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Risse im Mauerwerk – zu Bischof Stechers Papstkritik
(Februar 1998)

Andreas Laun

,,Gedanken zum neuesten Dekret über die Mitarbeit der Laien“. Unter diesem Titel äußert Reinhold Stecher, der scheidende Bischof von Innsbruck, herbe Kritik am Vatikan und versetzt die – nach etlichen Turbulenzen wieder einigermaßen beruhigte – Kirche in neue Aufregung. Man hat gesagt, es handle sich um einen Brief an den Vatikan, aber dort war er dem Vernehmen nach noch unbekannt, als er schon in österreichischen Zeitungen stand.

Weihbischof P. Dr. Andreas Laun, geb. 13. Oktober 1942 in Wien, Studium der Philosophie in Salzburg (1960–62) und der Theologie in Eichstätt (1963–66) sowie Fribourg (1967–70), Priesterweihe 1967 in Eichstätt, tätig als Erzieher (1970–72) und Kaplan (1973–75), 1973 promoviert, 1981 habilitiert, Professor für Moraltheologie an der Hochschule Heiligenkreuz (1981–95), 1995 zum Weihbischof des Erzbistums Salzburg ernannt.

Bischof Stecher will zur vatikanischen ,,Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ vom 15.8.1997 Stellung nehmen. Genau genommen ist es aber nicht das Dokument selbst, das Stecher kommentiert. Denn dieses ruft ja nur Bestimmungen ins Gedächtnis, die schon seit Jahren im gültigen Gesetzbuch der katholischen Kirche enthalten und darum Stecher seit langem bekannt gewesen sein müssen. Von einer gewissen Tendenz und dem einen oder anderen Detail abgesehen, hat Stecher damit auch keine sonderlichen Schwierigkeiten. Stecher billigt der Instruktion zu: ,,Da werden ja Dinge ausgesprochen, die festgehalten werden müssen“, und auch Stecher weiß um den in diesem Bereich existierenden ,,bedauerlichen Wildwuchs“.

Er nimmt die Instruktion aber zum Anlaß, um schwerwiegende, allgemeine ,,Bedenken“ gegen die derzeit gültige Ordnung in der Kirche und insbesondere gegen den für diese letztverantwortlichen Papst auszusprechen. Stecher stört offenbar nicht so sehr das, was im Dokument enthalten ist, als vielmehr das, was nicht angesprochen wird, und dieses Fehlende wird zum berühmten Tropfen, der das schon lange volle Faß des Zornes im Herzen Stechers zum Überfließen bringt.

Dabei hat Stecher sicherlich vorausgewußt: Die Presse wird auf seiner Seite stehen! So war und ist es denn auch. Von Alfred Worm in ,,News“ abgesehen, stellten sich praktisch sämtliche Kommentatoren der großen österreichischen Zeitungen auf die Seite des Altbischofs, teilweise mit ätzendem Spott, wie etwa der – von der Kärntner Kirchenzeitung kommende – ehemalige Chefredakteur der ,,Presse“ M. Maier,[1] immer aber mit großem Lob für Stecher, in den ,,Salzburger Nachrichten“ wird Stecher sogar der ,,Rang der Autoren jener Briefe“ zugebilligt, ,,die im Neuen Testament zusammengefaßt sind“.[2]

I. Was sagt Bischof Reinhold Stecher?

Zunächst – worin bestehen die Thesen Stechers? Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:[3]

Viele Kommentare (wie zum Beispiel der in der ,,Tiroler Tageszeitung“) glauben zu verstehen, Stecher trete für ein Mehr an Laien-Verantwortung in der Kirche ein. Einerseits ja, andererseits nein. Denn wenn Millionen Katholiken heute die moralisch heilsnotwendigen Sakramente nicht empfangen können, auch wenn sie es wollten, dann deswegen, weil die Priester fehlen, und diese fehlen wegen der zu hochgesteckten Zulassungsbedingungen. So fordert er als Antwort auf die von Rom nicht zur Kenntnis genommene pastorale Not nicht ,,Mehr Laien-Mitarbeit!“, sondern ,,Mehr Priester!“, und zwar durch Aufhebung der Zölibats-Bestimmung: mehr Priester, mehr Sakramente, mehr Heil!

Das ,,Bestürzende“ sei es aber, daß ,,die derzeitige Kirchenleitung ein theologisches und pastorales Defizit aufweist, so peinlich das zu sagen ist“. Dieses bestehe in der Tendenz, ,,menschliche Ordnungen und Traditionen höher zu werten als den göttlichen Auftrag...“. Man mache das Amt zum ,,sakralen Selbstzweck“ und übersehe, das es dem Heil der Menschen zu dienen hat. Die Verkehrung der Ordnung sei das ,,eigentlich Erschütternde“ der heutigen Situation. Stecher nennt dafür zwei Beispiele:

  • Das eine ist das Festhalten am Zölibat, statt die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt vom Bedarf der Gemeinden her zu definieren: Zölibat (menschliches Recht) steht gegen den Heilswillen Gottes (göttliches Recht).

  • Das andere ist die schleppende Dispens-Praxis bei Priestern, die ihr Amt aufgegeben haben und heiraten wollen: Lange Wartezeiten (menschliches Recht) gegen Gebot des Verzeihens (göttliches Recht).

Von daher das vernichtende Urteil über den Papst: Priester, die nichts anderes wollen als die Erlaubnis, eine christliche Ehe zu führen und manchmal auch nichtpriesterliche Dienste auszuüben, läßt man jahrelang warten, und bis dahin bleibt es bei dem ,,unbarmherzigen Nein“. Damit habe Rom das ,,Image der Barmherzigkeit“ verloren und sich das ,,der harten Herrschaft zugelegt“: Nur das Image? Sicher nicht nur dieses! Wie der ,,Umgang mit den Sündern“ zeigt, ist die Barmherzigkeit selbst verloren gegangen und mit ihr auch die Treue gegenüber dem ,,allgemeinen Heilsauftrag Jesu“.

Der Verlust der Güte aber stellt das ,,ewige Heil“ des betroffenen Sünders in Frage – und damit meint Stecher nicht nur auch, sondern vor allem den Papst selbst, der sich um jeden Splitter an der Basis bemüht, aber den Balken der Sünde gegen die Liebe im eigenen Auge nicht sieht. Gut verständlich die Sehnsucht vieler nach einem Papst, der vor allem die ,,Güte verkörpert“. Müßten nicht diejenigen, die ,,ihre Liebe zum Papst betonen, erschrecken, wenn ein Papst mit Tausenden von abgelehnten Gesuchen und Bitten um Versöhnung stirbt?“ Hat Jesus das Verzeihen nicht zur ,,höchsten ethischen Pflicht“ gemacht? Es zu verweigern ist eine ,Sünde der Härte“, und diese ist schlimmer als eine Verletzung des Zölibats, die eine nur menschliche Ordnung betrifft und eine ,Sünde der Schwachheit“, also eine kleinere Sünde, ist. Auch die kirchliche Verwaltung untersteht doch dem Gebot Jesu, oder glaubt man, so Stecher, „daß in der Ordnung des Weltenrichters Schreibtischtäter besser fahren als Detailsünder?“

In der krisenhaften Atmosphäre der Zeit werden, das ist zu erwarten und jetzt schon abzusehen, die Vorwürfe Stechers ihre eigene Dynamik entfalten, weit hinausgehend über seine Behauptungen und Beschuldigungen selbst. Man kann, sagt Pascal, das, was nicht aus dem Verstand kommt, mit Argumenten nicht widerlegen. Dennoch möchte ich nichts unversucht lassen und die Ausführungen Stechers einer kritisch-theologischen Prüfung unterwerfen. Für diejenigen, die ihn in ihrem Herzen längst zum Heiligen und Propheten gemacht haben, ein sinnloses Unterfangen, aber für jene, die wirklich ratlos und fragend sind, eine, so hoffe ich, wichtige Orientierung und ein Beitrag zur geforderten ,,ernsthaften Auseinandersetzung“[4].

II. Voraussetzungen des Dialogs mit Stecher

Um unnötigen Streit zu vermeiden, seien einige Überzeugungen festgehalten, die ich mit Stecher teile und die Voraussetzung der folgenden Analyse sind:

· Persönliche Motive können (im Regelfall) nicht Gegenstand der Diskussion sein

Auch wenn Stecher selbst anders handelt und meint, über den Papst persönlich urteilen zu können, in der Diskussion sollte man mit dem Feldkircher Bischof K. Küng bis zum Beweis des Gegenteils daran glauben, daß Stechers Brief ,,Ausdruck einer ehrlichen und großen pastoralen Sorge“ ist. Thema der Auseinandersetzung kann nur sein, was Stecher sagt und tut – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Er hat Anspruch auf den ,,Kredit der Liebe“ und damit des wohlwollenden Prüfens genauso wie jeder Mensch, übrigens auch der Papst.

· Fehlbare Bereiche des kirchlichen Lebens, Ermessensfragen und legitimer innerkirchlicher Pluralismus

Außer Streit steht, daß der Papst und die Kurie – wie alle anderen Katholiken, ob Priester oder Laien, auch – in vielen, vielen Fragen nicht unfehlbar sind. Außerdem gibt es Ermessensfragen. Aus diesen Gründen kommt es immer wieder vor, daß ,,gleich-gute“ Katholiken in bestimmten Fragen verschiedener Meinung sind.

· Zölibat – eine im Evangelium zwar begründete, aber doch menschliche Bestimmung

Ein Katholik ,,muß“ die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen anerkennen und glauben, daß diese ein besonderer christlicher Weg zu Gott ist, aber er ist nicht gehalten, den Zölibat als unbedingte Zulassungsbedingung zur Priesterweihe für die einzig mögliche Lösung zu halten. Mit anderen Worten: Es ist ein gutes Recht jedes Christen, natürlich auch eines Bischofs, zu meinen, man sollte die Zölibatsbestimmungen abändern oder aufheben.

· Berechtigung und Notwendigkeit der Kritik, auch am Papst

Bekanntlich hat Paulus dem Petrus ins Angesicht widerstanden, und die Kirchengeschichte kennt viele Beispiele großer und manchmal scharfer Kritik, auch an Päpsten und auch aus dem Mund von Heiligen (wie etwa Catarina von Siena). Immer bedarf die Kirche der Erneuerung, und das nicht nur auf der Laien- oder ,,Frontpriester“-Ebene (Stecher), auch die Päpste, Kardinäle und Bischöfe bedürfen ihrer. Niemand bezweifelt, daß das so ist, und die Kirchengeschichte liefert mehr als einen Beweis dafür. Aber das heißt nicht, daß jede Kritik ipso facto gerecht und jeder Ton angemessen ist.

· Göttliche und menschliche Tradition

Unbestreitbar gibt es auch in der Kirche die alte pharisäische Gefahr, menschliche Traditionen dem Willen Gottes überzuordnen. Darum kann auch eine eingespielte kirchliche Praxis falsch sein, und das muß man auch sagen dürfen. Mit Stecher ist festzuhalten: Das göttliche Recht setzt jedwede menschliche Festlegung, sei es eine der Kirche, sei es eine des Staates, außer Kraft. Was sich daraus für die konkrete Dispens-Praxis der Kirche ergibt oder nicht ergibt, ist im Licht dieser Grundwahrheit zu prüfen.

· Das biblische Urteils-Verbot und die Pflicht, sich ein Urteil zu bilden

Stecher würde sicher auch einräumen: In der Bibel steht nichts über die Art und Weise, wie die Kirche Dispense gewähren soll, wohl aber enthält sie den Satz: Urteilt nicht! Zum richtigen Verstehen des ,,Urteilt nicht!“ ist freilich anzufügen: Jesus fordert, sich auf Grund der Gebote Gottes ein Urteil über Gut und Böse zu bilden, ausgeschlossen aber ist das Urteil über den Menschen selbst.

· Salus animarum, summa lex ecclesiae

Gültig für immer ist das Grundgesetz der Kirche: Alles, was in der Kirche geschieht, soll dem Heil der Seelen dienen. Wie die darauf gründende Pastoral auszusehen hat, ist freilich wieder eine andere Frage.

III. Kritisches und Unverständliches im Schreiben Stechers

Um auch die kritischen Anmerkungen richtig einzuordnen, liegt mir daran, vorweg festzuhalten: Ich schätze Bischof Stecher als Seelsorger, ich beneide ihn um seine Gabe, das Evangelium in liebenswürdigen, heiteren Bildern sinnenfällig aufzuschließen, ich erinnere mich dankbar an seinen klaren, unbeirrbaren Mut in der unseligen Frage des ,,Anderl von Rinn“[5]. Auch das vorliegende Dokument in Bausch und Bogen zu verwerfen, wäre falsch, wie die aufgelisteten Gemeinsamkeiten zeigen. Ihnen stehen freilich eine Reihe kritischer Anfragen gegenüber.

1. Das Wie der Kritik Stechers

a. Öffentlich-medial

Mehrfach war zu hören, das Schreiben Stechers wäre ,,vertraulich“, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Fest steht aber, daß es Stecher an mehrere – nicht alle! – Bischöfe in Österreich und auch einige in Deutschland versandt hat. Andere mußten sich den Text von Zeitungs-Redaktionen besorgen, und diese Situation erinnert an den Vorwurf falscher Geheimhaltung, wie er sonst an die Adresse Roms gerichtet wird. Was aber die Vertraulichkeit betrifft: Konnte Stecher ernsthaft glauben, im Zeitalter der Kopiergeräte werde ein so brisanter Text geheim bleiben können?

Außerdem, sogar wenn Stecher der Sache nach ganz und gar recht hätte: Er hätte die negativen Reaktionen und Folgen für die Kirche voraussehen müssen. Natürlich könnte er bei manchem Kommentar in den Medien zu Recht dazwischenrufen:

Aber das habe ich doch nicht gesagt! Nein, er hat ,,es“ nicht gesagt, aber er hätte die Vereinnahmung seiner Gedanken voraussehen müssen. Es ist fast wie bei einem Menschen, der von einem Hund gebissen wird und diesem die ,,Schuld“ für den Unfall geben will – statt nachzudenken, welche Fehler er selbst gemacht hat!

b. Der Weg der brüderlichen Ermahnung

Gerade wenn das Dokument Stechers Ausdruck einer ,,ehrlichen und großen pastoralen Sorge“ (Bischof K. Küng) ist, wird man doch fragen müssen: Hätte Stecher nicht besser getan, den in seinen Augen irrenden Bruder Papst ,,unter vier Augen“ zu ermahnen (Mt 18,15) oder in der direkten Begegnung, wie Paulus den Petrus, zur Rede zu stellen (Gal 2,11), statt seine Kritik über die Medien laufen zu lassen? Es ist die verletzendste Form und diejenige mit den meisten ,,Nebenwirkungen“ auf Unbeteiligte!

c. Schärfe des Urteilens und das Urteils-Verbot Jesu

Unverständlich ist es, wie Stecher von der – immer notwendigen – sachlichen Auseinandersetzung dazu übergehen kann, Johannes Paul II. so persönlich und so scharf anzugreifen. Man kann auch nicht gut sagen, das sei doch nicht so schlimm: Die Reaktion der Presse zeigt, wie die Menschen die Worte Stechers empfinden.

2. Stecher und das Kirchenvolks-Begehren

Der Brief Stechers stimmt, wie leicht zu erkennen ist, in mancher Hinsicht mit Forderungen des Kirchenvolks-Begehrens überein. Stecher mußte dies voraussehen. Wenn er die Vereinnahmung seines Schreibens von seiten der Kirchenvolks-Begehrer nicht wollte, hätte er vorbeugen und sich deutlich davon abgrenzen müssen. Das hat er nicht getan, und damit stellt sich die beunruhigende Frage, wie er über diesen Teil der voraussehbaren ,,Wirkungs-Geschichte“ seines Schreibens denkt?

Sie ist verheerend: Die Leute vom US-Kirchenvolksbegehren haben den Text bereits ins Internet gestellt, Bischöfe haben sich dazu bekannt und die Wiener Cursillo-Bewegung hat für Stecher schon hunderte Unterschriften im Klerus gesammelt.[6] Außerdem haben sich in Österreich die meisten führenden Persönlichkeiten der Katholischen Aktion dafür ausgesprochen. A. Holl, ein bekannter Intellektueller und ehemaliger Priester, bewundert die ,,Schärfe“ der Sprache und hofft, die Worte Stechers könnten ,,international etwas bewegen“.[7]

Charakteristisch für die Situation ist, daß sich die verschiedensten Leute auf Stecher berufen und dann auch noch ein ,,Schäuferl“ zulegen. So zitiert etwa B. Häring ein scharfes Mahnschreiben des hl. Bernhard an den damaligen Papst bezüglich der, wie Häring wiedergibt, ,,großen Versuchung des Machtmißbrauchs“ – dessen sich, seiner Meinung nach, Johannes Paul II. offenbar schuldig macht. Es ist schwierig, sich eine ungeheuerlichere Beschuldigung auszudenken als diese,[8] aber sie paßt zu bei den verschiedenen Theologen (u.a. E. Biser) zu findenden Behauptung, der Papst sei der letzte große Diktator Europas. Wer zu dieser Anschuldigung eine Widerlegung braucht, ist, fürchte ich, immun gegen sie.

Auffallend ist auch, daß sich Stecher auf das Weltgericht in einer kaum überbietbaren Direktheit bezieht: Angesichts ihrer angeblichen ,,Unversöhnlichkeit“ warnt er eine konkrete Person vor der Hölle, und diese Person ist der Papst selbst! Man möchte meinen, für die Kirchenvolks-Begehrer wäre dies ein klassischer Fall von ,,Drohbotschaft“. Man stelle sich nur vor, ein anderer Bischof hätte so über die Betreiber des Kirchenvolks-Begehrens gesprochen – ein unvorstellbarer Aufschrei der Empörung wäre erfolgt. Soll man auf Kritik aus dieser Ecke warten? Es wird umsonst sein, weil mit zweierlei Maß gemessen wird!

3. ,,Falsches Amtsverständnis“, menschliches Gesetz und göttliches Recht

Stechers Kritik betrifft nicht das Amt als solches, sondern nur ein ,,falsches Amtsverständnis“, das dann vorliegt, wenn sich die Zulassungsbedingungen zum Amt (= menschliches Gesetz) nicht ganz am Heil der Seelen (= göttliches Gesetz) orientieren und damit die Ordnung auf den Kopf gestellt wird. Eben das aber scheint in den Augen Stechers der Fall zu sein.

Das Prinzip steht außer Frage! Die Frage ist aber: Kann man sagen, es gebe ein göttliches Gebot, das die Verpflichtung zum Zölibat verbietet oder das die Dispens-Praxis der Kirche für sich verheiratende Priester regelt? Die Antwort kann nur lauten: Nein! Wahr ist vielmehr: Es sind schwierige Fragen, die im Blick sowohl auf das Wohl der Gemeinschaft als auch auf das Wohl des einzelnen zu beantworten sind, und Christen können darüber verschiedener Meinung sein.

Mit anderen Worten: Die beiden Beispiele, die Stecher für seine Behauptung, manches menschlich-kirchliche Recht stünde skandalöserweise gegen das göttliche Gebot, anführt, sind unzutreffend! Damit hat Stecher einen sehr schwerwiegenden Vorwurf als Behauptung ohne Beweis in den Raum gestellt.

Wenn Stecher meint, die Dispens-Frage könnte anders geregelt sein, hat er zweifellos recht! Unter Paul VI. war sie es tatsächlich. Wenn er behauptet, sie muß anders sein und jeder, der das nicht zugibt, vertritt einen unmoralischen Standpunkt, übertreibt er. Wenn er sagt, sie sollte anders sein, ist das zu sagen sein gutes Recht. Nur – wenn man über menschliche Regelungen wirklich verschiedener Meinung sein darf und Stecher dieses Recht für sich in Anspruch nimmt, warum billigt er nicht auch dem Papst zu, anders zu denken als er, ohne ihn zu diffamieren?

4. Wen verurteilt Stecher?

Rätselhaft ist, warum der von vielen für einen Propheten gehaltene Stecher all die Jahre seines Amtes hindurch nicht sah, was er jetzt als ,,Aufschrei“ (so die ,,Salzburger Nachrichten“) angesichts der wachsenden Not der Gemeinden von sich gibt. Denn wenn er es gesehen hätte, wie konnte er schweigen? Er wußte doch, daß man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. Dann hätte er sich ja in den 16 Jahren seines Bischofsamtes zum Komplizen des päpstlichen ,,Schreibtischtäters“ gemacht und damit, nach seiner eigenen Überzeugung, schwere Schuld auf sich geladen und sein ewiges Heil aufs Spiel gesetzt. Das bestürzende Ergebnis wäre: Stechers Brief ist ein indirektes ,,Outing“ seiner eigenen Schuld, aber in der Form der Anklage gegen den, dem er leider blind gehorchte.[9]

Will man diese Konsequenz vermeiden, muß man annehmen, er selbst war bisher überzeugt. Dann aber wäre es schön gewesen, wenn er seine objektive Blindheit samt des Grundes für sie all die Jahre hindurch eingestanden hätte und der Öffentlichkeit auch gesagt hätte, wer oder was ihm den Star gestochen hat! Vielleicht wäre ihm der – von ihm behauptete – gleiche Fehler des Papstes verständlicher vorgekommen und er hätte ihn in die Kategorie des subjektiv schuldlos irrenden Gewissens eingeordnet – was seinen Brief viel leichter lesbar gemacht hätte.

Solche Selbstkritik wäre mutig gewesen! Denn ,,wer heute bei uns Rom kritisiert, gilt schnell als mutig und tapfer. Wer auf den Papst hämmert, gilt als fortschrittlich“ – eine ,,kurzsichtige Perspektive“, hält der Wiener Erzbischof dem entgegen.[10] Wirklich, welcher Mut war nötig, um sich den allgemeinen Applaus zu holen und sich gleichzeitig möglichen Konsequenzen durch den Schritt in die Pension zu entziehen? In dem liberalen und wahrlich nicht kirchenfreundlichen ,,News“-Magazin vermerkt A. Worm kritisch: ,,unfair!“

Zu Ende gedacht, trifft das harte Urteil Stechers aber auch andere, wie Johannes XXIII. Denn die Dispens-Praxis unter diesem Papst entsprach der jetzigen ,,strengen“ Regelung, und es war erst Paul VI., der sie in Richtung einer ,,raschen Gewährung“ veränderte. Das heißt aber: Wenn Johannes Paul. II deswegen ,,unbarmherzig“ ist, dann war es im gleichen Sinn auch der sonst doch immer wegen seiner Güte gerühmte Johannes XXIII., von dem sinngemäß der Ausspruch überliefert ist: ,,Ich weiß, mit der Aufhebung des Zölibates würde ich vielen Priestern eine schwere Last von der Schulter nehmen. Aber ich darf es nicht tun!“

5. Heilsnotwendigkeit der Sakramente?

Stecher betont einige Male die Notwendigkeit der Sakramente hinsichtlich des ewigen Heils des Menschen. Die Art, wie er das, ohne ergänzende Gesichtspunkte zu nennen, tut, ist (in einem schlechten Sinn des Wortes) erstaunlich ,,konservativ“ und klingt ganz nach ,,Keine Sakramente – kein ewiges Heil“.

Aber das Konzil hat mit erlösender Klarheit den allgemeinen Heilswillen Gottes und die verborgenen Kanäle seiner Gnade bei allen Menschen, auch ohne Sakramente, deutlich herausgearbeitet und damit der Idee ,,Nur katholische Sakramenten-Empfänger kommen in den Himmel“ eine unbezweifelbare Absage erteilt. Johannes Paul II. spricht sogar von Heiligen bei nicht-katholischen Christen.[11] Damit sind sicher nicht nur die Orthodoxen gemeint, sondern auch Christen, die keine gültig geweihten Priester haben und daher auch die Sakramente der Beichte und der Eucharistie im katholisch gültigen Sinn nicht empfangen können.

6. Die pastorale Analyse Stechers

Stecher tut so, als bestünde das pastorale Hauptproblem heute vor allem im fehlenden Angebot der Sakramente und nicht in der fehlenden Nachfrage. Natürlich hat er auch recht, daß das fehlende Anbot mit der Zeit auch dazu führt, daß die Menschen kein Verlangen mehr haben.

Dennoch bedarf es einer tieferen Analyse: Warum ist zum Beispiel die Nachfrage bis hin zur de-facto-Abschaffung der Beichte erloschen? ,,Wenn ich ungestört sein will, setze ich mich in den Beichtstuhl“, sagte mir unlängst ein Salzburger Pfarrer, der zu Ostern nur noch 4 Beichten hörte (bei einer Pfarrbevölkerung von rund 10000 Katholiken!). Zudem stellen wir bestürzt fest, daß Menschen Sakramente feiern, an die sie nicht mehr glauben. Darüber hinaus hat uns das Kirchenvolks-Begehren drastisch vor Augen geführt, wie weit der Abfall vom katholischen Glauben schon gediehen ist und wie groß die Defizite an katholischer Bildung sind. Daß die Vertreter dieser Gruppe über Stechers Schreiben jubeln und von einem Bischofs-Begehren (in ihrem Sinn) träumen, zeigt, wie welt- bzw. kirchenfremd sie sind – und das sollte Bischof Stecher nachdenklich machen.

Auch wäre zu fragen, warum die Priesterberufe ausbleiben. Wieviele katholische Familien wünschen sich denn, daß eines ihrer Kinder einen geistlichen Beruf ergreift? Das ist auch nicht gut vorstellbar, wenn man an die Verhütungsmentalität auch in kirchlichen Kreisen denkt: Ein Kind ,,hergeben“ für die Kirche, wenn man ohnehin nur zwei Kinder hat? Früher jedenfalls kamen die Priesterberufe sehr oft aus kinderreichen Familien.

7. Die römisch-katholische Entscheidung für den Zölibat als Unrecht

Die Legitimität der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen vorausgesetzt, gibt es zum Zölibat der Priester mehrere

Einstellungen:

  • Man sollte ihn, weil nicht von Gott verlangt, in Hinblick auf die pastoralen Bedürfnisse aufheben und der dauernden Freiheit anheimstellen (so, wenn ich richtig verstanden habe, sowohl Stecher als auch zum Beispiel die KirchenvolksBegehrer).

  • Der Zölibat geht auf die Apostel zurück und kann daher von der Kirche kaum aufgehoben werden.[12]

  • Der Zölibat ist im Evangelium begründet, aber als priesterliche Verpflichtung eine legitime Entscheidung der römisch-katholischen Kirche – so die am weitesten verbreitete Lehre der Kirche (sententia communis).

Will Stecher sagen, die dritte Antwort sei widerchristlich und bei ihr handle es sich um einen Fall, in dem die menschliche Tradition gegen den göttlichen Willen steht, und jeder, der so denkt, sei unbarmherzig? Damit stellt er sich gegen eine langwährende Tradition, sein vernichtendes Urteil trifft nicht nur diesen Papst, sondern Aber-Millionen von Christen und, nicht zuletzt, er beschuldigt auch von ihm so verehrte Theologen wie Karl Rahner, der die Zölibats-Bestimmung der Kirche durchaus für legitim erachtete. Will er das wirklich sagen? Wenn aber nicht, was dann?

8. Der verzögerte Dispens für verheiratete Priester und das Heil der Seelen

Stecher geht von pastoralen Nöten aus, behauptet, der Papst stelle menschliche Traditionen über göttliche Gebote. Als Beispiel nennt er die langsame Art der Dispenserteilung für Priester, die ihr Amt aufgegeben haben.

In dieser Argumentationslinie ist ein Bruch. Denn durch schnellere Dispenserteilungen ändert sich die pastorale Situation der Kirche in keiner Weise. Zudem kann er nicht gut behaupten, es gäbe ein göttliches Gebot, das die Art und den Zeitrahmen von solchen Dispensen regelt. Stecher hat recht, alle Maßnahmen der Kirche sollen dem Heil der Seelen untergeordnet sein. Er wird sicher auch einräumen: In einer Gemeinschaft ist dabei sowohl auf das Heil des einzelnen wie das Heil aller zu achten. Was aber die konkrete Dispens-Regelung betrifft, sind mehrere Gesichtspunkte zu erwägen:

Die Frage ist auch deswegen zu stellen, weil ,,die Sehnsucht nach den Sakramenten“ ein Motiv ist, das, wie auch andere Motive, nicht notwendigerweise lauter ist. Die Erlaubnis, zur Kommunion gehen zu dürfen, kann auch das Verlangen nach einer Bestätigung sein: Was ich getan habe, nämlich die Aufgabe meines Priesteramtes oder (bei den wiederverheirateten Geschiedenen) meine zweite ,,Ehe“, war ganz richtig.[13] Die Kirche soll das, durch Gewährung des Dispenses und damit durch die Zulassung zu den Sakramenten, vor aller Welt bestätigen!

  • Eine sehr einfache Dispens-Gewährung empfinden Ehepaare in Schwierigkeiten als ungerecht: Sie sind für immer gebunden, die Priester aber können ihr Versprechen ,,so einfach“ ablegen?

  • Eine schnelle Abwicklung und Gewährung von Dispensen könnte, zum Unglück der Betroffenen, auch Verbindungen gültig machen, die viel zu unreif eingegangen wurden. Zeit kann ihre Brüchigkeit erweisen.

  • Auch die stillschweigend gemachte Voraussetzung Stechers, daß nämlich die Aufhebung des Leidens der ehemaligen Priester daran, daß sie die Sakramente nicht mehr empfangen können, identisch sei mit dem Heil ihrer Seelen, stimmt so nicht: Kann nicht auch dieses Leid einen Menschen reifen lassen und darum seinem wahren Heil entsprechen? Hier kann und soll diese hintergründige Frage genauso wenig diskutiert werden, wie ja auch Stecher seine Behauptung nicht begründet, aber der Einspruch ist anzumelden: Stechers Behauptung greift zu kurz.

  • Ist diese Dispens-Praxis ein Ärgernis? Nüchtern wird festzustellen sein: Abgesehen von den Betroffenen weiß fast niemand in der Kirche, wie diese Praxis derzeit aussieht und wie sie früher gehandhabt wurde. Wer behaupten will, dies sei ein – quantitativ – ,,großes“ pastorales Problem, kennt die Realität nicht. Stecher tut dies auch nicht, aber warum legt er dann so großen Wert auf diesen Punkt? Wahr ist nur: Es betrifft schmerzlich die trotz allem kleine Zahl der zivil verheirateten Priester und diejenigen, die ihnen besonders nahe stehen. Damit ist keineswegs in Abrede gestellt, daß nicht jeder einzelne wichtig ist.

9. Grund der Dispens-Verzögerung: persönliche Beleidigung des Papstes?

Bleibt also der moralische Vorwurf: In manchen Punkten ist die Kirche zu hart, sie ist unbarmherzig und verweigert sich der so eindeutig notwendigen Versöhnung. Sein wichtigstes Beispiel: die verheirateten Priester. Recht hat Stecher sicher darin: Die Lebensgeschichte heute ausgeschiedener Priester ist oft und in vieler Weise tief berührend. Mit großem Idealismus, Mut und Opferbereitschaft haben diese Männer, die meisten in ihrer Jugend, begonnen und sind dann irgendwann doch gescheitert! In vielen Fällen als Folge ihrer unbewältigten Glaubens-Krise (und nicht als deren Kern nach dem spöttisch-lieblosen Satz ,,Sein Glaubenszweifel heißt Susi“) haben sie geheiratet, aber gerade damit versperren sie sich den Rückweg, und in der Öffentlichkeit entsteht der fatale Eindruck, die Kirche hielte die Liebe zu einer Frau für etwas Schlechtes!

Wie soll die Kirche mit diesen Menschen umgehen? Hier ist nur der Punkt zu klären, der Stecher veranlaßt, den Papst einen ,,Schreibtischtäter“ zu heißen und sich um dessen ewiges Heil zu sorgen:

Von einem persönlichen Beleidigtsein des Papstes kann keine Rede sein! Es ist auch unbegreiflich, wie ein B. Häring diesen Fehler auf der Ebene des theologischen Einmaleins wiederholen kann.[14] Mit Stecher ist auch der Papst überzeugt, daß es bei der Handhabung von Dispensen nur um das Seelenheil der Gläubigen einerseits und das Heil der Betroffenen andererseits gehen darf. Wie dieses Heil am besten gewahrt ist, darüber sind sich Papst und Stecher offenbar nicht einig. Nur – Stecher sollte mit einem (aus seiner Sicht) schuldlos-irrenden Gewissen des Papstes rechnen und ihm den guten Willen genauso zubilligen, wie auch er diese Unschuldsvermutung von der anderen Seite her erwarten darf. Der massive moralische Vorwurf Stechers an die Adresse des Papstes ist ein klassisches Beispiel der – innerkirchlich seit etlichen Jahren üblich gewordenen – Unsitte, denjenigen, der eine andere Position vertritt, moralisch zu verurteilen, und zwar auch in Fragen, bei denen man in katholischer Weite wirklich verschiedener Meinung sein darf.

10. Das ewige Heil des Papstes

Stecher nimmt zwar das Wort ,,Hölle“ nicht in den Mund, doch meint er offenbar, der Papst stünde in Gefahr, dorthin zu kommen: anders hätte seine ernste Sorge um das ewige Heil des Papstes keinen Sinn. Auffallend ist: Meines Wissens nach hat Stecher sonst nie über die Hölle gesprochen, geschweige denn, daß er jemand Konkreten davor gewarnt hätte. Wäre dies aber nicht am Platz [gegenüber] den Kirchenvolks-Begehrern gewesen? Die Gefährdung der kirchlichen Einheit müßte doch auch in den Augen Stechers eine größere Sünde sein als die Verzögerung von Dispensen? Die Frage stellt sich: Welche Sünder soll man ,,so warnen? Der Papst hat es nur in bezug auf die Mafiosi getan.

Sogar wenn Stecher überzeugt ist, daß die Dispenspraxis für Priester objektiv schwer sündhaft ist, hätte er dem Papst zumindest ein mehr oder weniger schuldlos irrendes Gewissen zubilligen können. Im Evangelium wird sogar denen, die Jesus gekreuzigt haben, ein gewisses Nicht-Wissen dessen, was sie tun, zugeordnet.

Stecher hat recht: Das crimen laesae caritatis ist wichtiger als das crimen laesae auctoritatis.[15] Aber mit seinem Schreiben hat er sowohl das eine als auch das andere begangen, und es ist schwer zu begreifen, wie B. Häring in diesem Schreiben eine ,,große Liebe“ zum Papst entdecken kann.[16]

Was aber die Unbarmherzigkeit des Papstes betrifft: Stecher muß in einem anderen Jahrhundert leben und einen anderen Papst kennengelernt haben als Millionen von Menschen! Ist es eigentlich vorstellbar, daß er Johannes Paul II. wirklich kennt, wenn er so etwas schreibt! Der Papst ein Mann ohne Güte? Dann irren sich offenkundig all die unzähligen Menschen, die jedesmal zusammenströmen, wenn dieser ,,herzlose“ Papst auftaucht! Ich habe die glücklichen, strahlenden Gesichter der Menschen in Paris, in Rio und anderswo erlebt – alles für einen Unmenschen, der ohne ein Wunder der Reue in die Hölle kommen müßte? Wäre es nicht zum Weinen, daß ein Bischof so etwas über den Papst sagt, man könnte darüber nur lachen!

Schlußbemerkung

In der Abschiedsrede vor dem Land Tirol und der Stadt Innsbruck erzählt Stecher von seinen Erfahrungen mit der Kirche. Mit dem Blick auf Johannes XXIII. und das Konzil erzählt Stecher von seinem Vorsatz, der bis heute gehalten habe: ,,Ich laß mir die Fenster, die Johannes XXIII. aufgemacht hat, von niemandem mehr zuschlagen.“[17] Richtig, aber die kritische Frage an Stecher lautet: Sind es freundliche Fenster, die er offen hält, oder verwechselt er sie mit Rissen und Löchern in einsturzgefährdetem Mauerwerk?

Nachtrag

In seinem neuen, zweiten Brief geht Stecher nur noch auf ein Thema ein, nämlich das der derzeitigen Dispenspraxis Roms für verheiratete Priester, und begründet ausführlich seinen Standpunkt. Ohne Zweifel, dadurch wird manches klarer, und manche von ihm angeführten Beispiele sind berührend. In der jetzt gebotenen Kürze ist folgendes zu sagen:

Bischof Stecher hält für einzig richtig jene Praxis, die unter Paul VI. gegolten hat. Es wäre absurd zu behaupten, dieser sein Standpunkt wäre unkirchlich oder ,,gegen den Papst“. Es ist schließlich der Standpunkt eines anderen Papstes, und keinem Katholiken ist es verwehrt, so zu denken wie Paul VI., der sicher auch für seine Sicht gute Gründe hatte.

Bedauerlich ist auch bei diesem zweiten Brief die Unduldsamkeit Bischof Stechers gegen den jetzigen Papst und die moralische Diffamierung (,,Gleichgültigkeit“ wirft er ihnen vor) seiner Mitbrüder. Außerdem scheint Stecher überhaupt nicht zu überlegen, daß diese Art seines Schreibens in der jetzigen Situation ein äußerst schlechtes Beispiel gibt. Denn seine unterschwellige Botschaft ist: ,,So“, in diesem Ton, kann man mit Papst und Bischöfen umgehen! Schließlich ist es auch erstaunlich, daß ein Mann seiner Erfahrung nicht bedenkt, daß man sich den Zugang zu anderen Menschen durch Aggressionen fast immer nur verbaut, nicht öffnet.

Es wäre schade, wenn der aggressive Ton dazu führen würde, daß über das Anliegen selbst nicht wirklich gesprochen würde.


[1] Vgl. Kathpress-Info-Dienst 21.12.1997, 3: ,,Es ist niemand zu erklären, daß der Papst zwar Zeit findet, mit jedem Schlagersternchen zu flirten oder mit jedem Fußballstar über die WM zu räsonnieren, jedoch die Vertreter des Kirchenvolks-Begehrens einfach nicht vorläßt.“

[2] Salzburger Nachrichten 24.12.1997, 1.

[3] Ich halte mich bei dieser Darlegung so genau wie möglich an den Text.

[4] So (lt. Kathpress 18.12.1997, 5) H. WINKLER (Kleine Zeitung) und H. BOBERSKI (Furche).

[5] Bei dem sogenannten ,,Anderl von Rinn“ handelt es sich um die Verehrung eines angeblich von Juden ermordeten Kleinkindes in der Kirche von Rinn (Tirol). Stecher verlangte die Übermalung des entsprechenden Freskos, ließ die verehrte Figur entfernen und verbot jedwede Form des Kultes. Dennoch gibt es Gruppen, die an der „Anderl“-Verehrung festhalten mit der Begründung, die Geschichte sei historisch. Dagegen ist zu sagen: Sogar wenn es wahr wäre, ist es völlig falsch, die Erinnerung an ein abstruses Verbrechen über Jahrhunderte hin wachzuhalten und den ,,Nachfahren der Mörder“ ständig neu hinzureiben.

[6] Kathpress 22./23.12.1997, 14.

[7] Kathpress 18.12.1997, 5.

[8] B. HÄRING, Das Bestechende an Stechers Brief. In: ,,Salzburger Nachrichten“ 22.12.1997, 3.

[9] Wenn der Vergleich von oberflächlich Lesenden nicht so leicht in eine ganz andere, keineswegs gemeinte Richtung gedreht würde, könnte man sagen: Stecher bekennt, ein ,,kirchlicher Albert Speer“ gewesen zu sein.

[10] Kathpress 18.2.1997, 2.

[11] Vgl. Ut unum sint, 84.

[12] Vgl. A.M. STICKLER, Der Kleriker-Zölibat, Abensberg [2]1994.

[13] Man weiß, wie auch scheinbar ganz und gar einwandfreie Motive vergiftet sein können: etwa bei der Adoption eines Kindes, das nur das abgetriebene Kind ,,ersetzen“ soll.

[14] B. HÄRING, Das Bestechende an Stechers Brief. In: ,,Salzburger Nachrichten“ 22.12.1997, 3.

[15] Kathpress-Info-Dienst 28.12.1997, 6.

[16] B. HÄRING, Das Bestechende an Stechers Brief. In: ,,Salzburger Nachrichten“ 22.12.1997, 3.

[17] Kathpress 28.12.1997, 6.