „Voll der Gnade“ bedeutet jetzt, dass sie im Himmel ganz verherrlicht ist bei ihrem Sohn Jesus Christus.

Wenn Maria aber gerade jetzt vom Himmel aus ihre mütterliche Sorge für alle Glaubenden in Liebe fortsetzen darf, so schöpft sie aus der „Fülle der Gnade“, die Gott in Christus für uns alle bereit hält. All das, was uns Gott an Gnade schenken will, geht sozusagen durch ihre Hände: Maria teilt aus, was Gott uns allen durch sie schenken will. Es ist Gottes Gnade; Christus ist der Erlöser; Maria aber darf diese Gnade weiterschenken und uns zuwenden.

Eben darum rufen wir ihre Fürbitte bei Gott an, dass wir durch ihre Gnadenvermittlung all das empfangen, was Gott uns persönlich schenken will. Er will uns ja seinen Sohn Jesus Christus schenken und in ihm die Fülle der Liebe und Gnade! Vertrauen wir uns also ganz Maria an; sie führt uns zu Jesus, ihrem Sohn. Bitten wir den heiligen Josef um seine Fürbitte. Er zeigt uns, wie wir dem Willen Gottes auch im Alltag treu sein können.

Auch unser Leben steht unter dem Vorzeichen der Gnade. Gott führe uns zur Teilhabe an der Seligkeit und Herrlichkeit des Himmels! Amen.

Videolink zur Homilie (YouTube)