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Impfpflicht Ja oder Nein?
Eine moraltheologische Stellungnahme

Josef Spindelböck

Hinweis/Quelle: Der Autor ist ordentlicher Professor für Moraltheologie und Dozent für Ethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten sowie außerordentlicher Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der Katholischen Hochschule ITI in Trumau.

Die Covid-19-Pandemie stellt für die Menschen in Österreich eine große Herausforderung dar. Da diese Erkrankung nicht nur einzelne betrifft, sondern eine öffentliche Dimension hat, liegt es im gesellschaftlichen und politischen Interesse, die Erkrankung so weit einzudämmen, dass man insgesamt mit ihr leben kann. Ein wichtiger Indikator für den Ernst der Lage ist die Zahl der noch freien Intensivbetten für Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen. Rechtzeitig müssen geeignete und zugleich verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen werden, dass eine solche Notsituation möglichst nicht erreicht wird, bei welcher die Triage als letzter Ausweg bleibt.

Nach Auffassung führender Virologen und medizinischer Experten erweisen sich die in Österreich angebotenen Impfstoffe als hochwirksam. Es ist bisher nicht gelungen, ausreichend viele Menschen von der Notwendigkeit einer solchen Impfung zu überzeugen; so versucht es die Politik jetzt mit Druckmitteln (fallweiser Lock-Down für Ungeimpfte, angekündigte Einführung einer Impfpflicht).

Viele Menschen in Österreich haben derzeit den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen die eigenen Versäumnisse in der koordinierten Bekämpfung der Pandemie auf die Gruppe der Ungeimpften abzuwälzen suchen. Diese werden als Sündenböcke ausgemacht, die es zu bestrafen gilt, wenn sie sich nicht überzeugen lassen. Eine solche Vorgangsweise ist hochproblematisch, da hier die notwendige Solidarität aller in der Bekämpfung des Virus und im Hinblick auf das gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt infrage gestellt und beschädigt wird. Schon als Menschen und noch mehr als Christen dürfen wir einander nicht ausgrenzen, sondern sollen uns für das Wohl und Heil aller Mitmenschen einsetzen.

Grundsätzlich gilt: Wer eine Impfung für sich persönlich ablehnt, ist ethisch verpflichtet, sich und andere vor einer möglichen Ansteckung und Ausbreitung des Covid-19-Virus zu schützen. Dazu zählen insbesondere regelmäßige Tests, ausreichender Abstand zu Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, Schutz durch FFP2-Masken etc.

Um des Gemeinwohls willen kann in einem streng definierten Rahmen eine zeitweise Impfpflicht eingeführt werden, wenn dies medizinisch gesehen der letzte Ausweg ist (die „ultima ratio“), um die negativen Folgen einer Pandemie einzudämmen. Freilich wird hier das grundlegende Menschenrecht auf persönliche Freiheit und die Achtung der körperlichen Integrität eingeschränkt; deshalb ist eine solche gesetzliche Anordnung rechtfertigungspflichtig. Sollte eine temporäre Impfpflicht eingeführt werden, dann müssten zugleich auch Ausnahmen definiert werden: für bereits Genesene, für Menschen mit bestimmten körperlichen Erkrankungen und in außergewöhnlichen psychischen Situationen und nicht zuletzt auch für jene, welche eine Impfung aus Gewissensgründen ablehnen.

Abschließend formuliert der Moraltheologe einen persönlichen Appell an alle noch Zögernden: „Sofern dem nicht schwerwiegende Gründe entgegen stehen: Lassen Sie sich bitte möglichst bald impfen! Es dient dem Wohl aller.“

(Erstellt am 26.11.2021)

Lesen Sie auch: Moraltheologische Argumente zur Impfung gegen Corona (aktualisiert am 04.06.2021)