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Die Bedeutung von Papst Paul VI. für die Kirche
4-teilige Sendereihe auf „Radio Maria Österreich“ in der Reihe „1x1 des Glaubens“ (gesendet am 4.10., 11.10., 18.10., 25.10.2014)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Die Audiodateien sind direkt über “Radio Maria Österreich“ aufrufbar: Eine gedruckte Fassung liegt ebenfalls vor: Die Bedeutung von Papst Paul VI. für die Kirche, in: St. Kassian Kalender 2016, 305. Jahrgang, Brixen 2015, 202–210

Unser gegenwärtiger Heiliger Vater Papst Franziskus hat im Zusammenhang mit der vom 5.-19. Oktober 2014 im Vatikan stattfindenden Sondersynode über „die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“ den Hirten und Gläubigen der Kirche zwei Patrone und Fürsprecher bei Gott besonders ans Herz gelegt:

Zum einen ist dies der heilige Papst Johannes Paul II., welcher am 1. Mai 2011 von Papst Benedikt XVI. selig- und am 27. April 2014 von Papst Franziskus heiliggesprochen worden ist. Johannes Paul II. kann in vielfacher Hinsicht als „Papst der Familie“ gelten; schon als Priester und Bischof waren Karol Józef Wojtyła die Ehepaare und Familien ein Herzensanliegen, was er durch deren freundschaftliche und geistliche Begleitung, aber auch durch sein wegweisendes Buch „Liebe und Verantwortung“ zum Ausdruck gebracht hat. Als Papst fasste er die Ergebnisse der 1980 stattgefundenen VI. Bischofssynode zum Thema von Ehe und Familie im Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute vom 22. November 1981 zusammen, das heute noch als grundlegendes und wegweisendes Dokument für die Pastoral der Kirche im Bereich von Ehe und Familie gilt. Außerdem hat er in den Jahren 1979–1984 eine Reihe von Katechesen zur „Theologie des Leibes“ gehalten und so ein tieferes Verständnis der Ehe als Sakrament in der Ordnung der Schöpfung und der Erlösung ermöglicht.

Dem zweiten Patron gilt diese 4-teilige Sendereihe auf „Radio Maria Österreich“, jeweils an den Samstagen des Monats Oktober. Es ist Papst Paul VI., der von Papst Franziskus am 19. Oktober 2014 zum Abschluss der Bischofssynode selig gesprochen wird. Auch Paul VI. ist als Papst der Familie anzusehen, nicht zuletzt wegen seiner prophetischen Enzyklika „Humanae vitae“, mit welcher er – nach den Worten von Papst Franziskus – den Mut zeigte, „sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen, eine kulturelle Bremse zu ziehen …“ Nicht eine Änderung der Lehre stehe an, sondern die Hirten und Gläubigen der Kirche müssten in die Tiefe gehen und sich diese Lehre immer mehr aneignen, um so den Menschen in ihren konkreten Lebenslagen Hilfe und Unterstützung aus dem Glauben anbieten zu können.

Paul VI. hieß mit bürgerlichem Namen Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini. Er wurde am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia geboren. Als Papst wirkte er vom 21. Juni 1963 bis zu seinem Todestag, dem 6. August 1978. Sein Wirken ist vor allem mit der Fortsetzung und dem Abschluss des vom heiligen Papst Johannes XXIII. einberufenen 2. Vatikanischen Konzils verbunden. Paul VI. hat der Kirche auch sieben Enzykliken, also gesamtkirchliche Lehrschreiben zu wichtigen Themen der Glaubens- und Sittenlehre geschenkt:

Wir wollen uns sein Leben näher ansehen. Als Grundlage dafür dient unter anderem das im Jahre 1989 in Styria-Verlag erschienene Buch von Luitpold A. Dorn mit dem Titel „Paul VI. Der einsame Reformer“. Ich kann auch das neue Buch von Leonardo Sapienza mit dem Titel „Papst Paul VI. und der Glaube“ (mit einem Vorwort von Ulrich Nersinger), erschienen im „Media Maria Verlag“ 2014, empfehlen. Das Leben und Wirken von Papst Paul VI. wird vom Istituto Paolo VI in Brescia wissenschaftlich erforscht und dokumentiert.

 

Kindheit und Jugend

Giovanni Battista Montini wurde am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia als zweiter von drei Söhnen des Giorgio und der Giuditta Montini geboren und am 30. September getauft. Sein Vater war zuerst Advokat, dann Direktor der katholischen Tageszeitung „Il Cittadino di Brescia“ und nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Mussolini-Diktatur Parlamentsabgeordneter. Die Eltern waren relativ wohlhabend und schenkten ihren Kindern Liebe und Geborgenheit. Der kleine Säugling Giovanni wurde über ein Jahr lang von einer Amme betreut. Das Kind wurde als schwächlich eingeschätzt, doch erwies sich Giovanni durchaus als zäh und widerstandsfähig. Giovanni besuchte die Elementarschule in Brescia und anschließend als Externer das von Jesuiten geleitete Kolleg „Cesare Arici“, also ein Gymnasium. Die Erstkommunion und Firmung empfing er mit 10 Jahren.

Mit seiner Familie blieb Giovanni Battista zeit seines Lebens sehr verbunden und unterhielt besonders mit seinen Eltern, aber auch mit anderen Verwandten, solange ihm dies möglich, war eine umfangreiche Korrespondenz, in welcher er die Angehörigen teilnehmen ließ an seinem Leben und an der Beurteilung der Ereignisse der Zeit im Licht des Glaubens.

Giovanni war von der Familie her in gutem religiösem Geist geprägt und erzogen worden; durch Exerzitien, an denen er als 16jähriger teilnahm, wurde er mit der Spiritualität des Oratoriums des heiligen Philipp Neri, das er in Brescia bereits kennen gelernt hatte, noch mehr vertraut. Pater Caresana, der Exerzitienleiter, wurde in der Folge zum geistlichen Begleiter Giovanni Battista Montinis. Ein anderer Oratorianer namens Giulio Bevilacqua wurde von Montini ebenfalls zeit seines Lebens sehr geschätzt und von ihm 1965 sogar zum Kardinal erhoben, mit dem Privileg, weiterhin Vorstadtpfarrer bei San Antonio in Brescia bleiben zu dürfen, wo er wenige Monate darauf 85jährig starb. Ein Apostolisches Schreiben, das Papst Paul VI. verfasste, handelt sogar ausdrücklich von der christlichen Freude („Gaudete in Domino“, 16. Mai 1975). Diese hatte den heiligen Philipp Neri, den Gründer des Oratoriums, besonders ausgezeichnet.

 

Priesterliches und bischöfliches Wirken im Dienste der Kirche

Giovanni Battista Montini hatte als junger Mann immer wieder gesundheitliche Probleme. Nachdem er das Gymnasium erfolgreich beendet hatte, studierte er als Externer Philosophie und Theologie im Priesterseminar von Brescia. Er wurde dann am 29. Mai 1920 entgegen dem Rat des Regens von seinem Bischof Giacinto Gaggia in der Kathedrale von Brescia zum Priester geweiht, und dies auch noch mit spezieller Dispens, da er das kanonische Mindestalter noch nicht erreicht hatte. Eigentlich wäre er jetzt gerne ein Kaplan auf dem Lande geworden, doch der Bischof entschied, auch mit Rücksicht auf seine Gesundheit, er solle nach Rom gehen und dort seine Studien fortsetzen. So wohnte er zuerst im Lombardischen Kolleg und studierte an der Päpstlichen Universität Gregoriana, außerdem an der staatlichen Universität und ab 1921 an der Päpstlichen Diplomatenakademie.

In dieser Zeit wurde er bereits in den diplomatischen Dienst eingeführt; so war er von Mai bis November 1923 als Attaché an der Apostolischen Nuntiatur in Warschau tätig. Neben seiner anschließend folgenden Tätigkeit als Mitarbeiter des Vatikanischen Staatssekretariats hatte er die Aufgabe eines geistlichen Assistenten des römischen Ortsverbands und bald auch (von 1925–1933) die des Assistenten des Nationalverbands der katholischen Studenten Italiens (FUCI) inne. In dieser politisch unruhigen Zeit des erstarkenden Faschismus trat er mutig für die Rechte der Kirche ein und förderte nach Kräften den Zusammenhalt der Studenten sowie ihre kulturelle und religiöse Bildung und Formung. Er gewann durch seine bescheidene und freundliche, tief im Glauben verwurzelte Art bald das Vertrauen der jungen Menschen. Viele Freundschaften Montinis stammten aus dieser Zeit.

Im Staatssekretariat stieg Giovanni Battista Montini vom Minutanten (1924) zum Substituten (1937) auf und hatte als solcher regelmäßig direkten Kontakt mit dem Papst, den er beriet und in wichtigen Angelegenheiten unterstützte. Papst Pius XI. (1922–1939) hieß mit bürgerlichem Namen Achille Ratti und war ein begeisterter Bergsteiger. Diesem Papst verdanken wir wichtige Enzykliken gegen den Kommunismus, den Faschismus und den Nationalsozialismus. Montini nutzte die Sommerferien für verschiedene Aktivitäten: So unternahm er jeweils mit Priesterfreunden ausgedehnte Städtereisen in Europa (auch nach Österreich) bzw. verbrachte längere Zeit bei seinen Verwandten. Mit klarem Blick analysierte er die Vorgänge in Politik und Kirche, wobei er stets und in erster Linie Seelsorger war, auch dort, wo andere nur einen kirchlichen Bürokraten vermuteten. Umfassende Bildung des Geistes und Herzens zeichnete Montini aus; insbesondere war er an Literatur und Kunst interessiert. Er besaß die Gabe, jedem Menschen mit Aufmerksamkeit und Interesse zuzuhören, sodass sich die Herzen ihm gegenüber wie von selber öffneten. Dabei machte er gegenüber den Menschen keinen Unterschied, wie auch immer ihr Rang und ihr Stand war.

Am 12. Jänner 1943 starb der Vater Giovanni Battistas, Giorgo Montini. Schon nach vier Monaten folge ihm die Mutter am 17. Mai 1943 in die Ewigkeit nach. Beide Eltern hatten das Beispiel eines hervorragenden christlichen Lebens gegeben, in Treue zu Gott und in gewissenhafter Erfüllung ihrer Aufgaben in Familie und Beruf.

Im Kriegsjahr 1944 übernahm Montini auf Weisung Papst Pius‘ XII. (1939–1958) die Gesamtleitung der Abteilung für die ordentlichen Angelegenheiten des Päpstlichen Staatssekretariats. Hier hatte er vor allem mit innerkirchlichen Fragen zu tun. Unter der Leitung Montinis wurde das Vatikanische Informationsbüro eingerichtet, das während und nach dem Krieg dem Informationsaustausch und der Kommunikation diente, sodass auf diese Weise das Schicksal vieler Vermisster und Gefangener ausgeforscht und die nötigen Kontakte hergestellt werden konnten.

Am 29. November 1952 wurde Giovanni Battista Montini von Papst Pius XII. zum Pro-Staatssekretär für die Ordentlichen Angelegenheiten der Kirche ernannt. Zwei Jahre darauf, am 1. November 1954, setzte ihn Pius XII. als Erzbischof von Mailand ein. Die Bischofsweihe durch Kardinaldekan Tisserant fand im Petersdom statt, und mit dem 6. Jänner 1955 trat Erzbischof Montini sein bischöfliches Hirtenamt in Mailand an. Achteinhalb Jahre wirkte er als Bischof in seelsorglicher Hingabe für das Wohl und Heil aller Menschen, besonders der Arbeiter. Er führte in Mailand eine große Volksmission durch und gründete Pastoralzentren. Der Dialog mit der Wissenschaft und der Kultur lag ihm sehr am Herzen; dieses Anliegen führte er auch als Papst fort. In gewisser Weise war Paul VI. der erste moderne Papst, da ihm der Dialog mit dem Denken des heutigen Menschen am Herzen lag. Ja, er selbst verstand sich als kritischer, aber doch aufgeschlossener Zeitgenosse des suchenden und fragenden Menschen der Gegenwart und wollte ihnen die wahre Antwort in Jesus Christus, dem Erlöser der Menschen, anbieten.

 

Papstwahl und Fortsetzung des 2. Vatikanischen Konzils

Nach dem Tod des heiligen Papstes Johannes XXIII. (1958–1963), der das 2. Vatikanische Konzil einberufen hatte, galt Giovanni Battista Montini in gewisser Weise als dessen logischer Nachfolger. Kardinal Montini wurde am 21. Juni 1963 nach fünf Wahlgängen zum Papst gewählt und nahm den Namen Paul VI. an. Der bisherige Erzbischof von Mailand, Kardinal Montini, dem jedes Karrierestreben fern lag, war in Verantwortung gegenüber Christus, dem Herrn der Kirche, bereit, dieses Amt auf sich zu nehmen. Wie der heilige Paulus, so wollte auch er ein Verkünder des Evangeliums für die ganze Welt sein. Die Kirche sollte fest im Glauben an Christus verankert sein und sich gerade so gegenüber den Nöten und Anliegen der Menschen offen zeigen.

Der neue Papst entschied, das unter seinem Vorgänger begonnene 2. Vatikanische Konzil jedenfalls fortzusetzen. Er gab dieser größten Kirchenversammlung der Neuzeit ein inhaltliches und organisatorisches Profil. So konnte dessen zweite Sitzungsperiode noch im Jahr der Papstwahl, vom 29. September bis zum 4. Dezember 1963, stattfinden. Im Jahr 1964 folgte die dritte Sitzungsperiode, vom 14. September bis 21. November. Die vierte Sitzungsperiode schließlich dauerte vom 14. September bis zum 8. Dezember 1965. Dieses Konzil verstand sich als ein pastorales, d.h. es hatte eine primär seelsorgliche Zielsetzung. Dennoch hat es auch wichtige Lehraussagen zur Kirche und zur Berufung der Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien vorgelegt. Es erfolgten Klärungen im Hinblick auf die Religionsfreiheit, die Ökumene und das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen.

Die Versammlung entfaltete eine Eigendynamik, sodass man in der Rückschau das tatsächliche Konzil, welches sein Erbe in wichtigen lehrmäßigen und pastoralen Dokumenten hinterlassen hat, von einem medial inszenierten konziliaren Ereignis unterscheiden muss. Die rechte Auslegung des 2. Vatikanischen Konzils kann nur gemäß einer Hermeneutik der Reform in Kontinuität erfolgen, also nicht so, als ob ein Bruch zur früheren Lehrtradition der Kirche stattgefunden habe, wie dies Traditionalisten und Progressive gleichermaßen – wenn auch von verschiedenen Standpunkten aus – voraussetzen und unterstellen. Gerade die jeweiligen Päpste, angefangen vom hl. Johannes XXIII. über den seligen Paul VI. bis hin zum heiligen Johannes Paul II. und auch zum gegenwärtigen Papst Franziskus haben stets die grundlegende Identität der Kirche und ihrer Lehre betont. Natürlich gibt es lehrmäßige Entwicklungen im Sinne der Vertiefung und besseren Anwendung, nicht jedoch im Sinne eines echten Bruches. Es existiert also, abgesehen vom Zeitindex, keine vor- oder nachkonziliare Kirche, sondern nur die eine Kirche Christi, in der neben vielen anderen wichtigen Konzilien auch das 2. Vatikanische Konzil stattgefunden hat. Dieses ist der Zählung nach das 21. Ökumenische Konzil.

In der Folge des 2. Vatikanischen Konzils wurde auch die Liturgiereform durchgeführt. Die neue Messordnung wurde am 28. April 1969 von Paul VI. promulgiert; gerade die liturgische Erneuerung führte dort, wo alles Bisherige rücksichtslos über Bord geworfen wurde, mitunter zu großen Spannungen. Es war dies auch einer der Hauptstreitpunkte mit der von Erzbischof Lefebvre angeführten Bewegung der Traditionalisten. Da sich der Erzbischof nicht unterordnen wollte, wurde er am 22. Juli 1976 suspendiert. Daran änderte auch die ihm von Paul VI. am 11. September 1976 gewährte Audienz nichts mehr.

 

Pastoralbesuche und damit verbundene Anliegen

Wie der Apostel Paulus zu seiner Zeit ausgedehnte Missionsreichen im damaligen Römischen Reich unternommen hat, so wollte Papst Paul VI. als Apostel Christi in die ganze Welt hinausgehen, um das Evangelium zu verkünden. Zu diesem Zweck unternahm er mehrere apostolische Reisen und begründete damit eine Tradition, welche von seinen Nachfolgern Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus fortgesetzt wurde und wird.

Bevor auf die Auslandsreisen Papst Pauls VI. eingegangen wird, soll auf die vielen Pastoralbesuche in den Römischen Pfarren sowie in Italien insgesamt hingewiesen werden. Der Papst ist ja zuerst der Bischof von Rom, und als solcher nahm Paul VI. sein Hirtenamt mit Eifer und Hingabe wahr. Erwähnung verdienen auch spezielle Begegnungen, so beispielsweise mit den Arbeitern der Straßenreinigung und des Mülldienstes von Rom am 15. Februar 1966, wobei er wertschätzend formulierte: „Eure Arbeit ist Goldes wert!“ Er suchte auch Gefangene auf und feierte mehrmals die Weihnachtsmesse in der Heiligen Nacht außerhalb Roms, so am 24. Dezember 1966 im flutgeschädigten Florenz. Von historischer Bedeutung war auch der Besuch in Monte Cassino am 24. Oktober 1964, wo er die durch die Bomben des 2. Weltkrieges zerstörte und mit Spendengeldern der früheren Kriegsgegner wieder aufgebaute Abtei und Kirche neu einweihte. Er wollte damit „dem Nachklang des Krieges symbolisch ein Ende setzen und den Frieden feiern.“ Zu diesem Anlass proklamierte er den heiligen Mönchsvater Benedikt von Nursia zum Patron Europas.

Wohin aber führten die Pilgerreisen des Papstes außerhalb Italiens?

Vom 4.-6. Jänner 1964 unternahm Paul VI. eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Bei dieser Reise zu den Ursprüngen des Christentums, in welcher Paul VI. eine vielbeachtete Ansprache über die Würde der menschlichen Arbeit im Heiligtum von Nazareth hielt, kam es zur Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras. Auf der Grundlage des neubegründeten Vertrauens und der wiederentdeckten Brüderlichkeit zwischen Ost- und Westkirche vertiefte sich in den folgenden Jahren das ökumenische Miteinander von katholischer und orthodoxer Kirche. Am 7. Dezember 1965 wurde der gegenseitige Kirchenbann von orthodoxer und römischer Kirche, der aus dem Jahr 1054 stammte, in Einvernehmen von Papst und Patriarch aufgehoben. So kam der Patriarch am 26. Oktober 1967 nach Rom, nachdem ihn Paul VI. schon am 25. Juli im Phanar in Istanbul besucht hatte. Paul VI. küsste dem Ökumenischen Patriarchen in Rom sogar die Füße zum Zeichen des brüderlichen Dienstes.

Überhaupt war für Papst Paul VI. der Dialog von herausragender Bedeutung: Gott selbst hat diesen Dialog der Liebe mit uns Menschen eröffnet, indem er in den Werken der Schöpfung, aber noch intensiver und direkter durch das Heilswerk, welches sich in der Geschichte vollzieht, zu uns spricht: Dies hat begonnen beim Volk des Alten Bundes und vollendet sich in Christus im auserwählten Volk des neuen Bundes, das alle Menschen aller Zeiten und Völker umfassen soll, die an Jesus Christus glauben und der Kirche durch die Taufe eingegliedert werden. Die erste Enzyklika des Papstes bezog sich genau darauf und trug den Titel „Ecclesiam suam“; sie wurde am 6. August 1964 veröffentlicht.

Eine weitere apostolische Reise des Papstes außerhalb Italiens führte ihn nach Bombay/Indien, wo er vom 2.-5. Dezember 1964 am 38. Eucharistischen Weltkongress teilnahm und die Lebensverhältnisse der Menschen in den Entwicklungsländern aus erster Hand kennen lernte. Diese Sensibilität für die Nöte und Probleme der Menschen inspirierte ihn auch zu seiner Sozialenzyklika „Populorum progressio“ vom 26. März 1967. Der wahre Fortschritt der Völker ist umfassend und kann ohne den lebendigen Bezug der Menschen auf das Heil in Christus nicht erfolgen. Der neue Name für Friede heißt Entwicklung.

Vom 3.-5. Oktober 1965 reiste Papst Paul VI. nach New York und sprach vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Mit den Worten „Nie wieder Krieg!“ setzte er sich unmissverständlich für den Frieden der Völker ein. Der Papst nahm auch bei vielen anderen Gelegenheiten seine Mission zur Förderung eines wahren und gerechten Friedens wahr, sei es durch diplomatische Kontakte zu den politisch Verantwortlichen in den verschiedenen Staaten und ihren politischen Systemen oder auch in programmatischen Ansprachen, wie in der Weihnachtsansprache vom 23. Dezember 1965, wo er angesichts des Vietnam-Kriegs alle Beteiligten zum Innehalten und Nachdenken aufrief. Denn die wahre Weisheit liege im Frieden, „und der wahre Friede … wird erreicht durch mutiges Überdenken der fehlerhaften Ideologien des Egoismus, des Kampfes und der Vorherrschaft.“ Am 30. Jänner 1967 kam es zu einer denkwürdigen Begegnung von Paul VI. mit dem sowjetischen Staatspräsidenten Nikolai Podgorny im Vatikan. Die internationalen Beziehungen sowie die Religionsfreiheit in der UdSSR waren wichtige Themen der Gespräche. Seit dem 1. Januar 1968 wird jährlich der Weltfriedenstag begangen; Paul VI. hat diese Tradition eingeführt, die nachfolgenden Päpste haben sie fortgesetzt und veröffentlichen jeweils eine Botschaft zur Reflexion über das Anliegen des Friedens. Im Pontifikat Pauls VI. gab es viele Begegnungen mit Repräsentanten des politischen und sozialen Lebens. Mit vielen Staaten wurden erstmals diplomatische Beziehungen geknüpft. Die so genannte vatikanische Ostpolitik musste sich unter den Bedingungen des Kalten Kriegs mit oft nur bescheidenen Erfolgen zufrieden geben, die den unter der Christenverfolgung des Kommunismus leidenden betroffenen Gläubigen nicht immer akzeptabel erschienen. Gerade Paul VI. litt hier unter dem Unvermögen, nicht noch mehr für die verfolgten Christen tun zu können.

Am 13. Mai 1967 unternahm Paul VI. eine Pilgerfahrt zum portugiesischen Wallfahrtsort Fatima. Vor 50 Jahren war dort den Hirtenkindern Jacinta, Franceso und Luzia die Gottesmutter Maria erschienen und hatte zum Rosenkranzgebet sowie zur Bekehrung der Menschen zu Gott aufgerufen; dann werde den Völkern eine Zeit des Friedens geschenkt werden. Zu diesem Anlass stellte der Papst sein Apostolisches Schreiben „Signum magnum“ über die „Notwendigkeit der Verehrung und Nachfolge Marias, der Mutter der Kirche und des Vorbilds aller Tugenden“, vor. Paul VI. erinnerte an die von Papst Pius XII. am 31. Oktober 1942 vollzogene Weihe der Kirche und der ganzen Menschheit an das Unbefleckte Herz Mariens; er selbst hatte diese Weihe am 21. November 1964 erneuert. Es gehe für jeden einzelnen Gläubigen nun darum, sich diese Weihe in der Einheit mit dem Papst, den Bischöfen und der ganzen Kirche persönlich zu Eigen zu machen und aus ihr zu leben. Der Aufruf der Gottesmutter Maria in Fatima zu Umkehr und Buße sei hochaktuell und entspreche voll und ganz dem Evangelium (vgl. Mk 1,15). Der Papst wies auch auf die freiwillige Bereitschaft zur Sühne für die eigenen Sünden und die der ganzen Welt hin, um in Vereinigung mit dem Sühneleiden Christi am Kreuz mitzuwirken an der Rettung der Menschen. Besonders wichtig ist die Bitte an die Gottesmutter Maria um das Geschenk des Friedens; im Gebet des Rosenkranzes kommt all dies zum Ausdruck.

Vom 22.-25. August 1968 nahm Paul VI. am 39. Eucharistischen Weltkongress in Bogotá (Kolumbien) teil sowie an der II. Generalkonferenz des lateinamerikanischen Episkopats. Am 10. Juni 1969 besuchte Papst Paul VI. das Internationale Arbeitsamt sowie den Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf (Schweiz). Vom 31. Juli bis zum 2. August 1969 führte ihn seine Reise nach Uganda. Vom 26. November bis 4. Dezember 1970 wurde die bisher längste Reise eines Papstes unternommen: Paul VI. besuchte Teheran (Iran), Dakka (Ost-Pakistan), Manila (Philippinen), Samoa, Sydney (Australien), Djakarta (Indonesien), Hongkong und Colombo (Ceylon). Seine Botschaft an das chinesische Volk brachte zum Ausdruck, dass die Kirche keine Konkurrenz für politische Machthaber und Systeme darstelle, da ihre Sendung eine geistliche ist und auf die Verkündigung des Evangeliums von der Liebe Gottes abzielt.

Da Giovanni Battista Montini lange Zeit im Staatssekretariat des Vatikans gearbeitet hatte und mit den Personen und Strukturen der römischen Kurie bestens vertraut war, wusste er deren Effizienz zu schätzen, war sich aber auch ihrer Mängel und gewisser Missstände bewusst. Es war ihm ein wichtiges Anliegen, dass die Mitarbeiter des Papstes in den kurialen Institutionen ihren Dienst nicht als Funktion der Bürokratie empfanden und sich gleichsam als Beamte des Vatikans sahen. Die pastorale Zielsetzung und die geistliche Ausrichtung auf Jesus Christus, das Haupt der Kirche, mussten gerade hier an erster Stelle stehen. Diesem Ziel diente die vom 2. Vatikanischen Konzil angeregte und von Paul VI. nach umfassender Beratung in die Wege geleitete Kurienreform. Er konnte sie schließlich, nach vielfachem Widerstand, verwirklichen, wenn auch mit manchen Kompromissen; insgesamt zeigte sich in den folgenden Jahren, dass die kurialen Institutionen in jenem Umfang, den ihnen das 2. Vatikanum und in der Folge die Reform Pauls VI. zugedacht hatten, den Vatikan finanziell überforderten. Als die Magna Charta der Reform der Kurie gilt die Apostolische Konstitution „Regimini Ecclesiae Universae“ vom 15. August 1967; die allgemeine Geschäftsordnung der Kurie wurde am 29. Februar 1968 publiziert.

 

Die Kontroverse um Humanae vitae

Infolge der 1951 gemachten Erfindung und der seit 1960 bestehenden US-Erstzulassung der „Antibabypille“, kurz auch „Pille“ genannt, als oral einzunehmendes Hormonpräparat mit der Wirkung der Verhütung einer Empfängnis bzw. in gewissen Fällen auch der Verhinderung der Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle, d.h. eines Embryos, in der Gebärmutter der Frau, wurden sowohl gesellschaftlich als auch kirchlich von manchen Personen große, ja euphorische Erwartungen geweckt. Es war nun – wie es schien – auf billige und ungefährliche Weise für jede Frau möglich geworden, die Auswirkungen eines sexuellen Aktes im Hinblick auf die Zeugung von Kindern zu unterbinden und auf diese Weise den sexuellen Akt vom Zeugungsakt zu entkoppeln. Infolge der Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit der Zeit und in Zusammenhang mit den Bewegungen der Emanzipation der Frau sowie der Absage an jede Form von Autorität, wie sie in der Studentenrevolution des Jahres 1968 zum Ausdruck kam, stand die Kirche scheinbar auf verlorenem Posten. Sollte sie wider Erwarten diese moderne Entwicklung bejahen, so kam sie nach Einschätzung mancher Beobachter immer noch zu spät. Der Kirche haftete das Image des Fortschrittsfeindlichen und Lebensverneinenden an; sie würde durch ihre willkürlichen Verbote den Menschen in der Suche nach Erfüllung – auch durch die nun mögliche völlig folgenlose Ekstase sexueller Lust – behindern und verdiene es nicht, weiter ernst genommen zu werden.

Das 2. Vatikanische Konzil ging auf diese Herausforderungen der Zeit ein. In der Frage der sog. Geburtenregelung, besser der „verantwortlichen Elternschaft“ beschränkte es sich aber auf eine erneute Vorlage der sittlichen Grundsätze. Das Lehramt der Kirche wollte eine umfassende Stellungnahme erst vorbereiten; Papst Paul VI. fiel diese undankbare und doch so notwendige Aufgabe zu. Er ließ sich ausreichend beraten, wobei sich zwei Richtungen herauskristallisierten. Eine Mehrheit dieser Berater in einer speziellen Kommission empfahl dem Papst die Freigabe der „Pille“ für katholische Christen unter gewissen Bedingungen; eine Minderheit sah eine solche Entscheidung als nicht mit dem natürlichen Sittengesetz vereinbar an und trat für die Weitergeltung des absoluten Verbotes der Empfängnisverhütung ein. Nicht aus Willkür oder Rechthaberei, sondern nach wohlerwogener Prüfung und im Bewusstsein der schmerzhaften Konsequenzen für ihn selber und viele andere Menschen, die er enttäuschen musste, legte Papst Paul VI. schließlich mit Datum vom 25. Juli 1968 die Enzyklika „Humanae vitae“ über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens vor.

Darin hielt er unter anderem fest, dass der Mensch die von Gott festgelegte „unlösbare Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung –, die beide dem ehelichen Akt innewohnen … nicht eigenmächtig auflösen“ dürfe (HV 12). Dies geschieht durch jede Form der künstlichen Verhütung. Daher erklärte Papst Paul VI. unmissverständlich: „Der direkte Abbruch einer begonnenen Zeugung, vor allem die direkte Abtreibung – auch wenn zu Heilzwecken vorgenommen –, sind kein rechtmäßiger Weg, die Zahl der Kinder zu beschränken, und daher absolut zu verwerfen. Gleicherweise muss, wie das kirchliche Lehramt des Öfteren dargetan hat, die direkte, dauernde oder zeitlich begrenzte Sterilisierung des Mannes oder der Frau verurteilt werden. Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“ (HV 14)

Erlaubt ist hingegen bei Vorliegen eines gerechten Grundes die Inanspruchnahme der unfruchtbaren Perioden des Zyklus der Frau, sodass aller Voraussicht nach keine Empfängnis zustande kommt: „Wenn also gerechte Gründe dafür sprechen, Abstände einzuhalten in der Reihenfolge der Geburten – Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben –, ist es nach kirchlicher Lehre den Gatten erlaubt, dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl so zu planen, dass die oben dargelegten sittlichen Grundsätze nicht verletzt werden.“ (HV 16)

So gesehen liegt also gemäß der Lehre der Kirche, wie sie in „Gaudium et spes“, der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute des 2. Vatikanischen Konzils, Nr. 50, sowie in „Humanae vitae“ formuliert wird, die Entscheidung über die Zahl der Kinder in der Verantwortung der Eltern, die sich im Hinhören auf Gott und aufeinander in ihrem Gewissen ein Urteil bilden müssen angesichts der materiellen, psychischen und physischen sowie auch sozialen und religiösen Faktoren, die hier in die Erwägung einzubeziehen sind. Im Hinblick auf die anzuwendende Methode der verantwortlichen Elternschaft dürfen die Gatten freilich nicht nach eigener Willkür vorgehen, „sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz; sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche, das dieses göttliche Gesetz im Licht des Evangeliums authentisch auslegt.“ (GS 50) Und das Konzil fährt fort: „Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“ (GS 51) Genau hier hat der selige Papst Paul VI. mit seiner Enzyklika „Humanae vitae“ die Lehrtradition der Kirche fortgesetzt und auf die Herausforderungen unserer Zeit angewandt; die nachfolgenden Päpste sind ihm in dieser lehramtlichen Klarheit gefolgt und haben die von ihm formulierte Lehre, welche auf das natürliche Sittengesetz und das Evangelium gründet, bestätigt und vertieft.

 

Erneuerung und Vertiefung des Glaubens

In allem war Papst Paul VI. ein Seelsorger, dem das Heil der Menschen am Herzen lag. Gemäß dem im 2. Vatikanischen Konzil vor allem in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ formulierten Selbstverständnis ist die Kirche wie eine Stadt auf dem Berg, die weithin leuchten soll, weil sie selber von Jesus Christus, dem wahren Licht, erleuchtet worden ist. Dieses Leuchten der Kirche wird zum Ausdruck gebracht durch die Heiligkeit ihrer Glieder, welche in der Taufe das göttliche Leben empfangen und untereinander zu Brüdern und Schwestern geworden sind. Die Kirche soll eine Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe sein. Den Glauben der Kirche gilt es freilich immer wieder im Herzen zu erneuern und nach außen hin zu bekennen. Diesem Ziel diente angesichts einer zunehmenden Infragestellung des Glaubens an Jesus Christus das von Paul VI. ausgerufene „Jahr des Glaubens“. Im Jahr 1967/1968 sollte damit an die 1900-Jahr-Feier des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus erinnert werden. Zum feierlichen Abschluss dieses Jahres legte Papst Paul VI. am 30. Juni 1968 mit seinem „Credo des Gottesvolkes“ eine für die heutige Zeit aktualisierte Kurzfassung des Glaubens der Kirche vor. Auf die Verkündigung des Evangeliums bezog sich das Apostolische Schreiben „Evangelii nuntiandi“ vom 18. Dezember 1975.

Bemerkenswert ist auch: Papst Paul VI. ernannte erstmals zwei Frauen zu Kirchenlehrerinnen: die heilige Teresa von Avila am 27. September 1969 und die heilige Katharina von Siena am 4. Oktober desselben Jahres.

Dem Ziel der Erneuerung im Glauben und im christlichen Leben sollte auch das von Paul VI. ausgerufene Heilige Jahr 1975 dienen. Es sollte nicht nur ein äußeres Ereignis sein, wenn viele Pilger und Touristen nach Rom und in die dortigen Kirchen kamen, sondern vor allem einen Aufbruch nach innen im Sinne der geistlichen Erneuerung der Herzen bewirken.

In der Zeit nach dem 2. Vatikanischen Konzil machte sich nach anfänglicher Euphorie bald Verunsicherung breit. Diese ergriff auch nicht wenige Priester und Ordensleute. Infolge dessen stiegen die Ordensaustritte und die Anträge der Priester auf Laisierung. Für Papst Paul VI. bedeutete all dies eine schwere Prüfung, die ihm näher ging als alles Übrige. In einer eigenen Enzyklika („Sacerdotalis coelibatus“ vom 24. Juni 1967) legte er – wiederum in der Linie des 2. Vatikanischen Konzils – den Wert und Sinngehalt eines authentisch gelebten priesterlichen Zölibats dar.

Sein Hauptbemühen als Papst war es, wie er selbst am 29. Juni 1978 anlässlich des 15. Jahrestags seiner Krönung zum Papst formulierte: „Unermüdlich den apostolischen Glauben bewahren und das menschliche Leben verteidigen!“

Ein besonderes Zeugnis seiner Menschlichkeit und Opferbereitschaft ist der persönliche Brief von Paul VI. an die Roten Brigaden vom 21. April 1978, welche den Politiker Aldo Moro gefangen hielten. Er wollte die Terroristen von dessen angekündigter Ermordung abhalten, was ihm leider nicht gelangt.

Die Gesundheit des Papstes erwies sich trotz seiner eher schwächlichen Konstitution fast bis zum Ende als zäh und stabil. Zwar musste er sich am 4. November 1967 einem chirurgischen Eingriff unterziehen, aber dies hatte kaum Auswirkungen auf die Aktivitäten der folgenden Jahre. Im März 1978 wurde er von einer dreiwöchigen Grippe an der Abhaltung von Audienzen und liturgischen Feiern gehindert. Am 5. August hieß es, die Arthrosebeschwerden des Papstes hätten zugenommen und er brauche etwas Ruhe. Nur einen Tag später, am 6. August 1978, um 21.40 Uhr, also am Fest der Verklärung Christi starb Papst Paul VI. in Castelgandolfo nach einem reichen, Gott geweihten Leben, in dem er seine Kräfte verzehrt hatte in der Hingabe an das Reich Gottes.

Im Geistlichen Testament hinterließ er die denkwürdigen Worte: „Im Angesicht des Todes, dieser totalen und endgültigen Loslösung vom irdischen Leben, empfinde ich es als meine Pflicht, das Geschenk, das Glück, die Schönheit und die Bestimmung dieser flüchtigen Existenz zu rühmen: Herr, ich danke dir, dass du mich ins Leben gerufen hast, mehr noch, dass du mich zum Christen gemacht, mich wiedergeboren und zu der Fülle des Lebens berufen hast.“

 

Seliger Papst Paul VI., bitte für uns!