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Demut

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 190-193

1. Unter Demut (lat. humilitas) verstehen wir die Bereitschaft, sich selbst richtig einzuschätzen und gemäß einer richtigen Selbsteinschätzung sich zu verhalten; Erkennen und Wollen sind daran beteiligt. Die Selbsteinschätzung vollzieht sich auf dem Weg des Vergleichs gemäß Beziehungen, in denen der Mensch durch Natur und Gnade steht, näml. zu Gott und zum Mitmenschen. Erschwert wird sie durch die Irrtumsfähigkeit der gefallenen Natur, die sich in der Selbsteinschätzung und in der Beurteilung des Nächsten täuschen kann. Immerhin kann ein Irrender noch die Demutshaltung haben, der nicht die objektive Wahrheit, sondern die subjektive Überzeugung als Grundlage dient; das Wesen der Demut liegt ja in der Willenshaltung. Gefährlicher wird ihr daher die Willensneigung des gefallenen Menschen, sich selbst zu überschätzen und andere zu unterschätzen. In der Überwindung dieser Schwierigkeit liegt die eigentl. Leistung des Demütigen.

Sein Verhältnis zu Gott sieht der Demütige, wie es wirkl. ist: Alle natürl. und übernatürl. Vorzüge hat er von Gott empfangen. Der Wille anerkennt diesen Befund: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (1 Kor 15,10). Dabei braucht der Demütige durchaus nicht zu verkennen, daß er durch seinen eigenen Willen mit den Gaben Gottes mitwirken muß (D 1554 [814]). Auf diesen notwendigen Beitrag des Menschen macht uns die Hl. Schrift etwa im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14–30) aufmerksam, und unser Selbstbewußtsein redet dieselbe Sprache. So tut es der Demut keinen Eintrag, wenn der Mensch sein eigenes Mitwirken mit den Gaben Gottes innerlich feststellt und im Notfall auch ausspricht, wie Paulus tut: „Seine mir geschenkte Gnade ist nicht unwirksam geblieben, sondern ich habe mehr als sie alle geschafft, nicht ich jedoch, sondern die Gnade Gottes mit mir“ (1 Kor 15,10). „Ich habe dem guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“ (2 Tim 4,7). Anderseits verlangt die Demut auch, daß der Mensch sich, wenn es zutrifft, zu seinem eigenen Versagen gegenüber den Aufträgen bekennt, die in den Gaben Gottes angedeutet sind. Nur durch solche wirklichkeitsgetreue Haltung, durch solches Sichdemütigen unter Gott (vgl. Apg 20,19; Jak 4,10; 1 Petr 5,6) ist ein Fortschritt in der menschl. Selbstvervollkommnung aus der Kraft der Gnade möglich: „Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jak 4,6; vgl. Spr 3,34; 1 Petr 5,5; Mt 18,4; 23,12). „Wer aber sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“ (Mt 23,12). Diese Demut lebt uns Jesus vor, der von seinem Göttlichen sagen kann: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30), von seinem Menschlichen aber bekennt: „Der Vater ist größer als ich“ (Joh 14,28), und der uns aufruft: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“ (Mt 11,29). Diese Haltung bewundern wir an Maria, der Magd des Herrn (Lk 1,38), die sich ihrer Kleinheit vor Gott bewußt ist (Lk 1,48.52).

Vor größere Gefahren der Selbstüberhebung sieht sich der Mensch gestellt, wenn er sich mit dem Mitmenschen vergleicht. Wenn sich der Demütige jemandem gegenübersieht, der ihn an Werten überragt, anerkennt er dies, schätzt ihn höher ein als sich selbst und drückt diese Einschätzung bei passender Gelegenheit aus. Wenn er den anderen als ungefähr gleichwertig erkennt, gibt er auch das innerl. und äußerl. zu; daß er sich in diesem Fall geringer einschätzen müßte, ist sachl. nicht begründet. Wenn er den andern als tieferstehend erkennt, ergeht er sich nicht in Selbstgefälligkeit, sondern sieht in Gott den Urheber des eigenen Wertes. Auf die eigenen Vorzüge weist er nur dann hin, wenn es einen guten Sinn hat, etwa zur Vermehrung des Lobes Gottes („So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16) oder zur Sicherung des eigenen Bestehens und Wirkens (vgl. 2 Kor 11 12); im übrigen überläßt er das Urteil Gott („Wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest? Seinem eigenen Herrn steht oder fällt er“ – Röm 14,4). Am sichersten wird vor der Überheblichkeit bewahrt, wer im Geist christlicher Liebe seine Aufgabe im Dienst am Nächsten erblickt. Jesus verwirklicht diese demütige Liebe. „Er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an und wurde den Menschen gleich. In seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze“ (Phil 2,7 f; vgl. Apg 8,33; Hebr 2,7.9). Zu dieser demütigen Liebe fordert er die Seinen auf: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, müßt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,14 f).

2. Eine falsche Demut pflegt, wer die notwendige Sorge um die Ehre zum Nachteil des eigenen Berufs, der eigenen Familie, des eigenen Standes, der Mitmenschen vernachlässigt, z.B. unnötig die eigenen Fehler bloßlegt und sich damit würdelos wegwirft. Noch ärger ist der Fehltritt, wenn sich jemand auf Kosten der Wahrheit herabsetzt. Eine Demut, die durch Lüge erkauft wird, ruht auf schlechtem Fundament (Augustinus, Serm. 181,4/5; Gregor d. Gr., Moral. XXVI 5,5; PL 38,981; 76,351). Häufiger aber wird die Demut durch das Gegenteil, den Hochmut, verletzt.


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