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Gott und Corona – aktuelle Fragen rund um das Leid

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Die Katholische Hochschulgemeinde Wien veranstaltete am 31.03.2020 einen Live-Stream-Vortrag mit Prof. Dr. Josef Spindelböck mit der anschließenden Möglichkeit zu Fragen auf Instagram @khgwien. Moderiert wurde dies durch Maureen Evangelista.

Gruß und Vorstellung

Ein herzlicher Gruß gilt allen, die mit uns jetzt live auf Instagram oder andere Kanäle verbunden sind. Besonders möchte ich alle kranken Menschen und ihre Angehörigen grüßen, vor allem auch jene, die sich für kranke Menschen einsetzen, sie betreuen und ihnen beistehen. Ich denke hier nicht nur an die Corona-Kranken (zurzeit sind es schon fast 10.000 in Österreich, dazu kommt eine Dunkelziffer), sondern an alle kranken Menschen. Es seien hier ausdrücklich Glaubende und Nichtglaubende begrüßt. Ob Sie nun katholisch sind oder evangelisch, orthodox oder gar nicht christlich, sondern jüdischen oder islamischen Glaubens sind oder keiner Religion angehören: der Gruß gilt Ihnen allen!

Es ist eine Live-Veranstaltung der KHG, der Katholischen Hochschulgemeinde in Wien; so sind naturgemäß viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus gerade diesem Umfeld. Ich begrüße daher alle Studierenden, alle universitären Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle Lehrenden, alle irgendwie Interessierten!

Mein Name ist Josef Spindelböck. Ich bin Priester der Diözese St. Pölten und Moderator der „Gemeinschaft vom heiligen Josef“. Als Professor für Moraltheologie und Dozent für Ethik unterrichte ich an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten, wo ich zurzeit das Amt des Rektors innehabe. Auch unsere Hochschule ist in diesen Wochen auf „Hausunterricht“ bzw. Fernstudium umgestellt. Wir schauen, dass wir diese schwierige Zeit gut überbrücken können. Ähnliches gilt für das Internationale Theologische Institut in Trumau, wo ich als Gastprofessor unterrichte; dieser Unterricht erfolgt jetzt über Videokonferenzen in Google Meet. Hier an der Universität Wien habe ich 1993 mein theologisches Doktorat erworben; habilitiert habe ich mich an der Katholischen Universität Lublin; mein Diplomstudium in Theologie habe ich an der Hochschule des Stiftes Heiligenkreuz absolviert. Geboren bin ich am 17. September 1964 in Kirchberg in Tirol, wohin man jetzt aufgrund der strengen Quarantäne-Bestimmungen nicht mehr leicht hinreisen kann.

 

Anfangsimpuls: Corona – das Bier und die Heilige

Wenn man vor einem Jahr jemanden gefragt hätte, woran sie oder er beim Wort „Corona“ denkt, dann hätte es vielleicht geheißen: ja, da kenne ich ein gutes Bier! Es gibt nämlich tatsächlich das „Corona-Bier“. Es kommt aus Mexiko und ist gerade in der jetzigen Zeit besonders gefragt. Manche meinen irrtümlich, dies könne sogar ein Gegenmittel gegen den Virus sein: Corona schütze vor Corona! 😊 [Hier zeige ich den Zusehern eine Flasche.] Aber bitte verlassen Sie sich nicht darauf.

Und vielleicht hätte auch jemand gesagt, sie oder er kennt einen oder zwei Orte mit dem Namen „St. Corona“. Ja, tatsächlich: Es gibt in Österreich die Gemeinde St. Corona am Wechsel und den Ort St. Corona am Schöpfl. Die heilige Corona, deren Gedenktag am 14. Mai gefeiert wird, war eine frühchristliche Märtyrerin aus Kleinasien. Sie gilt unter anderem als Schutzpatronin gegen Seuchen. Welch ein Zufall! Oder ist es doch göttliche Vorsehung?

Bevor wir über die derzeitige Situation philosophieren und dann auch die Theologie befragen, sollten wir ganz kurz einige biologische und medizinische Basics klären:

 

Wie wirkt das Corona-Virus?

Das SARS-CoV-2-Virus (meist als Covid-19 bezeichnet) gehört zur Familie der Coronaviren. Innerhalb dieser Gruppe ist es dem 2002 aufgetretenen SARS-Virus am ähnlichsten. Wie auch sein enger Verwandter nutzt das neue Coronavirus den ACE2-Rezeptor, um in menschliche Zellen zu gelangen. Befallen wird vor allem die Lunge. Bei sehr schweren Verläufen droht akutes Lungenversagen. Als Hauptübertragungsweg gilt die Tröpfcheninfektion etwa über hustende Erkrankte. Der Ansteckungsradius beträgt rund zwei Meter. Es gibt besondere Risikogruppen: Personen mit schweren Vorerkrankungen sowie generell ältere Menschen ab 60 Jahren.

Inzwischen wurden weltweit von den jeweiligen politischen Autoritäten mitunter einschneidende Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Virus getroffen. Wir erleben dies derzeit auch in Österreich. Diese Einschränkungen im zivilen und kirchlichen Bereich haben nicht das Ziel, unsere Freiheit prinzipiell zu unterdrücken oder die Glaubensausübung zu behindern. Es geht um Maßnahmen, die von der Sache her – nämlich aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen – gefordert sind und deshalb in einer Notsituation auch vom Standpunkt des katholischen Glaubens aus gerechtfertigt sind, zumindest prinzipiell. Denn über Details lässt sich bekanntlich trefflich streiten.

 

Die Anfrage des Menschen an Gott: Warum muss ich leiden? Warum müssen Unschuldige leiden und sterben?

Gerade wenn jemand erkrankt ist oder verschiedenen Leiden ausgesetzt ist, dann stellt sich dieser Mensch die Frage: Warum trifft es gerade mich? Wie kann der gute Gott es zulassen, dass ich leiden muss? Oder generell: Wie konnte dieses oder jenes Unglück geschehen? Warum lässt Gott Seuchen und Kriege und schlimme Dinge zu? Warum hat er die Entstehung und Ausbreitung des Corona-Virus nicht verhindert?

Es geht hier um die sog. Theodizee-Frage: Warum lässt der gütige, allmächtige und allwissende Gott so etwas zu? Warum lässt er physische Übel zu, warum lässt er sogar das sittlich Böse zu? Wie lässt sich das alles mit dem Glauben an einen Gott vereinbaren, der in seiner Vorsehung alles lenkt und doch unsere individuelle Freiheit achtet und garantiert?

Der Sinn des Leides bleibt auch für uns als Christen geheimnisvoll. Der Blick auf Gott und der Glaube an seine Liebe lässt uns jedoch die biblische Deutung annehmen. Demgemäß gilt ganz allgemein: Leiden und Tod sind eine (Straf-) Folge der Sünde. D.h. erst seit dem Sündenfall der ersten Menschen (Adam und Eva) gibt es das Leiden in der jetzt erfahrenen Form. Die verlorene Freundschaft mit Gott brachte über die Menschen auch viele physische Übel, so eben das Leid und den Tod.

Individuell können wir dies jedoch nicht einfach so behaupten, dass eben das Leid eine Folge der Sünde sei oder gar eine Strafe, auch wenn es in einem besonderen Fall zutreffen mag, dass jemand sich sein Leid / seine Krankheit selbst (mit-) verschuldet hat: z.B. durch starkes, dauerhaftes Rauchen, durch exzessiven Drogenkonsum, durch ein unbeherrschtes Sexualleben etc.

Gott lässt das sittlich Böse zu, weil er die Freiheit des Menschen achtet. Zugleich aber gilt, klassisch gesprochen: Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse! Denn Gott ist gerecht. Er will aber nicht den Tod des Sünders, sondern dass er lebt und sich bekehrt.

 

Wie können und sollen wir mit Leiden und Krankheit umgehen?

Psychologisch stehen am Anfang oft Ablehnung und Unverständnis. Es gibt eine offene oder eine stille Rebellion. Dann gibt es eine Phase des Einsehens des Unabänderlichen und der Resignation. Diese kann auch mit Trotz verbunden bleiben und hat von daher den Charakter des Unfreien, Niederdrückenden. Es kann aber dann auch gelingen, vor allem aus der Sicht des Glaubens, dem Leiden etwas Positives abzugewinnen, sodass wir durch das Leiden innerlich reifen.

Ich lege hier eine „steile These“ vor:

Leiden, in Liebe angenommen, läutert uns und macht uns zu besseren Menschen! Oder noch richtiger: Liebe bewährt sich im Leiden und kann dieses von innen verwandeln, ihm Sinn verleihen und uns so zu größerer menschlicher Reife führen.

Dies zeigt sich und bewahrheitet sich, wenn wir auf das Kreuz Christi blicken:
Der Sohn Gottes wurde ein Mensch wie wir, um mit uns und für uns zu leiden. Durch sein Leiden und Sterben – aus Liebe! – hat er die Welt erlöst.

Das Leiden ist nicht in sich wertvoll, sondern wenn wir es aus Liebe zu Gott und aus Liebe zum Nächsten annehmen. Wir dürfen und sollen das Leid lindern und wollen auch beten, dass es uns nicht treffen möge oder von uns genommen werden möge.

Blicken wir aber jetzt auf alle Kranken, Leidenden und Sterbenden! Hier gilt aus menschlicher und christlicher Sicht:  Der leidende und sterbende Mensch verliert nicht seine Würde.

Wenn man urteilt: Dieses Leben ist nicht mehr lebenswert, so ist damit fast zwangsläufig ein Urteil über die Person dieses Menschen verbunden. Genau hier liegt die Problematik der Euthanasie (als direkte Tötung eines kranken Menschen durch Tun oder Unterlassen). Wir missachten dabei die Würde dieser Person; wir signalisieren diesem Menschen: Es ist nicht gut, dass es dich gibt.

 

Statt dessen sollten wir den Kranken und Sterbenden beistehen und ihnen menschliche Nähe zeigen und dadurch auch die Nähe Gottes vermitteln.

Angesichts der nötigen Distanz zu Menschen, die von ansteckenden Krankheiten befallen sind (wie dem Corona-Virus), stellt sich die Frage der liebevollen Nähe auf noch dringendere Weise!

Die eigentliche Herausforderung lautet, christlich gesprochen:
Wie können wir die Werke der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeit auf bestmögliche Weise üben?

Denn dadurch zeigen wir dem Mitmenschen, wie sehr wir ihn als Mensch schätzen und respektieren (Menschenwürde!) und zu welch großem Ziel uns Gott alle gerufen hat (nämlich zur ewigen Vollendung im Reich Gottes, also zur Gottesschau im Himmel und der Auferstehung des Leibes).

 

Für alle jene, denen der Glaube an Gott wichtig ist und die auch mit der Kirche verbunden sind, möchte ich als Seelsorger hier einige Überlegungen für die gegenwärtige Not- und Krisensituation präsentieren:

In dieser Zeit, wo persönliche Kontakte aufgrund des Corona-Virus massiv eingeschränkt sind und auch bleiben müssen, suchen wir nach anderen Wegen der Verbundenheit – auch im Hinblick auf das sakramentale und kirchliche Leben.

Es ist wichtig, dass wir in persönlicher Verantwortung Sorge tragen für unsere Angehörigen. Diese müssen wir jetzt zuerst schützen, besonders wenn sie zu einer vulnerablen Gruppe gehören.

 

Was das sakramentale und kirchliche Leben betrifft, kann man den objektiven, sakramententheologischen Aspekt unterscheiden vom subjektiven, spirituellen:

  • Objektiv gilt, dass Gott der Herr seine Gnaden zwar an die Sakramente gebunden hat, dass er selbst aber nicht daran gebunden ist. Deshalb sagt die Kirche, dass in außerordentlichen Situationen das innere Verlangen nach dem Sakrament (das „votum sacramenti“) dem tatsächlichen Sakramentsempfang weitgehend gleichzusetzen ist, insofern z.B. ein Katechumene, der in der Taufvorbereitung stirbt, dennoch dann wie ein Getaufter zu gelten hat. So gesehen kann die „geistliche Kommunion“ bzw. das Verlangen nach der Mitfeier der hl. Messe bzw. auch der mit wahrer Reue über die eigenen Sünden verbundene Wunsch nach dem Empfang des Bußsakraments auf gewisse Weise all jene Gnaden vermitteln, die wir sonst auf ordentlichem Weg durch die Sakramente empfangen.
  • Subjektiv und spirituell ist es für viele jetzt ein großes Opfer und eine massive Einschränkung, wenn die ordentlichen Wege der Heilsvermittlung in den Sakramenten durch physische Präsenz jetzt nur erschwert zugänglich sind. Hier kann es sicher helfen, sich per TV, Radio oder Internet-Streaming mit der hl. Messe zu verbinden. Auch kann man sich von Priestern, die man kennt, ausdrücklich in die hl. Messe mit einschließen lassen.

Was sog. Ausnahmeregelungen betrifft, so haben die österreichischen Bischöfe generell eine Dispens für die Erfüllung des Sonntagsgebotes durch die physisch kaum realisierbare Mitfeier der hl. Messe erteilt, solange dieser Zustand andauert. D.h. die Verpflichtung fällt für diese Zeit weg.

 

Eine Ermutigung in der Österlichen Bußzeit

Die österliche Bußzeit oder Fastenzeit dauert (wenn man die Sonntage abzieht) von Aschermittwoch bis inklusive Karsamstag genau 40 Tage. Sie wird daher auch „Quadragesima“ genannt. Interessanterweise gibt es vom Wort her eine Verwandtschaft mit „Quarantäne“. Auch diese dauerte ursprünglich 40 Tage lang.

Hier nun ein Gedanke: Wenn wir als Christen die 40 Tage der Fastenzeit ohnehin auf gute Weise verbringen wollen, d.h. ihren Sinn entdecken und leben wollen, was hindert uns daran, auch die uns nun auferlegte sogenannte Quarantäne (also die Ausgangsbeschränkungen etc.) in diesem Rahmen zu sehen? D.h. wir können auch diese Zeit auf geistliche Weise verbringen und sie als eine Chance begreifen, unser eigenes Leben in seinem Bezug zu den Mitmenschen, zur Umwelt und zu Gott zu erneuern. Manches fällt jetzt vorübergehend weg, worauf wir von uns aus vielleicht nie verzichtet hätten. Jetzt begreifen wir plötzlich, dass wir nicht alles brauchen bzw. dass es noch viele andere Möglichkeiten gibt, sich am Leben zu erfreuen und es sinnvoll zu gestalten. So gesehen könnte es ja auch ein Weg zu größerer innerer Freiheit sein …

Gott der Herr möchte uns dadurch etwas Gutes und Wichtiges aufzeigen. Er „straft“ ja nicht einfach, um einem strikten Gerechtigkeits- oder gar Rachebedürfnis nachzukommen, sondern er will unser Bestes. Letztliches geht um unser ewiges Heil. Daran aber erhalten wir Anteil, wenn wir zu liebenden Menschen werden.

Der heilige Papst Johannes Paul II. hat es verschiedentlich so ausgedrückt, dass die Liebe die grundlegende Berufung eines jeden Menschen ist. Gott hat uns aus Liebe erschaffen und uns ins Leben gerufen; er beruft uns dazu, dass wir liebende Menschen werden und so zu jener Vollkommenheit gelangen, die Gott von uns erwartet. Das aber kann geschehen im Blick auf Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Er ist uns allezeit nahe und geht alle Wege mit uns. Selbst im Leid und in der Prüfung verlässt uns Gott nicht; er wollte uns in seinem Sohn als Mensch zuinnerst verbunden sein.

Halten wir in dieser schwierigen Zeit durch und ermutigen wir alle unsere Verwandten, Freunde und Bekannten in der Weise, dass dies alles zwar eine massive Prüfung darstellt, aber zugleich niemand einen geistlichen Schaden leiden wird, der weiterhin auf Gott vertraut und zu ihm betet, so gut das eben möglich ist!

 

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, und jetzt wäre ich echt interessiert an Ihren / Euren Meinungen und Fragen! Ich danke für die bis jetzt aufgebrachte Geduld und Aufmerksamkeit.

 

Fragen und Antworten

 

1) Hat jeder gläubige Leidende die Erfahrung der Nähe Gottes?

Auch glaubende Menschen sind bekanntlich vom Leid betroffen; mitunter scheint es, es werde ihnen von Gott sogar mehr zugemutet als anderen. Grundsätzlich würde ich sagen, dass es für Glaubende im Blick auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus „leichter“ ist, Leiden, Krankheit und Tod zu ertragen bzw. anzunehmen. Dies schließt freilich individuell nicht aus, dass auch glaubende Menschen mit Gott zu hadern beginnen oder sich schwer tun, Leiden anzunehmen. Eigentlich müsste man sagen: Die Frage kann man nicht theoretisch lösen, sondern nur praktisch. D.h. also, wenn ich oder Du konkret von eigenem oder fremdem Leid betroffen sind, dann sind wir herausgefordert in unserem Glauben, in unserer Hoffnung und in unserer Liebe. Es ist ein Weg der Bewährung und der Reifung. Wir dürfen auch zugeben, dass wir nicht vollkommen sind, sondern schwach. Aber gerade da wird uns die Gnade Gottes zuteil. Gott ist nahe, unabhängig davon, ob ich dies „spüre“ oder erfahre. Auch in der größten Dunkelheit steht er uns bei, sagt uns der christliche Glaube. Dort, wo niemand anderer uns beistehen und trösten kann, ist Jesus Christus als Gekreuzigter und Auferstandener bei uns. Wir leben und sterben mit ihm und erwarten das ewige Leben und die Auferstehung der Toten.

 

2) Kann das Leben nach Corona ganz normal weitergehen? Sollte sich nicht etwas ändern bzw. sollten die Leute sofort wieder in den Alltag gestürzt werden?

Die gegenwärtige Krise kann ein Anlass sein, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Manche sagen, dass die staatlich verordneten Maßnahmen gegen Corona auch dem Klima und der Natur insgesamt gut tun. Tatsächlich ist eine neue Bescheidenheit gefragt, die uns helfen sollte, das eigentlich Wichtige im Leben neu zu entdecken. Wir haben zu sehr auf Konsum und auf globale Verfügbarkeit aller möglichen Güter gesetzt; jetzt zählt wieder das alltägliche Zusammenstehen. Wichtig wird aber auch sein, dass die jetzt doch massiv eingeschränkten bürgerlichen Grundrechte wieder geachtet und garantiert werden. Wir wollen keinen Überwachungsstaat, sondern schätzen unseren Rechtsstaat in Gestalt einer freiheitlichen Demokratie.

 

3) Sollen Sterbende die Möglichkeit haben, von Priestern besucht zu werden? Es gibt da Krankenhäuser, wo das nicht so gut funktioniert.

Für Krankenhäuser gibt es in Österreich in diesen schwierigen Umständen meistens die Regelung, dass der zuständige Krankenhausseelsorger die Möglichkeit hat, den Kranken beizustehen. Es ist jedoch kaum mehr möglich, dass z.B. der Heimatpfarrer Kranke aus der Pfarre im Krankenhaus besucht. Dennoch sollen alle Möglichkeiten der Kontaktaufnahme genutzt werden. Kommen Seelsorger zu Menschen mit ansteckenden Krankheiten, dann sind sie verpflichtet, sich und andere durch entsprechende Kleidung und angemessene hygienische Maßnahmen zu schützen. Tatsächlich ist die Seel-Sorge mindestens ebenso wichtig wie die Sorge um die Gesundheit unseres Leibes!

 

4) Wie ist das genau mit der „geistlichen Kommunion“? In welcher Beziehung steht sie zur wirklichen Kommunion und zur heiligen Messe insgesamt, einschließlich der dort geschehenden Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi?

Eine geistige Kommunion als „Kommunion der Sehnsucht nach Jesus Christus“ kann es nur geben, weil es auch die sakramentale Kommunion gibt. Diese wiederum setzt die bleibende Gegenwart Christi unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein voraus. Das aber ist nur möglich, wenn die heilige Messe gefeiert wird, in welcher Christus selbst durch den Dienst des Priesters das Opfer seiner liebenden Hingabe an den Vater im Himmel vollzieht und wo uns das Brot des Lebens und der Kelch des Heiles gereicht werden. Vielleicht kann uns diese Notzeit daran erinnern, dass wir nicht einfach gewohnheitsmäßig zur heiligen Kommunion gehen sollten. Das Wichtigste ist immer die innere Sehnsucht, also das Verlangen, beim Herrn zu sein. Er ist der Arzt für Leib und Seele. Er stärkt uns auch in der jetzigen Zeit, selbst da, wo eine sakramentale Kommunion nur für wenige möglich ist. Wer jetzt noch die Gnade und die Möglichkeit hat, sakramental zu kommunizieren, soll sich nicht als Auserwählter betrachten, sondern gerade in diese heilige Kommunion auch alle Menschen einschließen und geistig „mitnehmen“, die derzeit nicht kommunizieren können.

 

5) Was kann es bedeuten, das eigene Leid Gott „aufzuopfern“, vielleicht sogar in einem bestimmten Anliegen, wie dies in der kirchlich anerkannten Botschaft von Fatima von der Gottesmutter Maria erbeten wurde, für die Bekehrung der Sünder?

Gemeint ist unsere Hingabe aus Liebe an Gott und zum Wohl und Heil des Nächsten, wenn wir unsere Leiden und Beschwernisse, welche uns die göttliche Vorsehung zumutet, geduldig annehmen. Wesentlich für unsere Erlösung ist die Opferhingabe Jesu Christi am Kreuz: Er hat seinen Tod nicht als blindes und ungerechtes Schicksal erfahren, sondern sein Leben bewusst hingegeben im Gehorsam gegenüber seinem himmlischen Vater und zur Sühne für unsere Sünden. Stellvertretend für andere dürfen wir uns die Opferhingabe Christi zu eigen machen und uns in unserem Leiden und Sterben mit ihm verbinden. So bringen auch wir geistliche Frucht in der Hingabe der Liebe.