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Kann man bei der Weiterführung des „Jahres des Priesters“ ohne eigenen Patron auskommen?
Sakramententheologische Überlegungen, warum der Hl. Pfarrer von Ars nicht als alleiniger Patron für alle Priester ernannt worden ist (Juni 2010)

Robert Bösner

Es ist meines Erachtens einer ganz besonderen Aufmerksamkeit wert, dass Papst Benedikt XVI. beim Abschluss des „Jahres des Priesters“ am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, am 11. Juni 2010, vor 16.000 mit ihm am Petersplatz konzelebrierenden Bischöfen und Priestern unter anderem sagte, dass das „Jahr des Priesters und seiner Heiligung“ nicht zu Ende gehen, „sondern weitergeführt werden soll“.

Der Verfasser möchte – in der Vorfreude auf die Teilnahme an der Seligsprechung von Kardinal Newman in England – seine Vermutung aussprechen, dass dieser neue Selige der katholischen Kirche einen guten Patron für die „Weiterführung“ des in Rom abgeschlossenen „Jahres des Priesters“ abgeben könnte. Ungefähr drei Monate nach dem Abschluss des „annus sacerdotalis“ wird Papst Benedikt XVI. bei seinem Staatsbesuch in England den von Papst Leo XIII. in den Kardinalsrang erhobenen Priester und Theologieprofessor, John Henry Newman, – entgegen seinen eigenen Vorhaben, selber nur Heiligsprechungen vorzunehmen und diese in Rom durchzuführen – in Birmingham seligsprechen (So, 19. September 2010) und ihn so der Kirche und der Welt zur Verehrung bekannt machen.

Wenn man weiß, mit welcher Gründlichkeit die päpstliche Behörde „Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen“ einen Seligsprechungsprozess führt (dem ein diözesaner Prozess zur Vorbereitung darauf nach ganz bestimmten Regeln vorausgeht), dann ist man stark geneigt zu fragen, welche Ergänzungen zum heiligen Pfarrer von Ars, Jean Marie Vianney, dem vom Papst vorgegebenen Patron des weltweiten Priesterjahres, die Person des vorerst „nur“ selig gesprochenen und aus der anglikanischen zur römisch-katholischen Kirche konvertierten Priesters und Theologieprofessors beitragen kann.

Denn wenn zum Abschluss des vorher erwähnten „Jahres des Priesters“ der Heilige Pfarrer von Ars nochmals allen Pfarrern und nicht, wie in der ursprünglichen Ansage, allen Priestern als Vorbild und Patron vorgestellt wurde, dann erhebt sich unwillkürlich die Frage, welche Bedeutung die „Gestalt“ des seligen Kardinal Newmans evtl. für alle Priester haben könnte. Dieser Frage möchte der Verfasser in diesen folgenden Überlegungen nachgehen.

Beide Priester, der eine aus der ersten Hälfte (Vianney) sowie der zweite aus der anderen Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Newman) hätten fast als Zeitgenossen wirken können. Und doch, wie verschieden sind diese beiden heiligmäßigen Priester!

Der eine kommt nach dem Wüten der Französischen (Kultur-) Revolution aus der Tradition der „École Francaise“, der katholischen Erneuerung des 17. und 18. Jahrhunderts, in der das Thema ‚Kirche’ eher in konfessionell-politischer als in konstitutiver Identitätssuche für Priester abgehandelt wurde. Es galt einfach: Wer gläubig und fromm war und den von Napoleon und seinen Nachfolgern geforderten Eid auf eine völlig innerweltliche Sicht der Gesellschaft u. der Kirche verweigerte und sich zugleich treu zum Papst bekannte, der galt der damaligen Regierung als „vogelfrei“ und hatte somit sein Leben in diesem System riskiert. Auf der anderen Seite waren aber solche Priester auch Mutmacher für alle treuen Katholiken, die als solche in der gleichen riskanten Situation leben mussten, wenn sie sich als katholisch bekannten. In dieser Situation ist Vianney aufgewachsen und das hat ihn geprägt. Später, nach seinen mühsamen Studien, ging es ihm als vom Bischof bestelltem Pfarrer besser; da legte er seine ganze Risikobereitschaft in die Sorge um seine Gemeinde und in das Streben um Heiligkeit. „Kirche“, das wussten auch die einfachen Katholiken, wurde nämlich in dieser rein zivilen“ Konzeption des „Code Napoléon“ verstanden als ein „Stück“ des weltlichen Staates und nicht als die „Braut des Herrn“, für die nur der Papst zuständig ist.

Der andere Priester kommt aus einer anglikanischen Erneuerungsbewegung, der sogenannten „Oxfordbewegung“, die auf dem breiten Hintergrund der verschiedenen Formen von protestantischen und evangelikalen Kirchenbildern auf die „wahre Kirche“, die dem Stiftungswillen Jesu Christi entspricht, abzielt. Der angesehene Theologieprofessor in der anglikanischen Kirche und spätere Kardinal Newman hat die Mühe auf sich genommen, durch das Studium der Kirchengeschichte und des apostolischen Zusammenhanges der hierarchisch-sakramententheologischen Struktur der Kirche, angefangen von der Heiligen Schrift( inkl. den sogen. Pastoralbriefen) und der Zeit der patristischen Lehrer und Väter des Ostens und des Westens bis in seine Zeit hinein Antwort auf diese brennende Frage zu finden: wo ist die „wahre Kirche Jesu Christi“ zu finden, die seinem Stiftungswillen entspricht? Resultat: er entdeckte einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang, der ihm gänzlich andere Antworten „lieferte“, als er es sich erwartet hatte. Die geschichtlichen Fakten führten ihn – wohl oder übel – zur katholischen Kirche. Daraus hat er für sich selbst dann in großer intellektueller Redlichkeit auch die geistlich-praktische Konsequenz gezogen.

Nach eingehenden Studien musste er seine eigene bisherige Theorie verwerfen, nämlich, den Anspruch der Anglikanischen Kirche, dass sie die viel gepriesene „via media“ sei (zwischen der spätbarocken, „veralteten“ römischen Kirche und der dem Rationalismus anheimgefallenen evangelischen Position). Er hat es nicht leicht gehabt, das zugeben zu müssen und konsequenter Weise zu konvertieren.

In seinem Buch: „Apologia pro vita mea“ hat er sich in aller Öffentlichkeit gegen die heftigen Attacken seiner früheren Freunde aus der anglikanischen Kirche verteidigen müssen, weil gerade sie ihn am meisten nur negativ „verrissen“ und absichtlich falsch verstanden haben.

„Als ich noch in der anglikanischen Kirche war, hatte ich viele Freunde, aber nicht die (Anm: ekklesiologische) Wahrheit. In der katholischen Kirche habe ich die (ekklesiologische) Wahrheit gehabt, aber keine Freunde.“ Mit diesem Wort spielte er auf einige gutwillig konvertierte katholische Eiferer in England an, die ihn mit seiner herausragenden theologischen Bildung nicht annehmen konnten und ihn in Rom „schlecht“ machten (Kard. Manning), weil sie meinten, dass er immer noch ein verkappter Protestant sei. Bis zu seiner Kreierung als Kardinal durch Papst Leo XIII. („il mio cardinale!“) „lag in Rom immer eine dunkle Wolke über mir!“

Während seines Lebens in der katholischen Kirche nach seiner Konversion war es ihm ein Anliegen, als Priester die gemeinschaftliche Struktur des priesterlichen Wirkens und Lebens mit dem Bischof und dessen priesterlichen Mitarbeitern im Presbyterium, in der „fraternitas sacramentalis“, zu verwirklichen.

Von Rom kommend gründete er mit Hilfe anderer Priester das erste „Oratorium nach den Weisungen des Hl. Philipp Neri“ in Birmingham. In diesem alten geistlichen Institut sah er eines seiner Ideale verwirklicht

In dieser Stadt wird auch die Feier der Seligsprechung des vor über einhundert Jahren verstorbenen Verfechters der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ begangen, von der das 2. Vatikanische Konzil lehrt, dass sie „consistit in ecclesia catholica“.

Wer je die dogmatische Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium), die dogmatische Konstituion über die Liturgie (Sacrosanctum Concilium), das Dekret über Dienst und Leben der Priester (Presbyterorum ordinis) und das Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche ( Dekret Ad Gentes) einschlägig durchstudiert hat, wird merken, dass das, was Kardinal Newman gelehrt hat und was das 2. Vatikanische Konzil mit kirchlicher Lehrautorität über die katholische Kirche und ihr Geheimnis verkündet, klar „kompatibel“ ist.

Das Heiligkeitsstreben der Priester besteht – ergänzend zur bisherigen spirituellen, aszetischen und disziplinären Vorbildhaftigkeit der einzelnen Priester und ergänzend zur Hingabe für die Herde Christi in der Spendung der das Heil weitergebenden Sakramente und zur Hirtenaufgabe durch die persönliche Vorbildhaftigkeit – auch darin, dass es sich im pastoralem Aufbau der Herde Christi als des heilsgeschichtlich einen „Leibes Christi“ in eucharistischer und „pastoraler“ Konzelebration mit dem zuständigen Bischof und den Mitgliedern seines Presbyteriums verwirklicht. Und dies unter der Voraussetzung, dass es in der – von vornherein einen und geeinten – Diözese geschieht.

Die durch die Handauflegung des Bischofs in das schon bestehende geisterfüllte „Kollegium“ des Presbyteriums des Bischofs und somit in die volle apostolische und sacerdotale Zusammenarbeit mit dem Bischof hinein zu weihenden Priesteramtskandidaten (dh. Diakone), müssen sich auch darin bewähren, dass sie in „pastoraler Liebe“ dem Hohepriester Jesus Christus und seinem geheimnisvollen Leib mitten unter den Menschen dienen und sie immer mehr zu diesem seinem „Leib“ dazu nehmen, durch Verkündigung und Taufe bis hin zu vollen Initiation.

Dabei kann es sein, dass sie als treue Diener ihres Herrn – und nach dessen Vorbild als des obersten Hirten, „der sein Leben für seine Schafe gibt!“ – sie ihm auch auf diesem Weg nachzufolgen berufen werden (vgl. Seliger Pfarrer Otto Neururer aus Götzens, Tirol).

Diese ekklesiologisch-apostolische Seite des priesterlichen Dienstamtes ist nach Meinung des Verfassers vom Ansatz der École francaise her mit ihren missionarischen Eifer für die Erneuerung des Lebens der Christen systemimmanent nicht direkt ableitbar (wenn sie ihm auch nicht widerspricht!), weil hier der einzelne – geistlich fruchtbar wirkende – „homo apostolicus“ (Hl. Alfons von Liguori ) im Vordergrund steht, selbst wenn man im Verbund (z.B. einer Volksmission) arbeitet.

* Auch vom individualistisch „aufgeweichten“ Kirchentum österreichischer Prägung in der Jetztzeit (es ist dies das Endresultat des Staatskirchentumes josephinischer Einführung vor bald 250 Jahren) findet man ebenfalls nicht leicht zur apostolischen Vorgabe des katholischen Priestertums.

* Darüber hinaus gibt es so viele – Jahrhunderte lange – Gewöhnungen an partikuläre „Consuetudines“ und „diözesaneigene Wege“, die teils zeitgeschichtlich einmal notwendig waren (École francaise), die aber in späteren Jahrhunderten nach Ergänzungen rufen.

* Man vergleiche auch das Auseinanderdriften von östlicher und westlicher Traditionen im Mittelmeerraum, das zum ersten großen Schisma führte und

* die geistesgeschichtliche Entwicklung der Renaissance mit ihren Individualismus in Kunst und Lebensweise, die dann auch das Glaubensleben erlebbar und fühlbar haben wollte, eine Einstellung, die dann durch Dr. Martin Luther zum zweiten großen Schisma geführt hat.

* Das ganze heutige öffentliche Leben in den industrialisierten Regionen der Welt ist immer mehr von dieser individualisierten Erlebnis-Grundlage geprägt, und es besteht immer mehr die Tatsache, dass sich diese zivile Mentalität schädlich in den Kirchentümern dieser weltlichen Gesellschaften ausbreitet.

Wird der Hl. Vater für die Weiterführung des „Priesterjahres“ als zeitgenössischen Impuls zur katholischen Neubesinnung den Diener Gottes, Kardinal Newman erwählen, den bald selig gesprochene Konvertiten aus der anglikanischen Kirche ? Der Verfasser vermutet dies.

Newman hat ja – wie wir heute – damals in einem ‚angesehenen’ Kirchentum gelebt, an dem aber später deutlich wurde, dass es nicht „immun“ war gegenüber allen modernen Einflüssen, wie der Auflösung der traditionellen Moral, vgl. die Lambeth-Konferenz um das Jahr 1920 mit der Propaganda für „verantwortete“ Kontrazeption, Abtreibung und Euthanasie u.v.a. mehr. Die Reaktion des katholischen Lehramtes dagegen war die Lehre von „Casti connubii“ und „Humanae vitae“ und heute „Evangelium vitae“. Auch die Diskussion über die Gültigkeit der Weihen unter Papst Leo XIII. und deren Nicht-Anerkennung durch die katholische Kirche hat später gezeigt, dass man in der Anglikanischen Kirche unter viel Widerspruch dennoch die Frauenordination für das Priester- und später auch für das Bischofsamt – als angeblich nicht widersprüchlich zum apostolischen Stiftungswillen Jesu – eingeführt hat, was immer mehr zu einer großen Gefahr der Spaltung der anglikanischen Gemeinschaft zu werden droht.

Wie gesagt, Kardinal Newman hat sich von der Sogkraft dieses letztlich doch verkürzten Kirchenwesen intellektuell, glaubensmäßig und kirchlich mit der Gnade Gottes frei machen können und ist zur Vollgestalt des apostolischen Glaubens und der Liebe in der katholischen, geisterfüllten Kirche herangereift.

Durch seine besonderen kirchengeschichtlichen Studien schon am Anfang all dieser Entwicklungen in der anglikanischen Kirche (aber in erster Linie aus ekklesiologischen Gründen), sowie durch die klärenden Widersprüche seiner früheren anglikanischen Freunde gegen seine Erkenntnis über die Weiterführung der apostolischen Anfänge der geisterfüllten Stiftung Jesu in der katholischen und nicht in der anglikanischen Kirche und vor allem schließlich durch seine Konversion zur katholischen Kirche im Jahr 1845 und sein heiligmäßiges Leben in der Weiterführung des katholischen „Oratoriums des Hl. Philipp Neri“ im protestantischen England (Birmingham) kann uns heutigen Priestern in der katholischen Kirche dieser in zwei Monaten selig zu sprechende Kardinal Newman „unverdächtig“ die Lehre des 2. Vatikanischen Konzils über die wahre Kirche und deren apostolisches Priestertum anschaulich „lesbar“ und „lebbar“machen.

„Unverdächtig“ will heißen: für John Henry Newman gab es für seine Studien ein ganz anderes „Problembewusstsein“, als wir es heute haben. Mitten im „ökumenischen Klima“ von heute ist es fast „unanständig“, sich um die Erneuerung der eigenen Konfession zu kümmern. Und die große Überraschung ist es dennoch, dass die konziliare und die Newman’sche Ansicht konvergieren !

Darüber hinaus wird die Person Kardinal Newmans den katholischen Priestern ein wertvoller „Steigbügel“ zu ihrer eigenen „diözesanpriesterlichen“ Identität sein können. Denn alle vom Konzil fälligen Erneuerungen werden dort nicht zuerst als moralisierende Imperative auferlegt, die aus einer artfremden – eher ordenseigenen – Spiritualität kommen, sondern diese Appelle sind tief in der Heilsgeschichte der Kirche verwurzelte Entfaltungen der „Neuheit des Christentums“. Die Teilhabe an der geisterfüllten Gemeinschaft des apostolischen Priesteramtes in Einheit mit dem Bischof als Apostelnachfolger, die standesgemäße (auch im presbyterium!) Berufung zur Heiligkeit in der Kirche, die endzeitliche Gestalt der Kirche in der Pilgerschaft zum himmlischen Jerusalem und der geistmächtige Widerstand gegenüber den Mächten der Irrlehren und des Bösen, gerechtfertigt, weil das Heil für die ganze Welt in Jesus Christus schon gekommen ist und durch die apostolische Kirche im Auftrag des Herrn zu verkünden ist; das alles „verlangt“ gleichsam nach einem Leben gemäß den evangelischen Räten und nach einem ‚Dienst und Leben’ in den verschiedenen Graden einer apostelgemäßen „vita communis“. Dies sind nicht Forderungen, wie schon gesagt, einer Wiederaufnahme ehemaliger, zeitbegrenzter Haltungen, die aus Priestern Ordensleute machen wollten und in einer gewissen Hinsicht deswegen von den Diözesanpriestern als eine gewisse „Verfremdung“ empfunden wurden.

Unter dem Schutz „Mariens, der Mutter der Kirche“, der „Königin der Apostel“ und in Verbundenheit mit ihrem Unbefleckten Herzen könnten die Priester und alle Gläubigen, die zur Apostelgemeinschaft der Kirche dazu gehören, die frohe Möglichkeit spüren, in hochherziger „Freiheit der Kinder Gottes“ im geisterfüllten Kreis der Apostel und Ihrer Mitarbeiter zuversichtlich weiter zu wirken, denn das Heil der Welt ist schon durch Jesus Christus im Heiligen Geist zur Ehre des Vaters gekommen und wird zusammen mit Maria in der Kirche nun schon im dritten Jahrtausend bezeugt!

Diener Gottes John Henry Newman, bitte für uns alle!