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Selbsttötung, (B.)

Karl Hörmann: LChM 1976, Sp. 1424-1427

B. Moraltheol.

Die Moraltheologie unterscheidet zw. direkter und indirekter Selbsttötung

I. Wenn jemand eine Tötungshandlung in der Absicht setzt, dadurch den eigenen Tod herbeizuführen, spricht man von direkter Selbsttötung ( = Selbstmord).

1. Während die nichtchristl. Ethik im Urteil über den Selbstmord schwankt, lehnt ihn die christl. Sittlichkeitslehre entschieden ab (vgl. 2. Vat. Konz., GS 27).

a) Aus mehreren Gründen (vgl. Thomas von Aq., S.Th. 2,2 q.64 a.5) sieht sie ihn als sittl. Fehlhandlung an.

a 1.) Er steht im Widerspruch zur rechten Selbstliebe, die den Menschen verpflichtet, an seiner eigenen Vervollkommnung zu arbeiten,solange ihm dazu Zeit gelassen ist.

a 2.) Diese Aufgabe ist dem Menschen von Gott gestellt, dem allein es zusteht, die Frist für ihre Erfüllung zu bestimmen („Ich töte und mache lebendig“, Dtn 32,39; vgl. Weish 16,13; Röm 14,7 f).

a 3.) Häufig entzieht der Selbstmörder auch der Gemeinschaft einen Dienst, den er ihr noch leisten könnte und sollte.

b) So trägt die christl. Tradition keine Bedenken, das bibl. Verbot der Tötung (Ex 20,13; Dtn 5,17) auch vom Selbstmord zu verstehen (Augustinua,De civon D. I 20; PL 41,35) Die in einigen Fällen berichtete Selbsttötung von Heiligen(aus Sehnsucht nach dem Martyrium oder zur Bewahrung der geschlechtl. Unversehrtheit) wurde lange Zeit auf besondere Ermächtigung Gottes zurückgeführt, läßt sich aber vielleicht auch als Gewissensirrtum oder als Kurzschlußhandlung erklären.

c) Kein Motiv kann zur Rechtfertigung des Selbstmordes ausreichen.

c 1.) Krankheit, sonstiges Leid (Familienzwist, Einsamkeit), wirtschaftl. Not stehen an der Spitze der Selbstmordmotive. Der Christ sollte verstehen lernen, daß sie zu seiner Persönlichkeitsreifung beitragen unddie Leiden Christi in dessen Mystischem Leib voll enden sollen (vgl. Kol 1,24).

c 2.) Sühne für vergangene Verfehlungen (Selbstbestrafung) wird passend nicht durch Selbstmord, sondern durch ein Weiterleben in Buße geleistet.

c 3.) Auch die Begründung des Selbstmordes mit dem Dienst an anderen oder mit der Sehnsucht nach einem besseren Jenseits enthält Fehlauffassungen.

2. Die christl. Sittlichkeitslehre kann den Selbstmord nicht leicht nehmen, steht er doch im Widerspruch zur wesentl. Lebensaufgabe des Menschen. Das hat die Kirche betont, wenn sie bestimmte, daß überlegte Selbstmörder nicht eingesegnet werden sollen (Synode von Orlèans 533; CICc. 1240) und daß jene, die Selbstmord versucht haben, am Empfang und der Ausübung von Weihen behindert (Irregularität, c. 985 n.5) und von anderen kirchl. Strafen betroffen sein sollen (c. 2350 § 2).

Staatl. Strafbestimmungen gegen den Selbstmord, die etwa in England oder in manchen der Vereinigten Staaten von Amerika erlassen wurden, waren kaum sehr sinnvoll.

3. Die Kirche rechnet damit,daß viele Selbstmörder für ihre Tat nicht verantwortl. sind; sie gewährt ihre Einsegnung den zurechnungsunfähigen Selbstmördern und denen, an deren Zurechnungsfähigkeit unbehebbare Zweifel bestehen (CICc. 1240). Wenn sich tatsächl. jeder Selbstmörder in einer patholog. Verfassung befindet, muß man bei jedem eine Minderung der Verantwortlichkeit annehmen. Eine andere Frage ist es, ob nicht manche durch verantwortl. Entscheidungen im früheren Leben an der Fehlentwicklung,die schließl. zum Selbstmord führte, Schuld trugen.

4. Wichtiger als die Feststellung der Schuld sind Bemühungen um Verhütung von Selbstmorden, allg. durch Vorsorge für eine gute Entwicklung des Kindes und des jungen Menschen (intakte Familienverhältnisse, gediegene rel. Erziehung), im besonderen aber durch Betreuung von Selbstmordgefährdeten (Lebensmüdenfürsorge, Telephonseelsorge).

II. Wenn jemand durch eine eigene Handlung den Tod findet, ohne ihn zu beabsichtigen, spricht man von indirekter Selbsttötung Dies kann durch Unternehmungen geschehen, die für jedermann als gefährl. erscheinen (z.B. Autorennen), manchmal aber auch durch Verhaltensweisen, bei denen man nicht darauf gefaßt war (z.B. im gewöhnl. Straßenverkehr).

1. Wenn man verpflichtet ist, für das eigene Lehen zu sorgen, darf man es auch nicht unnötig einer Gefahr aussetzen (vgl. GS 27). Wer verwegen mit dem Leben spielt, zeigt, daß er es nicht gebührend schätzt.

2. Man darf jedoch etwas tun oder unterlassen, woraus unbeabsichtigt möglicherweise oder wahrscheinl. oder sicher der eigene Tod folgen wird, wenn man dafür einen entsprechend wichtigen Grund hat (vgl. Samson Ri 16,30; Eleasar 1 Makk 6,46; vgl. Handlung mit zweierlei Wirkung). Die Frage stellt sich bei gefährl. Berufsarbeiten, Forschungen, Sportarten; abgeschwächt bei vielen Unternehmungen, bei denen gelegentl. Unfälle vorkommen. Je größere Gefahr man wagt, einen umso triftigeren Grund braucht man zur Rechtfertigung.


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