Gemeinschaftsgottesdienst
Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 469-471
1. Der Mensch soll die Gottesverehrung, zu der er aufgerufen ist, in erster Linie im Innersten seines Herzens üben, soll sich dazu aber auch mit anderen zusammentun (D 3842 [-]). Er ist ja nach der Fügung des Schöpfers Gemeinschaftswesen und auch als solches von Gott abhängig und auf ihn hingeordnet; wie in seinen übrigen Betätigungen, kann er auch in der Gottesverehrung durch die Gemeinschaft gefördert und vervollkommnet werden (nur aus einer Verkennung der Menschennatur heraus kann man das Aufnehmen der Anregungen, die von relig. Festen und hl. Orten ausgehen, als verwerfl. ansehen; vgl. D 2233 [1253]). So steht es nicht rein im Belieben des Menschen, ob er Gott zusammen mit anderen verehren will oder nicht. Geschichte und Völkerkunde bezeugen uns die Übung gemeinsamer Gottesverehrung für die ganze Menschheit. In der Ordnung der atl. Offenbarung ist Träger des Gebetes vorwiegend das Volk Israel als Ganzes, dessen Gemeinschaftsgottesdienst durch genaue Vorschriften geregelt wird (Alttestamentliches Gesetz). Jesus anerkennt die Berechtigung dieses Gemeinschaftsgottesdienstes, da er selbst an ihm teilnimmt (Lk 2,41 f; Joh 5,1; 7,10; 10,22 f; 12,1.12–14; 13,1 f; Mt 26,17–30; 1 Kor 11,23). Ebenso tun die Apostel sogar noch nach der Himmelfahrt des Herrn (Apg 3,1). Für das NT hat Jesus die Gottesdienstgemeinschaft der Kirche begründet, die als sein mystischer Leib jene Verehrung, die er selbst im Erdenleben und in der Herrlichkeit dem Vater darbringt, pflegen (vgl. Eph 3,21) und die einzelnen Menschen in sie einbeziehen soll. Ihr hat er Grundformen des Gemeinschaftsgottesdienstes bestimmt (Lk 22,19; 1 Kor 11,24 f). Ja in ihrem Gottesdienst ist er selbst zugegen, nicht nur in den Sakramenten, bes. in der Eucharistie, sondern auch im Loben und Bitten der Kirche (vgl. D 3840 [2297 I]). „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). „Die Liturgie als Ganzes bildet desh. den öffentl. Kult, den unser Erlöser, das Haupt der Kirche, dem himmlischen Vater erweist, und den die Gemeinschaft der Christgläubigen ihrem Gründer und durch ihn dem ewigen Vater darbringt; um es zusammenfassend kurz auszudrücken: sie stellt den gesamten öffentlichen Kult des mystischen Leibes Christi dar, seines Hauptes näml. und seiner Glieder“ (D 3841 [2218 I]). Vom Anfang an zeigt sich die Kirche als Gottesdienstgemeinschaft (Gebets- und Eucharistiegemeinschaft: Apg 1,14; 2,42.46; 12,5.12; 20,7.11; 27,35; 1 Kor 10,16; 11,20.26.33). Paulus mahnt immer wieder zum gemeinsamen Gebet (Röm 15,6; Eph 5,19; Kol 3,16).
2. Aus den oben angeführten Gründen kann es schon als natürl. sittl. Forderung angesehen werden, daß die Menschen gemeinsam Gott verehren; tatsächl. finden wir, daß es überall in der Menschheit geschieht (vgl. Thomas von A., S.Th. 2,2 q.122 a.4 ad 1; Cat. Rom. III 4,6). Diese natürl. Forderung bestimmt aber noch nicht Ausmaß und Zeitpunkt, Ort und Art des Gemeinschaftsgottesdienstes. Die nähere Festlegung ist Aufgabe positiver Gesetze.
Im AT wurde jeder 7. Tag zum Tag des Herrn bestimmt („Gedenke des Sabbattags, daß du ihn heiligst“, Ex 20,8) und an ihm Arbeitsruhe geboten (Ex 20,9–11; vgl. Dtn 5,12–15; Ex 31,16; 35,2; Lev 23,3; Jer 17,22). Den Abstand von 7 Tagen, die Festlegung des hl. Tages auf den letzten Wochentag, die Forderung der Arbeitsruhe dürfen wir als positive Regelung des AT ansehen.
Die Kirche ist beim 7-Tage-Abstand geblieben, ging aber auf den ersten Wochentag, den Sonntag, über, fügte andere Feiertage hinzu, grenzte diese Tage genau ab und ordnete die Art ihrer Feier.