www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Das Leben in Christus - Geschenk und Anspruch
Eine erste Hinführung zum 3. Teil des „Katechismus der Katholischen Kirche“ (2003)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Beitrag für die Zeitschrift „Gottgeweiht“, Jg. 16, 2003, Nr. 2, S. 37–42

Vorbemerkungen

Wenn jemand die Frage stellt, was denn für das Christ-Sein wesentlich ist und wirklich dazugehört, dann wird man ihm vom katholischen Glaubensstandpunkt aus nicht das Buch von Hans Küng „Christ sein“ empfehlen können, das wenig Katholisches an sich trägt; man sollte vielmehr in erster Linie auf den „Katechismus der Katholischen Kirche“ (= KKK) verweisen, der 1993 in deutscher Sprache erschienen ist und seit 1997 in der authentischen lateinischen Fassung vorliegt, gemäß welcher die landessprachlichen Fassungen zu revidieren sind.[1]

 

Es handelt sich beim sog. „Weltkatechismus“ um kein trockenes Lehrbuch, sondern um ein dem Glauben der Kirche entstammendes und zum katholischen Glauben hinführendes Werk. Es will nicht etwa nur den intellektuellen Aspekt des Glaubens herausstellen, sondern sucht auch der Feier des christlichen Mysteriums, dem Leben aus dem Glauben und dem Gebet breiten Raum zu geben. Approbiert von der höchsten Autorität der Kirche, von Papst Johannes Paul II. in Einheit mit dem Bischofskollegium, ist der „Katechismus der Katholischen Kirche“ ein sicherer und authentischer Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre[2], der sich an alle mit der Weitergabe des Glaubens verantwortlichen Personen richtet (in erster Linie an die Bischöfe, Priester, Diakone und Katecheten), der aber auch für alle anderen gläubigen Christen eine nützliche Lektüre sein soll (KKK 12).

Will man den Katechismus richtig lesen, so darf das nicht rein „informativ“ geschehen, das heißt aus der Perspektive des unbeteiligten Zusehers. Von dort aus wird das Werk zwar nicht ganz ohne Wert für den Leser sein, bietet aber einen Zugang gleichsam nur aus der Distanz und ohne Frucht für das Leben. Einzig sachgemäß ist der Standpunkt des Glaubens, um ein derartiges Dokument des katholischen Glaubens angemessen verstehen und würdigen zu können!

Aufbau und Struktur des Katechismus

Der „KKK“ will in seiner Einheit und Ganzheit angenommen und ins christliche Leben umgesetzt werden:

  1. Grundlegend ist das Glaubensbekenntnis (KKK 26–1065), das ausführlich entfaltet und erklärt wird. Gottes Liebe hat uns erschaffen und erlöst. Wir sind getauft auf den Namen des dreifaltigen Gottes und hoffen in ihm die selige Vollendung in der himmlischen Herrlichkeit zu erlangen.
  2. Die Feier des christlichen Mysteriums (KKK 1066–1690) beinhaltet die Vergegenwärtigung und heilsstiftende Zuwendung alles dessen, was Gott durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist für uns Menschen getan hat. In der Gemeinschaft der Kirche erhalten wir in den Sakramenten und den anderen liturgischen Vollzügen sowie auch in den Übungen der Volksfrömmigkeit Anteil an der Gnadenfülle, die uns der Herr durch Tod und Auferstehung erworben hat.
  3. Das Leben in Christus (KKK 1691–2557) anerkennt diese vielfältigen Gaben Gottes und versucht dem Anspruch gerecht zu werden, der darin liegt. Eben dies gilt es im Folgenden noch näher aufzuzeigen.
  4. Das christliche Gebet (KKK 2557–2865) hält in seinen vielen Formen die lebendige Verbindung mit Gott aufrecht. Wenn der Mensch Gott lobt, empfängt er zugleich Gottes Segen.[3] Sein Leben im umfassenden, auf die ewige Vollendung aus-gerichteten Sinn wird gestärkt.

Beschenkt durch Gottes Gaben

Weit davon entfernt, gleichsam mit erhobenem Zeigefinger dem nach Halt und Orientierung suchenden Christen sowie dem fragenden Menschen gegenüberzutreten, bietet der „Katechismus“ in seinem 3. Teil, der sich mit dem „Leben in Christus“ befasst (KKK 1691–2557), keineswegs eine Abhandlung von Moral nach Art einer „Standpauke“ oder vom isolierten Standpunkt eines Leistungschristentums aus, sondern es geht vor allem darum, den unerschöpflichen Reichtum des Geheimnisses Christi aufzuzeigen, wie es sich uns in seiner Fülle geoffenbart hat und im Glauben und im sakramentalen Leben der Kirche ständig präsent bleibt. Aus diesem Reichtum des Geheimnisses Christi leben wir, und ihm verdanken wir uns. Darum gilt: Primär sind wir Beschenkte, noch bevor Gott irgend etwas von uns fordert! Ihm verdanken wir das Leben, unser ganzes Sein. Alle natürlichen Kräfte und noch mehr unsere übernatürliche Befähigung und tatsächliche Begnadung ist von Gott geschenkt. Es heißt deshalb – in einem richtigen Sinn verstanden – zuallererst nicht „Du sollst!“, sondern „Du kannst! – Du darfst!“[4]

Berufen zur Verantwortung

Freilich sind uns die wunderbaren Gaben Gottes in Natur und Gnade nicht dazu anvertraut, dass wir sie achtlos beiseite schieben oder in ihrem von Gott gestifteten Sinngehalt verkehren und missbrauchen. Als freie Wesen, mit Vernunft und Gewissen ausgestattet, sind wir in eine lebendige Verantwortung gerufen: vor uns selbst, gegenüber der Mit- und Umwelt, vor allem aber gegenüber Gott dem Herrn, der in der Taufe in einer ganz einzigartigen Weise unser Vater geworden ist. Dieses Verantwortungsverhältnis ist nicht bedrückend und einengend, sondern befreiend. Von daher wird eigene Tätigkeit nicht verhindert, sondern geradezu erst ermöglicht. Es ist die Freiheit zum Guten, die uns vom Gott der Liebe geschenkt ist; wir dürfen sie nicht als Vorwand für Zügellosigkeit missbrauchen. Denn dann verliert die Freiheit ihren Sinn, und wir würden erneut „Sklaven der Sünde“, von der uns Jesus Christus befreit hat.[5]

Eben diesen Zusammenhang drückt der Katechismus sehr gut aus, wenn es in Nr. 1709 heißt: Wer an Christus glaubt, wird Kind Gottes. Diese Annahme an Kindes Statt gestaltet den Menschen um und lässt ihn dem Vorbild Christi folgen. Sie befähigt ihn, richtig zu handeln und das Gute zu tun. In Vereinigung mit seinem Erlöser gelangt der Jünger zur Vollkommenheit der Liebe, zur Heiligkeit. Das sittliche Leben, in der Gnade gereift, weitet sich in der Herrlichkeit des Himmels zum ewigen Leben.

In der Nachfolge Christi der ewigen Vollendung entgegen

Auf diese Weise gestaltet sich das sittliche Leben des Christen als Weg der Nachfolge Christi. Ihn nachzuahmen bedeutet nicht, all das und genau das tun zu müssen, was der Herr in seiner einzigartigen Liebe und Hingabe für uns und um unseres Heiles willen getan hat. Hier wären wir zweifellos überfordert. Nachfolge Christi schließt aber sehr wohl das Bemühen mit ein, sich die innersten Gesinnungen Christi zu eigen zu machen. Es geht darum, daß wir unser Herz nach seinem Herzen bilden lassen und ihm immer ähnlicher werden. Er, der wahre Gott und wahre Mensch, ist unser Vorbild geworden. Er, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen, ist unser wahrer Weg und zugleich unser ewiges Ziel, da der Erlöser uns in seiner heiligsten Menschheit einführt in das innerste Geheimnis des dreifaltigen Gottes. Dieses göttliche Leben tragen wir bereits in uns durch die heiligmachende Gnade. Das Leben mit Gott will sich entfalten und bewähren hier auf Erden, es soll sich vollenden in der ewigen Schau Gottes von Angesicht zu Angesicht.

Eben darum geht es in der christlichen Morallehre: Zu zeigen, was Gott Großes an uns getan hat, der uns befähigt, als Kinder Gottes zu leben. Wir sind nicht mehr der Sünde ausgeliefert, sondern wir dürfen das Gute lieben und sollen es tun. In aller eigenen Schwachheit und Hinfälligkeit, ja Versuchtheit und faktischen Unterlegenheit unter so manche Sünde haben wir einen Beistand und einen Fürsprecher beim Vater im Himmel: Christus den Herrn!

Zu welch großer Fülle des Lebens in der Gnade und Herrlichkeit wir berufen sind, leuchtet der ganzen Kirche und jedem einzelnen Christen in der heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria auf, dem „Höchstfall der Erlösung“. In ihr ist das Leben mit Christus und aus der Kraft des Erlösers zur Vollendung gelangt. Sie vermag uns aufzuzeigen, wie wir Jesus, ihrem Sohn, stets besser und inniger nachfolgen können.

Auf die bleibende Frage, die der Mensch sich selber stellt, ja die er gleichsam selber ist, kann es nur eine letzte und umfassende Antwort geben: Wir finden sie bei IHM, dem menschgewordenen Sohn Gottes. IHM sollen wir stets neu unser Leben anvertrauen. Dann wird es gute Frucht bringen für Zeit und Ewigkeit.

In diesem Sinn gibt der Katechismus den Gläubigen Wegweisung für das sittliche Leben. Der erste Abschnitt des dritten Teils entfaltet in allgemeiner Weise die „Berufung des Menschen“, nämlich das „Leben im Heiligen Geist“ (KKK 1699–2051). Der zweite Abschnitt wendet sich ganz konkret den „Zehn Geboten“ Gottes zu (KKK 2052–2557). Diese unsere Einführung soll auf die weitere Lektüre und Darstellung vorbereiten.

 

 


 

[1] Katechismus der Katholischen Kirche, München-Wien-Leipzig-Freiburg/Schweiz-Linz 1993. – Catechismus Catholicae Ecclesiae, Città del Vaticano 1997; .

[2] Johannes Paul II., Apostolische Konstitution „Fidei depositum“ zur Veröffentlichung des „Katechismus der Katholischen Kirche“, der im Anschluß an das Zweite Vatikanische Konzil verfasst wurde, 11. Oktober 1992, Nr. 4.

[3] Dies drückt das lateinische Wort „benedicere“ in seiner Doppelbedeutung von (Gott) „loben, preisen“ sowie (die Menschen) „segnen“ aus.

[4] Zum Verhältnis von Gabe (Gnade) und sittlicher Aufgabe vgl. auch Johannes Paul II., Enzyklika „Veritatis Splendor“ über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre, 6. August 1993, Nr. 22–24.

[5] Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen! (Gal 5,1)