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Predigt:

Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären

4. Adventsonntag A (18.12.2016)

L1: Jes 7,10-14; L2: Röm 1,1-7; Ev: Mt 1,18-24


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Im alttestamentlichen Buch des Propheten Jesaja, aus dem die erste Lesung des 4. Adventsonntags stammt, ist eine geheimnisvolle Ankündigung enthalten. Gott selbst wird inmitten der Not seines auserwählten Volkes durch ein Zeichen kundtun, dass eine Zeit des Heiles beginnt. Was aber ist der Inhalt dieses Zeichens? Es heißt in Jes 7,14: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben.“[1]

Was dies wirklich bedeutet, konnte dem unmittelbaren Adressaten dieses Prophetenwortes – dem König Ahas von Juda – noch nicht verständlich sein. Es gab zur Zeit dieses Königs, der sich nicht unbedingt als treuer Diener Gottes hervortat, eine schwere politische und militärische Bedrängnis: Die Könige von Aram und von Israel zogen gegen Juda heran und ließen, wie es wörtlich heißt, das Herz des Königs und des Volkes „wie die Bäume des Waldes im Wind“ erzittern (Jes 7,2). Nun aber kündigt Gott selber dem König von Juda an, dass die so mächtig erscheinenden Feinde – nämlich die Könige von Damaskus (Aram) und Samaria (Israel) – in ihrer Selbstherrlichkeit durch den Ansturm der Assyrer zunichtegemacht werden (vgl. Jes 8,4). Jenes Kind, das die Frau des Propheten Jesaja in Kürze empfängt und gebiert, wird noch kaum entwöhnt sein und noch nicht einmal Vater und Mutter rufen können: da wird sich das Los von Juda schon zum Guten gewandt haben, weil Gott der Übermacht der Feinde ein Ende bereitet. Soweit der unmittelbare historische Sinn des Prophetenwortes.

Im Evangelium des 4. Adventsonntags nach Matthäus begegnet uns nochmals dieses Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja. Durch die Eingebung des Heiligen Geistes, welcher der eigentliche Urheber der Heiligen Schrift ist, wird nun im Neuen Testament diese alttestamentliche Prophezeiung wiederaufgenommen. Dies geschieht nicht um der bloßen Erinnerung willen. Man könnte ja sagen: Das, was damals unter König Ahas von Juda geschehen ist, war eine historische Episode, die längst vergangen ist.

Aber nein! Nun steht das Prophetenwort von Jesaja in einer unerhörten Aktualität im Mittelpunkt des Heilsgeschehens. Und erst hier erfüllt sich sein Sinn: Gott selbst bewirkt einen Neuanfang, indem er den Menschen in Jesus Christus das Heil schenkt. Dieser Jesus ist der wahre Sohn Davids – er stammt aus seinem Geschlecht, und Josef von Nazareth nimmt rechtlich die Vaterstelle ein, obwohl das Kind seiner Verlobten nicht von ihm stammt: Die Jungfrau Maria erwartete dieses Kind, wie es im Evangelium heißt, „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (Mt 1,18).

Josef von Nazareth musste erst durch einen Engel des Herrn im Traum von der Lage der Dinge in Kenntnis gesetzt werden, und selbst da wagte er es kaum, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen. Wunderbares hatte sich zugetragen in der jungfräulichen Empfängnis des Sohnes Gottes, und dieses Geheimnis der Mutterschaft Marias bedurfte eines Schutzes. Eben dazu war Josef von Gott gerufen. So war er einbezogen in das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Die Weissagung des Propheten Jesaja ist jetzt zu ihrer Erfüllung gelangt: „Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns.“ (Mt 1,23; vgl. Jes 7,14)

Die entscheidende Wende von einer Zeit des Unheils und der Bedrängnis hin zur „Fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4) kommt jetzt mit der Empfängnis und Geburt des Messias aus der Jungfrau zustande. Josef von Nazareth ist als rechtlicher Vater Jesu aufgerufen, dem Kind einen Namen zu geben. Der Sohn Marias soll „Jesus“ heißen, „denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ (Mt 1,21)

Nicht die politische Befreiung wird durch Jesus, den Erlöser, vollbracht werden, sondern er erlöst uns von der Wurzel alles Übels, nämlich von der Sünde. Sünde bedeutet Absonderung und Entfremdung. Wer sich von Gott absondert und von ihm trennt, verlässt den Raum des Lebens. Im selbstgewählten Dunkel und in der Kälte eines Lebens ohne jene Liebe, die Gott schenkt, muss das Dasein verkümmern. Friedlosigkeit und Gewalt gewinnen die Oberhand. Es handelt sich um einen Teufelskreis, aus dem der Mensch mit eigener Kraft nicht mehr ausbrechen kann, obwohl er selbst es war, der sich in diese Mächte des Untergangs verstricken ließ. Doch da sendet Gott seinen Erlöser!

Im Kind Jesus, das von der Jungfrau Maria empfangen und geboren wird und als dessen väterlicher Beschützer der heilige Josef erwählt ist, wird uns die Gnade des Ursprungs wiedergeschenkt. Wir werden erneut eingesetzt in die Gotteskindschaft, und Gott zeigt sich in der Menschwerdung seines Sohnes als „Immanuel“, als Gott mit uns.

Abschließend noch eine sprachliche Anmerkung im Hinblick auf die Jesaja-Weissagung vom Immanuel – dem „Gott mit uns“: Im hebräischen Urtext wird das Wort „alma“ verwendet, das ganz allgemein „junge Frau“ bedeutet. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, steht bereits das Wort „parthenos“, also „Jungfrau“. Für das Neue Testament, das in seinem Urtext auf Griechisch verfasst ist, war eben diese Version der Septuaginta maßgebend. Gottes Heiliger Geist hat die Wortgeschichte gleichsam in Dienst genommen, um dann im geschichtlichen Ereignis der Menschwerdung Gottes aus der Jungfrau Maria die Einzigartigkeit des „Immanuel“ aufzuzeigen.

Gott setzt einen neuen Anfang, und damit ist uns im Kind Jesus ein Hoffnungszeichen geschenkt, das durch keine Unheilsmacht dieser Welt je zunichtegemacht werden kann! Amen.


[1] Die Schriftzitate sind entnommen aus: Die Bibel: Gesamtausgabe. Revidierte Einheitsübersetzung 2017, Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2016, ISBN 978–3460440005