Predigt:
2. Sonntag der Osterzeit C (18.04.2004)
L1: Apg 5,12-16; L2: Offb 1,9-11a.12-13.17-19; Ev: Joh 20,19-31
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Viele klagen darüber, dass unsere Welt kalt und herzlos geworden ist. Was vielfach zählt, sind Macht und Ansehen, Geld, Reichtum und Genuss. Darüber bleibt dann die liebevolle und verständnisvolle Zuwendung zum Menschen auf der Strecke. Wir wissen insbesondere um die Auswirkungen von Gewalt und Terror auf der Welt; wir kennen die traurige Bilanz von Unfrieden und Auseinandersetzung, von Streit und Unverständnis auch in unserer persönlichen Umgebung. Was uns allen oft fehlt, das ist: „Barmherzigkeit“!
Am 2. Sonntag nach Ostern, dem „Weißen Sonntag“, feiert die Kirche zugleich den „Barmherzigkeitssonntag“. Dieser Schwerpunkt hat eine ganz offizielle Bedeutung dadurch erhalten, dass unser Papst Johannes Paul II. dessen Feier ausdrücklich verfügt hat. Der Papst hat ja am 30. April 2000 die polnische Schwester Maria Faustyna Kowalska heilig gesprochen. Gott hat Sr. Faustyna gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Menschen Vertrauen zu seiner Barmherzigkeit haben, weil gerade darin immer wieder die Chance eines neuen Anfangs liegt.
Wie waren doch gerade die Apostel auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen, da sie angesichts des Kreuzestodes des Herrn allesamt schwach im Glauben wurden und die Flucht ergriffen! Ganz besonders hatte Thomas diese verzeihende Liebe Gottes nötig, da er sogar nach der Auferstehung Jesu nicht bereit war zu glauben. Er wollte sehen und betasten und sich selber überzeugen, ob das alles so stimmen konnte, was ihm von den Frauen, den Aposteln und übrigen Jüngern berichtet worden war. Schließlich war er ja auch ein Apostel und hatte gleichsam ein „Recht“ darauf, den Auferstandenen zu sehen!
Zum Osterwunder gehörte es, dass unser Herr auch diesen Wunsch des Skeptikers und Zweiflers erfüllte. Jesus Christus erschien dem Thomas ganz persönlich, damit er sich selber gewiss sein konnte, dass der Herr lebt. Indem Thomas die Wundmale des Herrn betastete und die Hand in seine Seite legte, wurde ihm klar, dass er nicht bloß einen Menschen vor sich hatte, sondern seinen „Herrn und Gott“.
Ist es nicht so, liebe Brüder und Schwestern, dass gerade die Begegnungen des Auferstandenen mit den Aposteln immer wieder seine Geduld zeigen, seine Nachsicht mit denen, die sich schwer tun im Glauben und Leben, und sein Erbarmen? Das Erbarmen Gottes wird allen angeboten, die dafür offen sind. Es wird uns nicht nachgeworfen, denn das wäre Gottes unwürdig, der zugleich der ewig gerechte und heilige ist. Weil aber der Sohn Gottes für uns am Kreuz gestorben und auferstanden ist, gibt es der Gnade genug, ja im Übermaß, sodass ein jeder eingeladen ist, sich Gott wieder zuzuwenden und dieses Erbarmen an sich selbst zu erfahren. Was wäre wohl ein besserer Ausdruck dafür, als dass wir das Sakrament der Buße empfangen, sollten wir es nicht in dieser österlichen Zeit ohnehin schon getan haben!
Kehren wir nochmals zurück zu Sr. Faustyna Kowalska. Ihr offenbarte der Herr, dass er allein die Liebe und Barmherzigkeit sei. „Ich kann auch den größten Sünder nicht bestrafen, wenn er mein Mitleid anruft, sondern ich verzeihe ihm in unendlicher und unerforschlicher Barmherzigkeit.“ Niemand solle Angst haben, zu Gott zu kommen. Gerade in der Todesstunde sind wir alle ja auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Und dann sagt Jesus zu dieser Heiligen Sr. Faustyna: „Die Menschheit wird so lange keinen Frieden finden, bis sie sich voll Hoffnung an meine Barmherzigkeit wendet. Sage der leidenden Menschheit, sie soll sich an mein barmherziges Herz flüchten, und ich werde sie mit Frieden erfüllen.“
Ist das nicht die Antwort angesichts der Not und des Unfriedens der Menschheit? Sollte das nicht auch für uns eine Ermutigung sein im Leben, wo immer wir stehen? Es kann viel schief gehen im Leben. Es gibt viele Abwege und Irrwege. Doch immer wieder gibt es das Licht der Gnade, das uns den Weg zum Leben weist. Hören wir darauf und nehmen wir die Einladung Gottes an! Wir sollen an der Barmherzigkeit Gottes nie verzweifeln. Ja, wir wollen dem guten Gott vertrauen und unser Leben ganz auf ihn hin ausrichten. Gerade weil wir uns dem Auferstandenen mit ehrfürchtiger Liebe zuwenden, dürfen wir auch das unendliche Maß seiner Barmherzigkeit erfahren. Diese im Leben weiterzugeben an unsere Brüder und Schwestern sind wir alle aufgerufen! Amen