www. St Josef.at
Die katholische Informationsseite der Gemeinschaft v. hl. Josef
Navigation

Ethische und religiöse Leitlinien für katholische Einrichtungen im Dienst der Gesundheitsfürsorge
Vierte Ausgabe (15. Juni 2001)

Bischöfe der USA

Hinweis/Quelle: Die inoffizielle, nicht autorisierte deutsche Übersetzung wurde erstellt von Dr. Josef Spindelböck. Irrtum vorbehalten.

Diese vierte Ausgabe der “Ethischen und Religiösen Leitlinien für katholische Einrichtungen im Dienst der Gesundheitsfürsorge“ wurde von der Glaubenskommission der Nationalkonferenz der katholischen Bischöfe erstellt und als nationaler Codex von der Vollversammlung der Bischöfe bei ihrer Generalversammlung im Juni 2001 approbiert. Diese Ausgabe der Leitlinien, die alle bisherigen Ausgaben ersetzt, wird dem Diözesanbischof zur Umsetzung empfohlen und wird vom Unterzeichneten zur Veröffentlichung autorisiert.

Monsignor William P. Fay, Generalsekretär der USCCB

Präambel

Die Gesundheitsfürsorge in den Vereinigten Staaten ist von einem außerordentlichen Wandel gekennzeichnet. Es gibt nicht nur die fortwährende Änderung der klinischen Praxis aufgrund technologischer Fortschritte, sondern es erfährt das System der Gesundheitsfürsorge in den Vereinigten Staaten eine Herausforderung sowohl durch institutionelle und soziale Faktoren. Zur selben Zeit gibt es eine Anzahl von Entwicklungen innerhalb der Katholischen Kirche, welche die kirchliche Sendung der Gesundheitsfürsorge betreffen. Darunter finden sich maßgebliche Veränderungen in religiösen Ordnen und Kongregationen, die verstärkte Einbeziehung von weiblichen und männlichen Laien, ein erhöhtes Bewußtsein der sozialen Rolle der Kirche in der Welt sowie Entwicklungen der Moraltheologie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ein zeitgemäßes Verständnis des katholischen Dienstes an der Gesundheitsfürsorge muß die neuen Herausforderungen berücksichtigen, die durch die Veränderungen in der Kirche und in der amerikanischen Gesellschaft gegeben sind.

In den Jahrhunderten hat sich, mit Hilfe anderer Wissenschaften, ein Gesamt von sittlichen Prinzipien ergeben, das die Lehre der Kirche zu medizinischen und sittlichen Angelegenheiten zum Ausdruck bringt und sich als sachdienlich und anwendbar auf die ständig verändernden Umstände der Gesundheitsfürsorge und ihren Vollzug erwiesen hat. In Antwort auf die Herausforderungen von heute stellen eben diese sittlichen Prinzipien der katholischen Lehre die Triebfeder und Richtungsvorgabe für diese Überarbeitung der „Ethischen und religiösen Leitlinien für katholische Einrichtungen im Dienst der Gesundheitsfürsorge“ dar.

Diese Leitlinien setzen unsere Erklärung über “Gesundheit und Gesundheitsfürsorge” voraus, die 1981 veröffentlicht wurde.[1] Dort stellten wir die theologischen Grundsätze vor, die leitend sind für die Sicht der Kirche zur Gesundheitsfürsorge, riefen alle Katholiken dazu auf, an der heilenden Sendung der Kirche teilzunehmen, drückten unsere volle Unterstützung für den Dienst der Gesundheitsfürsorge aus und ermutigten all jene, die damit befaßt sind. Wenn nun die amerikanische Gesundheitsfürsorge sich noch größeren dramatischen Veränderungen gegenübersieht, bringen wir die Verpflichtung der Kirche für den Dienst der Gesundheitsfürsorge sowie für die unterscheidende katholische Identität der institutionellen Dienste der Kirche in der Gesundheitsfürsorge erneut zum Ausdruck.[2] Das Ziel dieser „Ethischen und Religiösen Leitlinien“ ist somit ein zweifaches: zum ersten die ethischen Verhaltensstandards in der Gesundheitsfürsorge zu bestätigen, die aus der Lehre der Kirche über die Würde der menschlichen Person entspringen; zum zweiten einen mit Autorität vorgelegten Leitfaden über bestimmte moralische Themen vorzulegen, die der katholischen Krankheitsfürsorge heute aufgegeben sind.

Die „Ethischen und Religiösen Leitlinien“ befassen sich vor allem mit institutionellen katholischen Einrichtungen im Gesundheitswesen. Sie richten sich an die Geldgeber, Körperschaften, Verwalter, Seelsorger, Ärzte, an die im Gesundheitsdienst Tätigen sowie auch an die Patienten oder Insassen dieser Institutionen und Dienste. Da sie die Morallehre der Kirche zum Ausdruck bringen, werden diese Leitlinien auch hilfreich sein für katholische Fachpersonen, die in den Gesundheitsdiensten anderer Einrichtungen tätig sind. Die sittlichen Lehren, die wir hier bekennen, entspringen hauptsächlich dem natürlichen Sittengesetz, das im Licht der Offenbarung verstanden wird, die Christus seiner Kirche anvertraut hat. Aus dieser Quelle leitet die Kirche ihr Verständnis von der Natur der menschlichen Person sowie der menschlichen Akte und der Ziele ab, welche die menschliche Aktivität prägen.

Die Leitlinien wurden durch einen ausgedehnten Beratungsprozeß mit Bischöfen, Theologen, Sponsoren, Verwaltern, Ärzten und anderen Anbietern von Gesundheitsdiensten verbessert. Indem die Leitlinien Normierungen und Richtungsweisung bereitstellen, können sie nicht im Detail alle komplexen Fragen abdecken, denen sich der katholische Dienst der Gesundheitsfürsorge heute ausgesetzt sieht. Überdies werden die Leitlinien im Licht der mit Autorität vorgetragenen kirchlichen Lehre regelmäßig von der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten (früher: der Nationalkonferenz der katholischen Bischöfe) überprüft werden, um neuen Erkenntnissen der theologischen und medizinischen Forschung zu entsprechen oder auf neue Anforderungen der öffentlichen Verwaltung einzugehen.

Die Leitlinien stellen eine allgemeine Einführung an ihren Anfang, die eine theologische Grundlage für die katholische Gesundheitsfürsorge darstellt. Jeder der sechs folgenden Teile wird in zwei Abschnitte untergliedert. Der erste Abschnitt ist darstellender Natur; er dient als Einführung und stellt den Zusammenhang vor, in dem konkrete Anliegen aus der Sicht des katholischen Glaubens diskutiert werden können. Der zweite Abschnitt hat normativen Charakter; die Leitlinien fördern und schützen die Wahrheiten des katholischen Glaubens als jene Wahrheiten, die in konkreten Fragen der Gesundheitsfürsorge zum Tragen kommen sollen.

Allgemeine Einführung

Die Kirche hat stets danach gestrebt, die Sorge unseres Erlösers für die Kranken zu verwirklichen. Die Berichte der Evangelien vom Wirken Jesu legen besonderes Augenmerk auf seine Heilungshandlungen: Er befreite einen Mann vom Aussatz (Mt 8,1–4; Mk 1,40–42); er gab zwei Blinden das Augenlicht zurück (Mt 20,29–34; Mk 10,46–52); einen Tauben machte er wieder fähig zu sprechen (Lk 11,14); er heilte eine blutflüssige Frau (Mt 9,20–22; Mk 5,25–34), und er holte ein junges Mädchen zurück ins Leben (Mt 9,18.23–25; Mk 5,35–42). Tatsächlich sind die Evangelien voll von Beispielen, wie der Herr jede Art von Krankheit und Leiden heilte (Mt 9,35). Nach der Darstellung des Matthäus erfüllte Jesus die Weissagung des Propheten Jesaja: „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“ (Mt 8,17; vgl. Jes 53,4).

Die Sendung Jesu zu heilen ging weiter, als daß er sich nur um das physische Elend annahm. Er traf die Menschen in der tiefsten Mitte ihrer Existenz; er suchte ihre körperliche, seelische und geistliche Heilung (Joh 6,35; 11,25–27). Er ist „gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).

Das Geheimnis Christi wirft Licht auf jeden Aspekt der katholischen Gesundheitsfürsorge. Es geht darum,

  • Christi Liebe als den beseelenden Urgrund der Gesundheitsfürsorge zu sehen,

  • Heilung und Mitleid als eine Fortsetzung der Sendung Christi wahrzunehmen,

  • das Leiden als eine Teilnahme an der erlösenden Macht des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi zu erkennen

  • und schließlich den Tod, der durch die Auferstehung umgewandelt ist, als eine Gelegenheit zur endgültigen Verwirklichung der Gemeinschaft mit Christus zu begreifen.

Für uns Christen kann die Begegnung mit Leiden und Tod durch die erlösende Macht des Leidens und Todes Jesu eine positive und unterscheidende Bedeutung erhalten. Wie der heilige Paulus sagt, „wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird“ (2 Kor 4,10). Diese Wahrheit vermindert nicht Schmerz und Angst, aber verleiht Zuversicht und Gnade, um das Leiden eher zu ertragen als davon überwältigt zu werden. Katholischer Dienst der Gesundheitsfürsorge legt Zeugnis ab für die Wahrheit, daß für jene, die in Christus sind, Leiden und Tod die Geburtswehen der neuen Schöpfung sind. „Er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Offb 21,3–4).

In der treuen Nachfolge Jesu Christi hat sich die Kirche um die Kranken, Leidenden und Sterbenden auf ihrem Weg durch die Geschichte in verschiedener Weise angenommen. Der eifrige Dienst von einzelnen und Gemeinschaften hat Reisenden Schutz geboten, Hospitäler für die Kranken bereitgestellt und Heimstätten für Kinder, Erwachsene und die alten Menschen geschaffen.[3] In den Vereinigten Staaten haben die vielen religiösen Gemeinschaften sowie Diözesen, welche die katholischen Institutionen und Dienste der Gesundheitsfürsorge unterstützen und tragen, eine wirkungsvolle katholische Präsenz in der Gesundheitsfürsorge etabliert. Indem sie sich bei ihren Bemühungen ein Vorbild im Gleichnis des Evangeliums vom Barmherzigen Samariter genommen haben, haben diese Gemeinschaften von Männern und Frauen den authentischen Dienst am Nächsten für Menschen in Not zur beispielhaften Verwirklichung gebracht (Lk 10,25–37). Die Kirche sucht sicherzustellen, daß der in der Vergangenheit angebotene Dienst auch in Zukunft fortgesetzt wird.

Während viele religiöse Gemeinschaften in ihrem Einsatz für den Dienst an der Gesundheitsfürsorge fortfahren, sind katholische Laien in verstärktem Maß dazu gelangt, bei dieser Aufgabe mitzuarbeiten. Inspiriert vom Beispiel Christi und gemäß dem Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils werden gläubige Laien zu einem weiteren und intensiveren Bereich von Diensten als in der Vergangenheit eingeladen.[4] Kraft ihrer Taufe sind die gläubigen Laien aufgerufen, aktiv am Leben und an der Sendung der Kirche teilzunehmen.[5] Ihre Teilnahme und Leitung im Dienst der Gesundheitsfürsorge – auch durch neue Formen der Sponsorenschaft und der Leitung der institutionellen katholischen Gesundheitsfürsorge – sind für die Kirche wesentlich, um ihren Dienst des Heilens und der Anteilnahme fortzusetzen. In der Sendung der Kirche bei der Gesundheitsfürsorge arbeiten sie mit vielen nichtkatholischen Männern und Frauen zusammen.

Katholischer Dienst der Gesundheitsfürsorge bringt den Heilungsdienst Christ innerhalb der Ortskirche in einer spezifischen Weise zum Ausdruck. Hier übt der Diözesanbischof Verantwortungsbereiche aus, die in seinem Amt als Hirte, Lehrer und Priester ihren Ursprung haben. Als Mittelpunkt der Einheit in der Diözese und Koordinator der Dienste in der Ortskirche betreut der Diözesanbischof die Sendung der katholischen Gesundheitsfürsorge in einer Weise, welche die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften, Dienstleistern, medizinischem Fachpersonal, Theologen und anderen Spezialisten fördert. Als Hirte ist der Diözesanbischof in der einzigartigen Position, daß er die Gläubigen zu einer größeren Verantwortung im Heilungsdienst der Kirche ermutigen soll. Als Lehrer sichert der Diözesanbischof die sittliche und religiöse Identität des Dienstes der Gesundheitsfürsorge, in welcher Weise auch immer sie in der Diözese durchgeführt wird. Als Priester hat er die Oberleitung über die sakramentale Sorge für die Kranken. Diese Verantwortungsbereiche machen es nötig, daß die Anbieter katholischer Gesundheitsfürsorge und der Diözesanbischof sich für eine fortdauernde Kommunikation über ethische und pastorale Angelegenheiten einsetzen, die seine Aufmerksamkeit erfordern.

In einer Zeit neuer medizinischer Entdeckungen, schneller technologischer Entwicklungen und sozialen Wandels kann das Neue entweder eine Gelegenheit für einen echten Fortschritt in menschlicher Kultur sein oder es kann zu öffentlichen Verfahrensweisen und Handlungen führen, die im Gegensatz stehen zur wahren Würde und Berufung der menschlichen Person. Nach Beratung mit medizinischen Fachkräften werden die Leitungsorgane der Kirche diese Entwicklungen bewerten und sie gemäß den Prinzipien der rechten Vernunft und dem letzten Maßstab der geoffenbarten Wahrheit beurteilen sowie eine mit Vollmacht vorgelegte Lehre und Leitung zu den sittlichen und pastoralen Verantwortungsbereichen anbieten, die vom christlichen Glauben gefordert sind.[6] Während die Kirche nicht zu jedem moralischen Dilemma eine fertige Antwort anbieten kann, so gibt es doch viele Fragen, für die sie normative Wegweisung und Leitung bereitstellt. Wo es keine eindeutige Festlegung durch das Lehramt gibt, kann – niemals im Gegensatz zur Lehre der Kirche – die Wegweisung anerkannter Autoren eine geeignete Orientierung bei der ethischen Entscheidungsfindung darstellen.

Geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis hat die Menschheitsfamilie Anteil an der Herrschaft, die Christus in seinem Heilungsdienst offenbarte. Diese Teilhabe schließt ein Verwalteramt über die ganze materielle Schöpfung mit ein (Gen 1,26), welches die Ressourcen der Natur weder mißbrauchen noch verschwenden darf. Durch die Wissenschaft lernt die Menschheit Gottes wunderbares Werk verstehen, und durch die Technik muß sie die Natur in Harmonie mit Gottes Plänen bewahren, schützen und vervollkommnen. Den Mitarbeitern in der Gesundheitsfürsorge kommt eine besondere Berufung zu, indem sie daran teilhaben, Gottes lebensspendendes und heilendes Werk fortzuführen.

Der Dialog zwischen der medizinischen Wissenschaft und dem christlichen Glauben hat zum ersten Ziel das Gemeinwohl aller menschlichen Personen. Er setzt voraus, daß Wissenschaft und Glaube einander nicht widersprechen. Beide gründen sich auf den Respekt für die Wahrheit und die Freiheit. In dem Maß, wie sich neues Wissen und neue Technologien ausbreiten, muß jede Person ein rechtes Gewissen ausbilden, das auf den sittlichen Normen für eine entsprechende Gesundheitsfürsorge gründet.

Teil 1
Die soziale Verantwortung katholischer Dienste der Gesundheitsfürsorge

Einführung

Indem sich die institutionell verankerten katholischen Dienste der Gesundheitsfürsorge mit der Sendung Christi zu heilen umfassend identifizieren, sind sie ein integraler Bestandteil des nationalen Systems der Gesundheitsfürsorge geworden. Heute steht dieses komplexe System der Gesundheitsfürsorge einem Bereich von ökonomischen, technischen, sozialen und moralischen Herausforderungen gegenüber. Die Antwort katholischer Institutionen und Dienste der Gesundheitsfürsorge wird von normativen Grundsätzen geleitet, die dem Heilungsdienst der Kirche das inhaltliche Profil geben.

Zuallererst ist der Dienst katholischer Gesundheitsfürsorge verwurzelt in der Verpflichtung, die menschliche Würde zu fördern und zu verteidigen; das ist die Grundlage für sein Bemühen, die Heiligkeit jedes menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis bis zum Tod zu achten. Das erste Recht der menschlichen Person – das Recht zu leben – schließt ein Recht auf die Mittel ein für eine entsprechende Entfaltung des Lebens, wie eben die angemessene Gesundheitsfürsorge.[7]

Zweitens verlangt das biblische Gebot, sich um die Armen zu kümmern, von uns, daß wir dies in einem konkreten Handeln auf allen Ebenen der katholischen Gesundheitsfürsorge zum Ausdruck bringen. Dieses Gebot trägt uns auf, in unserer Arbeit sicherzustellen, daß das System und die Verwaltung der Gesundheitsfürsorge in unserem Land eine angemessene Gesundheitsfürsorge für die Armen bereitstellt. Gerade in katholischen Einrichtungen sollte besondere Aufmerksamkeit gegeben sein für die Nöte der Armen, der nicht Versicherten und der Unterversicherten im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge.[8]

Drittens sucht der katholische Dienst der Gesundheitsfürsorge einen Beitrag zu leisten für das Gemeinwohl. Das Gemeinwohl verwirklicht sich dann, wenn die ökonomischen, politischen und sozialen Verhältnisse den Schutz der grundlegenden Rechte aller einzelnen sicherstellen und all diese dazu befähigen, ihren eigenen Plan zu verwirklichen und die gemeinsamen Ziele zu erreichen.[9]

Viertens übt der katholische Dienst der Gesundheitsfürsorge ein verantwortliches Verwalteramt im Hinblick auf zugängliche Ressourcen der Gesundheitsfürsorge aus. Ein gerechtes System der Gesundheitsfürsorge wird sich sowohl um die Förderung der Gleichheit der Fürsorge zu kümmern haben – um sicherzustellen, daß das Recht jeder Person auf grundlegende Gesundheitsfürsorge respektiert wird – und auch darum, die gute Gesundheit aller in der Gesellschaft zu fördern. Die verantwortliche Verwaltung der Ressourcen der Gesundheitsfürsorge kann am besten wahrgenommen werden im Dialog mit Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft, in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Subsidiarität und in Respekt vor den sittlichen Grundsätzen, welche die Institutionen und Personen leiten.

Fünftens werden innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft katholische Dienste der Gesundheitsfürsorge auch auf Forderungen nach medizinischen Verfahren treffen, die im Gegensatz zu den sittlichen Lehren der Kirche stehen. Indem die katholische Gesundheitsfürsorge es ablehnt, medizinische Verfahrenweisen anzubieten oder zu erlauben, die von der Lehrautorität der Kirche als sittlich schlecht beurteilt werden, verletzt sie nicht die Rechte des individuellen Gewissens.

Leitlinien

  1. Eine katholische Einrichtung zum Dienst an der Gesundheitsfürsorge ist eine Gemeinschaft, die jenen, die dessen bedürfen, Gesundheitsfürsorge anbietet. Dieser Dienst muß beseelt sein vom Evangelium Jesu Christi und geleitet von der sittlichen Überlieferung der Kirche.

  2. Katholische Gesundheitsfürsorge sollte von einem Geist gegenseitigen Respekts unter den Fürsorgeleistenden gekennzeichnet sein, der sie dazu befähigt, mit den Betreuten und ihren Familien gemäß dem Erbarmen Christi umzugehen, sensibel für ihre Verletzlichkeit zu einer Zeit besonderer Not.

  3. In Übereinstimmung mit ihrer Sendung sollte sich die katholische Gesundheitsfürsorge auszeichnen durch den Dienst und das Eintreten für jene Menschen, deren soziale Lage sie an den Rand der Gesellschaft stellt und sie besonders verletzbar macht für Diskriminierung: für die Armen, die Nichtversicherten und Unterversicherten, für die Kinder und Ungeborenen, für alleinerziehende Eltern, die älteren Menschen, für jene mit unheilbaren Krankheiten und chemischen Abhängigkeiten, für die ethnischen Minderheiten, die Immigranten und Flüchtlinge. Insbesondere muß eine Person mit geistigen oder körperlichen Behinderungen unabhängig von der Ursache oder der Schwere als eine einzigartige Person von unvergleichlichem Wert und mit dem selben Recht auf Leben und angemessene Gesundheitsfürsorge wie alle anderen Personen behandelt werden.

  4. Eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge, insbesondere ein mit der Lehre verbundenes Spital wird die medizinische Forschung fördern, in Übereinstimmung mit ihrer Sendung, Gesundheitsfürsorge anzubieten und mit der Sorge für die verantwortliche Verwaltung der Ressourcen der Gesundheitsfürsorge. Eine derartige medizinische Forschung muß den katholischen sittlichen Prinzipien verpflichtet sein.

  5. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge müssen diese Leitlinien als Verhaltenskodex annehmen und die Zustimmung dazu als Bedingung für medizinischen Schutz und Anstellung innerhalb der Einrichtung fordern. Ebenso müssen sie im Hinblick auf die Leitlinien eine geeignete Unterweisung für das Verwaltungspersonal, die medizinischen und pflegerischen Betreuer sowie für das andere Personal anbieten.

  6. Eine katholische Organisation der Gesundheitsfürsorge soll eine verantwortliche Verwalterin jener Ressourcen der Gesundheitsfürsorge sein, die ihr zugänglich sind. Die Zusammenarbeit mit anderen Anbietern der Gesundheitsfürsorge kann in einer Weise, welche die katholische Sozial- und Morallehre nicht in Frage stellt, ein wirksames Mittel für eine solche Verwaltung sein.[10]

  7. Eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge muß ihre Angestellten respektvoll und gerecht behandeln. Diese Verantwortung schließt ein: gleiche Beschäftigungsmöglichkeiten für jeden, der für eine Aufgabe qualifiziert ist, ohne Rücksicht auf die Rasse, das Geschlecht, das Alter, die nationale Herkunft oder die Behinderung einer Person; eine Arbeitsstätte, welche die Partizipation der Angestellten fördert; eine Arbeitsumgebung, welche die Sicherheit und das Wohlbefinden der Angestellten sicherstellt; gerechte Entlohnung und Unterstützungen; die Anerkennung der Rechte der Angestellten sich zu organisieren und kollektive Vereinbarungen ohne Nachteil für das Gemeinwohl zu treffen.

  8. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge haben eine einzigartige Beziehung sowohl zur Kirche wie auch zur umfassenderen Gemeinschaft, der sie dienen. Wegen der kirchlichen Natur dieser Beziehung sollen die diesbezüglichen Erfordernisse des kanonischen Rechts beachtet werden im Hinblick auf die Gründung einer neuen katholischen Einrichtung der Gesundheitsfürsorge, im Hinblick auf die wesentliche Änderung der Sendung einer Einrichtung und in bezug auf den Verkauf, die Übertragung einer Sponsorenschaft oder die Schließung einer bereits existierenden Einrichtung.

  9. Angestellte einer katholischen Einrichtung der Gesundheitsfürsorge müssen die religiöse Sendung der Einrichtung respektieren und unterstützen und diesen Leitlinien zustimmen. Sie sollen professionelle Standards aufrechterhalten und die Verpflichtung der Einrichtung für die menschliche Würde und das Gemeinwohl fördern.

Teil 2
Die seelsorgliche und geistliche Verantwortung der katholischen Gesundheitsfürsorge

Einführung

Die Würde des menschlichen Lebens gründet in der Erschaffung nach dem Bild Gottes (Gen 1,26), in der Erlösung durch Jesus Christus (Eph 1,10; 1 Tim 2,4–6) und in unserer gemeinsamen Bestimmung, ein Leben mit Gott jenseits aller Verderbnis zu teilen (1 Kor 15,42–57). Der katholischen Gesundheitsfürsorge obliegt die Verantwortung, Menschen in Not in einer Weise zu behandeln, die die menschliche Würde und die ewige Bestimmung aller berücksichtigt. Die Worte Christi haben der katholischen Gesundheitsfürsorge Anregung gegeben: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Die angebotene Fürsorge steht den Notleidenden bei, damit sie ihre eigene Würde und ihren Wert erfahren, besonders wenn diese verdunkelt sind durch die Last der Krankheit oder die Angst vor dem drohenden Tod.

Da eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge eine Gemeinschaft der Heilung und des Erbarmens ist, ist die angebotene Fürsorge nicht eingeschränkt auf die Behandlung einer Krankheit oder eines körperlichen Leidens, sondern umfaßt die physischen, psychologischen, sozialen und spirituellen Dimensionen der menschlichen Person. Die medizinische Fachkenntnis, die von katholischer Gesundheitsfürsorge angeboten wird, verbindet sich mit anderen Formen der Fürsorge zur Förderung der Gesundheit und zur Erleichterung menschlichen Leidens. Aus diesem Grund erstreckt sich katholische Gesundheitsfürsorge auf die geistige Natur der Person. „Ohne die Gesundheit des Geistes bietet eine hochgezüchtete Technologie, die streng auf den Körper konzentriert ist, nur begrenzte Hoffnung, um die ganze Person zu heilen.“[11] Pastorale Fürsorge ist ausgerichtet auf die geistlichen Nöte, die in Zeiten der Krankheit oft tiefer wahrgenommen werden, und ist ein integraler Teil der katholischen Gesundheitsfürsorge. Pastorale Fürsorge umfaßt das ganze Spektrum geistlicher Dienste, einschließlich einer gegenwärtigen Bereitschaft des Zuhörens, der Hilfe beim Umgang mit Ohnmacht, Schmerz und Entfremdung sowie des Beistandes bei der Anerkenntnis und Antwort auf Gottes Willen mit größerer Freude und in Frieden. Natürlich soll anerkannt werden, daß technische Fortschritte in der Medizin die Dauer von Krankenhausaufenthalten beträchtlich verkürzt haben. Daraus leitet sich ab, daß die pastorale Fürsorge für Patienten, insbesondere die Spendung der Sakramente, immer öfter auf der pfarrlichen Ebene angeboten wird, sowohl vor wie auch nach einem Krankenhausaufenthalt. Aus diesem Grund ist es nötig, daß es sehr intensive und kooperative Beziehungen zwischen den Personen in den Abteilungen für pastorale Fürsorge und dem Klerus und seinen Mitarbeitern in dieser geistlichen Fürsorge vor Ort gibt.

Priester, Diakone, Ordensleute und Laien verwirklichen verschiedene, jedoch komplementäre Aufgaben bei dieser pastoralen Fürsorge. Da viele Bereiche der pastoralen Fürsorge auf die kreative Antwort dieser pastoralen Mitarbeiter auf die besonderen Nöte der Patienten oder Insassen angewiesen sind, sprechen die folgenden Leitlinien nur eine begrenzte Anzahl besonderer pastoraler Aktivitäten an.

Leitlinien

10. Eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge soll pastorale Fürsorge anbieten, um den religiösen und geistlichen Nöten all derer, denen sie dient, zu begegnen. Personen in der pastoralen Fürsorge – Klerus, Ordensleute und ebenso Laien – sollen eine geeignete fachliche Vorbereitung besitzen, einschließlich des Verständnisses dieser Leitlinien.

11. Die für die pastorale Fürsorge verantwortlichen Personen sollen in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Pfarren und dem Gemeindeklerus stehen. Zweckmäßige pastorale Dienste und/oder Kontakte sollen allen in Einklang mit ihren religiösen Überzeugungen oder Zugehörigkeiten zugänglich sein.

12. Für katholische Patienten oder Insassen ist der Zugang zu den Sakramenten ein besonders wichtiger Teil der katholischen Gesundheitsfürsorge. Jede mögliche Anstrengung soll unternommen werden, daß Priester den Spitälern und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge zugeteilt werden, um die Eucharistie zu feiern und die Sakramente für Patienten und Mitarbeiter zu spenden.

13. Die pastorale Fürsorge soll bedacht sein, Gelegenheiten für Patienten und Insassen anzubieten und bekannt zu machen, um das Sakrament der Buße zu empfangen.

14. Entsprechend vorbereitete katholische Laien können in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht und den Vorschriften der örtlichen Diözese dazu beauftragt werden, als außerordentliche Spender der Heiligen Kommunion ihren Dienst auszuüben. Sie sollten den Personen in der pastoralen Gesundheitsfürsorge zur Seite stehen – dem Klerus, den Ordensleute und den Laien –, indem sie unterstützende Besuche anbieten und die Patienten hinsichtlich der Verfügbarkeit von Priestern für das Sakrament der Buße beraten und jenen Gläubigen die heilige Kommunion spenden, die danach verlangen.

15. Indem sie auf die Wünsche und die Verfassung des Patienten eingehen, sollen alle in der pastoralen Fürsorge Beteiligten für die Ansprechbarkeit von Priestern sorgen, um das Sakrament der Krankensalbung zu spenden, indem sie anerkennen, daß Christus durch dieses Sakrament Gnade und Hilfe anbietet für jene Menschen, die schwer krank sind oder durch fortgeschrittenes Alter geschwächt sind. Normalerweise wird dieses Sakrament bei vollem Bewußtsein der kranken Person gefeiert. Den Kranken, die das Bewußtsein oder den Gebrauch des Verstandes verloren haben, kann es gespendet werden, wenn Grund zur Annahme gegeben ist, daß sie um das Sakrament gebeten hätten, während sie noch in Kontrolle ihrer Fähigkeiten waren.

16. Alle Katholiken, die dazu befähigt sind, die Kommunion zu empfangen, sollten die Wegzehrung erhalten, wenn sie sich in Todesgefahr befinden, solange sie noch in vollem Besitz ihrer Fähigkeiten sind.[12]

17. Außer in Notfällen (z.B. in Todesgefahr) soll jeder Wunsch nach der Taufe, der von Erwachsenen oder für Kinder vorgebracht wird, an den Geistlichen der Einrichtung weitergeleitet werden. Neugeborene Kinder in Todesgefahr, auch nach Fehlgeburten, sollen getauft werden, sofern dies möglich ist.[13] Im Notfall kann – wenn weder ein Priester noch ein Diakon verfügbar ist – jeder Mensch gültig taufen.[14] Im Fall der Nottaufe ist danach der Geistliche oder der Leiter der pastoralen Fürsorge zu verständigen.

18. Wenn ein Katholik zwar getauft, aber noch nicht gefirmt ist und sich in Todesgefahr befindet, darf jeder Priester ihm die Firmung spenden.[15]

19. Eine Bestätigung der Spendung der Taufe oder Firmung soll an die Pfarre übermittelt werden, in der sich die Einrichtung befindet, und soll dort in die Tauf- und Firmregister eingetragen werden.

20. Die katholische Rechtsordnung behält den Empfang der Sakramente im allgemeinen den Katholiken vor. In Übereinstimmung mit can. 844, § 3, können katholische Geistliche die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung an Angehörige orientalischer Kirchen spenden, die nicht in voller Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, oder an Angehörige anderer Kirchen, die nach dem Urteil des Heiligen Stuhls in derselben Lage sind wie die orientalischen Kirchen, wenn solche Personen von sich aus um diese Sakramente bitten und in rechter Weise darauf vorbereitet sind.
Im Hinblick auf andere Christen, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, müssen bei gegenwärtiger Gefahr des Todes oder einer anderen schweren Notlage die vier Bedingungen von can. 844, § 4, ebenso gegeben sein, daß sie nämlich keinen Spender ihrer eigenen Gemeinschaft erreichen können, von sich aus um die Sakramente bitten, den katholischen Glauben bezüglich dieser Sakramente zum Ausdruck bringen und in rechter Weise vorbereitet sind. Dem Diözesanbischof obliegt die Verantwortung, diese pastorale Praxis zu beaufsichtigen.

21. Die Bestellung von Priestern und Diakonen zum pastoralen Fürsorgeteam einer katholischen Einrichtung muß die ausdrückliche Gutheißung oder Bestätigung des Ortsbischofs in Zusammenarbeit mit der Verwaltung dieser Einrichtung haben. Die Bestellung des Leiters des pastoralen Fürsorgepersonals soll in Konsultation mit dem Diözesanbischof erfolgen.

22. Der angemessenen ökumenischen und interreligiösen Beziehungen wegen soll eine diözesane Richtlinie mit Bezug auf die Bestellung von nichtkatholischen Mitgliedern des pastoralen Fürsorgeteams einer katholischen Einrichtung für die Gesundheitsfürsorge ausgearbeitet werden. Der Leiter der pastoralen Fürsorge in einer katholischen Einrichtung soll ein Katholik sein; jede Ausnahme von dieser Norm soll vom Diözesanbischof genehmigt werden.

Teil 3
Die Beziehung zwischen den professionellen Mitarbeitern der Gesundheitsfürsorge und den Patienten

Einführung

Eine Person, die der Gesundheitsfürsorge bedarf, und der Anbieter professioneller Gesundheitsfürsorge, der diese Person als Patient annimmt, gehen eine Beziehung ein, die unter anderem gegenseitigen Respekt, Vertrauen, Ehrlichkeit und angebrachte Vertraulichkeit verlangt. Der daraus sich ergebende freie Austausch von Information muß Manipulation, Einschüchterung und Selbstherrlichkeit vermeiden. Eine derartige Beziehung befähigt den Patienten dazu, persönliche Informationen zu offenbaren, die nötig sind für eine wirkungsvolle Betreuung, und läßt den Anbieter der Gesundheitsfürsorge seine oder ihre Fachkompetenz in höchst wirksamer Weise dazu nützen, die Gesundheit des Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen. Weder der professionelle Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge noch der Patient handelt unabhängig vom anderen; beide haben teil am Prozeß des Heilens.

Heute erhält ein Patient die Gesundheitsfürsorge oft von einem Team von Anbietern, besonders im Umfeld des modernen Spitals mit Akutversorgung. Aber die sich daraus ergebende Vervielfachung der Beziehungen verändert nicht den personalen Charakter der Interaktion zwischen den Anbietern der Gesundheitsfürsorge und dem Patienten. Die Beziehung zwischen der Person, die nach Gesundheitsfürsorge sucht, und den professionellen Mitarbeitern, die diese Versorgung anbieten, ist ein wichtiger Teil jener Grundlage, auf der die Diagnose und Versorgung zur Verfügung gestellt werden. Diagnose und Versorgung schließen darum eine Reihe von Entscheidungen mit sowohl ethischen wie auch medizinischen Dimensionen ein. Der professionelle Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge besitzt das Wissen und die Erfahrung, um die Ziele des Heilens, der Erhaltung der Gesundheit und der teilnahmsvollen Sorge für die Sterbenden zu verfolgen, wobei er die Überzeugungen und geistlichen Nöte des Patienten sowie die sittlichen Verantwortlichkeiten aller Beteiligten berücksichtigt. Die der Gesundheitsfürsorge bedürftige Person ist abhängig von der fachlichen Kompetenz des Anbieters der Gesundheitsfürsorge, um Beistand zu leisten bei der Erhaltung des Lebens und der Förderung der Gesundheit des Leibes, der Seele und des Geistes. Der Patient wiederum hat eine Verantwortung, diese physischen und mentalen Ressourcen im Dienst sittlicher und geistiger Güter bestmöglich zu nutzen.

Wenn der professionelle Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge und der Patient eine institutionelle katholische Gesundheitsfürsorge nutzen, akzeptieren sie auch deren öffentliche Verpflichtung auf das Verständnis und Zeugnis der Kirche für die Würde der menschlichen Person. Die sittliche Lehre der Kirche über die Gesundheitsfürsorge fördert eine wahrhaft interpersonale Beziehung zwischen professionellem Mitarbeiter und Patienten. Folglich ist diese Beziehung zwischen professionellem Mitarbeiter und Patienten niemals getrennt von der katholischen Identität der Institution der Gesundheitsfürsorge. Der Glaube, der die katholische Gesundheitsfürsorge inspiriert, leitet medizinische Entscheidungen in einer Weise, welche die Würde der Person vollständig respektiert und ebenso die Beziehung mit dem professionellen Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge.

Leitlinien

  1. Die der menschlichen Person innewohnende Würde muß respektiert und geschützt werden ohne Rücksicht auf die Art des gesundheitlichen Problems der Person oder den sozialen Status. Der Respekt für die menschliche Würde erstreckt sich auf alle Personen, die von katholischer Gesundheitsfürsorge erfaßt werden.
  2. In Einhaltung des Bundesgesetzes wird eine katholische Institution der Gesundheitsfürsorge den Patienten gemäß den Gesetzen ihres Staates Informationen über ihre Rechte zugänglich machen, eine Vorausdirektive für ihre medizinische Behandlung zu erstellen. Jedoch wird die Institution einer Vorausdirektive, die im Gegensatz zur katholischen Lehre steht, keinen Respekt erweisen. Wenn die Vorausdirektive mit der katholischen Lehre in Konflikt gerät, soll eine Erklärung dafür gegeben werden, warum die Direktive nicht beachtet werden kann.
  3. Jede Person kann im voraus einen Stellvertreter benennen, der als deren Ersatzperson Entscheidungen im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge trifft, falls die Person die Fähigkeit verliert, solche Entscheidungen zu fällen. Entscheidungen vonseiten einer bestellten Ersatzperson sollen getreu den katholischen sittlichen Grundsätzen erfolgen und gemäß den Absichten und Werten der vertretenen Person, oder wenn die Absichten der Person unbekannt sind, gemäß deren besten Interessen. Falls eine Vorausdirektive nicht ausgeführt wird, sollen jene, die in der Lage sind, am besten über die Wünsche des Patienten Bescheid zu wissen – für gewöhnlich Familienangehörige und Freunde –, an den Behandlungsentscheidungen für jene Person beteiligt werden, welche die Fähigkeit verloren hat, Entscheidungen im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge zu treffen.
  4. Für medizinische Behandlungen und Verfahren wird die freie und informierte Zustimmung der Person oder des Stellvertreters der Person verlangt, außer in einer Notsituation, wo die Zustimmung nicht eingeholt werden kann und es kein Anzeichen dafür gibt, daß der Patient die Zustimmung zur Behandlung verweigern würde.
  5. Freie und informierte Zustimmung verlangt, daß die Person oder der Stellvertreter der Person jede vernünftige Information über die wesentliche Natur der geplanten Behandlung und ihre Vorteile, ihre Risiken, Nebenwirkungen, Folgen und Kosten erhält, ebenso über jede vernünftige und sittliche legitime Alternative, einschließlich der völligen Nichtbehandlung.
  6. Jede Person bzw. der Stellvertreter der Person soll Zugang haben zu medizinischer und ethischer Information und Beratung, um fähig zu sein, ihr bzw. sein Gewissen zu bilden. Der freien und informierten Entscheidung einer Person oder ihres Stellvertreters im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge ist so lange zu folgen, als sie nicht den katholischen Grundsätzen widerspricht.
  7. Alle Personen, die von katholischer Gesundheitsfürsorge betreut werden, haben das Recht und die Pflicht, ihre körperliche und funktionelle Integrität zu schützen und zu erhalten.[16] Die funktionelle Integrität der Person kann geopfert werden, um die Gesundheit oder das Leben der Person zu erhalten, wenn kein anderes sittlich erlaubtes Mittel zur Verfügung steht.[17]
  8. Die Transplantation von Organen von lebenden Spendern ist dann sittlich erlaubt, wenn eine solche Spende keine wesentliche Körperfunktion opfert oder in schwerer Weise schädigt und der vorhergesehene Nutzen für den Empfänger in einem vertretbaren Verhältnis zum Schaden steht, den der Spender erleidet. Außerdem muß die Freiheit des zukünftigen Spenders respektiert werden, und wirtschaftliche Vorteile für den Spender dürfen nicht damit verbunden sein.
  9. Niemand darf das Subjekt eines medizinischen oder genetischen Versuchs sein, auch wenn er therapeutisch ist, wenn die Person oder ihr Stellvertreter zuerst nicht die freie und informierte Zustimmung gegeben hat. In Fällen nichttherapeutischer Versuche kann der Stellvertreter diese Zustimmung nur dann geben, wenn der Versuch kein bedeutendes Risiko für das Wohlbefinden der Person darstellt. Darüber hinaus müssen die Gründe umso gewichtiger sein, um irgendeinen medizinischen Versuch, besonders aber einen nichttherapeutischen durchzuführen, je größer die Unfähigkeit und Verletzlichkeit der Person ist.
  10. Während jede Person dazu verpflichtet ist, normale Mittel wahrzunehmen, um seine oder ihre Gesundheit zu erhalten, darf keine Person verpflichtet werden, sich einem Verfahren der Gesundheitsfürsorge zu unterziehen, daß nach dem Urteil dieser Person – getroffen mit einem freien und informierten Gewissen – keine vernünftige Hoffnung auf Nutzen darstellt, ohne dem Patienten zugleich außergewöhnliche Risiken und Lasten aufzuerlegen oder außergewöhnliche Kosten für die Familie und die Gesellschaft.[18]
  11. Das Wohlbefinden der ganzen Person muß Berücksichtigung finden, wenn über irgendeinen therapeutischen Eingriff oder den Einsatz einer Technik entschieden wird. Therapeutische Verfahrensweisen, die mit Wahrscheinlichkeit Schaden verursachen oder unerwünschte Nebenwirkungen haben, können nur bei einem verhältnismäßigen Nutzen für den Patienten gerechtfertigt werden.
  12. Anbieter der Gesundheitsfürsorge müssen die Privatsphäre jeder Person respektieren sowie auch jene Vertraulichkeit, die Informationen bezüglich der Diagnose, der Behandlung und Pflege einer Person betrifft.
  13. Professionelle Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge sollen dahingehend ausgebildet werden, daß sie die Symptome von Mißbrauch und Gewalt erkennen, und sie sind verpflichtet, Fälle von Mißbrauch im Einklang mit den örtlichen Bestimmungen an die zuständigen Autoritäten zu melden.
  14. Teilnahmsvolle und verständnisvolle Fürsorge soll eine Person erfahren, die das Opfer sexueller Gewalt geworden ist. Die Anbieter der Gesundheitsfürsorge sollen mit den für die Gesetzesvollstreckung betrauten Beamten zusammenarbeiten und der Person psychologische und geistliche Unterstützung anbieten sowie exakte medizinische Information. Eine Frau, die vergewaltigt worden ist, soll in der Lage sein, sich selbst gegen eine mögliche Empfängnis aus der Vergewaltigung zu verteidigen. Wenn es nach einem geeigneten Testverfahren keinen Beweis dafür gibt, daß die Empfängnis bereits stattgefunden hat, darf sie mit Medikamenten behandelt werden, die den Eisprung, die Sperma-Aufnahme oder die Befruchtung verhindern. Es ist jedoch nicht zulässig, Behandlungen einzuleiten oder zu empfehlen, die als ihr Ziel oder als direkte Wirkung die Entfernung, Vernichtung oder Störung der Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle haben.[19]
  15. Eine Ethikkommission oder eine andere Form ethischer Beratung soll verfügbar sein, um in besonderen ethischen Situationen beratend zur Seite zu stehen, indem sie Möglichkeiten der Ausbildung anbietet sowie Richtlinien überprüft und empfiehlt. Zu diesem Zweck soll es entsprechende Standards für medizinisch-ethische Beratung innerhalb einer bestimmten Diözese geben, welche die pastorale Verantwortlichkeit des Diözesanbischofs respektieren und ebenso Mitgliedern von Ethikkommissionen Beistand leisten, um vertraut zu sein mit katholischer medizinischer Ethik und im besonderen mit diesen Leitlinien.


Teil 4
Problembereiche in der Sorge für den Anfang des Lebens

Einführung

Die entschiedene Verpflichtung der Kirche für die menschliche Würde inspiriert ein nachhaltiges Bemühen um die Heiligkeit des menschlichen Lebens von seinem ersten Anfang an und mit der Würde der Ehe und des ehelichen Aktes, durch welchen das menschliche Leben weitergegeben wird. Die Kirche kann medizinische Praktiken nicht gutheißen, welche die biologischen, psychologischen und sittlichen Bindungen untergraben, von denen die Festigkeit von Ehe und Familie abhängt.

Katholischer Dienst an der Gesundheitsfürsorge legt Zeugnis ab für die Heiligkeit des Lebens „vom Augenblick der Empfängnis bis zum Tod.”[20] Die Verteidigung des Lebens durch die Kirche schließt die Ungeborenen ein, ebenso die Sorge für Frauen und ihre Kinder während und nach der Schwangerschaft. Man erkennt die Verpflichtung der Kirche für das Leben an ihrer Bereitschaft, mit anderen zusammenzuarbeiten, um die Ursachen der hohen Kindersterblichkeitsrate zu verringern und eine angemessene Gesundheitsfürsorge für Mütter und ihre Kinder vor und nach der Geburt anzubieten.

Die Kirche hat den größten Respekt für die Familie, für den Ehebund und für die Liebe, die ein verheiratetes Paar aneinander bindet. Das schließt den Respekt für den ehelichen Akt ein, durch welchen Mann und Frau ihre Liebe zum Ausdruck bringen und mit Gott bei der Erschaffung eines neuen menschlichen Wesens mitarbeiten. Das 2. Vatikanische Konzil bekräftigt:

„Diese eigentümlich menschliche Liebe ... umgreift das Wohl der ganzen Person .... Jene Akte also, durch die die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen.“[21]

„Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr viel bei. ... In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe.“[22]

Aus legitimen Gründen der verantwortlichen Elternschaft dürfen verheiratete Paare die Zahl ihrer Kinder mittels natürlicher Methoden beschränken. Die Kirche kann empfängnisverhütende Eingriffe nicht gutheißen, die „entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellen, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“[23] Derartige Eingriffe verletzen die „von Gott bestimmte unlösbare Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung –, die beide dem ehelichen Akt innewohnen.“[24]

Mit dem Fortschritt der biologischen und medizinischen Wissenschaften verfügt die Gesellschaft über neue Technologien, um Antwort zu geben auf das Problem der Unfruchtbarkeit. Indem wir uns über das Potential des Guten freuen, das in vielen dieser Technologien steckt, können wir nicht annehmen, daß das technisch Mögliche sittlich immer richtig ist. Fortpflanzungstechnologien, die den ehelichen Akt ersetzen, sind nicht mit der menschlichen Würde vereinbar. Ebenso wie der eheliche Akt von Natur aus mit der Fortpflanzung verbunden ist, so ist auch die Fortpflanzung von Natur aus mit dem ehelichen Akt verbunden. Papst Johannes XXIII. hat bemerkt:

„In dieser Sache erklären Wir feierlich: Die Weitergabe des menschlichen Lebens ist das Vorrecht der Familie; diese ist auf die eine unauflösliche Ehe gegründet, die für den Christen den Rang eines Sakramentes hat. Diese Weitergabe des menschlichen Lebens ist ein personaler Akt; damit ist sie gebunden an Gottes heilige, unerschütterliche und unantastbare Gesetze. Niemand darf sie mißachten oder übertreten. Darum sind hier Mittel und Wege schlechterdings unerlaubt, die in der pflanzlichen und tierischen Fortpflanzung unbedenklich sind.“[25]

Da das Sittengesetz im Ganzen der menschlichen Natur verwurzelt ist, können menschliche Personen durch verständnisvolle Überlegung über ihre eigene geistige Bestimmung den Plan des Schöpfers erkennen und daran mitwirken.[26]

Leitlinien

  1. Wenn der eheliche Akt des sexuellen Verkehrs nicht in der Lage ist, sein auf Fortpflanzung gerichtetes Ziel zu erreichen, darf man sich einer Unterstützung bedienen, welche die auf Einheit und Fortpflanzung bedachten Ziele des Aktes nicht voneinander trennt und den ehelichen Akt als solchen nicht ersetzt, um verheirateten Paaren dabei zu helfen, eine Empfängnis herbeizuführen.[27]
  2. Als Therapien für Unfruchtbarkeit dürfen jene technischen Verfahren unterstützter Empfängnis verwendet werden, welche die auf Einheit und Fortpflanzung gerichteten Sinngehalte des sexuellen Verkehrs respektieren und nicht die Vernichtung menschlicher Embryonen mit sich bringen und auch nicht deren beabsichtigte Zeugung in solcher Anzahl, daß man klar voraussieht, es können nicht alle eingepflanzt werden und einige nur deshalb herangezogen werden, um die Chancen der Einpflanzung für andere zu erhöhen.
  3. Verboten ist die heterologe Befruchtung (das ist jede Technik, die man einsetzt, um eine Empfängnis durch den Einsatz von Gameten zu erreichen, die von zumindest einem Spender stammen, der von den Ehegatten verschieden ist), denn sie steht im Gegensatz zum Ehebund, zur Einheit der Gatten und zu der Würde, die den Eltern und dem Kind eigen ist.[28]
  4. Die homologe künstliche Befruchtung (das ist jede Technik, die man einsetzt, um eine Empfängnis durch den Einsatz von Gameten von zwei ehelich miteinander verbundenen Gatten zu erreichen) ist verboten, wenn sie die Fortpflanzung vom ehelichen Akt in seiner auf Einheit zielenden Bedeutung trennt (z.B. jede Technik, die man heranzieht, um eine extrakorporale Empfängnis zu erreichen).[29]
  5. Aufgrund der Würde des Kindes und der Ehe und wegen der Einzigartigkeit der Mutter-Kind-Beziehung ist eine Teilnahme an Verträgen oder Abmachungen für eine Ersatzmutterschaft nicht zulässig. Außerdem verdunkelt die Kommerzialisierung solcher Ersatzmutterschaft die Würde der Frauen, besonders der ärmeren.[30]
  6. Eine Einrichtung der katholischen Gesundheitsfürsorge, die eine Behandlung für Unfruchtbarkeit bereitstellt, soll nicht nur technischen Beistand für unfruchtbare Paare anbieten, sondern soll den Paaren auch helfen, andere Lösungen zu suchen (z.B. Beratung, Adoption).
  7. Eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge soll pränatrale, obstetrische und postnatale Dienste für Mütter und ihre Kinder in einer Weise anbieten, die mit ihrer Sendung in Einklang steht.
  8. Abtreibung (das heißt die direkt beabsichtigte Beendigung der Schwangerschaft vor Erreichen der Lebensfähigkeit oder die direkt beabsichtigte Vernichtung eines lebensfähigen Fötus) ist niemals erlaubt. Jedes Verfahren, dessen einzige unmittelbare Auswirkung die Beendigung der Schwangerschaft vor Erreichen der Lebensfähigkeit ist, ist eine Abtreibung, welche in ihrem sittlichen Zusammenhang den Zeitraum zwischen Empfängnis und Einnistung des Embryos einschließt. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge dürfen keine Abtreibungsdienste anbieten, auch nicht auf der Grundlage des Prinzips der materiellen Mitwirkung. In diesem Zusammenhang müssen sich katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge Sorgen machen über die Gefahr des Ärgernisses einer jeden Verbindung mit Anbietern von Abtreibung.
  9. Katholische Anbieter der Gesundheitsfürsorge sollen in der Lage sein, jenen Personen, die am Trauma der Abtreibung leiden, teilnahmsvolle physische, psychologische, moralische und geistliche Fürsorge anzubieten.
  10. Operationen, Behandlungen und Medikamente, die als direkten Zweck die Heilung eines verhältnismäßig schweren pathologischen Zustands einer schwangeren Frau haben, sind – wenn sie nicht sicher aufgeschoben werden können, bis das ungeborene Kind lebensfähig ist – sogar dann zulässig, wenn sie zum Tod des ungeborenen Kindes führen.
  11. Im Fall einer extrauterinen Schwangerschaft ist kein Eingriff sittlich zulässig, der eine direkte Abtreibung darstellt.[31]
  12. Aus einem im richtigen Verhältnis stehenden Grund kann ein Eingriff durchgeführt werden, nachdem der Fötus lebensfähig ist.
  13. Pränatale Diagnostik ist zulässig, wenn das Verfahren weder das Leben oder die physische Integrität des ungeborenen Kindes noch das der Mutter bedroht und sie nicht unverhältnismäßigen Risiken aussetzt; wenn die Diagnose Informationen bereitstellen kann, um präventive Sorge zu tragen für die Mutter oder prä- oder postnatale Sorge für das Kind; und wenn die Eltern oder zumindest die Mutter die freie und informierte Zustimmung geben. Pränatale Diagnostik ist nicht zulässig, wenn sie mit der Absicht ausgeführt wird, ein ungeborenes Kind mit einer schweren Schädigung abzutreiben.[32]
  14. Nichttherapeutische Versuche bei einem lebenden Embryo oder Fötus sind auch mit Zustimmung der Eltern nicht erlaubt. Therapeutische Versuche sind zulässig aus einem im richtigen Verhältnis stehenden Grund mit freier und informierter Zustimmung der Eltern oder – falls der Vater nicht erreicht werden kann – wenigstens der Mutter. Medizinische Forschung, welche das Leben oder die physische Integrität eines ungeborenen Kindes nicht verletzt, ist mit Zustimmung der Eltern zulässig.[33]
  15. Katholische Gesundheitseinrichtungen dürfen kontrazeptive Praktiken nicht fördern oder entschuldigen, sondern sollen für verheiratete Paare und das medizinische Personal, das sie berät, eine Unterweisung bereitstellen sowohl über die Lehre der Kirche zur verantwortlichen Elternschaft wie auch über Methoden der natürlichen Familienplanung.
  16. Direkte Sterilisierung sowohl von Männern wie auch Frauen, ob dauernd oder zeitweise, ist in einer katholischen Einrichtung der Gesundheitsfürsorge nicht erlaubt. Verfahren, die eine Sterilität herbeiführen, sind zulässig, wenn ihre direkte Wirkung die Heilung oder Linderung einer gegenwärtigen und schweren pathologischen Gegebenheit ist und eine einfachere Behandlung nicht zugänglich ist.[34]
  17. Genetische Beratung darf angeboten werden, um die verantwortliche Elternschaft zu fördern und vorzubereiten für die angemessene Behandlung und Fürsorge von Kindern mit genetischen Defekten, in Übereinstimmung mit der katholischen Morallehre und den innewohnenden Rechten und Pflichten verheirateter Paare in bezug auf die Weitergabe des Lebens.

Teil 5
Problemfelder der Fürsorge für die Sterbenden

Einführung

Der Erlösung durch Christus und seine rettende Gnade umfassen die ganze Person, besonders in deren Krankheit, Leiden und Tod.[35] Der katholische Dienst an der Gesundheitsfürsorge stellt sich der Wirklichkeit des Todes mit der Zuversicht des Glaubens. Im Angesicht des Todes – für viele eine Zeit, in der die Hoffnung verloren scheint – legt die Kirche Zeugnis ab für ihren Glauben, daß Gott jede Person zum ewigen Leben erschaffen hat.[36]

Als Zeugin ihres Glaubens wird eine katholische Einrichtung der Gesundheitsfürsorge vor allem eine Gemeinschaft des Respekts, der Liebe und der Unterstützung sein für Patienten oder Insassen und ihre Familien, die sich der Wirklichkeit des Todes gegenübersehen. Womit man sich am schwersten konfrontiert, ist der Sterbeprozeß als solcher, insbesondere die Abhängigkeit, die Hilflosigkeit und der Schmerz, die so oft eine tödliche Krankheit begleiten. Eines der Hauptanliegen einer Medizin, die sich um die Sterbenden annimmt, ist die Linderung von Schmerz und Leiden, wie sie durch diese Krankheit verursacht sind. Wirkungsvoller Umgang mit Schmerz in allen seinen Formen ist entscheidend für eine geeignete Betreuung der Kranken.

Die Wahrheit, daß das Leben eine kostbare Gabe von Gott ist, hat tiefgreifende Auswirkungen für die Frage der Verwalterschaft über das menschliche Leben. Wir sind nicht Eigentümer über unser Leben und haben daher keine absolute Macht über das Leben. Wir haben eine Pflicht, unser Leben zu erhalten und es einzusetzen für die Verherrlichung Gottes, doch die Pflicht, das Leben zu erhalten, ist nicht absolut, denn wir dürfen lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen, die nur unzureichenden Nutzen bringen oder mit außergewöhnlichen Belastungen verbunden sind. Selbstmord und Euthanasie sind niemals moralisch annehmbare Optionen.

Die Aufgabe der Medizin besteht darin zu betreuen, auch wenn sie nicht heilen kann. Ärzte und ihre Patienten müssen den Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden technischen Mittel bewerten. Die Besinnung auf die angeborene Würde des menschlichen Lebens in allen seinen Dimensionen und auf den Zweck der medizinischen Fürsorge ist unerläßlich bei der Formulierung eines wirklich sittlichen Urteils über den Einsatz von Technik, um das Leben zu erhalten. Der Einsatz lebenserhaltender Technik wird beurteilt im Licht der christlichen Bedeutung des Lebens, des Leidens und des Todes. Nur auf diese Weise lassen sich zwei Extreme vermeiden: einerseits das Bestehen auf nutzloser oder belastender Technik sogar dann, wenn ein Patient berechtigterweise wünscht, davon abzugehen, und andererseits die Absetzung technischer Mittel mit der Absicht, den Tod zu verursachen.[37]

Die Bischofskonferenzen einiger Bundesstaaten, einzelne Bischöfe und das USCCB-Komitee für Pro-Life-Aktivitäten (früher ein NCCB-Komitee) haben die moralischen Problemfelder angesprochen, was die medizinisch unterstützte Flüssigkeitszufuhr und Ernährung betrifft. Die Bischöfe werden von der Lehre der Kirche geleitet, die Euthanasie verbietet, die eine „Handlung oder Unterlassung“ darstellt, „die ihrer Natur nach oder aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um so jeden Schmerz zu beenden.“[38] Diese Erklärungen stimmen darin überein, daß Flüssigkeitszufuhr und Ernährung sittlich nicht verpflichtend sind, wenn sie entweder einer Person, die unmittelbar im Sterben ist, keine Erleichterung bringen oder wenn sie vom Leib einer Person nicht aufgenommen werden können. Zusätzlich nimmt das USCCB-Komitee für Pro-Life-Aktivitäten die notwendigen Unterscheidungen vor zwischen bereits lehramtlich beantworteten Fragen und solchen, die eine weitere Reflexion benötigen, wie beispielsweise in bezug auf die Sittlichkeit der Absetzung medizinisch unterstützter Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr bei einer Person, die sich in einem Zustand befindet, der von Ärzten als „dauerhafter vegetativer Zustand“ (PVS) aufgefaßt wird.[39]

Leitlinien

55. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, welche für Personen in Todesgefahr aufgrund von Krankheit, Unfall, fortgeschrittenem Alter oder einer ähnlichen Lage Betreuung anbieten, sollen geeignete Möglichkeiten der Vorbereitung auf den Tod anbieten. Personen in Todesgefahr sollen mit jeder Information versorgt werden, die nötig ist, um ihnen zu helfen, ihre Lage zu verstehen, und sie sollen die Möglichkeit haben, ihre Lage mit ihren Familienmitgliedern und den Anbietern der Betreuung zu diskutieren. Man soll ihnen auch die geeignete medizinische Information anbieten, die es ermöglicht, die ihnen zugänglichen sittlich legitimen Entscheidungen anzusprechen. Man soll ihnen geistliche Unterstützung anbieten und ebenso die Gelegenheit, die Sakramente zu empfangen, um sich gut auf den Tod vorzubereiten.

56. Eine Person besitzt die sittliche Verpflichtung, gewöhnliche oder im richtigen Verhältnis stehende Mittel der Lebensverlängerung einzusetzen. Im richtigen Verhältnis stehende Mittel sind diejenigen, die nach dem Urteil des Patienten eine vernünftige Hoffnung auf Nutzen anbieten und keine außergewöhnliche Last mit sich bringen oder außergewöhnliche Kosten für die Familie oder die Gesellschaft auferlegen.[40]

57. Eine Person darf absehen von außergewöhnlichen oder nicht im richtigen Verhältnis stehenden Mitteln der Lebenserhaltung. Nicht im richtigen Verhältnis stehende Mittel sind diejenigen, die nach dem Urteil des Patienten keine vernünftige Hoffnung auf Nutzen anbieten oder eine außergewöhnliche Belastung mit sich bringen oder außergewöhnliche Kosten für die Familie oder die Gesellschaft auferlegen.[41]

58. Es soll eine starke Annahme zugunsten der Bereitstellung von Nahrung und Flüssigkeit für alle Patienten geben, einschließlich jener Patienten, die eine medizinisch unterstützte Ernährung und Flüssigkeitszufuhr benötigen, so lange wie dies von ausreichendem Nutzen ist, um die Belastungen auszugleichen, denen der Patient ausgesetzt ist.

59. Das freie und informierte Urteil, das von einem kompetenten erwachsenen Patienten betreffend den Einsatz oder die Absetzung lebenserhaltender Maßnahmen gemacht wurde, soll immer respektiert und normalerweise auch befolgt werden, wenn es nicht im Gegensatz steht zur katholischen Morallehre.

60. Euthanasie ist eine Handlung oder Unterlassung, die aus sich selbst oder aufgrund ihrer Absicht den Tod herbeiführt, um das Leiden zu erleichtern. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge dürfen niemals in irgendeiner Weise die Euthanasie oder die Beihilfe zum Selbstmord billigen oder daran teilnehmen. Sterbende Patienten, die nach der Euthanasie verlangen, sollen liebevolle Betreuung, psychologische und geistliche Unterstützung und geeignete Mittel für Schmerz und andere Symptome erhalten, sodaß sie bis zum Zeitpunkt des natürlichen Todes in Würde leben können.[42]

61. Patienten sollen so schmerzfrei wie möglich gehalten werden, sodaß sie in Trost und Würde und auch an einem von ihnen gewünschten Ort sterben können. Da eine Person das Recht hat, sich auf ihren Tod vorzubereiten, solange sie noch voll bewußt ist, soll sie nicht ohne zwingenden Grund des Bewußtseins beraubt werden. Solange die Absicht nicht ist, den Tod zu beschleunigen, dürfen Medikamente, die in der Lage sind, den Schmerz zu lindern oder zu unterdrücken, einer sterbenden Person verabreicht werden, auch wenn diese Therapie in indirekter Weise das Leben der Person verkürzt. Jenen Patienten, die Leid erfahren, das nicht gelindert werden kann, soll man helfen, das christliche Verständnis des erlösenden Leidens zu erfassen.

62. Die Bestimmung des Todes soll durch einen Arzt oder eine kompetente medizinische Autorität in Einklang mit verantwortlichen und allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Kriterien erfolgen.

63. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge sollen jene ermutigen, die ihre Organe und körperlichen Gewebe aus ethisch legitimen Absichten spenden wollen, und die nötigen Mittel bereitstellen, um dafür Anstalten zu treffen, daß diese Organe und Gewebe zur Spende und Forschung nach dem Tod verwendet werden können.

64. Derartige Organe dürfen nicht entfernt werden, bis medizinisch festgestellt wurde, daß der Patient gestorben ist. Um irgendeinen Interessenskonflikt zu vermeiden, darf der Arzt, der den Tod bestimmt, nicht Mitglied des Transplantationsteams sein.

65. Die Verwendung von Gewebe oder Organen von einem Kind darf erlaubt werden, nachdem der Tod festgestellt wurde, und mit der informierten Zustimmung der Eltern oder des Vormunds.

66. Katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge dürfen sich menschliches Gewebe nicht zunutze machen, das man durch direkte Abtreibungen erhalten hat – auch nicht zur Forschung und für therapeutische Zwecke.[43]

Teil 6
Die Bildung neuer Partnerschaften zwischen Organisationen und Anbietern der Gesundheitsfürsorge

Einführung

Bis vor kurzem erfreuten sich die meisten Anbieter der Gesundheitsfürsorge eines Grades von Unabhängigkeit voneinander. In stets zunehmendem Maße kamen katholische Anbieter der Gesundheitsfürsorge in Verbindung mit anderen Organisationen und Anbietern der Gesundheitsfürsorge. Beispielsweise nehmen viele katholische Systeme und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge teil am gemeinsamen Erwerb von Technik und Diensten bei anderen lokalen Einrichtungen oder Gruppen von Ärzten. Ein anderes Phänomen stellt die wachsende Anzahl katholischer Systeme und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge dar, die sich zu integrierten Netzen der Dienstleistung oder auch zu geleiteten Organisationen der Fürsorge verbinden oder die diese gemeinsam sponsern, um mit Versicherungsunternehmen und anderen Geldgebern der Gesundheitsfürsorge vertragliche Bindungen einzugehen. In einigen Fällen unterstützen katholische Systeme der Gesundheitsfürsorge einen Gesundheitsfürsorgeplan oder eine Organisation zur Erhaltung der Gesundheitsfürsorge. In vielen Diözesen werden neue Partnerschaften zu einer Abnahme der Zahl der Anbieter der Gesundheitsfürsorge führen, wobei manchmal die katholische Einrichtung als der einzige Anbieter von Gesundheitsfürsorgediensten übrig bleibt. Auf jeder Ebene schmieden neue Partnerschaften eine Vielzahl von miteinander verflochtenen Beziehungen: zwischen den verschiedenen institutionellen Partnern, zwischen Anbietern der Gesundheitsfürsorge und der Gesellschaft, zwischen Ärzten und Gesundheitsfürsorgediensten sowie zwischen Gesundheitsfürsorgediensten und Geldgebern.

Auf der einen Seite können neue Partnerschaften als Gelegenheiten für katholische Einrichtungen und Dienste der Gesundheitsfürsorge angesehen werden, Zeugnis abzulegen für ihre religiösen und ethischen Bindungen, und so einen Einfluß ausüben auf den Beruf des Heilens. Beispielsweise können neue Partnerschaften dabei helfen, die Soziallehre der Kirche umzusetzen. Neue Partnerschaften können Gelegenheiten sein, das örtliche Versorgungssystem neu zu ordnen, um eine ununterbrochene Gesundheitsfürsorge für die Gesellschaft anzubieten; sie können Zeugnis ablegen für eine verantwortliche Verwaltung begrenzter Ressourcen der Gesundheitsfürsorge; sie können Gelegenheiten darstellen, armen und verletzlichen Personen einen gerechteren Zugang zu grundlegender Betreuung anzubieten.

Auf der anderen Seite können neue Partnerschaften ernsthafte Herausforderungen darstellen für die Lebendigkeit der Identität katholischer Einrichtungen und Dienste der Gesundheitsfürsorge und für ihre Fähigkeit, diese Leitlinien in einer inhaltlich stimmigen Weise umzusetzen, besonders wenn neue Partnerschaften mit jenen geschlossen werden, welche die katholischen sittlichen Grundsätze nicht teilen. Man kann die Gefahr des Ärgernisses nicht unterschätzen, wenn Partnerschaften nicht auf gemeinsame Werte und sittliche Grundsätze aufgebaut werden. Die Gelegenheiten zu Partnerschaften für einige katholische Anbieter der Gesundheitsfürsorge können sogar die weitergeführte Existenz anderer katholischer Einrichtungen und Dienste bedrohen, besonders wenn Partnerschaften nur von finanziellen Erwägungen motiviert sind. Gerade wegen der möglichen Gefahren im Hinblick auf neu entstehende Partnerschaften ist eine verstärkte Zusammenarbeit unter katholisch betriebenen Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge wesentlich und soll noch vor anderen Formen von Partnerschaften gesucht werden.

Die bedeutenden Herausforderungen, die neue Partnerschaften stellen, schließen jedoch nicht notwendigerweise ihre Möglichkeit auf sittlicher Grundlage aus. Die potentiellen Gefährdungen machen es nötig, daß sich neue Partnerschaften einer systematischen und objektiven moralischen Analyse unterziehen, welche die verschiedenen Faktoren berücksichtigt, welche oft Einrichtungen und Dienste in neue Partnerschaften hineindrängen, welche die Unabhängigkeit und das Dienstamt des katholischen Partners verringern können. Die folgenden Leitlinien bieten sich an, um institutionell verankerten katholischen Diensten der Gesundheitsfürsorge Hilfe anzubieten bei diesem Prozeß der Analyse. Zu diesem Zweck hat die Katholische Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten (USCCB) ein Ad-hoc-Komitee zu „Gesundheitsthemen und die Kirche“ als Hilfe für Bischöfe und Leiter der Gesundheitsfürsorge eingesetzt.

Diese Neuausgabe der „Ethischen und Religiösen Leitlinien“ läßt den Anhang weg, der die Zusammenarbeit behandelte und in der Ausgabe von 1995 beinhaltet war. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die kurze Formulierung der Prinzipien der Kooperation, wie sie dort vorgestellt wurde, nicht in ausreichendem Maß gewissen möglichen Fehlinterpretationen vorbeugen konnte und in der Praxis Probleme bei den konkreten Anwendungen der Prinzipien entstehen ließ. Verläßliche theologische Fachleute sollen bei der Interpretation und Anwendung der Prinzipien, welche die Kooperation regeln, konsultiert werden, unter der Bedingung, daß es katholische Partner normalerweise vermeiden sollen, in Partnerschaften einzutreten, die sie in Kooperation mit schlechten Taten anderer Anbieter bringen würden.

Leitlinien

67. Entscheidungen, die zu ernsten Konsequenzen für die Identität oder den Ruf katholischer Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge führen können oder das hohe Risiko des Ärgernisses mit sich bringen, sollen in Konsultation mit dem Diözesanbischof oder seiner Stelle für Gesundheitsfürsorge getroffen werden.

68. Jede Partnerschaft, welche die Sendung oder die religiöse und sittliche Identität institutioneller katholischer Dienste der Gesundheitsfürsorge betreffen wird, muß die Lehre und Ordnung der Kirche respektieren. Diözesanbischöfe und andere kirchliche Autoritäten sollen einbezogen werden, wenn sich solche Partnerschaften bilden, und der Diözesanbischof soll die geeignete Autorisierung erteilen, bevor sie endgültig abgeschlossen werden. Die Zustimmung des Diözesanbischofs ist nötig für Partnerschaften, die von Einrichtungen getragen werden, welche seiner Leitungsvollmacht unterstehen; für Partnerschaften, die von religiösen Instituten päpstlichen Rechts getragen werden, soll sein „Nihil obstat“ eingeholt werden.

69. Wenn eine katholische Organisation der Gesundheitsfürsorge es in Erwägung zieht, in ein Abkommen mit einer anderen Organisation einzutreten, die mit Aktivitäten befaßt sein kann, welche von der Kirche als sittlich schlecht beurteilt werden, muß sich die Beteiligung an derartigen Aktivitäten auf das beschränken, was mit den sittlichen Prinzipien übereinstimmt, welche die Zusammenarbeit regeln.

70. Katholischen Organisationen der Gesundheitsfürsorge ist es nicht erlaubt, sich in unmittelbarer materieller Kooperation an Handlungen zu beteiligen, die in sich sittlich schlecht sind, wie Abtreibung, Euthanasie, Beihilfe zum Selbstmord und direkte Sterilisation.[44]

71. Die Möglichkeit des Ärgernisses muß bedacht werden, wenn man die Grundsätze anwendet, welche die Mitwirkung regeln.[45] Eine Mitwirkung, die in allen anderen Hinsichten sittlich erlaubt ist, kann zu verweigern sein aufgrund des Ärgernisses, das verursacht werden mag. Bisweilen kann Ärgernis vermieden werden durch eine geeignete Erklärung dessen, was tatsächlich in der Anstalt der Gesundheitsfürsorge unter katholischen Vorzeichen getan wird. Der Diözesanbischof besitzt die Letztverantwortung zur Bewertung und zum Hinweis auf Fälle von Ärgernis, indem er nicht nur die Umstände in seiner lokalen Diözese, sondern auch die regionalen und nationalen Folgen aus seiner Entscheidung bedenkt.[46]

72. Der katholische Partner in einer vertraglichen Abmachung hat die Verantwortung, regelmäßig eine Bewertung vorzunehmen, ob die bindende Abmachung in einer Weise eingehalten und umgesetzt wird, die übereinstimmt mit der katholischen Lehre.

Schluß

Krankheit bringt unsere Grenzen und unsere menschliche Schwachheit zur Sprache. Sie kann die Form der Schwäche annehmen, die sich aus der einfachen Vergänglichkeit der Jahre ergibt, oder die einer Verletzung in der Fülle jugendlicher Kraft. Sie kann zeitweise oder chronisch sein, schwächend oder sogar tödlich. Doch der Jünger Jesu begegnet der Krankheit und den Konsequenzen der menschlichen Verfaßtheit im Bewußtsein, daß unser Herr allzeit Mitleid gegenüber den Schwachen zeigt.

Jesus lehrte seine Jünger nicht nur, voll Mitleid zu sein, sondern er lehrte sie auch, wer der besondere Gegenstand ihres Mitleidens sein sollte. Dem Gleichnis des Festmahls mit seinen einfachen Gästen ging die Anweisung voraus: „Wenn du ein Festmahl abhältst, dann lade die Armen, die Verkrüppelten, die Lahmen und die Blinden ein“ (Lk 14,13). Das waren die Menschen, die Jesus heilte und liebte.

Katholische Gesundheitsfürsorge ist eine Antwort auf die Aufforderung Jesu hinzugehen und in gleicher Weise zu handeln. Katholische Dienste der Gesundheitsfürsorge freuen sich über den Aufruf, Christi heilendes Erbarmen in der Welt darzustellen. Sie sehen ihre Aufgabe nicht nur als ein Bemühen, die Gesundheit wiederherzustellen und zu erhalten, sondern auch als einen geistlichen Dienst und ein Zeichen jenes endgültigen Heils, das eines Tages die neue Schöpfung herbeiführen wird, welche die letzte Frucht des Dienstes Jesu und der Liebe Gottes für uns ist.

Excerpts from The Documents of Vatican II, ed. Walter M. Abbott, SJ, copyright © 1966 by America Press are used with permission. All rights reserved. Scripture texts used in this work are taken from the New American Bible, copyright © 1991, 1986, and 1970 by the Confraternity of Christian Doctrine, Washington, D.C. 20017 and are used by permission of the copyright owner. All rights reserved. Copyright © 2001, United States Conference of Catholic Bishops, Inc., Washington, D.C. All rights reserved. No part of this work may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the copyright holder. To order Ethical and Religious Directives, Fourth Edition, in its official published format, contact USCCB Publishing Services, 800–235–8722 (in the Washington metropolitan area or from outside the United States, 202–722–8716). Pocket-size format: No. 5–452; Three-hole punch format: No. 5–454. $1.95 per copy plus shipping and handling; quantity discounts are available.

 

 


 

 

[1] National Conference of Catholic Bishops, Health and Health Care: A Pastoral Letter of the American Catholic Bishops (Washington, D.C.: United States Catholic Conference, 1981).

[2] Dienste der Gesundheitsfürsorge unter katholischen Vorzeichen werden in einer Vielzahl institutioneller Einrichtungen wahrgenommen (z.B. in Hospitälern, Kliniken, Ambulanzstationen, Notfallzentren, Hospizen, Pflegeheimen und Pfarren). Je nach inhaltlichem Zusammenhang werden diese Leitlinien die Begriffe „Einrichtung“ und/oder „Dienst“ verwenden, um die Vielzahl der Bereiche einzuschließen, in denen katholische Gesundheitsfürsorge angeboten wird.

[3] Health and Health Care, p. 5.

[4] 2. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam Actuositatem“, 1965, Nr. 1.

[5] Papst Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben über die Berufung und Sendung der Laien in der Kirche und der Welt „Christifideles Laici“, 1988, Nr. 29.

[6] Siehe beispielhaft folgende Stellungnahmen der Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung über die vorsätzliche Abtreibung, 1974; Erklärung zur Euthanasie, 1980; Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und über die Würde der Fortpflanzung. Antwort auf bestimmte gegenwärtige Fragestellungen “Donum vitae“, 1987.

[7] Papst Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris, 1963, Nr. 11; Health and Health Care, pp. 5, 17–18; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2211.

[8] Papst Johannes Paul II., Enzyklika „Sollicitudo Rei Socialis“ über die soziale Sorge der Kirche anläßlich des 20. Jahrestages der Enzyklika „Populorum Progressio“, 1987, Nr. 43.

[9] National Conference of Catholic Bishops, Economic Justice for All: Pastoral Letter on Catholic Social Teaching and the U.S. Economy (Washington, D.C.: United States Catholic Conference, 1986), no. 80.

[10] Die Pflicht verantwortlicher Verwaltung fordert verantwortliche Zusammenarbeit. Bei diesen Bemühungen der Zusammenarbeit müssen institutionell verankerte katholische Dienste der Gesundheitsfürsorge auf Anlässe achtgeben, in denen die Verhaltenskodices und Praktiken anderer Institutionen nicht vereinbar sind mit der autoritativen Sittenlehre der Kirche. In diesen Zeitverhältnissen sollen katholische Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge festlegen, ob oder bis zu welchem Grad eine Zusammenarbeit sittlich zulässig sein könnte. Um dieses Urteil zu fällen, sollen die Leitungsorgane katholischer Institutionen sich auf die sittlichen Prinzipien bezüglich der Mitwirkung verpflichten. Siehe Teil 6.

[11] Health and Health Care, p. 12.

[12] Vgl. Codex Iuris Canonici, cann. 921–923.

[13] Vgl. ebd., can. 867, § 2, sowie can. 871.

[14] Um die Nottaufe zu spenden, muß man die rechte Absicht haben (das zu tun, was die Kirche in der Taufe beabsichtigt) und Wasser über das Haupt der Person gießen, die getauft werden soll, während man die Worte spricht: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

[15] Vgl. Codex Iuris Canonici, can. 883, 3.

[16] Beispielsweise ist mit der Spende einer Niere ein Verlust von biologischer Integrität gegeben, während eine derartige Spende die funktionale Integrität nicht in Frage stellt, da menschliche Wesen in der Lage sind, mit nur einer Niere auszukommen.

[17] Vgl. Leitlinie 53.

[18] Erklärung zur Euthanasie, Teil IV; vgl. auch Leitlinien 56–57.

[19] Es wird empfohlen, daß eine Frau, der sexuelle Gewalt widerfahren ist, bezüglich der ethischen Restriktionen in Kenntnis gesetzt wird, die katholische Spitäler davon abhalten, zur Abtreibung führende Verfahrensweisen anzuwenden; vgl. Pennsylvania Catholic Conference, Guidelines for Catholic Hospitals Treating Victims of Sexual Assault, in: Origins 22 (1993) 810.

[20] Papst Johannes Paul II., Ansprache an die 35. Generalversammlung der Weltvereinigung für die Medizin („World Medical Association“) vom 29. Oktober 1983, in: AAS 76 (1984) 390.

[21] 2. Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ (= GS), Nr. 49.

[22] GS 50.

[23] Paul VI., Enzyklika „Humanae vitae“ (= HV), Nr. 14.

[24] HV 12.

[25] Papst Johannes XXIII., Enzyklika „Mater et Magistra“, 1961, Nr. 193, zitiert in: Kongregation für die Glaubenslehre, Donum Vitae, Nr. 4.

[26] Papst Johannes Paul II., Enzyklika „Veritatis Splendor”, 1993, Nr. 50.

[27] “Die homologe künstliche Besamung innerhalb der Ehe kann nicht zugelassen werden, mit Ausnahme des Falls, in dem das technische Mittel nicht den ehelichen Akt ersetzen, sondern ihn erleichtern und ihm helfen würde, sein natürliches Ziel zu erreichen.” – Donum Vitae, Teil II, B, Nr. 6; vgl. auch Teil I, Nr. 1 und 6).

[28] Donum vitae, Teil II, A, Nr. 2.

[29] „Die den ehelichen Akt ersetzende künstliche Besamung ist wegen der freiwillig bewirkten Trennung zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes verboten. Die Masturbation, mit deren Hilfe normalerweise der Same gewonnen wird, ist ein weiteres Zeichen für diese Trennung; auch wenn sie in Hinblick auf die Fortpflanzung geschieht, bleibt diese Handlung ihrer Bedeutung auf die Vereinigung hin beraubt: ‚denn es fehlt ihr ... eine von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe realisiert’.“ – Donum vitae, Teil II, B, Nr. 6.

[30] Donum vitae, Teil II, A, Nr. 3.

[31] Vgl. Leitlinie 45.

[32] Donum Vitae, Teil I, Nr. 2.

[33] Vgl. Donum Vitae, Teil I, Nr. 4.

[34] Kongregation für die Glaubenslehre, Antworten auf vorgelegte Zweifel zur „Gebärmutterisolierung“ und andere Fragen, 31. Juli 1993, in: Origins 24 (1994) 211–212.

[35] Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens „Salvifici doloris“, 1984, Nr. 25–27.

[36] National Conference of Catholic Bishops, Order of Christian Funerals (Collegeville, Minn.: The Liturgical Press, 1989), Nr. 1.

[37] Erklärung zur Euthanasie.

[38] Erklärung zur Euthanasie, Teil II.

[39] Komitee für Pro-Life-Aktivitäten, National Conference of Catholic Bishops, Nutrition and Hydration: Moral and Pastoral Reflections (Washington, D.C.: United States Catholic Conference, 1992). Hinsichtlich der Wichtigkeit, die mit Autorität vorgelegte kirchliche Lehre bei der Bildung des Gewissens und beim Treffen sittlicher Entscheidungen zu konsultieren, siehe Veritatis Splendor, Nr. 63–64.

[40] Erklärung zur Euthanasie, Teil IV.

[41] Ebd.

[42] Vgl. ebd.

[43] Donum Vitae, Teil I, Nr. 4.

[44] Während es viele Handlungen von verschiedenartiger sittlicher Schwere gibt, die als in sich schlecht identifiziert werden können, sind im Kontext der gegenwärtigen Gesundheitsfürsorge die am meisten dringenden Angelegenheiten die Abtreibung, die Euthanasie, die Beihilfe zum Selbstmord sowie die direkte Sterilisation. Siehe die Ad-limina-Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die Bischöfe von Texas, Oklahoma, and Arkansas (Region X), in: Origins 28 (1998) 283. Siehe auch „Antworten zur Praxis der Sterilisation in katholischen Krankenhäusern“ („Quaecumque sterilizatio“, 13. März 1975, in: Origins 10 (1976) 33–35: „Jede institutionell gebilligte oder tolerierte Mitwirkung bei Handlungen, die in sich selbst – das heißt, aufgrund ihrer Natur und Verfaßtheit – auf ein empfängnisverhütendes Ziel gerichtet sind, ist absolut verboten. Denn die offizielle Gutheißung der direkten Sterilisation und a fortiori ihre Bereitstellung und Ausführung in Einklang mit Krankenhausrichtlinien ist eine Angelegenheit, die in der objektiven Ordnung ihrer Natur nach oder in sich schlecht ist.“ Diese Leitlinie ersetzt den „Commentary on the Reply of the Sacred Congregation for the Doctrine of the Faith on Sterilization in Catholic Hospitals”, veröffentlicht von der „National Conference of Catholic Bishops” am 15. September 1977 in: Origins 11 (1977) 399–400.

[45] Siehe Katechismus der Katholischen Kirche: „Das Ärgernis ist eine Haltung oder ein Verhalten, das den Anderen zum Bösen verleitet.“ (Nr. 2284) „Wer seine Befugnisse so gebraucht, daß sie zum Bösen verleiten, macht sich des Ärgernisses schuldig und ist für das Böse, das er direkt oder indirekt begünstigt, verantwortlich.“ (Nr. 2287)

[46] Siehe „The Pastoral Role of the Diocesan Bishop in Catholic Health Care Ministry”, in: Origins 26 (1997) 703.