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Seligsprechung von Charles de Foucauld

Werner Schmid

Hinweis/Quelle: Das folgende (fiktive) Interview ist in der unserer Zeitschrift „St. Josef“ / Heft 9 erschienen.

Charles Vicomte de Foucauld, der moderne „Wüstenheilige“ war zuerst französischer Offizier, Marokkoforscher und Trappist, er empfing 1901 die Priesterweihe, lebte unter den Tuareg in der Sahara und wurde am 1. Dezember 1916 ermordet. Sein Grab wird von Christen und Mohammedanern viel besucht.

STJosef: Sie sind gebürtiger Franzose und Priester, waren Einsiedler und Sahara-Missionar und gelten als der Gründer der „Kleinen Brüder Jesu“.

Bruder Karl: Man muß dazu sagen, ich habe das erhofft, aber selbst nicht mehr erlebt. Die Kongregation entstand erst nach meinem Tod. Erst mußte das Weizenkorn in die Erde fallen und sterben, um reiche Frucht bringen zu können.

STJosef: Und wie reich ist diese Frucht geworden?

Bruder Karl: Heute umfaßt die Kongregation der „Kleinen Brüder Jesu“ weltweit 89 Niederlassungen mit über 300 Mitgliedern.

STJosef: Was hat sie damals veranlaßt, eine solche Kongregation anzustreben?

Bruder Karl: Sie müssen sich vorstellen: für die ganze Sahara, die etwa zehnmal so groß ist wie Frankreich, standen nur 10–15 Priester zur Verfügung und die waren alle auf zwei Orte verteilt. Und das Stückchen Sahara, das ich allein urbar machen sollte, maß von Norden nach Süden 2000 km und von Westen nach Osten 1000 km. In diesem Raum verstreut lebten 100 000 Mohammedaner, kein einziger Christ, ausgenommen die auf das ganze Gebiet verteilten etwa 80–100 Mann des französischen Militärs.

STJosef: So blieben Sie also in den 15 Jahren ihres Wüstenaufenthaltes allein. Haben Sie dabei jemand bekehrt?

Bruder Karl: Ich habe keine ernstzunehmende Bekehrung zuwege gebracht. Nur zwei Taufen, ein ganz kleines Kind und eine arme, blinde alte Frau. Je weiter ich herumgekommen bin, desto fester kam ich zu der Überzeugung, daß es im Augenblick keinen Sinn hatte, sich um die Bekehrung einzelner zu bemühen, denn die Bindung an den islamischen Glauben ist zu stark.

STJosef: Hat Sie das nicht entmutigt?

Bruder Karl: Liebe verlangt Geduld. Meine Aufgabe war das stille Zeugnis. Das rote Herz mit dem Kreuz auf meinem Habit – das ist das sichtbare Symbol meiner Missionsarbeit. Ich wollte ihnen zeigen, daß unsere Religion eine Religion der Liebe ist. Ich wollte nicht durch das Wort missionieren, sondern vor allem durch die Gegenwart des Allerheiligsten Altarsakramentes, die Darbringung des heiligen Opfers, durch Gebet, Buße und Nächstenliebe.

STJosef: Ihre ersten Jahre verbrachten Sie im Süden Oraniens, in der Oase Beni-Abbès, nahe der marokkanischen Grenze, wo es auch eine Garnison gab und wo Sie ihre erste Fraternität errichteten. War das vergleichbar mit einer Art Missionsstation?

Bruder Karl: So könnte man sagen. Aber ein Ein-Mann-Betrieb, der mich von früh bis spät forderte.

STJosef: In welcher Weise?

Bruder Karl: Neben dem Gebet, für das ich mir viel Zeit nahm, wollte ich einfach für alle da sein. Jeden Abend kamen Soldaten in die Kapelle zum Abendgebet. Tagsüber erschienen die Sklaven und Reisenden in großer Zahl, ich verteilte Arzneien, gab Almosen, kümmerte mich um die Bettler – oft 50, 60, 70 pro Tag! Und schließlich gab es auch die Kinder, die täglich in Scharen zu mir kamen.

STJosef: Ein gewaltiges Sozialprogramm.

Bruder Karl: Gewiß, und dazu das verbreitete Übel der Sklaverei. Aber noch viel größer war die geistige Not. Wobei ich auch an die anderen Gebiete ringsum dachte, die ebenfalls niemanden hatten, etwa an Marokko. Welch tiefe Nacht und welch ein Schleier über dem ganzen Land: Ohne Priester und ohne Tabernakel, wo Weihnachten ganz ohne Messe vorübergeht und ohne daß ein Herz zu Jesus betet! Ich hatte bereits Pläne für eine Mission in Marokko, aber dafür fanden sich keine Helfer.

STJosef: Aber schließlich verließen Sie doch ihren bisherigen Stützpunkt.

Bruder Karl: Der Apostolische Präfekt der Sahara P. Guérin fragte mich, ob ich bereit wäre, um des Evangeliums willen über Beni-Abbès hinauszugehen. Und so verließ ich die Oase, um 700 km tiefer in den Süden zu ziehen, ins Hoggar-Gebiet nach Tamanrasset und dort eine zweite Fraternität zu errichten.

STJosef: Hatten Sie keine Angst, ohne Schutz, allein, fernab jeder Zivilisation unter diesen kriegerischen Stämmen der Tuaregs zu leben?

Bruder Karl: In Tamanrasset gab es kein Militär, gewiß. Aber im übrigen ist es besser für uns, IHN als Wächter zu haben als alle Soldaten der Erde.

STJosef: Und das Schweigen, die Einsamkeit, ohne Gefährten – wie hielten Sie das aus?

Bruder Karl: Ich habe daran nicht gelitten, sondern fand sie sehr wohltuend und liebenswert. Ich hatte das Allerheiligste, den besten aller Freunde, zu dem ich Tag und Nacht sprechen konnte; ich hatte die heilige Jungfrau und den heiligen Josef und alle Heiligen: Ich war glücklich, und mir mangelte nichts.

STJosef: Hat ihre Gegenwart bei den Tuaregs etwas Gutes bewirkt?

Bruder Karl: Ich hoffe es. Die Gegenwart des Allerheiligsten aber tat es gewiß in hohem Maße: Jesus kann nirgends sein ohne auszustrahlen.

STJosef: Sie erwarten sehr viel von der heiligsten Eucharistie.

Bruder Karl: Es war immer meine Überzeugung: Die Anbetung der göttlichen Hostie bereitet alles vor.

STJosef: Auch eine kommende Bekehrung der Muslime?

Bruder Karl: Ja. Deshalb bestand darin meine erste Aufgabe, Jesus in ihre Mitte zu stellen: Jesus im Allerheiligsten Sakrament des Altares, Jesus, der jeden Tag im heiligen Messopfer herniedersteigt. Sie bestand auch darin, ein Gebet in ihre Mitte zu stellen, das Gebet der Kirche, so erbärmlich der, der es darbrachte, auch war.

STJosef: In Ihren Aufzeichnungen sprechen Sie oft von der Schönheit Gottes und von der vertrauten Nähe zu Jesus als dem über alles geliebten Du. Können Sie uns darüber noch etwas sagen?

Bruder Karl: Gott ist schöner, als wir es uns ausdenken könnten.

STJosef: Woher wissen Sie das?

Bruder Karl: Die Spur in der Schöpfung ist Beweis genug. Als ich in Tamanrasset war, erbaute ich mir 60 km entfernt auf dem Bergplateau des Assekrem, wo die Tuaregs ihre Ziegen weideten, in 2700 m eine Einsiedelei. Sie können sich nicht vorstellen, welch herrliche Aussicht auf das Hoggar-Gebirge! Durch die Schönheit des Geschauten wird die Seele zum Schöpfer erhoben, und die prächtigen Sonnenuntergänge ließen mich jedes Mal an den Abend des Lebens denken und an den Frieden in der Ewigkeit.

STJosef: Und das geliebte Du Gottes?

Bruder Karl: Wartet immer auf uns. Wir haben immer Grund, Gott zu danken, um Verzeihung zu bitten und um Hilfe zu flehen. Aber wir dürfen uns damit allein nicht zufrieden geben, „danke, verzeih und hilf uns“ zu sagen, sondern wir müssen Gott auch loben. Wir müssen diesen so notwendigen Anrufungen noch eine andere vorausgehen lassen, nämlich: „Ich bete dich an“, und das heißt „ich liebe dich, ich lobe dich, du bist unendlich schön und liebenswert.“

STJosef: Wie kamen Sie denn überhaupt auf die Idee, in die Sahara zu gehen?

Bruder Karl: Diese Berufung schenkte mir Gott bei der Vorbereitung auf meine erste hl. Messe nach der Priesterweihe: Ich wollte dorthin gehen, wo keiner ist, zu den Ärmsten und Verlassensten.

STJosef: Ein gewagtes Unternehmen für einen Anfänger.

Bruder Karl: In gewisser Weise ja, denn ich war ein Neupriester. Andererseits aber hatte ich schon verschiedenste Kenntnisse erworben, die mir zugute kamen. Immerhin war ich bereits 43. Ich hatte zuvor 7 Jahre im Trappistenorden verbracht, war dann 3 Jahre als Hausknecht und Sakristan bei den Klarissen in Nazareth, und zu dem kam noch mein Studium in Rom und in Paris ...

STJosef: Aber die Wüste?

Bruder Karl: Die kannte ich bereits aus einer zweifachen Erfahrung. Als ich in meinen jungen Jahren bei der französischen Armee als Leutnant der Kavallerie im 4. Husarenregiment diente, kam es auch zum Einsatz in Nordafrika, und nach der Militärzeit durchreiste ich als Forscher und Geograph ein Jahr lang Marokko, was nicht ungefährlich war.

STJosef: Und die zweite Erfahrung?

Bruder Karl: Damit meinte ich die „Wüste“ in mir, die innere Leere und Einsamkeit meines eigenen Herzens. Ich war damals der Fata Morgana des Bösen Feindes verfallen, der mir ein Leben vorspiegelte, das in Wirklichkeit keines war.

STJosef: Ich wollte Ihnen damit nicht zu nahe treten ...

Bruder Karl: Keine Sorge, ich spreche davon nur, weil es letztlich ein Lobgesang ist auf die unendliche Barmherzigkeit und Gnade Gottes, die mich bewahrte und gerettet hat. Ich war ein Lebemann, dem Luxus und dem Vergnügen ergeben, ein Freund der Frauen und ein Veranstalter nächtlicher Partys. Ich lebte, wie man nur leben kann, wenn der letzte Funke des Glaubens erloschen ist. Als mein Leben am Schlechtesten war, war ich überzeugt, das dies ganz und gar in Ordnung ist und mein Dasein vollkommen sei. Und dennoch spürte ich nur Mißbehagen und Ekel. Es war die Unruhe meines schlechten Gewissens.

STJosef: Hatten Ihnen denn Ihre Eltern keine religiöse Erziehung mitgegeben?

Bruder Karl: O doch! Ich hatte eine heiligmäßige Mutter und einen sehr religiösen Vater. Aber beide verstarben sehr früh: meine Mutter an einer Fehlgeburt und mein Vater bald darauf an Lungenentzündung. Mit 6 Jahren war ich bereits Vollwaise.

STJosef: Und wer hat Sie dann aufgenommen?

Bruder Karl: Mein frommer Großvater, Oberst Marlet, ein pensionierter Offizier. Er kümmerte sich um mich und um meine drei Jahre jüngere Schwester und tat sein Bestes, aber er konnte die religiösen Fragen, die ich ihm dann als Heranwachsender, stellte nicht beantworten. Der damals herrschende Zeitgeist des Unglau-bens und Skeptizismus hatte auch mich ergriffen. Daraus folgte dann eines nach dem anderen: zuerst das Aufgeben der religiösen Praxis, dann der Verlust des Glaubens und schließlich das sittliche und moralische Abgleiten. Erst 1886 fand ich endlich wieder zu Gott zurück.

STJosef: Sie stammen aus Straßburg und wurden dort im Jahr 1858 geboren, im Jahr der Erscheinung in Lourdes: Also doch ein Marienkind, das nicht verloren gehen kann?

Bruder Karl: Man kann es so sehen. Jedenfalls wurde mir eine „Maria“ zum rettenden Anker, der ich meine Bekehrung verdanke und die das Werkzeug der Gnade war in den Händen Gottes.

STJosef: Und wer war das?

Bruder Karl: Meine Cousine Marie de Bondy. Sie war mit einem reichen Adeligen verheiratet und eine tief religiöse Frau. Unter ihrem Einfluß wurde mir die Keuschheit lieb und ein Herzensbedürfnis. Das war notwendig, um meine Seele auf die Wahrheit vorzubereiten. Denn der Dämon hat zu viel Gewalt über eine Seele, die nicht rein ist, als daß er die Wahrheit in sie eindringen ließe.

STJosef: Und wie hat Ihre Cousine auf Sie eingewirkt? Durch Reden?

Bruder Karl: Nein. Sondern allein durch die Schönheit ihrer reinen Seele, durch ihre Güte und durch ihre Liebenswürdigkeit.

STJosef: Das war alles?

Bruder Karl: Ja. Damals habe ich gelernt, was mir dann ein Grundsatz meiner späteren Missionsarbeit werden sollte: Wenn man eine Seele bekehren will, muß man sie nicht ermahnen. Das beste Mittel ist nicht, ihr Vorhaltungen zu machen, sondern ihr zu zeigen, daß man sie liebt. Diesen Rat bekam meine Cousine übrigens von ihrem Beichtvater Abbé Huvlin, der später mein väterlicher Freund und Ratgeber werden sollte.

STJosef: Und mit dessen Hilfe ihre eigentliche Bekehrung geschah?

Bruder Karl: Ja. So war es. Eines Tages kam ich zu seinem Beichtstuhl und sagte: Ich will nur eine Auskunft. Er aber sagte: Knien sie nieder und beichten sie. Die dunkle Wolke, die das Glaubenslicht bisher abgehalten hatte, wurde weggenommen. Und sobald ich glaubte, daß es einen Gott gab, war mir auch klar, daß ich nichts anderes tun konnte, als nur für ihn zu leben.

STJosef: Eine letzte Frage noch: Europa ist heute die reichste Kernzone der Erde und zugleich in Gefahr zu einer geistigen Wüste zu werden, weil der Glaube mehr und mehr versandet. Viele kennen weder Jesus noch sein heiligstes Herz, weder Maria, unsere Mutter, noch die heiligste Eucharistie. Was sollen wir da tun?

Bruder Karl: Das ist eine schwierige Frage, und doch auch nicht. Denn unser Glau-be sagt uns, daß Gott jeder Zeit und in jeder noch so schwierigen Situation seine Gnade und seine besonderen Gnadenmittel schenkt und bereithält. An uns liegt es, sie zu erkennen und auch anzuwenden. Denken Sie nur an die jüngsten päpstlichen Schreiben über die hlst. Eucharistie. Der heilige Vater hat damit konkret das Mittel benannt, das Jesus uns zur Rettung sowohl für uns selbst wie auch der Ungläubigen und Fernstehenden gegeben hat: die Rückkehr zur Anbetung des Altarsakramentes. In den Augen der Welt eine Zeitvergeudung, aber in den Augen Gottes das Wesentlichste, das wir tun können.

STJosef: Die Zukunft Europas hängt also von den Betenden ab?

Bruder Karl: Ganz gewiß. Die Gefahr liegt in uns und nicht bei unseren Feinden. Das Böse kann nur aus uns selber kommen. Rückkehr zum Evangelium und zur Anbetung Gottes im Sakrament der Liebe: das ist das Heilmittel.

STJosef: Ich danke Ihnen.