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Beruf

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 97-103

a) Mit Recht kann man von einer allg. gültigen christlichen Berufung sprechen: Gott ruft in Jesus Christus alle Menschen zum Glauben und zur Liebe und damit zum Heil. „Denn die er vorhererkannte, hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden, damit er der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die er aber vorherbestimmt hat, hat er auch berufen“ (Röm 8,29 f). Gott, „der uns errettet und in heiliger Berufung aufgerufen hat“ (2 Tim 1,9), „hat uns in Liebe durch Jesus Christus dazu vorausbestimmt, zur Sohnschaft hin zu ihm nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (Eph 1,4 f).

Das 2. Vat. Konz. spricht von der hohen Berufung des Menschen (GS 3) zur eigentl. Gemeinschaft mit Gott (GS 19 21) und zur Teilnahme an dessen eigener Seligkeit (GS 21) und betont, daß alle Menschen als von Christus Erlöste sich derselben göttl. Berufung und Bestimmung erfreuen (GS 29); es gebe nur eine einzige letzte Berufung des Menschen, die göttliche (GS 22). Jesus Christus habe die Liebe des Vaters und die hohe Berufung des Menschen geoffenbart (GS 32), und die Kirche vermittle dem Menschen die Wahrheit über seine volle Berufung (AG 8); das Konzil selbst wolle den Menschen helfen, ihre Berufung in jeder Hinsicht klarer zu erkennen (GS 91). Das menschl. Schaffen solle dem Menschen als Einzelwesen und als Glied der Gesellschaft (Gemeinschaft) gestatten, seiner ganzen Berufung nachzukommen und sie zu erfüllen (GS 35). Auf die persönl. und die gesellschaftl. Berufung der gleichen Menschen sei der Dienst der politischen Gemeinschaft und der Kirche, wenn auch in verschiedener Begründung, ausgerichtet (GS 76).

b) Die gemeinsame christl. Berufung nimmt für verschiedene Menschen verschiedene konkrete Gestalt an. Eine beachtl. Rolle spielen dabei die Bedingungen, unter denen der Mensch lebt, und die Aufgaben, die sich ihm hier stellen; gewisse Dauerbedingungen werden als Lebensstand bezeichnet (so der Stand des Ledigen, des Verheirateten, des Ver witweten; des Laien, des Priesters; der Ordensstand; der Berufsstand). Paulus muntert zur Erfüllung der christl. Berufung im jeweiligen Lebensstand auf (1 Kor 7,17–24): „Nicht anders, als der Herr es ihm zugeteilt, und so, wie Gott ihn berufen hat, soll jeder wandeln“ (1 Kor 7,17). lm besonderen hebt er die Verschiedenheit der Dienste in der Kirche als dem Leib Christi hervor, wie auch im menschl. Leib „nicht alle Glieder den gleichen Dienst verrichten“ (Röm 12,4). Für sich selbst macht er die Berufung zum Apostelamt in Ausrichtung auf die Verkündigung unter den Heiden geltend („Paulus, Diener Christi Jesu, berufener Apostel“, Röm 1,1; vgl. 1 Kor 1,1; Gal 1,15 f).

Auch das 2. Vat. Konz. erklärt: „Verschieden sind die Gaben des Hl. Geistes: Die einen beruft er dazu, daß sie das Verlangen nach der Heimat bei Gott deutl. bezeugen und in der Menschheitsfamilie lebendig erhalten; andere beruft er, damit sie im irdischen Bereich den Menschen hingebungsvoll dienen und so durch ihren Beruf die Voraussetzungen für das Himmelreich schaffen“ (GS 38). Nach Auffassung des Konzils „sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt“ (LG 11). Innerhalb des neuen Gottesvolkes, der Kirche, unterscheidet das Konzil die Stände der Laien, die im besonderen dazu berufen seien, die zeitl. Dinge im Sinne Christi zu durchleuchten und zu ordnen (LG 31; vgl. 33 38; GS 38 43; AA 27), der Ordensleute, „die durch ihren Stand ein deutl. und hervorragendes Zeugnis dafür geben, daß die Welt nur durch den Geist der Seligpreisungen verklärt und Gott dargebracht werden kann“ (LG 31; vgl. GS 38), und der geweihten Hirten, deren Aufgabe es ist, das Volk Gottes heranzubilden und zu leiten (LG 18 24 28; CD 1; PO 2; vgl. Priestertum).

c) Eines der Elemente, die die Lebensform des Menschen weitgehend bestimmen, ist seine Beschäftigung, sein bürgerl. Beruf.

Man kann darin vorwiegend die Tätigkeit („Job“) erblicken, die den Erwerb des Unterhaltes ermöglicht und dazu notwendig ist. Unter diesem Gesichtspunkt käme es weniger darauf an, was einer tut, als darauf, daß er sein Einkommen sichert. Tatsächl. müssen viele Menschen froh sein, wenn sie irgendeine Möglichkeit des Broterwerbes finden.

Der Begriff Beruf deutet aber schon durch seine Wortherkunft an, daß es sich dabei um eine Lebensformung handelt, zu der der Mensch berufen sein soll und die ihm über den Unterhalt hinaus Lebenserfüllung bringen soll. Wenn man von Berufung spricht, taucht die Frage nach dem Berufenden auf. In rel.-sittl. Gesamtschau steht hinter allen menschl. Berufenden als Letztberufender Gott, der die Menschen zu verschiedenen Lebensformen führt und in ihnen zum Heil in Christus beruft. Das 2. Vat. Konz. deutet an, daß Gott die Menschen beruft, auch in ihren (irdischen) Berufen die Voraussetzungen für das Himmelreich zu schaffen (GS 38).

2. Wenn es so steht, kann der Mensch seine besondere Bestimmung, in der er sein wahres Selbst verwirklichen, der Gemeinschaft dienen und Gott verherrlichen soll, nur in seinem Stand und Beruf erreichen (vgl. Pius XII., UG 2641 4483). Es ist daher wichtig, daß er sich um die Erkenntnis seines Standes und seines Berufes bemüht und die entsprechenden Entscheidungen trifft und ausführt, notfalls auch in zähem Durchhalten (Tapferkeit).

a) Selten wird der Mensch zur Erkenntnis seines Standes und seines Berufes durch ein auffallendes äußeres oder inneres Erlebnis gebracht. Für gewöhnl. führt der Weg dazu mittelbar über die Eignung, die äußeren Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die Fügungen und Führungen des Lebens, den Rat wohlwollender Sachverständiger (vgl. Pius XII., UG 4483). Vollkommen feststeht, daß jemand nicht für einen Beruf bestimmt ist, zu dem er sich nicht eignet. Die tatsächl. Eignung weist aber meistens nicht nur in eine Richtung; ebenso sind die äußeren Umstände selten restlos eindeutig.

b) Die Entscheidung muß schließl. der Wille des Menschen selbst treffen. Gott achtet die Freiheit des Menschen auch in dem Sinn, daß er ihm in seiner Standes- oder Berufswahl für gewöhnl. mehrere Möglichkeiten läßt. lm Fall einer unmittelbaren Berufung durch Gott wäre natürl. vollkommene Sicherheit über den zu gehenden Weg gegeben. Ferner können sich die Anzeichen für einen Menschen derart verdichten, daß ihm die Pflicht einer bestimmten Wahl zur Gewißheit wird. Meistens weisen jedoch die Kennzeichen in nicht nur eine Richtung; der Mensch hat daher das Recht der Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Selbst ein begründeter Berufswechsel darf ihm nicht verwehrt werden, wenn er nur für den gewählten Stand und Beruf geeignet ist. Wenn Paulus fordert: „Jeder bleibe vor Gott in dem Stande, in dem er berufen wurde“ (1 Kor 7,24), geht es ihm darum, daß jeder in seinen Lebensumständen die möglicherweise nur kurze Frist zur Verwirklichung der christl. Berufung nützen solle, und nicht um ein Verbot der Änderung des Lebensstandes, was sich auch daraus ergibt, daß der Apostel zwar das Bleiben im Stand der Jungfrauen (1 Kor 7,26 f), der Verheirateten (1 Kor 7,27) oder der Verwitweten (1 Kor 7,40) empfiehlt, aber die Heirat der Jungfrauen oder der Witwen (1 Kor 7,28.39) und die Trennung des getauften vom ungetauften Gatten, der die Ehegemeinschaft nicht mehr fortsetzen will (1 Kor 7,15) als zulässig bezeichnet.

Das von Gott gewährte Recht der freien Wahl des Standes und des Berufes ist (im besonderen von Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten und von staatl. Behörden) als Menschenrecht zu achten. Das 2. Vat. Konz. nennt unter den Menschenrechten das Recht der freien Standeswahl (GS 26 29; vgl. Pius XII., UG 252; Johannes XXIII., PT 15) und wünscht eine solche Erziehung der Kinder, „daß sie erwachsen in vollem Verständnis für ihre Verantwortung ihrer Berufung, auch einer geistlichen, folgen und einen Lebensstand wählen können, in dem sie, wenn sie heiraten, eine eigene Familie gründen können, und dies unter günstigen sittl., gesellschaftl. und wirtschaftl. Voraussetzungen“ (GS 52). Niemand darf dem entscheidungsfähigen Menschen die Wahl abnehmen, von der die Erfüllung seiner sittl. Aufgabe schlechthin, näml. der verantwortl. Selbstgestaltung seines Lebens, wesentl. abhängt (vgl. Pius XII., UG 252 515). Zur Würde und Bürde des Menschen gehört es, selbst hinsichtl. des Standes und des Berufes endgültig zu entscheiden und für die notwendige Aus- und Fortbildung zu sorgen. Zulässig und wünschenswert ist nur eine kluge Hilfe zur Wahl von Stand und Beruf (AA 11).

3. Die allen Christen gemeinsame Berufung ist von jedem einzelnen in Stand und Beruf durchzuformen. Schon die Apostel geben für ihre Zeit dazu Anweisungen (vgl. etwa die Haustafeln Eph 5,22–6,9; Kol 3,18–4,1; 1 Tim 2,8–15; 5,3–8; 6,1 f; Tit 2,2–10; 1 Petr 2,18–3,7).

a) Als Pflicht des Menschen muß es daher angesehen werden, die Wahl von Stand und Beruf ernstzunehmen und mit der Berufsvorbereitung und -erfüllung ernstzumachen.

b) In der Erfüllung seiner Berufung in Stand und Beruf versagt, wer sich um die Erkenntnis seines Standes oder Berufes nicht gewissenhaft bemüht und seine Entscheidung ohne solche Erkenntnis oder ihr entgegen trifft (etwa nur unter dem Gesichtspunkt der Bequemlichkeit oder des hohen Einkommens oder mit Wissen um die eigene Unfähigkeit); wer in der Verfolgung des Berufsweges säumt und in der Berufsvorbereitung nachlässig ist; wer die Pflichten des erwählten Berufes schlecht erfüllt (vgl. 2 Thess 3,6–15; Pius XII., UG 4485).


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