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Lohn

Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 772-782

I. Lohn ist das Entgelt, das der unselbständige Arbeiter für seinen Beitrag zum Zustandekommen des Wirtschaftsertrages erhält (vgl. Pius XII., UG 3391 [DRM XIV 548]). Für seine richtige Bemessung müssen die Leistung und der Bedarf des Arbeiters berücksichtigt werden.

1. Der Lohn muß sich nach dem Wert der Arbeitsleistung richten (vgl. Pius XII., UG 1323 1355 3136 [DRM IX 231, VII 232.135 f]; Johannes XXIII., MM 70–81, AAS 1961,419–421). Für das Zustandekommen eines Wirtschaftsertrages sind die verschiedenen Arbeitsleistungen von verschiedener Wichtigkeit. Gerechterweise muß es daher auch verschiedene Lohnstufen geben. Wer mehr zum Zustandekommen des Ertrages leistet, hat Anspruch auf einen größeren Anteil am Ertrag.

Man kann fragen, ob sich der Wert der einzelnen Arbeitsleistung bestimmen läßt. Anhaltspunkte dafür bieten der Anteil im Preis der Ware, der nach Abzug der übrigen Kosten auf eine bestimmte Arbeitsart entfällt; Verantwortung, Anstrengung, Gefahr, Beschwerden, Unannehmlichkeiten, die mit einer Leistung verbunden sind; der Seltenheitswert von Arbeitsleistungen; die erhöhte Arbeitsproduktivität auf Grund langer Verbundenheit des Arbeiters mit dem Unternehmen. Mit Hilfe dieser Anhaltspunkte läßt sich der Lohn, der einer Arbeitsleistung entspricht, annähernd ermitteln.

Zu fordern ist, daß niemandem, der die Fähigkeit und die Möglichkeit dazu hat, der Übergang zu einer produktiveren Leistungsstufe und damit zu einem höheren Einkommen verwehrt werde. Dies wäre ebenso ungerecht, wie wenn man ihn am Erwerb von Eigentum überhaupt hindern wollte. Wenn Gewerkschaften die Leistung normieren und ein Darüberhinausgehen nicht gestatten wollen, verstoßen sie gegen dieses Recht des Arbeiters. Ebenso behindern Kartelle, die die Produktion der ihnen angeschlossenen Unternehmungen einschränken, unrechtmäßig die Aufstiegsmöglichkeiten der Arbeiter und die Verdienstmöglichkeiten des Kapitals.

2. Das Leistungsprinzip allein führt aber noch nicht auf jeden Fall zu einem befriedigenden Lohn Der Arbeiter, der mit seiner Leistung Güter hervorbringen hilft, tut dies in der Absicht, sich dadurch jenen Anteil an diesen Gütern zu sichern, der ihm zur Erhaltung und Entfaltung seines Lebens notwendig ist; und er hat ein Recht, von den Gütern der Erde zu leben. Dieses Recht wird nur dann geachtet, wenn er für seine Leistung einen Lohn erhält, der ihm eine menschenwürdige Lebensführung ermöglicht (vgl. Pius XII., UG 512 f 5921 [DRM III 114 f, XVI 233 f]; Johannes XXIII., MM 71, AAS 1961,419; PT 20, AAS 1963,262).

a) Unter der Voraussetzung einer entsprechenden Leistung gebührt dem Arbeiter der Individuallohn (vgl. Pius XI., D 3735 [2263]), d.h. mindestens so viel, wie zur Erhaltung seines Lebens und zur Deckung des Elementarbedarfs notwendig ist. Wer in einem entsprechenden Ausmaß an der Produktion mitwirkt, hat das Recht, aus ihr das Lebensnotwendige zu erhalten. „Der Arbeiter ist seiner Nahrung wert“ (Mt 10,10). Befriedigender aber ist ein Lohn, der eine vollere Lebensentfaltung und die Bildung bescheidenen Eigentums ermöglicht (vgl. Pius XI., D 3737 [2265]; Pius XII., UG 2430 3349 [DRM VIII 308, XI 63 f]).

b) Ferner hat der Arbeiter ein Recht, den Familien-Lohn zu erhalten, d.h. so viel, wie zur Bedarfsdeckung für eine Familie notwendig ist (vgl. Pius XI., D 3735 [2263]; Johannes XXIII., MM 71, AAS 1961,419). Jeder ist von Natur aus zur Gründung einer Familie berechtigt („Seid fruchtbar und mehret euch“, Gen 1,28; vgl. Johannes XXIII., PT 15, AAS 1963,261; Gaudium et spes 26 87). Daher muß der Lohn für seine Arbeit so bemessen werden, daß er eine Normalfamilie erhalten kann (vgl. Pius XII., UG 255 681 [DRM IV 341, V 84 f]), d.h. eine Familie mit jener durchschnittl. Kinderzahl, die zum Fortbestand eines Volkes und zur Erfüllung der sozialpädagogischen Aufgaben der Familie an den Kindern selbst notwendig ist (die Familie mit drei bis vier Kindern). Wenn der arbeitende Familienvater nicht so viel verdient, daß er eine Durchschnittsfamilie ernähren kann, wenn etwa die Unzulänglichkeit des väterl. Arbeitsverdienstes die Frau und Mutter zur außerhäusl. Arbeit nötigt, stimmt in der Sozial- und Wirtschaftsordnung etwas nicht (vgl. Pius XI., D 3735 [2263]).

II. Die Aufgabe, den Lohn nach der Leistung und dem Bedarf des Arbeiters zu bemessen, stellt sich im einzelnen Unternehmen.

1. Im Arbeitsvertrag ist der gerechte Lohn zu sichern.

a) Der Arbeitsvertrag soll zu solchen Bedingungen abgeschlossen werden, daß ein der Leistung und dem Bedarf des Arbeiters entsprechender Lohn festgesetzt wird. Dies ist Forderung der (Verkehrs-) Gerechtigkeit. Nicht jeder Lohn, der durch Vereinbarung zustandekam, ist damit auch schon gerecht; den Arbeiter können ja Not und Furcht zur Annahme eines ungerechten Vertrages gedrängt haben.

In überwiegender Mehrheit werden Arbeitsverträge in den westl. Demokratien heute auf Grund von Kollektivverträgen abgeschlossen. Die Gerechtigkeit fordert von den Verhandlungspartnern, daß sie zu einer lohnmäßigen Einschätzung der Arbeitsleistungen kommen wollen, die dem objektiven Tatbestand entspricht.

Gegen die Gerechtigkeit verstößt der Arbeitgeber, der im Arbeitsvertrag den Lohn unter die gerechte Höhe drückt. Auch eine geringere Leistungsfähigkeit des Unternehmens berechtigt nicht dazu, wenn sie aus schuldbarer Vernachlässigung und Rückständigkeit herrührt. Für eine geringere Bezahlung der Frauenarbeit besteht kein Rechtfertigungsgrund, wenn die Frauen dasselbe leisten wie die Männer (vgl. Pius XII., UG 1323 1355 3136 [DRM IX 231, VII 232.135 f]). Eine ungleiche Entlohnung würde auch für den Mann die Gefahr heraufbeschwören, durch die billiger bezahlte Frau vom Arbeitsplatz verdrängt zu werden. Ebenso handeln Arbeitnehmer ungerecht, wenn sie übermäßig hohe Lohnforderungen zum Nachteil des gerechten Einkommens des Unternehmers oder anderer Arbeitergruppen durchdrücken. Übrigens könnten übertriebene Lohnforderungen zum Zusammenbruch des Unternehmens führen und damit den Arbeiter selbst schädigen, wären also auch unklug (vgl. Pius XI., D 3736 [2264]; Pius XII., UG 4485 [DRM -]).

Wer behauptet, dem Arbeiter gebühre die Gesamtfrucht der sozialwirtschaftl. Zusammenarbeit, übersieht, daß diese Frucht nicht nur aus der Arbeit stammt, sondern auch aus der Unternehmerleistung (die auch in der sozialistischen Wirtschaft hochbezahlt werden muß) und aus der Kapitalausstattung, von deren Höhe die Produktivität wesentl. abhängt (weshalb auch in der sozialistischen Ordnung der Staat bedeutende Teile des Sozialprodukts zur Kapitalbildung zurückbehält).

b) Zur Einhaltung eines geschlossenen gerechten Vertrages sind die Partner aus Gerechtigkeit verpflichtet: Die vereinbarte Arbeit muß geleistet und für sie der veinbarte Lohn gezahlt werden. Der Arbeitgeber verstößt dagegen durch Nichtzahlung des festgelegten Lohnes (die Hl. Schrift nennt sie himmelschreiende Sünde), durch Forderung nicht vereinbarter Leistungen, durch gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen im Widerspruch zum Arbeitsrecht. Der Arbeitnehmer verfehlt sich gegen den Vertrag durch Nichteinhalten der Arbeitszeit, Mangel an Sorgfalt, stille Arbeitszurückhaltung, verlangsamtes Arbeitstempo, Arbeitsstreckung (vgl. Pius XII., UG 4485 6096 [DRM – -]).

2. Der Lohn ist gerecht, wenn er die Arbeit entsprechend ihrer Bedeutung für das Zustandekommen des Wirtschaftsertrages vergilt. Die kirchl. Lehre erklärt, daß der Arbeitsvertrag, der einen solchen Lohn festsetzt, sittl. einwandfrei ist und nicht der Ersetzung oder der Ergänzung durch einen Vertrag, der mehr gewährt, bedarf (vgl. Pius XI., D 3733 [2261]; Pius XII., UG 3348 [DRM XI 63]).

a) Damit ist die Auffassung abgelehnt, der Arbeiter habe auf jeden Fall einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung.

Unter Gewinn versteht man den Rest des wirtschaftl. Ertrages nach Abzug der Kosten, des Kapitalzinses, des Unternehmerlohnes (für Arbeit des Unternehmers im Betrieb), der Risikoprämie.

Ein Gewinn, der durch besondere Rührigkeit des Unternehmers erzielt wird, geht auf seine Arbeit zurück und gebührt ihm als Unternehmerlohn.

Wenn der Gewinn durch die Gunst der Verhältnisse zustandekommt, ist er wenigstens zum Teil der Risikoprämie zuzuweisen, aus der der Unternehmer unerwartete Fehlschläge wettmachen kann. Die Arbeiterschaft ist meistens nicht bereit, an den Erfolgsschwankungen teilzunehmen (d.h., nicht nur deren Vorteile zu genießen, sondern auch ihre Nachteile zu tragen), sondern zieht stabile Löhne und die damit verbundene Sicherung der Beschäftigung vor; auch der Sozialwirtschaft ist mit diesem Gleichmaß besser gedient. Wenn die Arbeiterschaft aber das Risiko ganz dem Kapital überlassen will, muß sie diesem auch den durch die Gunst der Verhältnisse erzielten Gewinn als Risikoprämie zugestehen. Die Zuwendung des Gewinns an den Unternehmer kann umso eher gerechtfertigt werden, je mehr dieser darin einen Auftrag sieht, ihn für zusätzl. Investitionen zu verwenden und so wieder für die Arbeiterschaft und die Volkswirtschaft nutzbringend zu machen.

Einen eigentlichen Anspruch hat die Arbeiterschaft nur auf den Gewinn, der dadurch zustandekommt, daß ihre Arbeitsleistung nur ungefähr entsprechend abgegolten wird, während ihr bei ganz genauer Rechnung ein etwas höherer Lohn gebühren würde. Die Gewinnverteilung wäre dann als Rückvergütung des infolge ungenauer Berechnung vorenthaltenen Lohnes zu verstehen.

Die Kapitalseite kann sich aber entschließen, aus freien Stücken den Arbeitern Anteil am Gewinn zu gewähren, den sie unter dem Titel Risikoprämie beanspruchen könnte. Sie fördert damit das Interesse der Arbeiter an ihrem Betrieb und die Arbeitsfreude und schafft ein besseres Klima, was sich für das Gedeihen des Betriebes selbst und für den Unternehmer vorteilhaft auswirkt. Am entsprechendsten wird auch die Gewinnbeteiligung nach den Leistungsstufen der Arbeiter gestuft. Verschiedene Systeme der Aufschlüsselung sind mögl. und wurden verwirklicht.

Abmachungen über Gewinnbeteiligung stellen einen Gesellschaftsvertrag dar, der dem Arbeitssvertrag hinzugefügt wird. Wegen der zu erwartenden guten Folgen empfehlen sich solche Regelungen, ohne daß ein Arbeitsvertrag, der keine Gewinnbeteiligung, wohl aber den gerechten Lohn vorsieht, als ungerecht bezeichnet werden dürfte (vgl. Pius XI., D 3733 [2261]; Pius XII., UG 736 6096 6192 [DRM VI 126, –, XVIII 554]; Johannes XXIII., MM 84, AAS 1961,422).

b) Weitere Möglichkeiten, die Lage der Arbeiterschaft und das Betriebsklima zu verbessern, stellen die Mitbestimmung (vgl. Pius XII., UG 6096 6193 [DRM –, XVIII 555]; Johannes XXIII., MM 91–96, AAS 1961,423–425), die Pflege der menschl. Beziehungen („Human relations“; vgl. Pius XII., UG 4669 6157–60 6161–66 6178 6193 [DRM –, XVII 409 f.509–511.488 f, XVIII 555]) und schließl. das Miteigentum (vgl. Pius XII., UG 6192 [DRM XVIII 554]) an den Produktionsmitteln dar. Die Mitbestimmung schränkt das Verfügungsrecht des Eigentümers, das Miteigentum sein Recht auf die Substanz ein. So empfehlenswert in vielen Fällen die Einführung des Mitbestimmungsrechtes oder des Miteigentumsrechtes sein mag, lassen sich diese Rechte doch nicht aus dem Arbeitsvertrag mit Notwendigkeit ableiten, wenn das Eigentumsrecht des Produktionsmitteleigentümers noch einen wirkl. Gehalt haben soll (vgl. Pius XII., UG 628 [DRM XIV 314]).

III. Der Arbeiter soll im Lohn die gerechte Würdigung seiner Arbeitsleistung und die Mittel zur Deckung seines Bedarfs finden. Innerhalb des Unternehmens sind der gerechten Lohngestaltung durch die Höhe des tatsächl. Ertrages Grenzen gezogen. Was das Unternehmen an Ertrag erzielt, soll gerecht verteilt werden; aber es kann nicht mehr verteilt werden als erzielt wird. Wenn damit der Bedarf des Arbeiters nicht gedeckt wird, ersteht der Gesellschaft eine Sorgepflicht. Aber auch abgesehen von solcher Not ist es der Gesellschaft nicht gleichgültig, welche Löhne in einem Unternehmen ausbezahlt werden (vgl. Johannes XXIII., MM 71, AAS 1961,419).

1. Die Lohnbemessung in einem Unternehmen geht die Gesamtwirtschaft eines Volkes, ja die ganze Weltwirtschaft an. Die ausgezahlten Löhne wirken sich ja in den Marktpreisen der erzeugten Waren aus, durch die sie hervorgebracht werden muß. Ferner treten die Arbeiter mit ihren erhaltenen Löhnen auf dem Markt als Käufer der Waren anderer Wirtschaftszweige auf. So spielt die Lohnbemessung eine bedeutende Rolle in der Verteilung des Sozialprodukts an die einzelnen Wirtschaftszweige und ihre Mitglieder. Auch in der Gesamtwirtschaft eines Volkes ist es Gerechtigkeitsforderung, daß die einzelnen Wirtschaftszweige jenen Anteil am Sozialprodukt erhalten, der ihrem Beitrag zu seinem Zustandekommen entspricht. Um diese Forderung zu erfüllen, muß man bei der Lohnbemessung über den Rahmen des einzelnen Unternehmens hinausblicken und auf das gesamte Wirtschaftsvolk Rücksicht nehmen. Die Notwendigkeit dieser Rücksicht geht auch aus der Tatsache hervor, daß der einzelne nicht für sich allein dasteht, sondern Glied der Gesellschaft ist und von ihr empfängt, ihr deshalb auch als Eigentumserwerbender zu dienen hat. Die Arbeit hat neben ihrem personalen oder individualen Charakter auch eine soziale Seite: Sie kann nur innerhalb eines Sozialorganismus, nur unter dem Schutz der gesellschaftl. Rechtsordnung, nur durch die gegenseitige Befruchtung und Ergänzung der verschiedenen Wirtschaftszweige, nur durch Zusammenwirken von Intelligenz, Kapital und Arbeit fruchtbar werden; bei der Festsetzung des gerechten Entgelts muß das alles berücksichtigt werden (Pius XI., D 3734 [2262]).

Innerhalb der Gesamtwirtschaft müssen daher folgende Rücksichten geübt werden:

a) Jeder Wirtschaftsgruppe soll das Einkommen zufließen, das ihrem Beitrag zum Zustandekommen des Sozialprodukts entspricht (vgl. Pius XII., UG 2430 3350 [DRM VIII 308, XI 64]). Überhöhte Löhne einer Gruppe können zu ungerecht niederen einer anderen führen. Eine Lohnerhöhung, die eine Preiserhöhung nach sich zieht, bedeutet eine Schmälerung des Realeinkommens anderer Gesellschaftsgruppen. Bei der Lohn- und Preisgestaltung müssen daher die verschiedenen Wirtschaftsgruppen aufeinander Rücksicht nehmen, damit jede Gruppe und jeder einzelne in ihr den gebührenden Anteil am Sozialprodukt erhalten kann.

b) Wenn einzelne Wirtschaftszweige die günstige Möglichkeit verbilligter Erzeugung haben, sollen sie dies nicht unter Beibehaltung derselben Preise nur ihren eigenen Unternehmern und Arbeitern in einem erhöhten Einkommen zugutekommen lassen, sondern durch Preissenkungen auch der Allgemeinheit daran Anteil geben (vgl. Pius XI., D 3737 [2265]; Johannes XXIII., MM 73–81, AAS 1961,419–421).

c) Die Löhne sollen so gehalten werden, daß der Gefahr einer Deflation (zu geringe Kaufkraft) mit ihren Schäden für die Gesamtwirtschaft und viele einzelne (Unverkäuflichkeit von Waren, Schließen von Betrieben, Arbeitslosigkeit) vorgebeugt wird. Zur Deflation kann es durch zu niedrige Löhne kommen, aber auch durch zu hohe, wenn diese die Unternehmer zu Sparmaßnahmen und Arbeiterentlassungen in größerem Umfang nötigen. Bei der Lohngestaltung muß das Bestreben mitwirken, möglichst vielen Arbeitsplätze zu bieten (vgl. Pius XI., D 3737 [3365]).

d) Anderseits ist bei der Lohngestaltung auf die Gefahr der Inflation, eines Überhanges der Geldmenge über die Warenmenge, zu achten. Inflation bringt erhöhte Nachfrage mit sich, die zum Steigen der Preise und dadurch zur Forderung höherer Löhne führt, höhere Löhne aber schaffen erhöhte Nachfrage, steigende Preise, steigende Löhne. Mit den steigende Preisen wird die Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland konkurrenzunfähig. Stillegung von Betrieben und Arbeitslosigkeit drohen. Lohnerhöhungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn mit ihnen die Erhöhung der Produktion einhergeht. Mit einem Nominaleinkommen, einer bloßen Summe von Geldeinheiten, ist niemandem gedient, wenn nicht auch Güter erzeugt werden, die man dafür kaufen kann. Von wirkl. Wert ist die Lohnsumme nur, wenn hinter ihr auch eine Gütersumme als Real-Lohn steht. Bei der Gestaltung der Löhne ist daher darauf zu achten, daß nicht zum Schaden der Volkswirtschaft und des einzelnen der Geldwert erschüttert wird.

2. Eine Sorgepflicht fällt der Gesellschaft im besonderen dann zu, wenn das Einzelunternehmen nicht imstande ist, dem Arbeiter einen Lohn entsprechend seinem Bedarf zu bezahlen, etwa in einem ertragsschwachen Wirtschaftszweig oder bei überdurchschnittl. Familiengröße oder im Fall unvermeidlicher äußerer Belastung (Krankheit). Letztere Kosten dem Unternehmer anlasten zu wollen, geht schon aus dem Grund nicht an, weil damit der betreffende Arbeiter in Gefahr käme, nicht leicht einen Arbeitsplatz zu finden. Und doch fordert das Gemeinwohlinteresse, daß auch für solche Belastungen gesorgt werde, damit nicht ganze Volksschichten unerträglicher Not ausgesetzt werden. Die kinderreiche Familie kann, zumindest in vielen Ländern, noch dazu auf das besondere Verdienst hinw eisen, das sie sich um die Zukunft des Volkes erwirbt (vgl. Pius XII., UG 2689 [DRM XI 214]). Hier werden Interessen berührt, die über das einzelne Unternehmen weit hinausreichen. Daher ist es angezeigt, daß die Mittel zur Behebung dieser Nöte aus Quellen aufgebracht werden, die über dem einzelnen Unternehmen liegen. Zum wirtschaftl. Leistungs-Lohn aus dem Unternehmen muß also ein sozialbedingter Ergänzungs-Lohn aus anderen Quellen kommen (vgl. Pius XI., D 3735 [2263]). Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Ergänzungs-Lohn für Kinderreiche zu sichern: durch Ermäßigung der Steuern bei wachsender Kinderzahl; durch Kinderbeihilfen aus Ausgleichskassen, zu denen Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) beitragen, oder aus Steuermitteln; durch familienpolitische Maßnahmen (Ehegründungsdarlehen usw.); durch private Familienfürsorge der karitativen Einrichtungen. Aufgabe der Kirche ist es, die sittl. Grundsätze aufzuzeigen, nicht aber, die Frage der technischen Durchführung zu lösen (vgl. Pius XII., UG 497 [DRM III 108 f]). Auf jeden Fall wird aus dem Volkseinkommen etwas zugunsten der Kinderreichen abgezogen. Direkt oder indirekt müssen die Kinderlosen oder Kinderarmen zur Erhaltung und Ausbildung der Kinder anderer Familien beisteuern. Dies ist nicht ungerecht, da die jetzige Generation im Alter von der heranwachsenden erhalten wird. Wer nicht eigene Kinder großzieht, soll also mithelfen, daß die Kinder anderer Leute großgezogen werden, auf die auch er einmal angewiesen sein wird.

Für sonstige außerordentl. Belastungen einzelner wird am besten durch Versicherungen vorgesorgt (vgl. Pius XII., UG 4669 [DRM -]; Johannes XXIII., MM 135 f, AAS 1961,434). Wenn ganze Wirtschaftszweige bei der Verteilung des Volkseinkommens benachteiligt sind und ihre organisierte Selbsthilfe zur Besserung ihrer Lage nicht ausreicht, muß ihnen der Staat zu Hilfe kommen.


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