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Der Mensch als Mann und Frau
Moraltheologische Aspekte (16. November 1996)

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Vortrag am 16. November 1996

1. Grundlegendes zur Thematik der Geschlechterbeziehung

Das Thema der geschlechtlichen Ausprägung des einen Menschen in Mann und Frau wurde bereits aus philosophisch-anthropologischer und dogmatischer Sicht beleuchtet:

Die sexuelle Differenzierung des Menschen in Mann und Frau ist von der Schöpfungsordnung her eine gottgewollte Grundkonstante des Menschseins und darum in sich gut. Beide – Mann und Frau – sind von Gott nach seinem Bild erschaffen (vgl. Gen 1,27). Wahres Menschsein hat diese Grundgegebenheit menschlicher Existenz zu erkennen, anzunehmen und zu entfalten.[1]

In der Heilsordnung, die Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist begründet hat, erfährt die schöpfungsmäßige Zuordnung von Mann und Frau ihre Bestätigung und Vertiefung. Dies zeigt sich in besonderer, doch nicht in ausschließlicher Weise in der sakramentalen Heiligung der schon in der Schöpfungsordnung begründeten Ehe.[2]

Für unsere weiteren Überlegungen, die einige ethisch-moraltheologische Aspekte der gottgewollten Zuordnung von Mann und Frau herausstellen wollen, ist es wichtig festzustellen:

Das rechte Handeln und Verhalten des Menschen muß sich am Sein des Menschen orientieren, so wie es grundgelegt ist in der Ordnung der Schöpfung und des Heiles, gemäß dem Axiom: „Agere sequitur esse“ (Das Handeln oder Wirken folgt dem Sein). Andernfalls wäre menschliches Tun keine Vervollkommnung des Menschen, sondern ein seinsmäßiger Abfall, eine Abwendung vom Guten, theologisch gesprochen „Sünde“.

Dann aber gilt für die rechte sittliche Ordnung der Geschlechterbeziehung, daß schon im Sein des Menschen als Mann und Frau seine Berufung, Fähigkeit und Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft gründen.[3]

2. Annahme des eigenen Geschlechtes
und Respekt vor der Würde der andersgeschlechtlichen Person

Der Mensch als sittliches Wesen wurde von Gott mit Freiheit ausgestattet. Diese ruft ihn auf, zu sittlichen bedeutsamen Werten Stellung zu nehmen. Die geschlechtliche Differenzierung des Menschseins in Mann und Frau ist ein solcher sittlich bedeutsamer Wert. Die rechte sittliche Einstellung dazu kann nur sein, diese gottgewollte Ausprägung des Menschseins voll und ganz zu bejahen.

Bevor ich aber die andere Person in ihrem Dasein und Sosein annehmen kann, muß ich mich zuerst selber angenommen haben, wie mich Gott erschaffen hat, nämlich als Mann oder Frau. Es ist daher wichtig, ein gesundes Selbstbewußtsein zu haben, das in der Überzeugung von der menschlichen Würde gründet, die Gott der Schöpfer und Erlöser dem Menschen als Mann oder Frau verliehen hat. Zugleich ist es nötig, den anderen Menschen nicht als Einschränkung meiner Freiheit zu sehen, sondern ihn zu bejahen, und zwar so, wie er ist. Wir sollen also die Personwürde des Mitmenschen anerkennen und respektieren, gerade auch in der besonderen geschlechtlichen Ausprägung als Mann und Frau. Mann und Frau haben beide dieselbe Würde. Zugleich ist die Verschiedenartigkeit beider in diesem ihren gemeinsamen Menschsein anzuerkennen.[4]

3. Allgemein: Geschlechtliche Prägung im menschlichen Leben

Das menschliche Leben gestaltet sich als ein Feld verschiedenartiger personaler Begegnungen und Beziehungen. Diese sollen auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts der Menschen voreinander und der Nächstenliebe aufgebaut werden.

In unserem Leben soll und darf das Mann-Sein oder Frau-Sein nicht verleugnet werden. Die gelebte Geschlechterdifferenz trägt dazu bei, den Reichtum der Personen zu entfalten. In der Verschiedenheit der Geschlechter liegt ja gerade eine wesentliche Voraussetzung für die Verbindung der Menschen zu personaler Gemeinschaft.[5] So ist „die Liebe ... die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen.“[6]

Unerläßlich für die Beziehungen der Menschen zueinander ist die Tugend der Keuschheit. Die Tugend der Keuschheit integriert die Geschlechtlichkeit (das Mann- und Frau-Sein also) in die eigene Person sowie in die wechselseitige Hingabe der Personen.[7] So ist die Keuschheit gleichsam ein „Immunsystem der Liebe“.[8] Sie trägt dazu bei, daß die menschliche Liebe in ihrem eigentlichen Wesen bewahrt und geschützt wird. Die hauptsächlichen Wurzeln ihrer Gefährdung sind Hochmut und Begierlichkeit. Um daher zur Tugend der Keuschheit zu gelangen, sind Selbstbeherrschung und Mäßigung unerläßlich. Die Selbstbeherrschung aber ist auf die Selbsthingabe hingeordnet. So entfaltet sich die Tugend der Keuschheit in der Freundschaft. „Freundschaft zwischen Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechtes ist etwas sehr Wertvolles für alle. Sie führt zu einer Gemeinschaft im Geist.“[9]

Letztes Vorbild für uns Christen ist das Leben Jesu Christi selbst: In seiner Nachfolge sollen wir menschliche Beziehungen in gegenseitiger Achtung, Freundschaft und Liebe gestalten. Die Evangelien enthalten unzählige Beispiele, wie Jesus auf die Menschen zugeht und sie annimmt, gerade auch in ihrer leib-seelischen Schwäche und Not. Er ist der Heiland, der Krankheiten und Gebrechen heilt und die Sünden vergibt. Jeder Mensch wird von ihm ernst genommen und erfährt seine Zuwendung. Dabei zeigt Jesus auch Frauen gegenüber ein natürliches und darum allzu starre Regeln seiner Zeit sprengendes Verhalten.[10]

4. Die Ordnung der ehelichen Liebe nach Gottes Plan

Die Ziele der Ehe

„Ehe und Familie sind auf das Wohl der Gatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet.“[11] Mit diesen knappen Worten gibt der „Katechismus der Katholischen Kirche“ eine wesentliche Bestimmung des von Gott schon in der Schöpfungsordnung begründeten und von Christus sakramental geheiligten Bundes der Ehe. Die wichtigsten Werte oder Ziele der Ehe sind demnach das Wohl der Gatten sowie das Wohl ihrer Kinder.

Es hat in der Vergangenheit in der Kirche eine gewisse Tendenz zur Hintanstellung der ehelichen Liebe gegenüber der Verpflichtung zur Zeugung von Nachkommen gegeben.[12] Dies ist nicht zuletzt durch das 2. Vatikanische Konzil wieder zurechtgerückt worden. In der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ formulierten die Konzilsväter: „Die Ehe ist aber nicht nur zur Zeugung von Kindern eingesetzt, sondern die Eigenart des unauflöslichen personalen Bundes und das Wohl der Kinder fordern, daß auch die gegenseitige Liebe der Ehegatten ihren gebührenden Platz behalte, wachse und reife.“[13]

Wohl der Gatten und gegenseitige Liebe

Wenn also das Wohl der Gatten gefördert werden soll, so kann dieses nur durch eine treue und unauflösliche eheliche Liebe erzielt werden. Es genügt nicht, nur auf die Forderungen der Gebote Gottes hinzuweisen, sondern zu allererst ist der Blick auf Jesus Christus zu richten. Er hat seine Kirche geliebt und sich für sie hingegeben bis in den Tod.[14] Seine Liebe ist unwiderruflich, trotz der Untreue vieler Menschen.

An dieser seiner Liebe muß jede menschliche Liebe und besonders die eheliche Liebe Maß nehmen. Denn die Ehe ist sakramental ein Abbild der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche.[15] Die Ehe der Getauften ist „Realsymbol des neuen und ewigen Bundes, der im Blut Christi geschlossen wurde. Der Geist, den der Herr ausgießt, macht das Herz neu und befähigt Mann und Frau, einander zu lieben, wie Christus uns geliebt hat.“[16] Wie Christus seine Kirche nicht verläßt, sollen auch die Ehepartner einander ein ganzes Leben lang die Treue bewahren. Dies kann unter Umständen heroische Opfer erfordern.

Es ist nicht zulässig, auf jene, die diesen hohen Ansprüchen des christlichen Eheideals nicht genügen, mit Steinen zu werfen.[17] Andererseits darf das Scheitern vieler ehelicher Beziehungen nicht dazu führen, die von Jesus Christus[18] und seiner Kirche[19] verkündete Treue und Unauflöslichkeit des ehelichen Bundes zu verdunkeln oder in Frage zu stellen. Letztlich kann nur eine immer wieder erneuerte Verbundenheit mit Gott durch Gebet und Sakramente die Kraft geben, aus dem Glauben heraus eine christliche Ehe zu führen, gerade in schwierigen Situationen.

Sexualität als Sprache der Liebe

In der ehelichen Liebe hat natürlich die Sexualität eine wichtige Bedeutung. Als Sprache der Liebe geht sie weit über das rein Biologische hinaus, denn sie „betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher.“[20] So sind gerade die ehelichen Akte, „durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, ... von sittlicher Würde“.[21] Um ein wirklicher Ausdruck der Liebe zu sein, müssen sie human vollzogen werden, d.h. in gegenseitiger Ehrfurcht und aus Liebe, nicht bloß aus reiner Lust zur gegenseitigen Triebbefriedigung[22] oder zur Bestätigung eines Machtgefühls.

Gerade in der leiblichen Vereinigung der Gatten verwirklicht sich der doppelte Sinn oder Zweck der Ehe: Das Wohl der Gatten wird durch den Ausdruck der Liebe gefördert, aber ebenso die Weitergabe des Lebens in der Zeugung von Kindern.

Kinder als Krönung ehelicher Liebe

Dabei genügt es, wenn der einzelne eheliche Akt grundsätzlich offen ist für die Zeugung von Nachkommen. Das heißt, es dürfen vonseiten des Menschen keinerlei manipulative Eingriffe in den Ablauf und die Auswirkungen des ehelichen Aktes vorgenommen werden.[23] Der von Gott dem Schöpfer dem ehelichen Akt eingestiftete unlösliche Zusammenhang von liebender Vereinigung und Fortpflanzung darf nicht eigenmächtig zerrissen werden. Daher sind sowohl die künstliche Verhütung als auch die künstliche Befruchtung abzulehnen. Verhütung möchte – plakativ formuliert – Sex ohne Kindeszeugung, künstliche Befruchtung zielt auf Kindeszeugung ohne Sex! Der kirchlichen Lehre entspricht am besten die natürliche Empfängnisregelung (NER).

Denn die Kirche lehrt ja nicht, es sei unter allen Umständen besser, möglichst viele Kinder zu haben, sondern die Ehepartner müssen sich selber im Angesicht Gottes prüfen und dann gemäß ihrem Gewissen über die Zahl der Kinder entscheiden.[24] Freilich dürfen sie dabei keine Wege beschreiten, die die Kirche in ihrer Auslegung des Sittengesetzes als unerlaubt verwirft.[25] Und auch das ist zu betonen: Eheleute, denen Gott Kindersegen verwehrt, können dennoch ein menschlich und christlich sinnvolles und erfüllendes Eheleben führen.[26] Es gibt nämlich auch die Berufung zu geistiger Vater- und Mutterschaft, die in einer analogen Weise auch für zölibatär lebende Menschen gilt. Dies auszuführen würde jedoch den hier vorliegenden Rahmen überschreiten.

Plädoyer für die Familie

In der heutigen Zeit soll ausdrücklich betont werden: Die Ehe ist der Ort, wo das menschliche Leben seinen ersten und besten Schutz erfahren soll. Kinder sind die Frucht der Liebe von Mann und Frau. Ihr Leben ist den Ehepartnern anvertraut, um es zu erhalten und in seiner Entwicklung zu fördern. Die Eheleute sollen daher alle Gefahren für Leib und Leben des Kindes fernhalten und bei der Erziehung auch schädliche Einflüsse für das geistige Leben der Kinder auszuschließen suchen. Gesellschaft und Kirche müssen wieder von den Familien her erneuert werden. Gerade in der Familie ist der erste Ort, die grundlegenden sozialen Beziehungen zu erlernen und zu gestalten. Wir brauchen wieder eine Kultur der Liebe und des Lebens. Wir alle sollen den jungen Familien dabei helfen durch unsere Unterstützung und liebevolle Annahme und auch durch unser Gebet!


[1] Vgl. das Referat von Michael Stickelbroeck, Der Mensch als Mann und Frau. Anthropologische Aspekte (noch nicht publiziert).

[2] Vgl. das Referat von Karl Wallner, Der Mensch als Mann und Frau. Dogmatische Aspekte (noch nicht publiziert); vgl. auch ders., Und Gott schuf Mann und Frau, in: Familie – ein „Feuerherd“ der Liebe. Dokumentation der Familienkongresse in Österreich im „Jahr der Familie“ 1994, Wien 1995, 61–64.

[3] Vgl. Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nr. 11.

[4] Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche (= KKK), Nr. 369 ff.

[5] Vgl. Andreas Laun, Katholische Kirche und Feminismus – ein Überblick, in: Kirche heute, Nr. 9/1996, 13.

[6] Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nr. 11.

[7] Vgl. KKK 2237 ff.

[8] Vgl. Andreas Laun, Liebe und Partnerschaft aus der Sicht der katholischen Kirche, Eichstätt 1994 , 22 ff.

[9] KKK 2347.

[10] Vgl. z.B. Joh 4,27 (Gespräch Jesu mit der Samariterin), Mt 9,20–22 (Heilung einer blutflüssigen Frau), Lk 7,36–50 (Begegnung mit einer öffentlichen Sünderin), Lk 8,2 f (Frauen als Begleiterinnen Jesu); Mt 28,1–10, Lk 24,1–10, Joh 20,11–18 (Frauen als erste Zeugen der Auferstehung).

[11] KKK 2201.

[12] Vgl. Andreas Laun, Gedanken zur Lehre von den „Ehezwecken“, in: ders., Fragen der Moraltheologie heute, Wien 1992, 221–226.

[13] 2. Vatikanische Konzil, Gaudium et spes, Nr. 50,3.

[14] Eph 5,25 f: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen.“

[15] Vgl. Eph 5,32: „Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“

[16] Vgl. Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nr. 13.

[17] Vgl. Joh 8,3–11.

[18] Vgl. Mt 19,9; Mk 10,2–12; Lk 16,18.

[19] Vgl. KKK 2384: „Die Ehescheidung mißachtet den Bund des Heiles, dessen Zeichen die sakramentale Ehe ist. Das Eingehen einer, wenn auch vom Zivilrecht anerkannten, neuen Verbindung verstärkt den Bruch noch zusätzlich. Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch.“

[20] Johannes Paul II., Familiaris consortio, Nr. 11.

[21] Gaudium et spes, Nr. 49,2. Vgl. Hebr 13,4: „Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden, und das Ehebett bleibe unbefleckt ...“

[22] Vgl. Johannes Paul II., Die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan. Katechesen 1979–1981, hg. von Norbert und Renate Martin, Vallendar-Schönstatt 1985, 223 ff..

[23] Daher „ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“ – Paul VI., Humanae vitae, Nr. 14.

[24] Vgl. Gaudium et spes, Nr. 50,2; siehe ausführlich: Deutsche Bischofskonferenz (Hg.), Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Bd 2: Leben aus dem Glauben, Freiburg 1995, 360 ff.

[25] Vgl. Gaudium et spes, Nr. 51,3.

[26] Vgl. Gaudium et spes, Nr. 50,3; KKK 2379.