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Die katholische Kirche - “Alleinseligmachend” ?
(24. November 2000)

Reinhard Knittel

Hinweis/Quelle: Vortrag vom 24.11.2000 in der Prandtauerkirche

An Protestgeschrei gegen römische Dokumente, die medial bald als reaktionär und vorkonziliar abgekanzelt werden, haben wir uns in den letzten Jahren gewöhnen müssen.

Das oberste kirchliche Lehramt des Papstes, so der Eindruck, der hier künstlich und massenwirksam erweckt werden soll, steht mit dem Rücken zur Wand, da die Basis der Kirche von den rückständigen römischen Dokumenten nichts mehr wissen will.

Vor lauter Entrüstung und Aufregung gibt man aber dem Dokument und seinem tatsächlichen Inhalt keine faire Chance mehr: man liest mehr hinein an eigenen Vorurteilen, als man an tatsächlichem Inhalt und Wortlaut herausliest. Ob das ein Beitrag zur sonst von gewisser Seite so gern geforderten Dialogkultur in der Kirche ist?

So ist es kürzlich auch der von Papst Johannes Paul II. ausdrücklich mit seiner apostolischen Autorität bestätigten Erklärung der Glaubenskongregation mit dem Namen “Dominus Jesus” ergangen. Nicht nur Exponenten nichtkatholischer christlicher Gemeinschaften wollten darin einen Beweis für römische Arroganz in der Einschätzung der getrennten christlichen Kirchen und Gemeinschaften erkennen, ja selbst wohlbestallte Theologieprofessoren der eigenen Fakultät wollten darin den ach so reaktionären Kirchenkurs Roms erkennen. Wenn man dieses unerfreuliche Lamentieren gegen die eigenen vorgesetzten Hirten so wahrnimmt und sieht, wie sich Theologieprofessoren anmaßen, der vom kirchlichen Lehramt im Namen Christi vorgetragenen Lehre öffentlich zu widersprechen, wird man die jüngst im Rahmen der wohl bekannten Salzburger Turbulenzen von Erzbischof Eder in seinem Hirtenbrief geschriebenen erfreulich deutlichen Worte durchaus verstehen und teilen können, wo er sagt: “An den katholischen Fakultäten der Universitäten lehrten jarzehntelang Professoren, die das katholische Dogma der Eucharistie – und andere katholische Wahrheiten – paralysierten”.

Tatsächlich wird jeder, der die Dokumente des II. Vatikanums selbst gelesen und verstanden hat, feststellen können, daß das erwähnte römische Dokument durchaus in den Bahnen der Lehrdokumente des II. Vatikanums bleibt, was die universale Heilssendung der katholischen Kirche oder die Bewertung der anderen Religionen im Verhältnis zur christlichen Religion, sowie der von der katholischen Kirche getrennten Kirchen und Gemeinschaften im Verhältnis zur katholischen Kirche betrifft. Genau deshalb heißt dieses Dokument auch “Erklärung”, weil es eben verdeutlichen und erklären will, was schon früher und anderswo, in den Lehrdokumenten des II. Vatikanums nämlich und hier vor allem in der Kirchenkonstitution LG, im Dekret über den Ökumenismus und in der Erklärung zu den nichtchristlichen Religionen niedergelegt ist.

Anders aber steht es mit jenem neomodernistischen Konzilsgeist, dem in den letzten Jahrzehnten die sich maßgeblich für eine Erneuerung wähnenden Kräfte in den Teilkirchen gerade in den deutschsprachigen Ländern oft kopflos gefolgt sind und den sie meist gründlich mit dem verwechseln, was das Konzil tatsächlich gelehrt und gewollt hat. Redlicherweise müßte man also sagen: Rom will nicht das Konzil, sondern diesen Konzilsungeist bremsen, der sich allerorten im kirchlichen Leben breit gemacht hat und der den gesunden Glaubensssinn der Katholiken verfälscht und auflöst.

So darf man also von Herzen froh sein, wenn die römische Glaubenskongregation endlich gewisse Interpretationsnormen für die konziliare Lehre über die Kirche erläßt, indem sie eine willkürliche und abweichende Deutung des Konzils im Sinn des neomodernistischen Konzilsungeistes als das entlarvt, was sie tatsächlich ist: ein schleichende Selbstzerstörung der Kirche, mit ungeheurem Schaden für die Einheit der Kirche im wahren Glauben, mit Gefahr für das Seelenheil ganzer Generationen von Katholiken, die den wahren Glauben sich mühsam zusammensuchen müssen, weil sie ihn oft nicht mehr in seiner Gesamtheit und in seiner Integrität dort vernehmen können, wo er ihnen eigentlich angeboten werden müsste: in ihren Pfarren, im Religionsunterricht, in den kirchlichen Druckwerken, in den religiösen Fernsehsendungen usw.

 

1. Gerade im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen und zu den nichtkatholischen Kirchen oder Gemeinschaften hat sich als Folge des Konzilsungeistes ein – wie Dominus Jesus zurecht feststellt – Relativismus weithin breit gemacht, der den heute existierenden Pluralismus im Zusammenleben verschiedener Religionen oder Kirchen auch religiös legitimieren will, indem alle Religionen und alle Kirchen einander in ihrem religiösen Anspruch kurzerhand gleichgestellt werden, so daß es schließlich völlig unerheblich scheint, ob man Katholik ist oder nicht, weil man jede Religion, also auch das Christentum, nur noch als Ausdruck menschlicher Meinung oder Überzeugung im Religiösen ansieht, die natürlich als solche keinen Anspruch auf absolute Geltung und Wahrheit ihrer Lehre erheben kann, will sie nicht als arrogant und rückständig gelten.

Gegen diese Irrlehre, die ins Bewußtsein weiter Kreise eingedrungen ist, stellt nun die römische Erklärung unmißverständlich fest: die göttliche Offenbarung, als Selbsterschließung Gottes an uns Menschen, hat in Jesus Christus, der vom II. Vatikanum “Mittler” und zugleich “Fülle der ganzen Offenbarung” genannt wird, also ihre endgültige und vollständige Ausprägung erfahren, denn – wie es im Joh Ev. heißt – “niemand kennt den Sohn nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will” (Mt 11, 27).

Nur das Christentum ist also Offenbarungsreligion, d.h. es unterscheidet sich grundlegend von jeder anderen Form von Religiosität, da es keine menschliche Meinung über göttliche Dinge darstellt, sondern Gott selbst in endgültiger und vollständiger Weise in der christlichen Lehre Auskunft über sich selbst und seinen Heilswillen gibt. So schätzt Jesus etwa das Petrusbekenntnis in Mt 16, 17 nicht als menschliche Meinung über ihn ein, sondern als dem Petrus geschenkte Offenbarung Gottes: “Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel”.

Dementsprechend ist die Verkündigung des Evangeliums, als Fülle der gesamten, allgemeingültigen religiösen Wahrheit, die uns von oben geschenkt wurde, nicht Ausdruck menschlicher Besserwisserei oder kirchlicher Überheblichkeit, sondern der Offenbarung geschuldete, ernste und bleibende Pflicht der Kirche, bis der Herr wiederkehrt. Diese Pflicht hat der Herr seiner Kirche selbst aufgetragen, wenn er sagt: “Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe” (Mt 28, 20).

So kann es auch keinen Widerspruch zwischen dem missionarischen Aufrtag der Kirche einerseits und dem sogenannten interreligiösen Dialog andererseits geben, ebensowenig wie ein Ersatz der Mission durch den Dialog. Vielmehr ist der interreligiöse Dialog nur ein begleitendes Element im Gesamtunternehmen der missionarischen Sendung der Kirche.

 

2. Damit verbunden ist aber auch oft die Irrlehre, die in Jesus Christus nicht mehr den einzigen und allgemeinen Retter und Heiland der Welt anerkennen will, obwohl doch jede Seite des Evangeliums dieses Bewußtsein Jesu deutlich zum Ausdruck bringt und schon die Urpredigt der jungen Christengemeinde genau diesen Anspruch vor aller Welt erhebt: “Denn in keinem anderen ist das Heil zu finden. Und es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen” (Apg 4, 12). Alle Rettung kommt für uns Menschen durch die Menschwerdung, durch den Tod und die Auferstehung Jesu.

Dieselbe Einzigkeit und Allgemeinheit kommt nun auch der Kirche Jesu Christi und ihrer Heilssendung in der Welt zu. Gerade das II. Vatikanum hat dies unterstrichen, wenn es die Kirche nicht nur als Volk Gottes bezeichnet, wie nach dem Konzil einseitig hervorgestrichen wurde, sondern schon von Beginn der Kirchenkonstitution an “allgemeines Heilssakrament” nennt, so nämlich, daß im Sichtbaren der Kirche uns die unsichtbaren und göttlichen Heilsgaben geschenkt werden. Und so lehrt schon das II. Vatikanum ausdrücklich: “Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt sie (= die heilige Synode), daß diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Der eine Christus ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird; indem er aber mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat (Wer glaubt und sich taufen läßt wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden), hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe, wie durch eine Türe eintreten, bekräftigt. Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollen”.

Die katholische Kirche ist also – und dies nach der Lehre des II. Vatikanums – für jeden Menschen heilsnotwendig, denn nur durch sie wird die ganze Fülle an Wahrheit und Gnade auf Erden niedergelegt und vermittelt, eben weil sie allein – und dies durchaus nach der Lehre des II. Vatikanums – das allgemeine Heilssakrament auf Erden ist.

3. Wird aber nun jeder verdammt, der nicht ausdrücklich und sichtbar zur katholischen Kirche gehört ? Haben die anderen Religionen nur Irrtümer zu bieten ? Besitzen die getrennten nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften nichts mehr am gemeinsamen Erbe der Kirche Christi ?

Die Heilsnotwendigkeit der Kirche meint keineswegs – und dies wurde nicht erst auf dem II. Vatikanum gelehrt, sondern derselben Auffassung war schon der selige Papst Pius IX. – daß jeder, der aus einem gerechten Grund, etwa aus schuldloser Unkenntnis oder weil er eben in einer nichtkatholischen Glaubenstradition aufgewachsen ist und nie die Gnade der Erkenntnis der wahren Kirche erhalten hat und nicht in die Kirche eintritt, automatisch verdammt wäre. Auch er darf auf sein Heil berechtigterweise hoffen. Nur wer schuldhaft und willentlich sich gegen die katholische Kirche entscheidet oder seiner Entscheidung nicht treu bleibt, der muß um sein Heil fürchten.

Auch was die anderen Religionen betrifft, muß man gerechterweise unterscheiden. Zunächst einmal ist das Christentum nicht nur ein beliebiger Heilsweg, neben alternativen anderen der anderen Religionen, wie es irrigerweise gern dargestellt wird, und dagegen nimmt auch die Erklärung Dominus Jesus eindeutig Stellung, sondern das II. Vatikanum stellt eindeutig in der Erklärung zur Religionsfreiheit fest: “Gott selbst hat dem Menschengeschlecht Kenntnis gegeben von dem Weg, auf dem die Menschen, ihm dienend, in Christus erlöst nd selig werden können. Diese einzige wahre Religion , so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche, die von Jesus, dem Herrn den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten” (DH 1).

Andererseits legt das II. Vatikanum eine durchaus gerechte, positive und offene Sichtweise der anderen Religionen vor, indem all das an Wahrem und Gutem gewürdigt wird, was sie tatsächlich enthalten und in dem sie uns auch nahe sind, ohne daß aber vergessen wird, daß daneben auch Irrtümer und Aberglaube in ihren Lehren und Riten zu finden sind.

In diesen wahren und guten Elementen haben auch die anderen Religionen eine gewisse Heilsbedeutung für ihre Anhänger, wenn sie auch stets abgeleitet werden muß von der vollkommenen und vollen Heilsmittlerschaft der Kirche und auf diese hin gerichtet sein muß.

 

4. Zum Verhältnis zwischen katholischer Kirche und getrennten christlichen Kirchen oder Gemeinschaften, lehrt das II. Vatikanum ebenso eine gerechte und differenzierende Sicht.

Nur in der katholischen Kirche bleibt die von Christus gegründete und gewollte Kirche in ihrer ganzen Fülle an Heilsgaben und Einrichtungen in der Welt bestehen. Dies lesen wir in LG 8. Die von ihr getrennten Kirchen und Gemeinschaften konnten aber nur einen Teil jener Güter bewahren, die aus dem ursprünglichen Erbe stammen und die sie nur teilweise als Kirche Jesu Christi erkennbar sein lassen. Dieser Anteil, der nie die volle Einheit umfasst, kann nun größer oder kleiner sein.

Dementsprechend lehrt die Erklärung “Dominus Jesus” in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des II. Vatikanums, daß der Ehrentitel “Kirche” nur jenen getrennten Gemeinschaften vorzubehalten sei, die das gültige Weihesakrament und die gültige Eucharistie besitzen, alle anderen aber seien bloß als “kirchliche Gemeinschaften” zu bezeichnen.

Interreligiöser Dialog und Ökumene zwischen den getrennten christlichen Konfessionen müssen nun dieser Tatsache vollauf und unmißverständlich Rechnung tragen: die wahre und vollkommene Einheit, die das Ziel ist, muß stets von der vollen Einheit der katholischen Kirche her und auf sie hin gesucht werden, die Maßstab und Kriterium für dieses Ziel darstellt. Eine Ökumene einseitiger katholischer Vorleistungen oder subversiver Entkatholisierung setzt genau umgekehrt an und verfehlt das Ziel der vollen Einheit und der allgemeinen Heiligung der Welt. Wahre Ökumene sucht also auszuweiten und zu vertiefen, was es schon an Gemeinsamem gibt und was durch Gebet und Bekehrung wieder gemeinsames Gut aller, auch der von uns getrennten Brüder und Schwestern, werden muß.

So lehrt auch das Ökumenismusdekret des II. Vatikanums ganz klar: “Obgleich nämlich die katholische Kirche mit dem ganzen Reichtum der von Gott geoffenbarten Wahrheit und der Gnadenmittel beschenkt ist, ist es doch Tatsache, daß ihre Glieder nicht mit der entsprechenden Glut daraus leben, so daß das Antlitz der Kirche den von uns getrennten Brüdern und der ganzen Welt nicht recht aufleuchtet und das Wachstum des Reiches Gottes verzögert wird” (UR 4). Während die getrennten Kirchen und Gemeinschaften also auch Irrtümer der Lehre und der kirchlichen Einrichtungen ökumenisch zu überwinden haben, muß die katholische Kirche, in der die Kirche Jesu Christi ohne wesentlichen Defekt und vollständig erhalten geblieben ist, von ihren Gliedern her Umkehr, Gebet und Bemühen erwarten, das von Gott geschenkte auch wirklich zu leben, zum glaubwürdigen Zeugnis der getrennten Christen.

Fassen wir also zusammen: die Erklärung “Dominus Jesus” bleibt auf der Ebene der Kirchenlehre des II. Vatikanums, sie ruft nur in Erinnerung, was von dieser Lehre gemeinhin verschwiegen oder stillschweigend abgeändert wurde. Sie erinnert uns daran, daß die katholische Kirche allein die gesamte Fülle und Vollkommenheit der religiösen Wahrheiten und der Heilseinrichtungen besitzt, die der Heiland zum Heil aller Menschen hinterlassen hat.

Keineswegs will sie uns aber zu hochmütiger Selbstüberhebung vor den anderen Christen oder vor den Nichtchristen anleiten. Sondern unsere Verantwortung um das eigene Heil und das Heil aller Menschen fordert uns umso ernster.

So möchte ich schließen mit jener Mahnung, die wir wiederum in der Kirchenkonstitution des II. Vatikanums finden, wo es heißt: “Alle Söhne der Kirche sollen aber dessen eingedenk sein, daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil” (LG 14).