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30 Jahre Humanae vitae

Hinweis/Quelle: „das Neue Groschenblatt“, September 1998, S. 3

Papst Paul VI. hat seine Antwort auf die Frage nach der Geburtenregelung „im Lichte einer ganzheitlichen Schau des Menschen und seiner Berufung, seiner natürlichen und irdischen, wie auch seiner übernatürlichen und ewigen Berufung“ gegeben; demnach haben die Eheleute bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, „nicht die Freiheit, nach eigenem Gutdünken vorzugehen, als ob sie in ganz eigenständiger Weise die zu beschreitenden, sittlich erlaubten Wege festlegen könnten. Sie müssen vielmehr in ihrem Handeln mit dem göttlichen Schöpferwillen übereinstimmen, der durch das Wesen der Ehe und ihrer Akte zum Ausdruck kommt und sich in der stets gleichbleibenden Lehrverkündigung der Kirche kundtut“ (Nr. 10). Diese aber lautet, „daß jeder eheliche Akt offen bleiben muß für die Weitergabe des Lebens“ (Nr.11).

Der Papst hat sich seine Aufgabe wahrlich nicht leicht gemacht. Sein Vorgänger Johannes XXIII. hatte schon 1963 eine Studienkommission eingesetzt, die sich aber in der Beurteilung der vorzulegenden sittlichen Normen nicht einigen konnte. So sah sich Paul VI. genötigt, „die schwerwiegende Frage persönlich zu untersuchen“; als Leitlinie dienten ihm dabei die Vorgaben des Konzils. Die Kirche hat die Empfängnisverhütung von Anfang an verurteilt; auch die verschiedenen protestantischen Konfessionen gingen in dieser Frage bis zur Lambeth-Konferenz im August 1930 mit ihr einig. Kardinal Eduard Gagnon, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, enthüllte bei einem Vortrag am 27. Juni 1989 in Washington, daß dem Vatikan Ende der sechziger Jahre „einige Millionen Dollar“ angeboten wurden, wenn die katholische Kirche ihre Lehre über die Unerlaubtheit der künstlichen Verhütung zurücknehme. Die Kirche, und insbesondere der Papst, waren einem schweren inneren und äußeren Druck ausgesetzt, hinter dem der hoch auflodernde Zeitgeist und die geballte Macht der Medien standen. „Um Liebe und Ehe war eine der größten Schlachten unserer Zeit im Gange. Alle Teufel waren losgelassen mit ihren Scheingründen. Es war die Verschwörung der Technokraten und der Libertiner. Die einen wollten auch auf das Gebiet der Familie ihre Universalplanifikation (Gesamtplanung, -programmierung) ausdehnen. Die anderen sahen in der sexuellen Freiheit eine von den Grundformen, die errungen werden müssen. Der dunkle Einfluß der Psychoanalyse wollte weismachen, Keuschheit sei ein Mythos und sexuelle Perversion gebe es überall“ (Kardinal Jean Daniélou). Man kann es Paul VI. nicht hoch genug anrechnen, daß er vor dieser doppelten Widerstandsfront nicht kapitulierte, sondern getreu seinem Auftrag als oberster Wächter und Lehrer der Kirche „sogar gegen gewisse Theologen die Partei des Menschen gegen sich selbst ergriffen hat“ (Daniélou).

Der Zorn der Welt und der welthörigen Christen war groß. „Es muß jetzt gemeinsame Sache des Kirchenvolkes sein, die autoritäre, man muß schon sagen: despotische Entscheidung einer verschwindenden Minderheit in der katholischen Kirche ... durchzudenken und eine saubere Lösung zu finden, die man auch wirklich leben kann, ohne daß man seine Kirche belügen oder aus Redlichkeit verlassen müßte“, schrieb Luise Rinser wortgewaltig in einem offenen Brief an Kardinal Döpfner. Die Bischöfe haben fieberhaft nach einer Lösung gesucht und gemeint, sie in der „Königsteiner“ bzw. „Mariatroster Erklärung“ gefunden zu haben. Niemand will ihnen den guten Willen und das ehrliche Bemühen absprechen, den verunsicherten Gläubigen in ihrer Gewissensnot beizustehen und die revoltierenden zu besänftigen. Sie hätten allerdings wissen müssen, wie ihre „Erklärung“ bei der Masse des an theologischen Fragen uninteressierten Kirchenvolkes verstanden und in die Praxis umgesetzt würde. So daß Rinser schließlich recht hatte: „Der Gläubige, der seiner Kirche gehorchen will, weiß nicht mehr, wem er gehorchen muß, da sein Papst anders redet als sein Bischof.“

Tatsächlich wurde 1988 auf einem Moraltheologenkongreß im Vatikan davon gesprochen, daß an die 80 Prozent der katholischen Eheleute, 70 Prozent der Beichtväter und 90 Prozent der Moraltheologen die Lehre von „Humanae vitae“ ablehnen. Die Zahlen waren zweckdienlich wahrscheinlich zu hoch gegriffen, sie zeigen aber unmißverständlich, daß das Wort des Papstes, d. h. die beständige Lehre der Kirche für einen Großteil der Katholiken nicht mehr gilt und die katholische Kirche in einem entscheidenden Punkt ihrer Lehre und ihres Lebens gespalten ist. So blauäugig können wache Christen nicht sein zu meinen, daß die zerrütteten Ehen, die leeren Kirchen und Priesterseminare und die sich auflösenden Familien bis hin zum verbissenen Ringen um den kirchlichen Beratungsschein in Deutschland damit nichts zu tun hätten.

Inzwischen beginnt es dort und da zu dämmern. Man spürt, daß zuviel Chemie im Leib des Menschen seiner Gesundheit nicht guttut. Selbst viele Feministinnen haben durchschaut, wie frauenfeindlich die ganze Verhütungsideologie ist. Man beginnt die natürliche Empfängnisregelung wieder ernster zu nehmen. Übrigens: Schon Kardinal Döpfner brachte von der römischen Bischofssynode die Nachricht heim, daß Europa und Nordamerika in dieser Hinsicht zu den Entwicklungsländern zählen und von der Dritten Welt viel lernen könnten.

Apropos Döpfner: Dem Kardinal kamen im Laufe der Jahre zunehmend Zweifel an der Richtigkeit der Mehrheitsposition, deren engagierter Verfechter er war. Fünf Tage vor seinem unerwarteten Tod am 24. Juli 1976 sagte er zum Eichstätter Moraltheologen Fleischmann: „Herr Professor, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zur Überzeugung: Der Papst hatte doch recht.“