Predigt:
Fastenhirtenbrief
1. Fastensonntag B (18.02.2024)
L1: Gen 9,8-15; L2: 1 Petr 3,18-22; Ev: Mk 1,12-15
Bischof Dr. Alois Schwarz
Liebe Geschwister in Jesus Christus!
In einer Zeit, in der viele Menschen kaum noch wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bewerkstelligen können, ruft die Kirche – wie jedes Jahr 40 Tage vor Ostern – die Fastenzeit aus. Viele Menschen – und das ist sehr erfreulich – nützen die Fastenzeit zum Teilen mit jenen Menschen, denen es nicht so gut geht. Besondere Gelegenheiten dazu sind in der Diözese St. Pölten beispielsweise der Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung oder die Fastenaktion der Diözese St. Pölten.
Andere wieder nützen die Tage, um einige Kilos, die sich im Laufe des Jahres angesammelt haben, loszuwerden. Sie sind somit bereit, einige Tage – bis zur Erreichung des Wunschgewichts – auf gewohntes Essen zu verzichten. Auch das ist eine Möglichkeit, die Fastenzeit für sich zu gestalten.
Was die Kirche unter Fasten im christlichen Sinne versteht, geht jedoch weit darüber hinaus: Dieser Verzicht geschieht in Freiwilligkeit und daher in einer großen inneren Freiheit. Er geht einher mit dem intensiven Dialog mit Gott. Er schafft Platz für einen neuen Blick und einen neuen Umgang mit dem und der Nächsten.
Innere Motivation und Freiwilligkeit
Die Bereitschaft, sich auf Gott einzulassen, braucht eine innere Motivation, eine innere Freiwilligkeit. Die Kirche bietet uns den Zeitraum der Fastenzeit im Rhythmus des Jahreskreislaufes an. Im beginnenden Frühling sollen dem Körper und der Seele Reinigung geschenkt werden. Es gibt Zwänge und Einengungen im Alltag, aus denen es heilsam ist, herauszukommen. Dazu hilft uns jener Gott, von dem es in der Bibel heißt: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20,2).
Seit jeher ist der Mensch gefangen in erdrückenden irdischen Verstrickungen, aus denen er, oft vergeblich, versucht herauszukommen. Freilich ist es leichter in ungesunden Abhängigkeiten weiterzuleben, als diesen ein Ende bereiten zu wollen. Man kann von Nahrungsmitteln abhängig sein, wie Fleisch, Kaffee, Süßigkeiten oder Alkohol, aber auch noch vieles andere mehr kann uns in ungesunde Abhängigkeiten bringen. Diese können aber auch in der Seele ihren Platz eingenommen haben und dann in einen jahrelangen Streit, der in die Unversöhnlichkeit führt, oder in neidvollen Umgang mit anderen Menschen münden. Sie können auch in Überheblichkeit und Stolz gegenüber anderen ausufern, sich in der Gier nach immer mehr und der damit verbundenen Unzufriedenheit zeigen oder in die Flucht einer Selbstbefreiungsideologie führen. Der Mensch, der meint, ohne Rückbindung an Gott selbstbestimmt leben zu können, steuert in Wahrheit in die Sackgassen des Lebens.
Rückbindung an den einen Gott, der uns trägt und hält.
Der Verzicht im christlichen Sinne hilft durch die Rückbindung an den einen Gott, der uns trägt und hält und von dem alles Gute kommt, aus solchen Abhängigkeiten herauszufinden. Doch Sie werden vielleicht fragen: Wie soll das geschehen? Wie gelingt eine Rückbindung an Gott? Die erste Voraussetzung dafür ist, zu erkennen, dass ich als Mensch nicht alles selbst bestimmen und selbst machen kann. Ich denke hier beispielsweise an Krankheiten an Leib und Seele oder an Naturerscheinungen. Es gibt Dinge, denen ist der Mensch ohnmächtig ausgeliefert. Aber genau in diesen Situationen ist es befreiend und beruhigend zu wissen, dass es jemanden gibt, den wir Christen und Christinnen GOTT nennen und an den wir uns wenden können. In solchen Momenten kann es helfen mit diesem unserem Gott in Dialog zu treten, entweder indem wir ihn um Hilfe bitten, klagen und unsere Verzweiflung in Worte fassen, oder indem wir unsere Freude, unsere Dankbarkeit und Zufriedenheit über etwas Gutes, das uns geschehen ist, aussprechen. Das nennen wir dann Gebet.
Das Gebet ordnet unsere Gedanken und bringt sie ins Wort. Es richtet sich an ein DU – nämlich an Gott. Wir haben einen Gott, der mit uns Menschen in jeder Phase des Lebens in Beziehung treten will, ja mehr noch: Der durch das Gespräch mit ihm in jeder Situation des Lebens an unserer Seite ist. Freilich braucht es die Sehnsucht und den Willen eines jeden Menschen, um auf diese Weise mit Gott in Verbindung treten zu können. Die bevorstehende Fastenzeit könnte eine Möglichkeit sein, dies zu entdecken.
Mit Gott ins Gespräch zu kommen lehrt uns gleichzeitig, auch mit unseren Nächsten in Dialog zu treten. Mit Menschen das Leben zu teilen ermöglicht es, mit Gott in Verbindung zu bleiben.
Ich lade Sie ein, liebe Schwestern und Brüder, die kommenden Tage der Fastenzeit in der Erfahrung des Gesprächs mit Gott zu begehen. Tauschen Sie sich über Ihre Gebetserfahrungen aus, teilen Sie einander Ihre Erfahrungen mit und entdecken Sie die große Kraft, die Ihnen durch das Gespräch mit Gott zufließen wird. Gesegnete Fastenzeit!
Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz