Predigt:
Groß und wunderbar ist das Erbarmen des Herrn
2. Sonntag der Osterzeit B (07.04.2024)
L1: Apg 4,32-35; L2: 1 Joh 5,1-6; Ev: Joh 20,19-31
Josef Spindelböck
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Der Gruß des auferstandenen Herrn an die Jünger lautet: „Der Friede sei mit euch.“ In jeder heiligen Messe wird auch uns dieser Gruß zugesprochen, und wir dürfen den Frieden, den Gott uns schenkt, weitergeben an unsere Mitmenschen – nicht nur in einem liturgischen Ritus, sondern vor allem durch unser Leben.
Friede (hebr. „schalom“, arab. „salam“) ist ein inhaltlich gefülltes Wort. Es besagt viel mehr, als wir uns im Normalfall darunter vorstellen. Denn landläufig sagen wir: Wenn es keinen Streit, keinen Konflikt und vor allem keinen Krieg gibt, dann herrscht Friede. Wahrer Friede aber gründet auf der Gerechtigkeit und ist mit der Nächstenliebe, ja sogar mit der Gottesliebe verbunden.
Wenn Jesus uns seinen Frieden verheißt und schenkt, dann ist dies nicht ein Friede, wie die Welt ihn geben kann. Der Friede, den Gott schenkt, verwandelt die Herzen und bringt die Menschen in Harmonie miteinander. Es ist kein fauler Kompromiss, wo der Täter des Unrechts sich durchsetzt und dem Unterlegenen einen Scheinfrieden aufzwingt, der identisch ist mit Unterwerfung und Verzicht auf weiteren Widerstand. Wahrer Friede ist dann möglich, wenn die Menschen einander auf Augenhöhe begegnen und einander nicht nur Gerechtigkeit erweisen, sondern auch barmherzig miteinander umgehen.
An all dies erinnert uns der 2. Sonntag der Osterzeit, welcher als „Weißer Sonntag“ bezeichnet wird und auch „Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit“ heißt. Die letzte Bezeichnung erinnert uns daran, dass wir alle letztlich von der Barmherzigkeit Gottes leben. Wer meint, etwas zu leisten, wenn er Gutes tut, sollte sich daran erinnern, dass uns Gott dazu die Kräfte geschenkt hat. Es sind die Gaben der Natur und der Gnade, mit denen wir wirken dürfen. Niemand kann sich selbst vor Gott rechtfertigen. Wir alle bedürfen des einzigen Mittlers unseres Heiles, des Herrn Jesus Christus. In seiner Auferstehung hat er gezeigt, dass er die Sünde und den Tod überwindet und uns den Weg der Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen eröffnet. Nur so kann wahrer Friede begründet werden und hat er Bestand.
Die Hochrüstung mit Waffen und die gegenseitige Bedrohung mögen zwar einen Zustand schaffen, der äußerlich als Frieden interpretiert wird. Soll der Friede jedoch dauernd und wirklich echt sein, dann müssen Brücken des Dialogs und der Versöhnung in Liebe und Gerechtigkeit neu begründet werden. Dass dies schwer ist und eigentlich über die menschlichen Kräfte geht, sollten wir zugestehen. Vielleicht wäre ja dann, wenn alle sich darüber im Klaren sind, dass unsere menschlichen Kräfte allein nicht ausreichen, um den Frieden zu schaffen, das Tor nach oben hin aufgetan: Von Gott selbst sollen und dürfen wir die Rettung erhoffen, wenn wir bereit sind, auf ihn zu hören und umzukehren.
Der „Sonntag der Barmherzigkeit“ beinhaltet gemäß dem Evangelium auch die Vollmacht zur Sündenvergebung, welche die Apostel und ihre Nachfolger und Mitarbeiter von Christus, dem Herrn, erhalten haben. Gott ist gerecht und zugleich barmherzig. Wenn wir ihm gegenüber nicht auf unsere Verdienste pochen, sondern uns in Reue und Demut selbst anklagen, wie dies beim Empfang des Bußsakraments geschieht, dann erwartet uns nicht die Verurteilung im Gericht Gottes, sondern die Erfahrung seiner reichen Barmherzigkeit.
Dann aber sind wir innerlich frei und im Frieden. Wir vermögen dann, aus ganzem Herzen Gutes zu tun und uns einzusetzen für das Wohl und Heil unserer Mitmenschen. Der Segen Gottes aber möge uns dabei stets begleiten, auch indem wir die Fürbitte der Gottesmutter Maria anrufen, der „Mutter der Barmherzigkeit“. Amen.