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Predigt:

11. Sonntag im Jahreskreis C (17.06.2001)

L1: 2 Sam 12,7-10.13; L2: Gal 2,16.19-21; Ev: Lk 7,36-8,3


Josef Spindelböck

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Es fällt uns oft leicht, über andere Menschen zu urteilen. Wir sehen nur auf das Äußere, doch das Herz kennen wir nicht. So kann es vorkommen, daß wir andere Menschen verurteilen, weil wir uns besser einschätzen als sie und weil wir ihre Schuld zu erkennen und zu beurteilen glauben. Uns selber hingegen sprechen wir gleichsam heilig!

Das heutige Evangelium zeigt, daß unser Herr Jesus Christus, der wußte, was im Menschen ist, sich nicht so verhielt wie wir. Er urteilte nicht nach dem Augenschein, sondern sah auf das Herz. Dies gab ihm eine innere Freiheit und Unabhängigkeit des Urteils und des Verhaltens auch gegenüber schuldig gewordenen Menschen, denen er in Liebe begegnete und den Weg der Umkehr eröffnete.

Es ist ein Wunder, daß die Sünderin es überhaupt wagt, sich dem Herrn zu nahen. Ausgerechnet im Haus des Pharisäers, bei dem Jesus zum Essen eingeladen ist, tritt sie – zuerst unbemerkt – von hinten an ihn heran. Sie findet keine Worte und kann nur weinen, so groß ist ihre innere Not und der Schmerz über ihr mißlungenes Leben. Dem schlechten Ruf nach zu schließen, den sie bei ihren Mitmenschen hat, muß sie tatsächlich eine lasterhafte Frau gewesen sein, der keiner zu nahe kommen durfte, der etwas auf sich hielt.

Jesus läßt es zu, daß sie mit ihren Tränen der Liebe und Reue seine Füße benetzt und diese dann sogar mit ihrem Haar abtrocknet. Damit nicht genug: Sie küßt diese Füße und beginnt sogar, sie mit kostbarem Öl zu salben.

Nun ist der Höhepunkt erreicht, meinen manche, die den Vorgang beobachten! Durch dieses unübersehbare Verhalten der Sünderin sind alle herausgefordert, die diese Frau bis jetzt verachtet haben. Der Pharisäer, der Jesus eingeladen hat, überlegt und wird an Jesus selbst irre: Wenn er wirklich ein Prophet wäre, würde er so etwas nicht zulassen! Denn diese da ist ja eine Sünderin.

Doch da tritt etwas Unerwartetes ein: Jesus, der die Gedanken der Menschen kennt, nimmt den Argwohn seines Gastgebers, den dieser gar nicht einmal ausgesprochen hat, zum Anlaß, um ihn in aller Klarheit, aber auch mit Geduld und Liebe auf das Unrechte solchen Urteilens über andere hinzuweisen. Er erzählt ein Gleichnis: Zwei Menschen wird ihre Schuld erlassen. Der, welchem mehr erlassen wurde, wird den Geldverleiher mehr lieben als der andere. So, sagt er, ist es auch bei der Sünderin, die hier anwesend ist und es gewagt hat, sich durch ihre Gesten der Umkehr und liebevollen Reue an Jesus zu wenden.

Jesus wird noch direkter: Er weist den Pharisäer auf sein eigenes Fehlverhalten hin. Er hat sich im Vergleich zur Sünderin viel weniger Mühe gegeben, Jesus seine Wertschätzung und Liebe zu zeigen. Weder hat Jesus von ihm Wasser zum Waschen der Fuße erhalten, noch wurde ihm ein Begrüßungskuß zuteil, noch wurde ihm das Haupt mit Öl gesalbt. Dies hat die Sünderin auf ihre Art gleichsam nachgeholt. Der Pharisäer muß sich eigentlich schämen für seine Herzenshärte. So lautet das Urteil Jesu über die Sünderin und den Pharisäer: „Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie mir so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.“ Und dann folgt das ganz und gar Unerhörte, indem sich Jesus erstmals direkt an die Frau wendet. Er sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Den Teilnehmern am Mahl stockt der Atem: Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein?! Sie spüren den unglaublichen Anspruch Jesu, den er mit diesen Worten verbindet. Er hat klargemacht, daß er im Namen Gottes, seines Vaters, handelt. Die Frage kann nicht mehr verdrängt werden: „Wer ist das, daß er sogar Sünden vergibt?“ Und nochmals wendet sich Jesus an die Frau. Er spricht: „Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!“ Wie erleichtert und dankbar wird sie sich erhoben haben und ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen haben. Sie war eine Gescheiterte, doch Jesu Liebe hatte ihr einen neuen Anfang eröffnet. Denn bei Gott ist nichts unmöglich, und er liebt alle, die sich ihm ehrlichen Herzens zuwenden. Für die Umkehr ist es nie zu spät!

Liebe Brüder und Schwestern, aus solchen Begebenheiten wird uns klar, daß Jesus Christus niemanden aufgibt, auch uns nicht. Damit wir aber Anteil an seinem göttlichen Leben erhalten, ist es nötig, daß wir uns vertrauensvoll an seine Barmherzigkeit wenden. Zugleich müssen wir jedes selbstgerechte Urteilen über andere vermeiden. Jeder muß die Chance der Umkehr haben!

Jesus bestätigt die Menschen nicht in ihrem bösen Tun, sondern ruft sie zur Lebensänderung, zur Hingabe an den Willen des himmlischen Vaters, zu einem Leben in wahrer Heiligkeit und Gerechtigkeit. Aber er tut das in einer nicht diskriminierenden Weise, er ermutigt und bestärkt im Guten. Niemand ist von seiner Liebe ausgeschlossen.

Vielleicht können wir uns bemühen, zuallererst in unseren Gedanken das selbstgerechte Urteilen zu vermeiden. Dann ist es auch wichtig, daß wir in unseren Worten gut sind und nicht lieblos kritisieren und Fehler anderer ohne wichtigen Grund weitererzählen oder gar die Unwahrheit über die Mitmenschen sagen, um selber besser dazustehen. Schließlich bedürfen gerade Menschen, die im Leben tief gefallen sind, der helfenden Tat unserer Liebe, damit sie den Mut finden umzukehren zu einem neuen Leben mit Gott.

Beides ist nötig: Einerseits die klare Weisung, die uns Gott in seinen Geboten gibt, um das Leben aus dem Glauben zu gestalten! Wesentlich ist aber zugleich die barmherzige Zuwendung zu allen, die sich mühen; genau dies schenkt uns Christus im Sakrament der Buße, in der heiligen Beichte.

Nutzen wir die Gnadenmittel, die uns Gott durch seine Kirche immer wieder anbietet, und schließen wir niemand von unserem Gebet und Wohlwollen aus. Denn nur wer Barmherzigkeit schenkt, wird selbst Barmherzigkeit erlangen! Dazu helfe uns die Fürbitte der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Barmherzigkeit. Amen