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Versuchung

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1664-1669

I. Als Versuchung wird der Anreiz zur Sünde bezeichnet. Vom äußeren Anreiz, dem kein Mensch auf die Dauer entgehen kann (selbst Jesus wurde versucht: Mt 4,3–11; Mk 8,31–33; 14,32–42; Hebr 2,18; 4,15; 5,7–9), ist die innere Ansprechbarkeit zu unterscheiden (Jesus konnte auf die Versuchung nicht eingehen; Hebr 4,15; D 291 293 299 301 554; Maria wurde durch besondere Gnade von dieser Möglichkeit freigehalten, D 1573 2800 3908 3915).

Versuchungen sind nicht schon Sünden (D 1515 1950 f 1975). Die Anfälligkeit für sie kann allerdings Folge früherer Sünden sein (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.74 a.3). Gut bestandene Versuchungen aber stärken den Menschen in der Entschiedenheit für ein gottverbundenes Leben und sind so ein Grund zur Freude. „Heil dem Mann, der in der Anfechtung standhält, denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens empfangen, den der Herr denen verheißen hat, die ihn lieben“ (Jak 1,12 f; vgl. 1,2 f; Hebr 12,5–11; 1 Petr 1,6 f; 2 Petr 2,9; Offb 3,10; D 1515).

II. Als Versucher des Menschen können verschiedene Mächte auftreten.

1. Sicher kommt die Versuchung nicht von Gott. Ein Gott, der zu dem versucht, was ihm zuwider ist, wäre ein Widerspruch in sich. „Keiner sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht zum Bösen versucht werden; er versucht aber auch selbst niemanden“ (Jak 1,13; vgl. Sir 15,11–17). Augustinus nennt jene, die zur Entschuldigung ihrer Sünde Gott der Versuchung beschuldigen, erbärml. Wichte und Gotteslästerer (De cont. 14; PL 30,258).

Aussagen der Hl. Schrift, nach denen Gott anscheinend versucht („Führe uns nicht in Versuchung“, Mt 6,13; Gott versucht, Gen 22,1; Gott verhärtet die Herzen, Ex 4,21; 7,3; 10,1.20), dürfen daher nur im Sinn der Erprobung oder der Strafe verstanden werden (Ex 15,25; 16,4; Dtn 8,2; 13,4; Ri 2,22; 3,1.4; 1 Makk 2,52; Ijob 42,1–7; Weish 3,5; 11,9; Sir 2,1; 4,17; 33,1; 44,20; Hebr 11,17.36 f).

2. Die Hl. Schrift zeigt den Teufel als Versucher (vgl. D 800 1511 1521). Er versucht die Ureltern (Gen 3,1–6; Joh 8,44; 2 Kor 11,3), David (1 Chr 21,1), Ijob (Ijob 1,12), die Apostel (Lk 22,31), bes. Judas (Lk 22,3; Joh 13,2.27), Ananias und Saphira (Apg 5,3). Selbst an Jesus tritt er heran (Mt 4,3–11). Da er diese Tätigkeit fortsetzt (2 Kor 2,11; 1 Thess 3,5; 2 Thess 2,9; Offb 2,10; 12,9; 13,14; 19,20; 20,3.8.10; D 1694), mahnen die Apostel, vor dämonischen Versuchungen auf der Hut zu sein (1 Kor 7,5; 1 Petr 5,8 f).

Trotz des Ernstes dieser Warnungen darf man den Teufel nicht als ein allmächtiges böses Urprinzip ansehen, das ebenbürtig neben Gott stünde, sondern nur als geschöpfl. Macht, die vom guten Gott gut geschaffen, durch eigene Entscheidung böse geworden (vgl. Augustinus, De civon D. XI 17; De cont. 14; PL 41,331 f; 40,358; D 286 325 457 f 462 797 800), durch Christus aber gebrochen ist (Joh 12,31; Offb 12,9; 19,20; 20,2 f.10; D 291 1347 1349) und nur versuchen kann, soweit Gott es zuläßt. Der Mensch kann sich zu seinem Verderben durch eigene Entscheidung dem Teufel ausliefern (vgl. Augustinus, De cont. 14; PL 40,358; Thomas von A., S.Th. 1,2 q.80 a.3; D 1515 2192 2241–53 3233), kann diesem aber auch in der Kraft Gottes widerstehen und ihn überwinden (Eph 6,11–17; 1 Joh 2,14; 5,18).

3. Zur Sünde kann die Welt versuchen, von der die Apostel sagen, daß sie im Bösen liegt (1 Joh 5,19), daß das Verderben in ihr ist (2 Petr 1,4), daß aus ihr als der „gegenwärtigen verderbten Weltzeit“ uns Christus herausreißen will (Gal 1,4), daß sie Gott nicht kennt (Joh 1,10; 1 Joh 3,1), daß sie Jesus und seine Jünger haßt (Joh 3,20; 7,7; 15,18 f.24; 17,14; 1 Joh 3,13), daß sie gottwidrig ist (1 Kor 1,20 f; 2,6; 3,19; 5,10; 7,31.33 f), gottfeindl. „Fleisch“ (Röm 8,7 f; Joh 3,6; 6,63; 8,15), unten befindl. (Joh 8,23), zum Licht Gottes im Gegensatz stehende Finsternis (Joh 1,5.9–11; 3,19; 8,12; 1 Joh 2,8), durch die Finsternis blind geworden (Joh 9,39–41; 1 Joh 2,11), gegen die Wahrheit eingestellt (Joh 1,17; 8,32; 14,6; 1 Joh 2,21.27; 3,19), der Sünde verfallen (Joh 8,21.34; 9,41). Ihre Sündhaftigkeit zeigt sich bes. in ihrem Unglauben Jesus gegenüber (Joh 3,18 f; 15,22–24; 16,9). Desh. die Mahnung: „Paßt euch nicht dieser Weltzeit an, sondern gestaltet euch um durch die Erneuerung des Geistes“ (Röm 12,2; vgl. Jak 4,4; 1 Joh 2,15–17; 2. Vat. Konz., GS 37).

Gemeint ist nicht die Welt als Schöpfung des guten Gottes, sondern die Welt, in der gottwidrige Kräfte wirken (vgl. Mt 12,24–28; Mk 3,22–27; Röm 8,38 f; 1 Kor 2,6.8; 8,5; 15,24; Gal 4,3.8 f;), also Satan (vgl. Röm 16,20; 1 Kor 5,5; 7,5; 2 Kor 2,11; 11,14; 1 Thess 2,18) als „Fürst dieser Welt“ (Joh 12,31; vgl. 14,30; 16,11; Mt 4,8 f; Lk 4,6) und „Gott dieser Welt“ (2 Kor 4,4), und die gottfernen Menschen, die „Söhne dieser Welt“ (Lk 16,8), die „von dieser Welt“ (Joh 8,23; 15,19; 17,14.16; 1 Joh 4,5), „von der Erde“ (Joh 3,31), „von unten“ (Joh 8,23) sind. „Die Welt ist schlecht, sofern die Menschen schlecht sind, denen die Welt mehr gilt als Gott“ (Augustinus, Sermo 95,5; vgl. Serm. 12,5; In Ps 54 en; PL 38,58.101; 36,630).

Welt kann ferner die Gesamtheit der geschöpfl. Werte meinen, von denen sich der Mensch in einer Weise anziehen lassen kann, wie sie mit dem Anhängen an das ewige Gut unvereinbar ist. „Denn was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, aber sein Leben einzubüßen?“ (Mk 8,36; vgl. 1 Joh 2,17). Wenn der Mensch durch weltl. Sorgen, den Trug des Reichtums und die Begierden nach dem übrigen in sich das Wort Gottes ersticken läßt (Mk 4,19), wenn er aus Sucht nach Reichtum in vielerlei Unverständigkeit und schädl. Begierden gerät, die ihn in Verderben und Untergang stürzen (1 Tim 6,9), wenn er sich durch das Verlangen nach den Reichen der Welt und ihrer Macht dazu bringen läßt, dem Teufel in irgendeiner Form zu huldigen (Mt 7,4 f), der Begierde des Fleisches und der Augen und dem protzigen Großtun zu verfallen (1 Joh 2,16), sind daran nicht die Dinge schuld, sondern seine verkehrte Einstellung zu ihnen. „Nicht in den Dingen liegt das Böse, sondern in ihrem unrechten Gebrauch“ (Augustinus, De Gen. ad litt. I 3; vgl. XI 13; Serm. 21,3; PL 34,221.434; 38,144). Es gilt also, den Dingen ihren richtigen Wert zuzumessen: „Die sich der Welt bedienen“, sollen es so tun, „als nutzten sie sie nicht aus; denn die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31; vgl. GS 36 f).

Die Entscheidung zw. Gott und der Welt, zw. einer in Gott geborgenen und einer unter gottfeindl. Einfluß stehenden Welt hat Aussicht auf Erfolg, da Christus die (gottwidrige) Welt besiegt hat (Joh 16,33) und Gott größer ist als der Antichrist (1 Joh 4,4). Wer im Glauben das Heil Gottes in Christus annimmt, kann alle gottwidrigen Einflüsse der Welt überwinden (1 Joh 4,4; 5,4). „Wer aber ist der, der die Welt besiegt, wenn nicht der, der da glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1 Joh 5,5).

III. Die Möglichkeit der Versuchung können wir nicht einfach wegschaffen. Die Begierlichkeit bleibt und kann durch verschiedene Einflüsse geweckt werden. „Wir möchten wohl, daß keine Begierden wären; aber wir erreichen es nicht, ob wir wollen oder nicht, wir haben sie“ (Augustinus, Serm. 128/9,11; PL 38,718). Daß wir den Versuchungen nicht zustimmen dürfen, ist klar.

Im übrigen genügt ein rein passives Verhalten (weder zustimmen noch etwas dagegen tun) nicht, weil dabei die Gefahr besteht, daß man schließl. doch nachgibt.

Man muß vielmehr etwas gegen die Versuchung tun. „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet“ (Mk 14,38; vgl. Mt 6,13; Lk 21,36). Am meisten befriedigt es, wenn der Mensch, der in eine sittl. Krise gerät, sie direkt aufarbeiten, d.h. sich mit den Motiven auseinandersetzen und zu einer guten Entscheidung kommen kann; das Gebet hilft ihm, sich dem Willen Gottes anzupassen. Ein solches Aufarbeiten liegt aber häufig nicht oder noch nicht im Bereich seiner Möglichkeiten. Als Übergangslösung empfiehlt es sich, der Versuchung (durch Ablenkung) indirekt entgegenzuwirken. Dem ehrl. Bemühen, das seine Hoffnung auf Gott setzt, stellt Paulus den Erfolg in Aussicht: „Eine andere als eine menschl. Versuchung hat euch nicht erfaßt. Gott aber ist treund Er wird es nicht zulassen, daß ihr über eure Kräfte versucht werdet, sondern wird mit der Versuchung auch einen Ausgang schaffen, der euch das Ertragen ermöglicht“ (1 Kor 10,13; vgl. 2 Kor 13,5; Hebr 2,18; 2 Petr 2,9; Offb 3,10).


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