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Was lehrt die katholische Kirche über den Ablaß?
(25. Juni 2000)

Reinhard Knittel

Hinweis/Quelle: Vortrag vom 25. 6. 2000 im Hospiz Sonntagberg

Die sogenannten heiligen Jahre, die seit siebenhundert Jahren den Pilgerweg unserer Kirche begleiten, indem sie das Gleichmaß des Zeitenlaufs unterbrechend, ganz besondere Gnadenjahre für Kirche und Welt darstellen, waren stets der Anlaß, durch einen besonderen, vom römischen Papst verliehenen, Jubiläumsablaß ausgezeichnet zu werden. Gerade darin, in diesem Jubiläumsablaß, der wesentlicher Bestandteil des Heiligen Jahres ist, sollte die Heilssorge der heiligen Mutter Kirche zum Ausdruck kommen, die nichts anderes will, als daß möglichst viele von den Quellen des Heiles trinken und in diesem Jahr durch Bekehrung und Buße wieder inniger mit Christus verbunden werden. Ablaß als Zeichen übernatürlicher Muttersorge der Kirche.

Umso mehr mag uns verwundern, daß gerade dieses Zeichen der übernatürlichen Muttersorge der Kirche uns oft weniger in seinem heiligen Sinn, in seinem hohen Wert und in seiner großen Bedeutung entgegentritt, sondern oft gerade von seinem “Anti-wesen” her, verunstaltet durch die Unvernunft bestimmter Zeiten oder bestimmter Mißbräuche in der Kirche.

So mag schon der Begriff “Ablaß” nicht nur bei protestantischen Christen ein ungutes Gefühl hervorrufen: man erinnert sich an den Wittenberger Mönch, Martin Luther, an seine Geißelung einer mitunter wirklich zum Ablaßhandel degradierten oder auswuchernden Praxis, wo man versucht war zu meinen, daß durch die Ablaßspende die ewige Seligkeit erkauft werden könne.

Zumindest scheint der Ablaß heute auch vielen Katholiken nur eine kirchliche Erfindung oder eine rein nebensächliche oder sogar unnütze Ausgestaltung religiöser Praxis darzustellen, ohne Fundament in der zentralen Glaubenslehre und Verkündigung der Kirche, ohne Wichtigkeit für das religiöse Leben des Einzelnen. Eben nur ein frommer Brauch, wie es deren so viele gibt. So wird der Ablaß aber an den Rand gläubiger Frömmigkeit gestellt und führt dort heute ein Dornröschendasein, unbeachtet von jenen, die gerade ihn und seine Gnadenfrüchte dringend benötigen würden. Dazu kommt großes Unwissen selbst bei gläubigen Menschen über Wesen und Bedeutung des Ablasses. Der tiefste Grund und die eigentliche Ursache für diese Erscheinungen aber ist das schwindende Bewußtsein für die Sünde, für die ihr eigene Schuld vor Gott, vor dem Nächsten und ihre wesensgemäßen Strafen, die durch sie für den Sünder eintreten.

Erst wo dies entsprechend aufgefasst wird, kann dann auch der Ablaß recht an Bedeutung gewinnen, denn er ist ja Ausdruck besonderen Eifers für jene Umkehr von der Sünde, die sich in den Bußwerken äußern muß, zu denen auch der Ablaß ganz wesentlich gehört. Und damit ist der Ablaß auch ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, die sich in der völligen Freiheit über die Knechtschaft der Sünde vervollkommnet.

Auch in der Eröffnungsbulle zu diesem Heiligen Jahr 2000 hat Papst Johannes Paul II. alle Gläubigen dazu aufgerufen, reichlich vom Geschenk des Jubiläumsablasses Gebrauch zu machen, ja er hat die Bedingungen zu dessen Gewinnung soweit erleichtert und die Anzahl der Möglichkeiten zur Gewinnung dieses Ablasses soweit vermehrt, wie wir noch im Einzelnen sehen werden, daß tatsächlich dieses Jahr ein Jahr der Gnade für möglichst viele Katholiken werden kann.

Zunächst wollen wir uns also der Frage zuwenden: was ist denn nun der Ablaß, was bewirkt er und wozu dient er?

Schon das schöne deutsche Wort “Ablaß”, das das lateinische Wort indulgentia wiedergibt, weist uns daraufhin, daß es sich um einen Akt des Erbarmens, des Nachlaßes handelt, den Gott mittles des Ablasses an uns vollzieht.

Wir tun uns heute, eingefügt in demokratische Ordnungsstrukturen, sehr schwer, das Herrliche und Einzigartige dieser Gabe des erbarmenden Nachlassens, des Schonens Gottes an uns zu verstehen. Wir verlassen uns mittlerweile in fast allen Lebensbereichen auf demokratisch geregelte und abgesicherte Rechte. Das Erbarmen, als herrscherliche Gabe, entzieht sich jedoch dieser Absicherung und durchbricht das Psuedodogma demokratisch garantierte Gleichbehandlung aller. Früher, als es noch Könige und Kaiser gab, war es ja dem Gerechtigkeitssinn des Monarchen überlassen, mittels seiner herrscherlichen Milde Schonung an seinen Untertanen walten zu lassen, die schuldig geworden sind, oder im herrscherlichen Zürnen seine machtvolle Gerechtigkeit an ihnen unter Beweis zu stellen. Beides jedoch, schonende Milde und zürnende Gerechtigkeit, war souveräne Gabe des Herrschers im Dienst der Aufrechterhaltung der Ordnung der Gerechtigkeit.

Damit wurde aber auf Erden nur unvollkommen nachgeahmt, was Gottes ewige Herrschaft vollkommen grundlegt und vorzeichnet: Unser Gott ist ein Gott, der souverän erwählt und verstößt. Nicht weil die Erwählten, Abraham und seine Nachkommen, es verdienen oder ein Recht darauf anmelden können, nicht weil die Verstoßenen dagegen berufen oder demokratische Rechte für sich in Anspruch nehmen können. Sondern weil in Wahl und Verstoßen Gottes souveräne Herrschaft zum Ausdruck kommt und die Gerechtigkeit dadurch aufrecht erhalten wird. Der kirchliche Ablaß gründet also zunächst in dieser huldvollen, erbarmenden Nachlassung Gottes. Hier könnte aber nun eingewendet werden: Wenn doch unser Gott ein Gott des Erbarmens ist, dann reicht doch auch das bloße innere Vertrauen auf dieses Erbarmen aus, um es tatsächlich zu erlangen. Genau auf dieser Linie bewegt sich auch der biblizistische Protestantismus: Durch das Vertrauen auf die göttliche Vergebung werden wir gerechtfertigt und dies ohne unsere eigene Mitwirkung. Bußsakrament und Ablaß seien deshalb rein menschliche Erfindungen ohne jede objektive Gnadenwirkung am Empfänger. Denn diese hänge allein von Gottes Wirken ab.

Dabei wird aber übersehen, daß die Vergebung Gottes zwar das Entscheidende und Wichtigste der Rechtfertigung des Einzelnen ist, daß sie aber noch nicht die ganze Überwindung der schuldhaften Gottferne darstellt und einschließt: denn diese setzt einen längeren, sittlichen Prozeß der Umkehr und Buße voraus, bei dem der Einzelne mit der Vergebungsgnade Gottes zusammen tätig wird. Genau hier liegt aber auch die Bedeutung des Ablasses: als kirchlich eingesetztes Mittel, durch das von Gott verhängte Straffolgen für die Sünde getilgt werden. Beim Ablaß geht es also um die sogenannten “zeitlichen Straffolgen” für die Sünde. Um dies besser zu verstehen müssen wir die Natur und die Folgen der Sünde näher besehen.

Jede Sünde setzt uns zunächst und zuerst in ein Verhältnis der Schuld vor Gott. Damit aber noch nicht genug. Jede Sünde zieht ihrer eigenen Natur wegen auch Strafe nach sich, so wie auch die Gesetzesübertretung im irdischen Bereich gerechterweise Strafe nach sich zieht. Durch die Sünde kam also der Tod in die Welt, so sagt der Hl. Paulus im Römerbrief. Der ewige Tod des von Gott getrennten und verstoßenen Verdammten, der Gnadentod als Folge der schweren Sünde, der leibliche Tod als Strafe für unsere Anhänglichkeit an das Irdische.

Das Bußsakrament tilgt nun die schwere Sünde der Schuld aber auch der ewigen Sündenstrafe nach, d.h. Gottes Vergebung der Sündenschuld hebt auch des gerechtfertigten Sünders ewige Verdammnis und Trennung von Gott auf, die ewige Sündenstrafe. Darüber hinaus folgen der schweren Sünde aber auch noch sogenannte zeitliche Sündenstrafen, die der Sünder also nicht in der Ewigkeit, sondern hier auf Erden oder im Fegfeuer sühnen muß. Diese zeitlichen Sündenstrafen bestehen in einer unheilvollen Hinneigung und Bindung an das Geschöpfliche. Diese Hinneigung und Bindung wird nun nicht in der göttlichen Vergebung der Schuld und der ewigen Sündenstrafe mittels der sakramentalen Beichte einfach getilgt, sondern fordert von unserer Seite die Mühe der sühnenden Buße. Erst durch die Buße tritt die Gnade Gottes, die wir im Bußsakrament empfangen, in die Ebene der eigenen, praktischen Lebensführung und kann darin erst übernatürlich fruchtbar werden. So ist die Kirche seit ältesten Zeiten stets überzeugt gewesen, so Papst Johannes Paul II. in seiner Ankündigungsbulle zum Heiligen Jahr, daß die Vergebung, die von Gott umsonst geschenkt wird, als Konsequenz auch eine reale Änderung des Lebens einschließt, eine fortschreitende Ausrottung des inneren Übels, eine Erneuerung der eigenen Existenz.

Damit ist schon etwas wichtiges über den Ablaß gesagt: der Ablaß ist eines jener kirchlichen Mittel, durch die die Gnade der Sündenvergebung in einer wirklichen Erneuerung des eigenen Lebens fruchtbar wird, indem zunächst die zeitlichen Sündenstrafen durch den Ablaß gesühnt und damit getilgt werden,

Er setzt aber immer und notwendig schon voraus, daß schwere Sünden ihrer Schuld nach im Bußsakrament schon vergeben sind. Die Beichte ist also absolut notwendige Vorbedingung zur Erreichung des Ablasses. Der Ablaß baut auf der Beichte auf und vollendet ihre Wirkungen.

Zum gläubigen Verständnis des Ablasses gehört aber sodann auch, die Glaubenswahrheit von der Gemeinschaft der Heiligen näher zu betrachten. Denn diese Wahrheit ist letztlich der Schlüssel, um den Ablaß zu verstehen. Wir gehen ja nicht als Einzelne unseren Lebensweg. Was schon im natürlichen Leben der Familie gilt, gilt umso mehr im gemeinschaftlichen Leben der Familie Gottes, der Kirche. In dieser Familie gibt es nun eine Gemeinschaft in den heiligen Dingen und geistlichen Gaben, wo das, was der Einzelne an Heiligkeit verdient und wirkt, auch stellvertretend den anderen Mitgliedern der Familie Gottes zugute kommen kann. Obwohl schon das Erlöserleiden Christi überreiche Gnadenfülle erworben hat, ist es doch so, daß jedes einzelne Glied des mystischen Leibes hier auf Erden diese Gnadenfülle noch bereichern kann. Nur so kann der Hl.Paulus sagen: “Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt”. Nicht so, als ob das Leiden Christi an sich ungenügend wäre, sondern so, daß der Einzelne dieses Erlöserleiden so in sich aufnimmt und durch eigene Mitwirkung fruchtbar werden läßt, daß dadurch neue Gnadengüter zusätzlich erworben werden. So gibt es eben Menschen, die ein Mehr an Liebe, an Leiden, an Reinheit zurücklassen, das allen Gliedern des mystischen Leibes der Kirche zugute kommen kann. Diese Gnadengüter Christi und der Heiligen bilden einen unermeßlichen “Gnadenschatz”, der zur Austeilung auf Erden jenen anvertraut ist, die Nachfolger der Apostel sind, so wie diese schon von Christus den Auftrag zum autoritativen Binden und Lösen, eben die kirchliche Schlüsselgewalt, erhalten haben.

Im Ablaß nun wendet uns die Kirche aus diesem Gnadenschatz jenen vollwertigen Ersatz zu, den wir für die Tilgung der zeitlichen Sündenstrafen benötigen. Denn diese Tilgung geschieht nicht einfach durch Begnadigung oder Lossprechung, sondern durch einen entpsrechenden Ersatz, den die Gerechtigkeit fordert und durch den die Strafen wirklich abgetragen werden. Anstatt unserer eigenen Bußmühe gewährt uns der Ablaß also einen entsprechenden Ersatz vor Gott, damit wir so von den zeitlichen Sündenstrafen befreit werden.

Die ersten geschichtlichen Ursprünge des Ablasses zeigen uns schon diese Idee des stellvertretenden Ersatzes für die eigene Bußmühe. In der Alten Kirche war die sogenannte kanonische oder öffentliche Buße äußerst langwierig und mühsam, der sich der Sünder für bestimmte, öffentlich relevante Sünden, unterziehen mußte. Um diese zu erleichtern, schrieben schon in der Zeit der römischen Kirchenverfolgung die in der Verfolgung besonders bewährten Männer sogenannte Friedensbriefe, durch die der öffentliche Sünder vom Bischof eine Abkürzung seiner Bußzeit und Bußmühen erreichen konnte. Dem lag die Anschauung zugrunde, daß die Bewährung und der Verdienst der Glaubenszeugen in der Verfolgung eine stellvertretende Sühne darstelle. Der Ablaß kann uns Lebenden, aber auch den Verstorbenen zugewendet werden. Weil eben alle Glieder des mystischen Leibes, auch die im Läuterungszustand, am Gnadenschatz der Kirche Anteil erhalten können, weil auch sie Teil des mystischen Leibes der Kirche sind. So können wir durch Ablässe, in denen sich die christliche Caritas den Armen Seelen gegenüber ausdrückt, große Erleichterung in ihrem Sühneleiden bringen, das eben durch die Ablässe abgekürzt und erleichtert wird. Heute können alle Ablässe auch den Armen Seelen zugewendet werden. Nur die himmlisch vollendeten Glieder der Kirche können nicht mehr die Ablaßgnaden empfangen, weil sie sie eben nicht mehr brauchen.

Uns Lebenden verleiht die Kirche den Ablaß in autoritativ zuweisender Art, den Verstorbenen aber auf die Art der Fürsprache.

Vor allem gegen den Ablaß für die Verstorbenen hat sich Martin Luther gewendet, da diese angeblich weder nützlich noch notwendig seien. Implizit liegt aber dieser Ansicht eine Leugnung des Gnadenschatzes der Kirche, seiner Austeilung durch die Hirten der Kirche und seines Genußes durch alle Glieder der Kirche, auch der Armen Seelen im Fegefeuer, zugrunde. Die aktive Mitwirkung des heiligen Menschen im Werk der Zuwendung der Erlösungsgnade Christi wird bei Luther somit geleugnet.

Fassen wir zusammen: der Ablaß ist jenes Mittel außersakramentaler Nachlassung der Kirche, das die zeitlichen Sündenstrafen tilgt, indem uns der Ablaß aus dem Gnadenschatz der Kirche jene Gnaden zuwendet, die wir dazu brauchen. Im Ablaß verbindet sich also die Barmherzigkeit Gottes und die mütterliche Heilssorge der Kirche, die will, daß der Sieg Christi über die Sünde und ihre Folgen, in jedem ihrer Glieder vollkommen sei.

KONKRETE ASPEKTE

* Es muß zwischen vollkommenen und unvollkommenen Ablässen unterschieden werden. Die ersteren tilgen die Sündenstrafe vollständig, die letzteren tilgen sie nur teilweise. Für den vollkommenen Ablaß gelten grundsätzlich drei Bedingungen: sakramentale Beichte, eucharistische Kommunion, Gebet nach der Meinung des Heiligen Vaters. Früher, vor der Neuordnung des Ablaßwesens durch Papst Paul VI (1968)., waren vor allem bei Ablaßgebeten mit unvollkommenem Ablaß bestimmte Tage Ablaß gewährt, z.B. 1oo Tage Ablaß. Gemeint ist damit, daß durch den Ablaß soviel Sündenstrafe nachgelassen wird, wie der Büßer durch 100 Tage kanonischer Buße vor Gott abbüßen konnte. Somit ist diese Zeitbeifügung eine letzte Erinnerung an die kanonische Buße.

* Nur getaufte Katholiken, die im Gnadenstand sind, können einen Ablaß gewinnen; Nur der Papst kann einen Ablaß für die Gesamtkirche erlassen; zur Gewinnung des Ablasses muß das Ablaßwerk persönlich und vollständig verrichtet werden, unter den Bedingungen, die mit der Gewährung des Ablasses näher beschrieben werden (Gebet, gutes Werk, Spende, Kirchenbesuch).

* der sogenannte Jubiläumsablaß ist ein vollkommener Ablaß und fordert die Erfüllung der dafür vom Papst in seiner Eröffnungsbulle zum Heiligen Jahr vorgesehen Bedingungen: alle anderen Ablässe bleiben in Geltung; alle Gläubigen können ihn gewinnen (nicht nur die, die nach Rom pilgern), entweder für sich selbst oder für die Verstorbenen, und dies sogar jeden Tag einmal. Die Bedingungen: Beichte, Kommunion, Gebet nach der Meinung des Hl. Vaters (“Zur Ehre und zum Lobpreis des Allmächtigen Gottes, zur Erhöhung und für den Frieden der Heiligen Kirche, zur Ausrottung der Irrlehren, für die Einmütigkeit der katholischen Fürsten und für die Wohlfahrt aller christlichen Völker”). Die Hl. Beichte muß nicht jeden Tag erneuert werden, wohl aber ein mal die Woche. Besonderes Ablaßwerk: Werk der Frömmigkeit (Wallfahrt, Kirchenbesuch): Rom = eine der vier Patriarchalbasiliken; Hl. Land = eine der drei großen Kirchen (Grabeskirche, Verkündigungskirche in Nazareth, Geburtskirche in Bethlehem); in jeder Diözese: Kathedralkirche und andere Kirchen (persönliches Gebet, Pater Noster, Glaubensbekenntnis und Mariengebet); oder: Werk der Barmherzigkeit, Bußwerk.