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Homosexualität, (B.)

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 820-824

1. Als hs. Betätigung (auch Sodomie nach Gen 19,5) wird die sexuelle Betätigung mit einer Person desselben Geschlechtes bezeichnet. Zu ihr kommt es bei Menschen, deren Geschlechtstrieb sich auf einen gleichgeschlechtl. (hs.) statt auf einen andersgeschlechtl. (heteroxexuellen) Partner richtet (konträre Geschlechtsempfindung).

Vielfach nennt man die hs. Triebrichtung (auch als Homotropie bezeichnet) Inversion und den mit ihr Behafteten invertiert, die hs. Triebbetätigung Perversion und den, der sich so betätigt, pervertiert.

2. Über den Ursprung der Homosexualität besteht keine restlose Klarheit. Sie erscheint als ein Stecken- oder Stehenbleiben des Menschen auf dem Weg der geschlechtl. Reifung von der Auto- über die Homo- zur Heteroerotik oder als ein Rückschritt auf diesem Weg. Nach den Merkmalen unterscheidet man zw. eigentl. und uneigentl. Homosexualität; körperl. Merkmale des anderen Geschlechtes (Intersexualität) sind für keine von beiden entscheidend.

a) Die uneigentl. Homosexualität ist durch erotisches Hingezogensein zum eigenen Geschlecht gekennzeichnet. Sie tritt in der Jugend oder in späteren Situationen, in denen die Gelegenheit zu heterosexuellem Verkehr fehlt (z.B. in Kasernen, auf Schiffen, in Gefängnissen), auf; es dürfte sich also um eine Entwicklungsschwierigkeit oder eine Mangelerscheinung handeln; in einem späteren Entwicklungsstadium oder bei Änderung der Situation wenden sich die Betreffenden dem anderen Geschlecht zu (fakultative oder gelegentl. Homosexualität). Ein Großteil der jugendl. männl. Prostituierten verhält sich je nach Gelegenheit hs. oder heterosexuell (bisexuell, ambivalent).

b) Für die eigentl. Homosexualität ist über das Hingezogensein zum eigenen Geschlecht hinaus die Abneigung (der Ekel) vor dem anderen kennzeichnend. Sie scheint in der psychophysischen Struktur des betreffenden Menschen so eingewurzelt („konstitutionell“) zu sein, daß sie ihm eine andere sexuelle Betätigung als die hs.e unmögl. macht (obligate Homosexualität). So erweckt sie den Eindruck des Angeborenseins. Vermutl. erklärt sie sich aber als ein Steckenbleiben in der geschlechtl. Reifung, die von der Ich-Einstellung (Autoerotik) zur Du-Beziehung (Heteroerotik) führen sollte; in der Zuwendung zum gleichgeschlechtl. Partner bleibt man dem eigenen Ich näher als in der Zuwendung zum andersgeschlechtl. (körperl.-hs. Betätigung als Ausdruck seelischer Homoerotik und auf sie fixierend).

Zum Steckenbleiben können körperl. und seelische Faktoren beitragen, unter letzteren verschiedene Einflüsse vielleicht schon in früher Kindheit: alles, was dazu verleitet, die Rolle einer Person des anderen Geschlechtes anzunehmen (unverständige Erziehung, zu starke Bindung an den andersgeschlechtl. Elternteil); alles, was dazu führt, sich von der eigenen Geschlechtlichkeit zu distanzieren (Abneigung gegen den gleichgeschlechtl. Elternteil, Gefühl der Unterlegenheit gegenüber älteren Geschwistern, Ekelerlebnisse im geschlechtl. Bereich); alles, was nur die Beziehung zu Personen des gleichen Geschlechtes als wünschenswert erscheinen läßt (etwa ausgesprochener Männerkult). Freil. führen dieselben Gegebenheiten, die bei den einen als Ursachen der Homosexualität gedeutet werden, bei anderen doch nicht zu ihr.

Ein Teil der Menschen mit hs. Neigung empfindet diese als lästig. Ein anderer Teil tut sich sogar etwas darauf zugute und will, daß die hs. Betätigung als natürl. Möglichkeit anerkannt werde. Begreiflicherweise geht von der zweiten Gruppe größere Gefahr der Verführung aus.

3. In sittl. Beurteilung erscheint hs. Betätigung als Ausdruck einer unausgereiften Sexualität und als Handlung, die geeignet ist, zur Fixierung der Unreife beizutragen oder auf sie zurückzuwerfen. Diese Fixierung steht der Ausreifung der Sexualität in der Gattenliebe und in deren Krönung durch das Kind im Weg. Hs. Betätigung ist daher als Fehlform sexuellen Verhaltens anzusehen.

Im AT erscheint sie als schwere Verfehlung nicht nur im Zusammenhang mit ungerechtem Zwang dazu wie in Sodom und Gomorra (Gen 18,20 f; 19; vgl. Ri 19,22–26) oder in Form von (heidnischer) Tempelprostitution (vgl. Dtn 23,18 f; 1 Kön 14,24; 15,12; 2 Kön 23,7), sondern auch ohne diese Besonderheiten (Lev 18,22; 20,13). Paulus zählt die Homosexualität zu den entehrenden Leidenschaften, denen die Menschen in sündhafter Verblendung verfielen (Röm 1,26), und nennt die Knabenschänder unter denen, die gegen die gesunde Lehre verstoßen (1 Tim 1,10) und das Reich Gottes nicht erben (1 Kor 6,9). Der Judasbrief verweist auf Sodom und Gomorra als abschreckendes Beispiel (Jud 7). Die christl. Tradition nimmt seit den ältesten Zeiten gegen hs. Tun Stellung (Barn. 10,6 f.8; 19,4; Didache 2,2). Die Kirche sieht dafür Strafen vor (Synode von Elvira c.71; CICcc. 2357–59).

Sehr schwierig kann es freil. sein, zu einem ausgewogenen Urteil über die Verantwortlichkeit des einzelnen Homosexuellen zu kommen. Voll verantwortl. mag der Bisexuelle sein, wenn er aus raffinierter Genußsucht zur hs. Betätigung kommt, und wenigstens so weit wie für heterosexuellen Verkehr, wenn er bei dessen Mangel zur hs. Betätigung seine Zuflucht nimmt. Prostituierte, die sich aus Gewinnsucht zu hs. Betätigung hergeben, verraten eine unrichtige Werteinstellung im gesamten; die Schuldfrage verschiebt sich auf diese Einstellung hin, aus der sie schwer herauszubringen sind. Bei einem eigentl. Homosexuellen ist zu fragen, wie er zu seiner Verfassung gekommen ist und wie weit er die Möglichkeit hat, von ihr loszukommen. Verharmlosung oder gar Gutheißung hs. Tuns ist nicht am Platz (vgl. Hl. Offizium 15.7.1961; Kongr. f. d. Glaubenslehre, 29.12.1975, 8), weil man dem Homosexuellen selbst damit für die Zukunft keinen guten Dienst erwiese; möglicherweise würde man damit zur Verfestigung seiner Homoerotik beitragen, die eine weitere Reifung fast unmögl. machte. Die Grundregel muß heißen, ihn zur Beherrschung seiner Neigung und zum Streben nach Besserem (Ausreifung des in ihm vorhandenen heterosexuellen Ansatzes; echte Sublimierung) anzuregen und zu ermutigen. Das besonnene Bemühen hat zumindest für manche Menschen mit hs. Neigung begründete Aussicht auf Erfolg und kann sie zu wertvollen Gliedern der menschl. Gesellschaft werden lassen. Von der Ehe ist ihnen abzuraten, solange sie für das andere Geschlecht unempfängl. sind; aus einer solchen Ehe kann nichts Gutes werden.

4. Hs. Betätigung wurde und wird von Staaten in verschiedenem Ausmaß mit Strafe bedroht. Für den Staat stellt sich die Frage, ob die Bestrafung der hs. Betätigung kriminalpolititsch geboten ist. In diesem Zusammenhang zitiert man häufig zwei Kommissionsberichte, die in England veröffentlicht wurden, als dort ein neues Strafgesetz in dieser Sache vorbereitet wurde, näml. den Wolfenden Report (eines Ausschusses des Home Office, 1957) und den Griffin Report (eines kath. Beratungsausschusses, 1956). Der zweite verweist darauf, daß sich der Staat gemäß seiner Aufgabe darauf beschränken muß, als Verteidiger der öffentl. Ordnung aufzutreten. Er habe wohl das Recht und die Pflicht, die menschl. Gesellschaft vor sittenzerstörenden Kräften zu schützen (etwa vorzeitige sexuelle Erlebnisse von geschlechtl. Unreifen abzuwehren). Mit dem (wenn auch wohlgemeinten) Versuch, Sünden zu bestrafen, die die öffentl. Ordnung nicht schädigen, überschreite er aber die Grenzen seiner Zuständigkeit. Der Bericht tritt für die Abschaffung von Strafbestimmungen gegen Sexualsünden, die von Erwachsenen untereinander außerh. der Öffentlichkeit begangen werden, mit folgenden Gründen ein: a) Derartige Strafen sind wirkungslos, b) sie werden der Häufigkeit solcher Sünden nicht gerecht, c) sie bringen unbillige Härten mit sich, d) sie geben Anlaß zu Erpressungen und ähnl. üblen Machenschaften. Aufrecht zu erhalten seien Strafbestimmungen gegen a) hs. Handlungen Erwachsener mit Minderjährigen (vor vollendetem 21. Lebensfahr), b) hs. Handlungen gegen die öffentl. Sittlichkeit, c) gewinnsüchtige Ausbeutung des Lasters. – Es gibt auch Gutachter, die der Meinung sind, daß das Interesse der Öffentlichkeit an der Einhaltung der sittl. Ordnung im Bereich der Sexualität weitergehende Schutzmaßnahmen erfordert. Sie können auf charakteristische Fälle hinweisen, in denen mit der hs. Beziehung das Verbrechen verbunden ist.

Wenn der Gesetzgeber meint, auf Strafbestimmungen gegen hs. Betätigung weitgehend verzichten zu können (auch aus der Erwägung, daß Entstehung und Schuld zu einem Großteil ungeklärt bleiben), darf dieser Verzicht nicht als sittl. Gutheißung gedeutet werden.


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