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Qualifizierung, sittliche, eines Verhaltens

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1345-1354

Formal kann als sittl. ein Verhalten bezeichnet werden, das aus der freien Entscheidung des Menschen hervorgeht. Material (dem Inhalt nach) ist das sittl. Verhalten entweder gut oder böse.

I. Jeder sittl. Akt wird vom Willen als seinem Subjekt getragen. Dieses Getragenwerden selbst begründet nicht den Unterschied zw. Gut und Böse. Für den Unterschied kommt es vielmehr darauf an, was gewollt wird (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.19 aa 1.7; q.20 a.2): Der gute Willensakt hat einen anderen Zielpunkt (Gegenstand, Objekt) als der böse (vgl. q.19 a.1).

Wenn man die Ausdrücke in einem weiteren Sinn nimmt, kann man den Gegenstand und das Ziel (finis) des Wollens gleichsetzen: Das Wollen richtet sich auf einen Gegenstand als sein Ziel (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.1 aa 1.3; q.19 a.2; Sent. 2 d.38 q.1 a 2; S.c.G. 3,9), näml. auf ein Verhalten, für das sich der Mensch entscheidet (vgl. ebd. 1,2 q.17 a.1).

(Zum Unterschied von manchen neuscholastischen Lehrbüchern gebraucht Thomas die Ausdrücke Obiectum und Finis mit beachtl. Beweglichkeit.)

1. Wenn Gut und Böse des Wollens von dessen Objekt (Ziel), d.h. von dem Verhalten, für das sich der Wille entscheidet, hergeleitet werden, müssen sich Objekte (Ziele, Verhaltensweisen) derart voneinander unterscheiden, daß die einen das menschl. Wollen, das sich auf sie richtet, gut und die anderen es böse machen; in diesem Sinn muß es gute und böse Objekte (Ziele, Verhaltensweisen) geben. Das eine Objekt muß dann so sein, daß es das menschl. Wollen wertvoll macht, und beim anderen muß das Gegenteil der Fall sein (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.5 ad 2; q.19 a.1 ad 1).

2. Im Gewissen betrifft dieser Wert oder Unwert den Menschen. Der Mensch schafft nicht den Wert oder Unwert, sondern wird sich seiner bewußt. Begründet wird der Wert oder Unwert eines Verhaltens durch dessen Verhältnis zum Menschsein (vgl. Natur) und seinem Auftrag (zur sittl. Ordnung, zur Ordnung der Liebe).

Wenn das sittl. Leben in verantwortl. Selbstgestaltung besteht, muß man der geistigen Erkenntnisfähigkeit (Vernunft) des Menschen selbst eine wichtige Rolle zusprechen: Sie hat herauszufinden, welches Objekt (Ziel, Verhalten) sich für das menschl. Wollen geziemt und welches nicht. Thomas von A. kann daher als „obiectum conveniens“ (S.Th. 1,2 q.18 a.2) das „conveniens rationi“ (ebd. aa.5.8) bezeichnen. Als Richtschnur dient der menschl. Erkenntnis dabei das Menschsein in seiner Ausrichtung auf die menschl. Vollwirklichkeit, wie sie aus natürl. Gegebenheiten einigermaßen erfaßt werden kann und in ihrer eigentl. Bedeutung und ihren letzten Zusammenhängen von der Offenbarung kundgetan wird. Das Menschenbild des NT zeigt, wozu der Mensch berufen ist und woher sich Gut und Böse bestimmen; es hat seinen letzten Grund im ewigen Gesetz oder im Sein Gottes (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.19 a.4; q.71 a.6; q.74 a.7; 2,2 q.23 a.6). „Höre, Mensch! Wandle nicht nach dem Menschen, sondern nach dem, der ihn geschaffen hat! Von dem, der dich geschaffen hat, falle nicht ab, auch nicht zu dir selbst!“ (Augustinus, De cont. 11, PL 40,355). Pius IX. verurteilte die Auffassung, die menschl. Vernunft sei ohne Rücksicht auf Gott Schiedsrichterin über Gut und Böse (D 2903).

Für das Wollen kann sich das Objekt (Ziel, Verhalten) nur dann sittl. bestimmend auswirken, wenn es in seiner sittl. Qualität (sittl. in uneigentl. Sinn = das Wollen des Menschen gut oder böse machend) erkannt und so der Willensentscheidung vorgelegt wird („Bonum per rationem repraesentatur voluntati ut obiectum“, Thomas von A., S.Th. 1,2 q.19 a.1 ad 3; vgl. a.3; q.18 a.5); mit anderen Worten: Das Gewissen ist die subjektive Norm für die Unterscheidung von sittl. Gut und Böse (subjektive Sittennorm).

Als Sittlichkeitsnormen befriedigen nicht die Lust, das Wohlergehen des einzelnen oder der menschl. Gesellschaft, der Nutzen, wenn sie oberflächl. verstanden werden. Richtig ist wohl, daß wahrhaft nur das nützt, was sittl. gut ist. In den letzten Zusammenhängen treffen sich das Nützliche und das Gute. Wenn man den Nutzen jedoch nur von den niederen Werten versteht, kann er nicht die Norm für Gut und Böse sein. Etwas, das auf den niederen Wertstufen Nutzen bringt, kann doch die höheren Werte schädigen. Dann gilt das Wort Augustins: „Was aber nicht erlaubt ist, das kann auch nicht nützl. sein, und desh. ist alles Erlaubte nützl., alles Unerlaubte aber auch nicht nützl.“ (De coniug. ad. I 16, PL 40,460 f).

II. In einem Verhalten, für das sich jemand entscheidet (das er zum Ziel, Gegenstand, Objekt seines Wollens macht), kann man in der Analyse mehrere Elemente unterscheiden. Als solche treten bes. das Ziel, das der Handelnde erreichen will, und die Mittel, die er daraufhin einsetzt, hervor. Das Wollen, das sich ernstl. auf das Ziel (im engeren Sinn; Endziel, nicht des gesamten menschl. Lebens, sondern des betreffenden Handlungsgefüges; „finis ultimus“, Thomas von A., S.Th. 1,2 q.12 a.3) richtet, muß sich auch auf die dazu notwendigen Mittel (Mittelziel, Gegenstand, Objekt im engeren Sinn; „id quod est ad finem“, Thomas von A., S.Th. 1,2 q.12 a.4; q.13 a.3; q.19 a.7; „finis medius“ 1,2 q.12 a.3) erstrecken (vgl. ebd. q.12 aa.2 f ; q.13 a.3; 2,2 q.32 a.1 ad 1; q.81 a.1 ad 1); der Wille muß die entsprechenden Akte sich selbst (actus eliciti) oder anderen Fähigkeiten (actus imperati) gebieten (vgl. ebd. 1,2 q.17 a.1).

1. Offenkundig geht es dem Menschen dabei in erster Linie um das Endziel (Thomas von A., S.Th. q.12 a.4; q.19 a.10 ad 1). Nur wegen dieses seines Endzieles („finis operantis“, Thomas von A., S.Th. 2,2 q.141 a.6 ad 1; „f. volentis“, Sent. 2 d.38 q.1 a.5; „f. agentis“, Sent. 4 d.16 q.3 a.1 sol. 2 ad 3; „propter quid, cuius gratia“, S.Th. 1,2 q.7 a.4) entschließt er sich zu den Mitteln. Der Absicht nach steht das Endziel an der Spitze, wenn es auch in der Ausführung erst am Ende erreicht wird (Thomas von A., S.Th. 1,2 q.1 a.1 ad 1).

Weil sich also das Wollen hauptsächl. auf das Endziel richtet, wird es auch durch das Endziel am stärksten sittl. geprägt (nach Thomas von A. ist dieses Ziel unter den Umständen, d.h. den Elementen, die den menschl. Akt sittl. bestimmen, die „principalissima omnium circumstantiarum“, S.Th. 1,2 q.7 a.4; vgl. q.19 a.7; De malo q.7 a.4). Augustinus legt darauf Nachdruck: „Nicht also was einer tut, sondern in welcher Gesinnung er es tut, ist zu erwägen“ (De serm. Dni in monte II 13,45, PL 32,1289). Jesus warnt vor der schlechten Zielsetzung, die ein seiner Beschaffenheit nach gutes Tun entwertet: „Achtet darauf, daß ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen übt, um von ihnen gesehen zu werden, sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der im Himmel ist“ (Mt 6,1).

2. Das Wollen erstreckt sich auch auf das Mittel („obiectum proprium“, Thomas von A., S.Th. 1,2 q.20 a.2; „circa quid, materia circa quam, in quibus est operatio, quid agitur“, ebd. q.7 a.3; a.4 ad 1; q.18 a.2 ad 2). Wenn auch das Ziel das hauptsächl. Gewollte ist, wird doch das Mittel mitgewollt (vgl. ebd. 1,2 q.19 a.7), wesh. man es in richtiger Weise als Ziel des Wollens bezeichnen kann (vgl. ebd. q.72 a.3 ad 2: q.73 a.3), allerdings im Vergleich zum Endziel nur als Mittelziel (1,2 q.12 a.3). In der Zeit- und Ausführungsordnung ist das Mittel zum Ziel sogar das nächste Objekt des Wollens (ebd. 1,2 q.18 a.6).

Da das Mittel vom Willen erstrebt wird und für ihn den Charakter des Objektes oder des Zieles hat, prägt es das Wollen in seiner sittl. Qualität (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.6; a.2 ad 2; q.73 a.3 ad 2; De malo q.2 a.3 ad 1; a.4 ad 5; Sent. 2 d.36 q.1 a.5; Thomas zählt das Objekt sogar zu den für die sittl. Prägung wichtigsten Elementen des menschl. Aktes, In Eth. Nic. l.3 lect. 3).

Der verantwortl. Handelnde muß sich daher über das Verhältnis des Mittelzieles zur sittl. Ordnung klar werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, wohin denn dieses Verhalten, das man als Mittel einsetzen will, seiner ganzen Beschaffenheit (= seiner Natur) nach führen wird (die Frage nach dem Werkziel = „finis operis“, Thomas von A., S.Th. 2,2 q.141 a.6 ad 1; „finis naturalis“, 1,2 q.1 a.3 ad 1; „quid facit actio“ 1,2 q.7 a.4; vgl. a.3 ad 3; Sent. 2 d.1 q.2 a.3). Die Wirkung, die sich aus einer Handlung gemäß ihrer Natur nach dem gewöhnl. Lauf der Dinge ergibt (1,2 q.20 a.5), wirft auf die Handlung selbst ein bezeichnendes Licht. Sie muß dem bewußt Handelnden auch auffallen, so daß sein Wollen einer solchen Handlung von der Wirkung her geprägt wird. Wegen dieser Bedeutung des Finis operis für das Opus kann man unter sittl. Gesichtspunkt beide als Einheit auffassen, wenn sie auch physisch verschieden sind (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.2 ad 3; q.73 a.8; 2,2 q.11 a.1 ad 2; zu beachten ist jedoch die Problematik der Handlung mit zweierlei Wirkung).

Ein als gut (= mit der sittl. Ordnung in Einklang stehend) erkanntes Mittelziel prägt das Wollen in gutem Sinn, ein als böse erkanntes Mittelziel in bösem Sinn. Wenn auch das Endziel überragende Bedeutung hat, ist das Mittelziel, als mitgewollt, doch nicht einfach bedeutungslos für die sittl. Qualität des Wollens (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.4; q.20 a.3).

3. Das Tun, das das Mittel darstellt, muß zur Gewinnung eines rechten sittl. Urteils in seiner tatsächl. gegebenen Gestalt beachtet werden, also nicht abstrakt nur in seinem Kerngeschehen (dem Objekt im engsten Sinn, z.B. Singen), sondern konkret mit allen Elementen, die von sittl. Belang sind (den Umständen in engerem Sinn, etwa Singen beim Gottesdienst zur Ehre Gottes; zum Unterschied von Aristoteles, der unter den Umständen einfach alle Elemente versteht, die den sittl. Charakter einer Handlung bestimmen, Nik. Eth. III 2, 1110 b 18 – 1111 a 19, meint Thomas von A. mit Umständen alle Bedingungen des Aktes, die außerhalb seiner Substanz liegen, ihn aber doch irgendwie berühren: „Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando“, S.Th. 1,2 q.7 a.3; vgl. aa.1.4; De malo q.2 a.4 ad 5; a.6; a.9 ad 18).

Für die sittl. Prägung des menschl. Aktes haben nicht sämtl. Umstände Bedeutung, sondern nur jene, die ihn in sittl. Hinsicht irgendwie berühren. Die unter sittl. Gesichtspunkt prüfende Vernunft scheidet jene Umstände als belanglos aus, die weder einen Einklang noch einen Widerspruch zur sittl. Ordnung in sich schließen (die Güte des Almosengebens ist im allg. davon unabhängig, ob man es mit der rechten oder der linken Hand gibt).

Die sittl. urteilende Vernunft muß aber jene Umstände beachten, die eine besondere Beziehung zur sittl. Ordnung haben (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.10; das Fordern einer Leistung, das sonst vollkommen in Ordnung ist, wird unerlaubt, wenn der Aufgeforderte krank ist und ihm daher die Leistung nicht zugemutet werden kann). Ein solcher Umstand fügt in sittl. Hinsicht dem Objekt etwas hinzu (Thomas von A., a.a.O., a.3) und wird so zu einer wichtigen Beschaffenheit („principalis conditio obiecti“, ebd. a.10), zu einer wesentl. näheren Bestimmung des Objektes („differentia essentialis obiecti“, ebd. a.5 ad 4). Die Vernunft muß in ihrer sittl. Beurteilung einen sittl. belangreichen Umstand zum Objekt hinzunehmen oder vielmehr in das Objekt hineinnehmen (vgl. Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.10; Sent. 4 d.16 q.3 a.2 sol. 2); eben deswegen lehrt das Konz. von Trient, daß in der Beichte jene Umstände zu erklären sind, die die Art der Sünde ändern (D 1679 1707; CICc. 901). Ob man ein solches Element, das unter sittl. Gesichtspunkt zu einer wesentl. Beschaffenheit des Aktes selbst wird, noch Umstand oder schon Objekt nennen soll, ist eine reine Namensfrage; tatsächl. gehört es zum Objekt in seiner konkreten Gestalt und nimmt an der Rolle des Objektes teil (man kann das Objekt des Mordes als direkte Tötung eines schuldlosen Menschen bestimmen und die Tatsache, daß der getötete Mensch das Kind des Tötenden ist, als bedeutsamen Umstand betrachten; man kann aber auch von Kindesmord sprechen und als sein Objekt die direkte Tötung des eigenen Kindes nennen). Damit verwischt sich der Unterschied zw. dem Objekt als Hauptelement und den Umständen als Nebenelementen des sittl. Aktes.

4. Gut- oder Schlechtsein des menschl. Wollens hängt von seinem Gegenstand oder Ziel ab. Beim Gegenstand oder Ziel im weiteren Sinn kann man mehrere Elemente unterscheiden: das Ziel im engeren Sinn (finis operantis), das Objekt im engeren Sinn, die sittl. belangreichen Umstände. Daraus folgt: Damit das Wollen des Menschen schlechthin gut sei, muß das, was gewollt wird, in seiner Ganzheit (in allen seinen Elementen) der sittl. Ordnung entsprechen; wenn ihr nur ein Element widerspricht, ist das Wollen nicht mehr schlechthin gut („Bonum ex integra causa, malum ex quovis defectu“; vgl. Ps.-Dionysius Areop., De divon nom. 4,30, PG 3,729; Thomas von A., S.Th. 1,2 q.18 a.4 ad 3).

a) Als wichtige Anwendung ergibt sich daraus: Das gute Ziel (im engeren Sinn; der gute Zweck) heiligt nicht das böse Mittel, sondern nur das gute oder das indifferente.

Paulus weist die Behauptung zurück, die Christen folgten der Auffassung, man dürfe „das Böse tun, damit das Gute daraus entstehe“ (Röm 3,8). Augustinus lehnt wiederholt ein Vorgehen nach diesem Satz ab („Es ist zwar ein großer Unterschied, aus welchem Grunde, zu welchem Zwecke, in welcher Absicht etwas getan wird; aber das, was unzweifelhaft Sünde ist, darf unter keinem Vorwand eines edlen Beweggrundes, zu keinem angebl. guten Zwecke, in keiner vermeintl. guten Absicht getan werden“, Contra mend. 7,18; vgl. 14,30; 15,32; De mend. 9,14; 21,42; De coniug. ad. I 18.29; PL 40,528.539 f.498 f.516.462.467 f). Ignatius von Loyola schärft ein: „Es ist notwendig, daß alle Dinge, über die wir eine Wahl anstellen wollen, an sich gleichgültig oder gut sind und sich im Bereich der hl. Mutter, der hierarchischen Kirche, halten, nicht aber schlecht oder ihr widerstreitend seien“ (Exerzitien Nr. 170). Tatsächl. haben sich Vertreter einer reinen Gesinnungsmoral (in jüngster Zeit manche Situationsethiker) zum Satz „Der gute Zweck heiligt jedes Mittel“ bekannt und sind Vertreter einer reinen Erfolgsmoral (bes. im politischen Bereich) nach ihm vorgegangen. Zuzugeben ist, daß eine gute Zielsetzung einer nicht einwandfreien Handlungsweise einen anderen Akzent gibt („Mir scheint zwar jede Lüge eine Sünde zu sein, aber es ist ein großer Unterschied, in welcher Gesinnung und über welche Dinge einer lügt. Denn jener sündigt nicht so, der aus dem Willen zu nützen, wie jener, der aus dem Willen zu schaden lügt“, Augustinus, Ench. 18,6; PL 40,240). Um zu einem genaueren Urteil über die sittl. Verfassung eines Menschen im konkreten Fall zu kommen, müßte man darauf achten, wie stark sich sein Wollen auf das gute Ziel richtet und wie bedeutend das gute Ziel im Verhältnis zum eingesetzten bösen Mittel ist (vgl. Thomas von A., S.Th. 2,2 q.110 a.2). Jedenfalls: „Wir geben zu, daß Gott vor allem und immer die rechte Absicht verlangt; aber diese genügt nicht. Er will auch das gute Werk“ (Pius XII., UG 157).

Wenn also ein sicher schlechtes Tun auch auf ein gutes Ziel hin nicht eingesetzt werden darf, ist doch zu beachten, daß manchmal die Feststellung schwerfällt, ob ein Tun seiner Beschaffenheit (Natur) nach derart der sittl. Ordnung widerspricht, daß es in jeder denkbaren konkreten Verwirklichung schlecht (innerl. schlecht, intrinsece malum) ist, oder ob nur gewisse konkrete Verhaltensweisen wegen ihrer besonderen Umstände schlecht sind, nicht aber schon jenes Kerngeschehen, das ihnen mit anderen Verhaltensweisen gemeinsam ist. Wenn z.B. nicht jede Tötung eines Menschen sittl. schlecht ist, läßt sich doch nicht bestreiten, daß durch jede Tötung der Mensch um das Gut des Lebens gebracht wird und er eben dadurch ein Übel erleidet. Die Zufügung dieses physischen Übels fällt jedoch nur in gewissen Fällen in den Bereich des sittl. Übels oder der Sünde, in anderen Fällen bleibt sie außerh. Das, was sündhafte und nicht sündhafte Tötung gemeinsam haben, liegt also noch im Vorfeld des Sittlichen und kann insofern „vormoralisch“ genannt werden, als es in manchen seiner Konkretisierungen eindeutig negativen moralischen Charakter hat.

Einer sorgfältigen Beurteilung bedarf ferner die Handlung mit zweierlei Wirkung, die eben durch ihre Eignung, gute und schlechte Wirkungen (solche, die angestrebt, und solche, die nicht angestrebt werden dürfen) hervorzubringen, in ihrem sittl. Charakter als nicht eindeutig festgelegt erscheint.

b) Unschwer einzusehen ist, daß eine böse Zielsetzung das Wollen böse macht, ob nun das angewandte Mittel der sittl. Ordnung entspricht oder ihr widerspricht oder beide Möglichkeiten offen läßt (wer einen Armen beschenkt, um ihn als Genossen eines Diebstahles zu gewinnen, ist in seinem Wollen böse). Wenn das böse Ziel allein für das Wollen maßgebend ist, kann sich der etwaige gute Gehalt des Mittels auf das Wollen überhaupt nicht auswirken. Wenn das böse Ziel nur Teilziel ist, wird der Einsatz des guten Mittels zum Teil entwertet.

5. Es gibt keinen sittl. Akt, der nicht menschl. Akt wäre. Mit Thomas von A. (S.Th. 1,2 q.18 a.9) scheint man auch sagen zu müssen, daß jeder konkrete menschl. Akt sittl. Akt (daher gut oder böse) ist, da er zumindest durch die Zielsetzung des Handelnden zur sittl. Ordnung in Beziehung gebracht wird.

Dieses Urteil gilt a) für den menschl. Akt (der aus überlegtem Wollen gesetzt wird), nicht für das Tun, das zwar durch den Menschen geschieht, aber nicht kraft freier Entscheidung (actus hominis), b) für den konkreten menschl. Akt mit all seinen Gegebenheiten, nicht für einzelne Elemente in abstrakter Sicht. Der konkrete menschl. Akt erhält seine Beziehung zur sittl. Ordnung auf jeden Fall damit, daß er als einer sittl. verantwortbaren Lebensgestaltung entsprechend erkannt und getan wird oder nicht.


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