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Rom hat das Image der Barmherzigkeit verloren
Zur Pensionierung rechnet der österreichische Kirchenmann in bislang einzigartiger Weise mit der Amtsführung des Papstes ab

Reinhold Stecher

Hinweis/Quelle: Auszüge des Briefes („Süddeutsche Zeitung“, 13.12.97, Politik)

Da ich mir einmal vorgenommen habe, kirchenkritisch notwendige Dinge nicht als „mutiger Pensionist“, sondern im Amt zu sagen, komme ich nicht daran vorbei, zu diesem Dekret einige Gedanken zu äußern, bevor ich den Stab weitergebe. Nicht so sehr zu den Details. Es gibt nun einmal den mit der Vollmacht der Eucharistie ausgestatteten Priester – und diese Vollmacht kann sich niemand nehmen oder von unten her bestätigen lassen. Wenn es zwar noch gelingt, von irgendwoher einen alten Priester für die Eucharistie „einzufliegen“, dann ist schwer einzusehen, daß man einem theologisch voll ausgebildeten und menschlich-spirituell geeigneten Gemeindemitglied verbieten muß, in der Eucharistiefeier eine Predigt zu halten Niemand in den Gemeinden versteht ein derartiges Verbot, wenn die Alternative das Nichts ist.

Und hiermit stehe ich bei meinem eigentlichen Bedenken gegen dieses wiederum nur restringierende Dekret, das den Laien höchstens als widerwillig zugelassenen Notnagel für ein paar Funktionen sieht, wenn’s halt gar nicht anders geht. Mein Bedenken liegt in dem „Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen“ der pastoralen Situation bei uns und in vielen, ja den meisten anderen Ländern der Erde – und dem „Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen“ der theologischen Bedeutung der Eucharistie für die christliche Gemeinde und die Kirche. Das genannte Dekret über die Laien begnügt sich also mit der Verteidigung der klerikalen Vollmachten, Würden und Standesrechte. Das Heil der Gemeinden bleibt völlig aus dem Spiel.Dem Festhalten an diesem Amtsbegriff, der eben so nicht aus der Offenbarung erwiesen werden kann, wird alles geopfert. Ich habe in Frankreich Priester, müde und resignierte Priester kennengelernt, die sieben bis zehn Pfarreien herumrasend „betreuen“. Der Stand der kleinen Frontpfarrer wird von der bischöflichen Würde ebenso ferngehalten wie von jeder Mitsprache in diesem Bereich. Nach unten begnügt man sich bestenfalls mit verständnisvollen Seufzern und einer bewegten Klage über fehlende christliche Familien, die eben zölibatäre Berufe in genügender Anzahl zu fabrizieren hätten. Und weiter oben begnügt man sich mit der Zementierung vorhandener Ordnungen wie im vorliegenden Dekret. Das Bestürzende liegt darin, daß die derzeitige Kirchenleitung einfach ein theologisches und pastorales Defizit aufweist, so peinlich das zu sagen ist. Das Amt in der Kirche ist von seinem biblischen Verständnis her ein dem Heile dienendes Amt und kein sakraler Selbstzweck, dem es völlig gleichgültig sein kann, ob Millionen und Abermillionen von Christen überhaupt je die Möglichkeit haben, heilsstiftende Sakramente zu empfangen und die Mitte ihrer Gemeinschaft, die biblisch und dogmatisch die Eucharistie ist, in einer menschlich erlebbaren Weise zu pflegen. Die Tendenz, menschliche Ordnungen und Traditionen höher zu werten als den göttlichen Auftrag, ist das eigentlich Erschütternde an manchen Entscheidungen unserer Kirche am Ende dieses Jahrtausends.

Am bedenklichsten ist für mich nach wie vor in dieser Frage der Mißachtung göttlicher Weisungen der Umgang mit Priestern, die geheiratet haben. Aus eigener Anschauung weiß ich, daß Gesuche, die der Bischof mit dringenden, pastoral und menschlich begründeten Bitten einreicht, zehn Jahre und mehr gar nicht angeschaut werden. Auch hier gibt es nur das unbarmherzige Nein. Und nun wiederum: Was hat der Herr gesagt? Hat er nicht dem Petrus persönlich eingeschärft, daß er nicht siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal am Tage verzeihen sollte? Diese Stelle scheint in römischen Dekreten nie auf. Alle die, die da so ihre Liebe zum Papst betonen und sich als die Papsttreuen belobigen lassen – müßten sie angesichts der Worte des Weltenrichters nicht erschrecken, wenn ein Papst mit Tausenden von abgelegten Gesuchen und Bitten um Versöhnung stirbt? Ist nicht theologisch evident, daß die Verweigerung von Verzeihung und Versöhnung die viel größere Sünde ist als die Verletzung des Zölibats? Nimmt man etwa an, daß in der Ordnung des Weltenrichters Schreibtischtäter besser fahren als Detailsünder?

Auch hier zeigt sich diese immer wieder auftauchende Tendenz, die Weisung Jesu kirchlichen Verwaltungspraktiken und menschlicher Autoritätsausübung unterzuordnen. In diesen Vorgangsweisen liegt auch die eigentliche Einbuße der päpstlichen Autorität. Denn diese für die Kirche so notwendige Autorität leitet ihr Gewicht nur von der Übereinstimmung mit Christus her, wie es ja auch im innersten Wesen der Unfehlbarkeit zum Ausdruck kommt. Aber die Geschichte lehrt, daß auch die Praxis des höchsten Amtes von der Sache Jesu abirren kann. Und ich weiß, daß viele Priester und Laien, die ihr Christsein ernst nehmen, unter diesen Widersprüchen leiden und sich nach einem Papst sehnen, der in dieser Zeit vor allem die Güte verkörpert. So wie das derzeit ist, hat Rom das Image der Barmherzigkeit verloren und sich das der repräsentativen und harten Herrschaft zugelegt. Mit diesem Image wird die Kirche im 3. Jahrtausend keinen Stich machen – da ändern pompöse Milleniumsfeiern mit vielen schönen Worten gar nichts.

Auch wenn ich diese in die pharisäische Auseinandersetzung der Schrift hineinreichenden Defizite beim Namen nenne, nehme ich von meiner Hoffnung auf das Walten des Geistes und die Zukunft der Sache Jesu nichts zurück. Aber die Sensibilisierung für die wahren Intentionen muß in unserer Kirche deutlicher werden. Das Abirren von solchen Grundsätzen hatte in der Vergangenheit schwerwiegende Folgen.